Abteilung: Sendereihe: Sendedatum: Produktion: Kirche und Religion Gott und die Welt 25.05.2017 22.05.2017 Redaktion: Autor/-in: Sendezeit: Anne Winter Barbara Zillmann 9.04-9.30 Uhr/kulturradio 9.15-17.00 Uhr/T9 _____________________________________________________________________________ Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt; eine Verwertung ohne Genehmigung des Autors ist nicht gestattet. Insbesondere darf das Manuskript weder ganz noch teilweise abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Eine Verbreitung im Rundfunk oder Fernsehen bedarf der Zustimmung des RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg). _____________________________________________________________________________ GOTT UND DIE WELT Ein Blick ins Jenseits Das Motiv der Himmelfahrt Sprecherin: Viola Sauer Zitator: Helmut Gauss Regie: Clarisse Cossais 2 Musik 1 Zitator Und siehe, eine Tür ward aufgetan im Himmel, und (…) die Stimme, die ich hörte (...), sprach: Steig herauf, ich will dir zeigen, was am Ende der Welt geschehen soll. Alsbald wurde ich vom Geist ergriffen - und siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron sass einer. Und der da saß, war anzusehen wie der Stein Jaspis und Karneol. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah. Und um den Thron (...) waren vierundzwanzig Älteste, mit weissen Kleidern angetan und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen. Sieben Fackeln mit Feuer brannten vor dem Thron, (...) die (...) Geister Gottes. Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer. Titelsprecherin Ein Blick ins Jenseits Das Motiv der Himmelfahrt Eine Sendung von Barbara Zillmann Zitator Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll; und er hat sie durch seinen Engel gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan… Sprecherin So beginnt die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament, die vermutlich um das Jahr 90 aufgeschrieben wurde. Der Prophet Johannes erhält darin Einblicke ins Himmelreich, er sieht phantastische Landschaften, göttliche Heerscharen, herumirrende Seelen. Und er erfährt, dass den Menschen das Jüngste Gericht bevorsteht. Seine IchErzählung verbindet astrologische und altorientalische Bilder mit der christlichen Botschaft: Wer an den auferstandenen Jesus glaubt, darf hoffen, einmal mit ihm im Himmel zu wohnen. Ein Trost und eine Bestätigung für die frühen Christen in Zeiten der Verfolgung: O-Ton 1 Michael Utsch Der Himmel war ja schon seit jeher ein Bild von Sehnsuchtsvorstellungen. Ein zukünftiges Paradies, dabei wurde das Diesseits, das Jammertal der Erde als Mühseliges, etwas Belastendes, auch Trauriges dargestellt, und man hoffte, auch später einmal in einem tollen Gefährt vielleicht aufgenommen zu werden in die höheren Regionen, das Hellblau des Himmels ist ja auch so eine sinnliche Anmutung dessen, dass es dort einmal sehr 3 angenehm, friedlich, wohlriechend und wohlklingend zugehen wird, also eine Projektionsfläche für ein besseres Morgen. Sprecherin Michael Utsch ist Religionspsychologe bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Er geht davon aus, dass die Himmelfahrtslegenden die Bedürfnisse der Gläubigen spiegeln. Tatsächlich ähneln sich die Bilder in vielen Religionen – bis hin zu der Frage, wie der Mensch überhaupt in den Himmel gelangt. O-Ton 2 Utsch Man muss natürlich diese große Kluft zwischen dem mühevollen Alltag hier unten und der ganz weit entfernten überirdischen Welt überbrücken. Und ein weit verbreitetes Gefährt dafür ist eben ein Wagen mit vier Rädern, wo vielleicht dann auch ein Engel tragen hilft oder irgendwelche Feuerblitze zur Verfügung stehen - ich brauch ein Gefährt, um in diesen anderen Zustand transformiert zu werden. Sprecherin Denn menschliche und göttliche, reale und ideale Welten sind weit voneinander entfernt, sagt Johann Hafner, Katholik und Professor für Religionswissenschaft an der Universität Potsdam. O-Ton 3 Hafner Religionen bestehen geradezu darin, dass sie einen sakralen Bereich vom irdischen Bereich klar unterscheiden. Ohne diese Differenz des unerreichbar Himmlischen und des hiesigen Diesseitigen hätten die ganzen Riten gar keinen Sinn. Und gleichzeitig versuchen die Religionen diese Grenze immer wieder zu überwinden. O-Ton 4 Utsch Insofern ist das Motiv der Reise und des großen Abstands auch ganz wichtig. Denn um diesen idealen Ort zu erreichen, das kann nicht um die Ecke sein. Sondern das ist eine Anstrengung, ist qualitativ ein absolut anderer Zustand. Sprecherin Ein Urmuster der Himmelfahrt bietet der altägyptische Sonnengott Re. Er selbst ist die Sonne, die jeden Morgen mit einer Barke aus der Unterwelt ans Firmament reist, um die Welt zu erleuchten. Auch die griechischen Götter des Olymp lebten im Himmel, und Menschen konnten als Halbgötter zu ihnen aufsteigen. Manche Himmelfahrer hatten Flügel oder wurden von einem Löwen, einem Adler, einem Pferd getragen. Warum führt die Reise aber immer von unten nach oben – und nicht etwa hinter den Horizont? O-Ton 5 Utsch Um die Erdanziehungskraft, die Schwere des eigenen Körpergewichts, die sorgenvolle Schwere der Alltagsmühen zu überwinden. ..Wenn ich fliegen kann, wenn ich die Schwere 4 der Glieder überwinde, zieht mich der Geist und die Phantasie nach oben, deswegen gibt es keinen andern Ort für den Himmel als oben über den Wolken. Musik 2 Zitator (Psalm 104, 1-4) Herr mein Gott, wie groß bist du! ... Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, du spannst den Himmel aus wie ein Zelt. .. Du nimmst dir die Wolken zum Wagen, du fährst einher auf den Flügeln des Sturmes. Du machst dir die Winde zu Boten und lodernde Feuer zu deinen Dienern. Sprecherin Zu allen Zeiten beschäftigte das Jenseits die Phantasie der Menschen. Wie mochte es dort aussehen? Nur wenige Auserwählte, so die religiösen Überlieferungen, konnten tatsächlich davon berichten. Kultur- und epochenübergreifend versuchten Menschen auch sich durch Rauschmittel, Tänze und Gesang in Trance zu versetzen, um wenigstens eine Ahnung zu erhaschen, kurzzeitig ein "göttliches Wohlgefühl" zu erlangen. Johann Hafner unterscheidet zwischen kleinen und großen Himmelfahrten, zwischen kurzen "Himmelsblicken" und Reisen ohne Wiederkehr. O-Ton 6 Hafner Also der Blick kann getan werden in der Ektase oder im Traum oder auch bewusst, da haben wir alle möglichen Berichte in der Bibel. Jesaja, Stephanus, Paulus sind Figuren, von denen solche Himmelsblicke berichtet werden. Und davon zu unterscheiden sind jetzt Himmelfahrten von Personen, die endgültig in das himmlische Reich entzogen werden, der bekannteste ist Henoch. Sprecherin Henoch gehört zu den "Gerechten", den besonders Gottesfürchtigen. Sie sind in Judentum, Christentum und Islam auserwählt, Gott besonders nahe zu sein. Einer von ihnen ist der wichtigste Prophet des Judentums, der Wanderprediger Elias. Etwa um 800 vor Christus ermahnte er die Israeliten, Jahwe die Treue zu halten und den Baalskult abzulehnen. In einem öffentlichen Wettstreit mit den Baalspropheten fordern beide Parteien ihren Gott heraus, ein Zeichen zu setzen. Allein Jahwe, der Gott des Elias, gibt sich durch ein Feuerzeichen zu erkennen. Kurz darauf wird Elias selbst durch 5 Feuerzeichen in den Himmel geholt. Im 2. Buch der Könige wird geschildert, wie er mit seinem Nachfolger Elisa am Ufer des Jordan entlang geht. Zitator Und als sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Wetter gen Himmel. Elisa aber sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und sein Gespann! Und sah ihn nicht mehr. O-Ton 7 Hafner Die Himmelfahrt Elias wird in der Bibel ganz breit ausgemalt, weil er in einem Feuerwagen nach oben fuhr, und vor den Augen, also vorm Publikum sozusagen spektakulär entschwand. Und nur sein Mantel, sein Zeichen der Autorität zurückbleibt und es dann weitergegeben wird an andere Propheten. Sprecherin Staffelübergabe im Diesseits sozusagen. Aber auch im Jenseits sind die biblischen Vorgänger schon da. Wenn Jesus nach seiner Himmelfahrt vor Gott tritt, werden die Himmelfahrer des Alten Testaments, Henoch und Elias ihn schon erwarten. Und auch Mohammed trifft auf seiner Himmelsreise viele, die vor ihm aufgestiegen waren - Moses, Abraham, Jesus. Zwischen Himmel und Erde gibt es ein Auf und Ab. Berge dienen dabei als Begegnungsstätte. O-Ton 8 Hafner Also Gott ist nicht allein im Himmel, sondern er wird vorgestellt, dass er mit den Gerechten oder denen, die er zu sich direkt aufgenommen hat, Zwiesprache hält oder sich berät. Dazu gehören dann auch die sogenannten Göttersöhne, die Engel, aber auch die zum Himmel gefahrenen gerechten Menschen. Sprecherin Ein himmlischer Hofstaat umgibt Gott in den monotheistischen Religionen. Eine Gruppe ist besonders für die Himmelfahrer wichtig: die Erzengel. Aus einem jüdischen Gute-NachtGebet: Musik 3 Zitator Im Namen Gottes soll Michael, der Schutz Gottes, zu meiner Rechten sein, Gabriel, die Macht Gottes, zu meiner linken Seite, vor mir Uriel, das Licht Gottes, hinter mir Rafael, der Heiler Gottes, und über meinem Kopf Gott selbst. 6 Sprecherin Ausgestattet mit Flügeln, Zepter oder Schwert, kämpfen die Erzengel für die Sache Gottes - als Boten zwischen Himmel und Erde. Sie schützen und begleiten die Menschen, und manchmal bereiten sie sie auf eine Verheissung oder Gottesbegegnung vor. Musiktrenner Sprecherin Eine besondere Vorbild- und Mittlerfunktion haben Engel im Islam. Sie sind rein und nicht von Trieben und Egoismus geprägt wie die Menschen, erklärt der Berliner Imam Osman Örs: O-Ton 9 Osman Örs Ihre Beschaffenheit wird im Koran berichtet: dass sie aus dem sogenannten "Nur" erschaffen sind und "Nur" kann man übersetzen als ein göttliches Licht. Das heißt, ihr wahres Wesen, ihre wahre Natur ist göttliches Licht und fern unserer materiellen Welt eigentlich. Aber gleichzeitig können sie in unsere materielle Welt auch einfließen und in unserer Welt auch in Menschengestalt unter anderem in Erscheinung treten. Sprecherin Ein Engel ist es auch, der den Propheten Mohammed auf seine Mission vorbereitet. So überbrachte der Erzengel Gabriel ihm die erste Offenbarung - in der sogenannten "Nacht der Bestimmung", arabisch "Lailat al Qadr". Es war der Auftrag, fortan die offenbarten Worte Gottes vorzutragen und weiter zu verbreiten. Eine Aufgabe, die Mohammed wie vielen Propheten vor ihm zunächst Angst machte. O-Ton 10 Osman Örs Überwältigt von der Erscheinung des Engels und den Versen begab sich der Prophet dann angsterfüllt nachhause zu seiner Frau und bat sie, ihn zuzudecken. Diese Berufung und diese Verantwortung - er war überwältigt und erschüttert davon und war sich nicht klar, ob das wirklich etwas Göttliches war oder etwas Teuflisches. Aber seine Frau Hatice bestärkte ihn. Auch der Cousin, ein Christ, bestätigte ihn noch mal, dass die Begegnung mit dem Engel eine göttliche Erscheinung gewesen war. Sprecherin So ist Mohammed einige Zeit später auch bereit, sich auf eine Himmelsreise zu begeben, die sogenannte "Nachtreise". Anknüpfend an Sure 17 des Koran wurde die Geschichte von Islamgelehrten in verschiedenen Versionen überliefert. Im Mittelpunkt steht die Reise auf einem geflügelten Pferd, dem Buraq, von der Kaaba in Mekka zum Tempel in Jerusalem. Zeitpunkt: vor etwa 1500 Jahren. Die Erzählung des Abdallah Ibn Massud beginnt so: 7 Musik 4 Zitator Man brachte Mohammed den Buraq, - das ist das Tier, welches schon Propheten vor ihm getragen hat, und welches seine Hufe so weit setzt, wie sein Auge reicht - und setzte ihn darauf. Dann zog sein Gefährte Gabriel mit ihm los, und er sah die Wunderzeichen zwischen Himmel und Erde, bis er zum Heiligen Tempel in Jerusalem kam. Dort fand er Abraham, Mose und Jesus inmitten einer Schar von Propheten, die für ihn zusammengebracht worden war, und verrichtete das Gebet mit ihnen. Sprecherin Eine Art Initiationsritus für den künftigen Propheten des Islam. Danach seien Mohammed und Gabriel auf einer Leiter bis ans erste Himmelstor hinaufgestiegen. Durch sieben Himmel musste Mohammed gehen, wobei er weitere biblische Figuren traf, etwa Adam, Aron, Joseph oder Henoch. Schließlich trat er vor Gott - und handelte mit ihm aus, dass Muslime 5mal am Tag beten sollen. Religionsgeschichtlich legitimiert Mohammeds Himmelfahrt den Islam als jüngste monotheistische Religion, in der Tradition von Judentum und Christentum. Seine nächtliche Reise, arabisch "Lailat al Miraj" wird in der Volkskunst reich ausgeschmückt und als hoher Feiertag begangen. Manche Islamgelehrte verstanden sie aber immer schon als ein symbolisches Geschehen, das eine intensive Glaubenserfahrung beschreibt. Auch im Christentum gilt die Himmelfahrt Jesu als Beleg für zentrale Glaubensaussagen: Jesus sei Gottes Sohn, der die Menschen von Leid und Sünde erlöst habe. Beim letzten Treffen mit den Jüngern kündigt er seine Wiederkehr beim jüngsten Gericht an und ihre Taufe durch den Heiligen Geist. Musik 5 Zitator Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Sprecherin so heißt es knapp in der Apostelgeschichte. Der Evangelist Markus ergänzt, Jesus habe zur Rechten Gottes im Himmel Platz genommen. Was dann dort geschah, ist in der Bibel nicht belegt. Doch zahlreiche Gemälde in Kirchen schmücken den himmlischen Kosmos, 8 vor und nach Jesu Tod, in bunten Farben aus. Und umgehen dabei das biblische Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“, erklärt der Religionspsychologe Michael Utsch: O-Ton 11 Utsch Aus religionspsychologischer Sicht ist das eine Hilfskonstruktion, denn ganz eindeutig gibt es ja das Bilderverbot, und wir wissen ja auch, dass Gott eine Dimension ist, die unser Denken übersteigt, die unsere Vorstellungskraft übersteigt, auf der anderen Seit brauchen wir, wenn wir zum Beispiel ein Gebet formulieren, die Vorstellung eines Gegenübers. Sprecherin Das Material dafür lieferte unter anderem der Prophet Henoch, der frühe Himmelfahrer aus dem 1. Buch Mose. Nach ihm sind mehrere weit verbreitete Schriften benannt, die zwischen 300 vor und 60 nach Christus zusammengetragen wurden, vermutlich von mehreren Verfassern. Zitator auf Musik Ich sah die Söhne der Engel auf Feuerflammen treten, ihre Kleider waren weiss und ihr Gewand und Antlitz leuchteten wie Schnee. ... Und mit ihnen kam der Betagte, sein Haupt war weiss und rein wie Wolle und sein Gewand unbeschreibbar. Da fiel ich auf mein Angesicht, mein ganzer Leib schmolz zusammen und mein Geist verwandelte sich. Ich schrie mit lauter Stimme und segnete, pries und erhob ihn. ... Er kam zu mir, grüßte mich mit seiner Stimme, und sprach zu mir: Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird. Sprecherin Henoch und andere nichtbiblische Verfasser, die eine Endzeit erwarteten, schilderten aber auch grausame Visionen von Hölle und Fegefeuer. Viele bildstarke Texte sind später nicht in die Bibel aufgenommen worden, wohl auch deshalb, weil sie als Phantasiegebilde erkannt wurden. Musik 6 O-Ton 12 Hartmut Walsdorff Als Kinder haben wir unter anderem ein Kindergebet gesprochen - mein Vater ist ja noch im Krieg gefallen, da war ich zwei Jahre alt, und da haben wir immer gebetet: "lieber Gott mach mich fromm dass ich" - und jetzt kommt ja eigentlich "dass ich in den Himmel komme" - aber wir haben immer eingefügt, "dass ich zu dir und unserm Väti in den Himmel komm", und das hat irgendwie den Himmel n bisschen näher ran geholt, n bisschen vertrauter gemacht, denn da war ja unser Vater, und wenn der da ist und Gott auch da ist, denn ist eigentlich alles gut. 9 Sprecherin Hartmut Walsdorff ist pensionierter Pfarrer und noch oft als Seelsorger und Prediger unterwegs. Er weiss, wie wichtig für viele die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod ist, die eigene persönliche Himmelfahrt. Und die der geliebten Verstorbenen. O-Ton 13 Walsdorff Dieser Aspekt des Wiedersehens, der spielt bei vielen frommen Menschen ne ganz ganz tröstliche und beruhigende Rolle. Wir verabschieden uns zwar von einem Menschen, aber wir werden ihn wiedersehen. Deswegen auch dieses Kindergebet. Das so auf ne sehr naive Weise aber doch irgendwas transportiert hat, was sich dann in mein Herz gesenkt hat und das seinen Platz behalten hat. O-Ton 14 Hafner Die Himmelfahrt überspringt sozusagen die tödliche Gefahr, die am Ende unseres Lebens wartet. Und die große Frage dann ist, bleib ich mit meinem ganzen Körper, meiner Information, meiner Seele, meiner Geschichte hier in der irdischen Welt, nachdem ich gestorben bin, oder geht das irgendwie über. Der Tod ist eine schmerzhafte, von allen Kulturen als große Unterbrechung empfundene Spaltung meiner Geschichte, und dann sind die Geschichten, die sagen, es ist möglich, wenigstens für einige direkt aus dem irdischen Leben in den himmlischen Bereich zu kommen, ohne die Todesgrenze passieren zu müssen, besonders attraktiv. Sprecherin Nach einer Umfrage des Emnid-Instituts in Deutschland 2016 glaubt etwa die Hälfte aller Menschen über 60 an ein irgendwie geartetes Weiterleben nach dem Tod, unter jungen Menschen sind es sogar zwei Drittel. O-Ton 15 Walsdorff Worauf sollen sie sonst hoffen? Es ist ja die einzige Hoffnung, die sozusagen über die Grenze, der wir alle entgegen leben, wirksam und wirklich hinausführt, und ob wir das dann Himmel nennen oder Ewigkeit, das sind für mich auch zwei Begriffe, die durchaus große Schnittmengen haben, weil es ja alles nur Hilfskonstruktionen sind. Sprecherin Pfarrer Hartmut Walsdorff erlebt, dass vor allem kranke Menschen darauf angewiesen sind. O-Ton 16 Walsdorff Ich denke, man muss doch berücksichtigen, dass die allermeisten Menschen nicht friedlich und gesund im Bett sterben zuhause, sondern eben doch vorher ne mehr oder weniger intensive Leidens- und Sterbenszeit haben, und dann geht die Hoffnung natürlich auf die Erlösung, auf ein Loskommen von diesem Letzten, ... und das macht es den Menschen möglich zu gehen, ...zumindest leichter. Musik 10 Sprecherin Der Physiker und Sterbeforscher Markolf H. Niemz hat versucht, Seelenerfahrungen am Lebensende und moderne Physik zusammen-zuführen. Er hält die Nahtod-Erlebnisse vieler Menschen für erklärbar, wenn sie von einem glücklichen Gefühl in einem Lichttunnel sprechen, von der Begegnung mit Angehörigen - unter einer Annahme: diese Wahrnehmungen beruhen auf neurobiologischen Prozessen und physikalischen Vorgängen im Rahmen der Quantenphysik. Könnte es also sein, dass die Himmels- und Paradiesvorstellungen vieler Religionen einen begründeten Kern haben? Und aus einer archaischen Erfahrung einzelner Menschen am Tor zum Jenseits stammen? Der gläubige Christ Markolf H. Niemz vermutet das. Ein dauerhaftes, dem Erdenleben vergleichbares Dasein nach dem physischen Tod nimmt aber auch er nicht an. Allerdings: Wissen, Erfahrungen und Liebe der Menschen könnten im Kosmos aufgehoben sein. Denn die ganze Schöpfung atmet Liebe und Licht. O-Ton 17 Walsdorff Es ist ne Gegenwelt, und wir sind im Grunde berufen, bevollmächtigt sogar von Jesus, dass wir an dem Bau dieser Gegenwelt, wird ja auch manchmal das Reich Gottes genannt, dass wir da mitarbeiten. Und das zeigt auch wieder die Nähe zum Himmel, dass Jesus sagt, seht, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen - da bleibt ja in der Schwebe, ob damit nur gemeint ist, dass wir .. in die Höhe kommen, oder ob damit gemeint ist, nee: der Himmel kommt auch n Stück näher auf die Erde, mit eurer Hilfe. Sprecherin Den Himmel auf Erden sollen Christen mitgestalten. Den Idealzustand, der nur im Jenseits zuhause scheint, im Diesseits einrichten. Einen neuen Himmel und eine neue Erde verheisst schon die Offenbarung des Johannes. Dann werden Himmelfahrten keine Sehnsuchtsreisen mehr sein. Der erste, der gen Himmel fuhr, Henoch, lässt Gott dort oben sagen: Musik 7 Zitator In jenen Tagen werde ich die himmlischen Vorratskammern des Segens öffnen, um sie auf die Erde, auf das Werk und die Arbeit der Menschenkinder herabkommen zu lassen. Und dann werden Heil und Recht alle Tage der Welt und alle Geschlechter der Menschen hindurch sich paaren. 11 Titelsprecherin Ein Blick ins Jenseits Das Motiv der Himmelfahrt Sie hörten eine Sendung von Barbara Zillmann Es sprachen: Viola Sauer und Helmut Gauss Ton: Bernd Bechtold Redaktion: Anne Winter Regie: Clarisse Cossais Das Manuskript der Sendung können Sie bei unserer Serviceredaktion bestellen, aus Berlin oder Potsdam unter 97993-2171. Oder per e-mail [email protected] und zum Nachhören oder lesen finden Sie die Sendung auch im Internet unter kulturradio.de