FAQ 2: (Polarkoordinaten, Eulersche Formel, komplexe Wurzeln)

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Prof. Dr. C. Hesse
PD Dr. P. H. Lesky
Dipl. Math. D. Zimmermann
Msc. J. Köllner
Universität Stuttgart
Fachbereich Mathematik
Höhere Mathematik I
FAQ 2
07.11.2013
el, kyb, mecha, phys
Funktionen komplexer Zahlen
In Abschnitt 1.7 des Vorlesungsskriptes “Lineare Algebra und Geometrie” von W. Kimmerle und M. Stroppel
werden komplexe Zahlen eingeführt und wichtige Rechenregeln angegeben. In Abschnitt 1.8 folgt dann die
Polardarstellung
z = |z| · [cos (ϕ) + i sin (ϕ)]
komplexer Zahlen, wobei |z| den Betrag und ϕ = arg (z) das Argument bezeichnen. Der Betrag lässt sich dabei
einfach ausrechnen, anhand der Skizze
Re(z)
|z|
Im(z)
arg (z)
sehen wir, dass nach Pythagoras
h
i1/2
2
2
|z| = Re(z) + Im(z)
gilt. Um das Argument zu berechnen ist eine Fallunterscheidung notwendig. Wir wissen, dass
tan : (−π/2, π/2) → R, ϕ 7→ tan (ϕ)
bijektiv ist. Die Umkehrabbildung tan−1 = arctan bildet dann von R in das Intervall (−π/2, π/2) ab. Liegt z
also auf der rechten Halbebene, d.h. ist Re(z) > 0, so können wir einfach diese Umkehrabbildung verwenden,
ist z hingegen aus der linken Halbebene mit Re(z) < 0, so müssen wir den Winkel geeignet verschieben.
Zusammenfassend überlegt man sich folgende einfache Vorschrift:

arctan Im(z)
falls Re(z) > 0,
Re(z)
arg (z) =
π + arctan Im(z)
falls Re(z) < 0.
Re(z)
Im Fall Re(z) = 0 liegt z auf der imaginären Halbachse und es ist arg (z) = ±π/2.
√
1 Beispiel. Betrachte z1 = 1 + 3i. Wegen Re(z1 ) = 1 > 0 liegt z1 in der rechten Halbebene und das Argument
berechnet sich zu
√
arg (z1 ) = arctan ( 3) = π/3.
Sei z2 = −1 − i, dann liegt z2 auf der linken Halbebene und es ist
arg (z2 ) = π + arctan (1) = π + π/4 = 5π/4.
Verwendet man die Eulersche Formel
eiϕ = cos (ϕ) + i sin (ϕ),
(1)
so wird die Polardarstellung zu z = |z|·eiϕ . Hierbei bezeichnet e tatsächlich die aus der Schule bekannte Eulersche
Zahl 2, 71828 . . . . Ausführlich wird (1) in HM 2 begründet, im Folgenden wollen wir die Exponentialdarstellung
nur durch Nachrechnen eines Potenzrechengesetzes motivieren: Betrachten wir die Additionstheoreme
sin (ϕ1 + ϕ2 )
=
sin (ϕ1 ) cos (ϕ2 ) + cos (ϕ1 ) sin (ϕ2 ),
cos (ϕ1 + ϕ2 )
=
cos (ϕ1 ) cos (ϕ2 ) − sin (ϕ1 ) sin (ϕ2 )
1
für die Sinus- und Cosinusfunktion, so folgt sofort
eiϕ1 · eiϕ2
=
[cos (ϕ1 ) + i sin (ϕ1 )] · [cos (ϕ2 ) + i sin (ϕ2 )]
=
cos (ϕ1 ) cos (ϕ2 ) − sin (ϕ1 ) sin (ϕ2 ) + i [sin (ϕ1 ) cos (ϕ2 ) + cos (ϕ1 ) sin (ϕ2 )]
=
cos (ϕ1 + ϕ2 ) + i sin (ϕ1 + ϕ2 )
=
ei(ϕ1 +ϕ2 ) .
(2)
Exponentialfunktion
In der Schule wurde die Exponentialfunktion x 7→ ex für reelle Zahlen x definiert. Gleichung (1) definiert die
Exponentialfunktion für rein imaginäre Zahlen, d.h. Zahlen der Form iy mit y ∈ R. Um die Exponentialfunktion
für z = x + iy ∈ C zu definieren setzen wir nun einfach
ez = ex+iy := ex · eiy .
Wegen
ei·0 = cos (0) + i sin (0) = 1
sehen wir sofort, dass beide Definitionen der Exponentialfunktion auf den reellen Zahlen übereinstimmen. Zusammen mit den Potenzrechengesetzen für reelle Exponenten (Schule) und rein imaginären Exponenten aus (2)
folgt für z1 , z2 ∈ C zudem
ez1 · ez2 = ex1 · eiy1 · ex2 · eiy2 = ex1 +x2 · ei(y1 +y2 ) = ez1 +z2 .
Trigonometrische Funktionen
Betrachten wir noch einmal die Eulersche Formel (1):
e
eiϕ
=
cos (ϕ) + i sin (ϕ)
−iϕ
=
cos (ϕ) − i sin (ϕ).
Dann liefern Addition, bzw. Subtraktion beider Gleichungen
2 cos (ϕ)
=
eiϕ + e−iϕ
2i sin (ϕ)
=
eiϕ − e−iϕ .
Motiviert durch diese Zusammenhänge definiert man die komplexe Sinus- bzw. Cosinusfunktion für z ∈ C durch
cos (z)
=
sin (z)
=
1 iz
e + e−iz
2
1 iz
e − e−iz .
2i
Analog definiert man die hyperbolischen Funktionen durch
cosh (z)
=
sinh (z)
=
1 z
e + e−z
2
1 z
e − e−z .
2
Wurzeln
Natürliche Potenzen lassen sich in der Polardarstellung ebenfalls leicht ausrechnen. Hierfür zeigt man mit (2)
zunächst induktiv, dass
iϕ n
e
= einϕ
für alle n ∈ N gilt. Damit lässt sich das n-fache Produkt von z mit sich selbst wie folgt ausdrücken:
n
z n = r · eiϕ = rn · einϕ .
Die n-ten Wurzeln w einer komplexen Zahl z sollen nun diejenigen Zahlen sein, für die wn = z gilt. Schreiben
wir w und z in Polardarstellung als z = reiϕ und w = Reiφ , so erhalten wir aus dieser Bedingung
wn = Rn einφ = reiϕ = z,
2
bzw. |w|n = Rn = r = |z| und arg (wn ) = n · arg (w) = arg (z). Beachte, dass die letzte Gleichung nur
Informationen bis auf ganzzahlige Vielfache von 2π liefert, d.h. eigentlich haben wir
⇒
nφ = ϕ + 2kπ
φk = φ =
ϕ 2kπ
+
n
n
mit k ∈ Z (vgl. Skript, Abschnitt 1.8.4). Wegen
ϕ
ϕ
ϕ
eiφn = ei[ n +2π] = ei n · ei2π = ei n = eiφ0
genügt es dabei wiederum nur die Werte k = 0, . . . , n − 1 zu berücksischtigen. Die n-te Wurzel einer komplexen
Zahl besitzt daher stets n verschiedene Lösungen.
√
2 Beispiel. Wir möchten die 3. Wurzel von z = 32(1 + i) berechnen. Dazu schreiben wir z in Polardarstellung:
√
π
z = 32(1 + i) = 8ei 4
und erhalten
wk = 2ei[ 12 +
π
2πk
3
] , k = 0, 1, 2.
Um die Wurzeln in der komplexen Ebene zeichnen zu können setzen wir die verschiedenen k ein und bekommen
π
w0
=
2ei 12 ,
w1
=
2ei[ 12 +
2π
3
],
w2
=
2ei[ 12 +
4π
3
].
π
π
Anschaulich entspricht π/3 dem Winkel 60◦ , damit sehen wir, dass der Winkel zwischen den Zeigern zweier
Wurzeln gerade 120◦ beträgt, die Wurzeln also die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks bilden (vgl. Skizze).
√
6 Im(z)
32(1 + i)
5
4
3
2
w1
1
w0
Re(z)
−2
−1
1
2
3
4
5
6
−1
w2
−2
Interessiert man sich für den Real- und Imaginärteil einer komplexen Quadratwurzel, so ist ein anderes Verfahren
zur Berechnung besser geeignet:
3 Beispiel. Wir möchten alle Lösungen von w2 = 5 + 12i berechnen. Dafür wählen wir den Ansatz w = x + iy
und erhalten
w2 = (x + iy)2 = x2 − y 2 + 2xyi = 5 + 12i.
(3)
Vergleicht man in dieser Gleichung die Real- und Imaginärteile miteinander erhalten wir folgendes Gleichungssystem:
5
=
x2 − y 2
12
=
2xy.
3
Aus der letzten Gleichung folgt, wenn wir zunächst einmal y 6= 0 annehmen, dass x = 6/y. Setzen wir die in die
erste Gleichung ein, so erhalten wir
5 = 36/y 2 − y 2
y 4 + 5y 2 − 36 = 0.
⇒
(4)
Die Lösung dieser Gleichung bestimmt man nun mit der aus der Schule bekannten Standardmethoden, es ist
√
−5 ± 13
−5 ± 25 + 144
2
=
,
y± =
2
2
2
2
also y+
= 4 bzw. y−
= −9 (diese Lösung verwerfen wir sofort, da der Imaginärteil einer komplexen Zahl eine
reelle Zahl ist). Setzen wir y+ wieder in unsere Gleichung für x ein, so erhalten wir
w± = ±(3 + 2i)
als Lösungen von w2 = 5 + 12i.
Für Genießer
Setzt man in (1) für ϕ die Zahl π ein, so verschwindet der Sinus auf der rechten Seite und wir erhalten
eiπ + 1 = 0.
Diese Gleichung wird von Ästheten manchmal als die schönste Formel der Welt bezeichnet, da hier die Eulersche
Zahl e, die Kreiszahl π, die imaginäre Einheit i, die reelle Einheit 1 und das neutrale Element 0 der Addition
in einem recht einfachen Zusammenhang vereint sind.
4
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