1 Die Menge C der komplexen Zahlen 1.1 Definition Wir betrachten die reelle Zahlengerade als x-Achse einer xy-Ebene C, deren Punkte z = (x, y) dabei als komplexe Zahlen z ∈ C bezeichnet werden. Die beiden reellen Zahlen x und y heißen Realteil bzw. Imaginärteil der komplexen Zahl z = (x, y). Eine reelle Zahl x ∈ R ⊂ C ist also eine komplexe Zahl mit Imaginärteil y = 0, x = (x, 0). (1) Als Addition in C wählen wir die bekannte vektorielle Addition in R2 , z1 + z2 ≡ (x1 , y1 ) + (x2 , y2) := (x1 + x2 , y1 + y2 ). (2) Auf der x-Achse wird dadurch die gewöhnliche Addition reeller Zahlen reproduziert, (x1 , 0) + (x2 , 0) = (x1 + x2 , 0) ≡ x1 + x2 . (3) Die Multiplikation in C legen wir fest durch die kompliziertere Vorschrift z1 · z2 ≡ (x1 , y1) · (x2 , y2 ) := ( x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 ). (4) Es gilt also etwa (5, 3) · (−4, 7) = (−41, 23). Der Punkt “·“ wird meistens fortgelassen. Auf der x-Achse wird wieder die gewöhnliche Multiplikation reeller Zahlen reproduziert, (x1 , 0)(x2 , 0) = (x1 x2 , 0) ≡ x1 x2 . (5) Übung: Für z1 , z2 , z3 ∈ C beweise man das Kommutativ- und das Distributivgesetz, z1 z2 = z2 z1 , (z1 + z2 )z3 = z1 z3 + z2 z3 . (6) Es folgen die binomischen Formeln, (z1 ± z2 )2 = z12 ± 2z1 z2 + z22 , (z1 + z2 )(z1 − z2 ) = z12 − z22 . (7) Definieren wir als imaginäre Einheit die spezielle komplexe Zahl (0, 1) =: i ⇒ i 2 ≡ (0, 1)(0, 1) = (−1, 0) ≡ −1 ∈ R, (8) so können wir jede beliebige komplexe Zahl z = (x, y), mit x, y ∈ R, schreiben als z = (x, y) = (x, 0) + (0, y) = x(1, 0) + y(0, 1) = x · 1 + y · i ≡ x + i y. (9) [Man beachte, daß mit a ∈ R und z = (x, y) ∈ C gilt az ≡ (a, 0)(x, y) = (ax, ay).] Damit erhält man das Multiplikationsgesetz (4) einfach durch ”Ausmultiplizieren“ z1 · z2 ≡ (x1 + i y1 ) · (x2 + i y2) = x1 x2 + i (x1 y2 + x2 y1 ) + ( i 2 ) · y1 y2 = (x1 x2 − y1 y2 ) + i (x1 y2 + x2 y1 ). 1 (10) 1.2 1.2.1 Polardarstellung komplexer Zahlen Betrag und Argument Das Quadrat von z = x + i y ist im allg. weder positiv noch reell, z 2 ≡ (x + i y)(x + i y) = (x2 − y 2 ) + (2xy) i . (11) Das Produkt der Zahl z = x+ i y mit der zu ihr komplex-konjugierten Zahl z ∗ := x− i y, zz ∗ ≡ (x + i y)(x − i y) = x2 + y 2, ist dagegen immer reell und nicht-negativ. Die positive Wurzel daraus, p √ zz ∗ = x2 + y 2 =: |z|, (12) (13) ist die Länge des Ortsvektors der Zahl z in der Zahlenebene, also ihr geometrischer Abstand von der Zahl 0. Dieser Abstand heißt der Betrag |z| von z. Der Winkel φ, den dieser Ortsvektor (im mathematisch positiven Gegenuhrzeigersinn) mit der positiven x-Achse einschließt, heißt das Argument arg(z) von z. Es gilt also |z| = r, arg(z) = φ ⇒ z = r cos φ + i r sin φ ≡ r cos φ + i sin φ . (14) | {z } | {z } =x =y Diese Polardarstellung ist die Alternative zur kartesischen Darstellung z = x + i y einer komplexen Zahl. 1.2.2 Geometrische Deutung der Multiplikation In der Polardarstellung ergibt sich für das Produkt zweier komplexer Zahlen z1 · z2 ≡ r1 cos φ1 + i sin φ1 · r2 cos φ2 + i sin φ2 h i = r1 r2 cos φ1 cos φ2 − sin φ1 sin φ2 + i cos φ1 sin φ2 + sin φ1 cos φ2 .(15) Nach den Additionstheoremen für Sinus und Cosinus gilt also h i z1 z2 = r1 r2 cos(φ1 + φ2 ) + i sin(φ1 + φ2 ) . (16) Satz: Bei der Multiplikation (4) zweier komplexer Zahlen z1 und z2 multiplizieren sich die Beträge der Faktoren, während sich deren Argumente addieren, |z1 z2 | = r1 r2 ≡ |z1 ||z2 |, arg(z1 z2 ) = arg(z1 ) + arg(z2 ). Bsp.: Man zeichne z1 = 3 + i , z2 = 1 + 2 i und das Produkt z1 z2 = 1 + 7 i . Bsp.: Man skizziere zur Zahl z ≈ 1 + 1 10 i die Potenzen z 2 , z 3 , z 4 , etc.. 2 (17) 1.2.3 Exponentialschreibweise komplexer Zahlen Wir führen eine Exponentialschreibweise ein, cos φ + i sin φ =: e i φ . (18) Dann ergibt sich die Addition der Argumente φ1 und φ2 bei der Multiplikation von z1 mit z2 formal aus den Gesetzen der Potenzrechnung, z1 · z2 ≡ r1 e i φ1 · r2 e i φ2 = r1 r2 e i (φ1 +φ2 ) . (19) Am Rande sei bemerkt, daß e i φ ∈ C für beliebige φ ∈ R eine Zahl vom Betrag 1 ist, q |e i φ | = cos2 φ + sin2 φ = 1. (20) Im Zusammenhang mit Potenzreihen und der Taylor-Entwicklung werden wir sehen, daß Gl. (18) die natürliche Erweiterung der Exponentialfunktion f (x) = ex , mit der Zahl e = 2.718... als Basis, auf komplexe Zahlen ist (Abschnitt A.3 in mm12.tex). 1.3 Der Körper (C, +, ·) Die Menge C bildet zusammen mit der Addition und der Multiplikation komplexer Zahlen einen Körper: Zunächst ist (C, +) eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0; das zu z = x + i y Inverse ist −z = (−x) + i (−y). Aber auch (C\{0}, ·) ist eine abelsche Gruppe, mit neutralem Element 1. Das zu z = x + i y Inverse ist y x − i 2 , (21) z −1 = 2 2 x +y x + y2 wie man leicht nachrechnet, zz −1 = 1. Außerdem gilt das Distributivgesetz. Bem.: Zur Division zweier komplexer Zahlen erweitert man mit dem konjugiert Komplexen z ∗ := x − i y des Nenners z = x + i y, 2+5i (2 + 5 i ) · (3 − 4 i ) (6 + 20) + (15 − 8) i 26 7 = = = + i. 2 2 3+4i (3 + 4 i ) · (3 − 4 i ) 3 +4 25 25 (22) Probe: Multiplikation des Resultats mit 3 + 4 i ergibt wieder 2 + 5 i . 1.4 1.4.1 Wurzeln komplexer Zahlen Definition Jede Lösung w ∈ C der Gleichung w n = z heißt eine n-te Wurzel der komplexen Zahl z. Aus der geometrischen Deutung der Multiplikation ergibt sich der Satz: Jede komplexe Zahl z = |z|e i φ mit |z| = 6 0 hat genau n paarweise verschiedene n-te Wurzeln. Unter ihnen heißt die Zahl p (23) w1 =n |z| e i φ/n 3 der Hauptwert der n-ten Wurzeln. Die übrigen n-ten Wurzeln bilden zusammen mit dem Hauptwert in der Zahlenebene ein reguläres n-Eck mit Mittelpunkt im Ursprung. Bsp.: (SKIZZE) Die dritten Wurzeln w1,2,3 von z = 1 + i , mit |wn | = 21/6 = 1.122. Bsp.: Die beiden Quadratwurzeln von z = x + i y = |z|e i φ sind p p w1,2 = x + i y = ± |z|e i φ/2 , √ wobei der Ausdruck ” x + i y“ zweideutig ist. In kartesischer Darstellung führt der Ansatz (u + i v)2 = x + i y auf s s ! p p 2 2 2 2 p x+ x +y −x + x + y x + iy = ± + i . 2 2 (24) (25) Hier sind auf der rechten Seite alle Radikanden reel-positiv! 1.4.2 Fundamentalsatz der Algebra Eine Verallgemeinerung des letzten Satzes ist der Satz (FS der Algebra): Jedes komplexe Polynom n-ten Grades, f (z) = z n + an−1 z n−1 + ... + a1 z + a0 , (26) mit beliebigen Koeffizienten ak ∈ C, zerfällt über C in genau n Linearfaktoren, f (z) = (z − z1 ) · ... · (z − zn ). (27) Die komplexen Nullstellen z1 , ..., zn müssen nicht paarweise verschieden sein. Bsp. 1: Das Polynom z 2 + 1 läßt sich nicht als Produkt z 2 + 1 = (z − z1 )(z − z2 ) (28) mit reellen Konstanten z1 unf z2 darstellen. Sehr wohl gilt aber z 2 + 1 = (z − i )(z + i ) (29) mit den komplexen Konstanten z1 = i unf z2 = − i . Bsp. 2: Kompliziertere Beispiele sind z 3 − 2z 2 + 9z − 18 = (z 2 + 9)(z − 2) = (z − 3 i )(z + 3 i )(z − 2), 2 z − 4z + 13 = z − (2 − 3 i ) z − (2 + 3 i ) . 4 (30) 1.4.3 Quadratische Gleichungen Eine quadratische Gleichung mit beliebigen Koeffizienten a, b, c ∈ C (mit a 6= 0), az 2 + bz + c = 0, (31) läßt sich durch quadratische Ergänzung auf folgende Form bringen, b2 − 4ac b 2 = . z + 2a 4a2 (32) b Im Fall b2 − 4ac = 0 gibt es nur die eine Lösung z1 = − 2a . Im Fall b2 − 4ac 6= 0 gibt es genau zwei Lösungen z1,2 , b mit denen w1,2 = z1,2 + 2a die beiden Quadratwurzeln (25) von z1,2 Bsp. 1: Im Fall b = − ± 2a r b2 −4ac 4a2 sind, √ b2 − 4ac −b ± b2 − 4ac ≡ . 4a2 2a z 2 + (6 + 2 i )z + (7 + 5 i ) = 0 (33) ist b2 − 4ac = (36 − 4 + 24 i ) − (28 + 20 i ) = 4 + 4 i . (34) Damit ergibt Gl. (25) z1,2 = −b ± √ 1 4+4i = −(3 + i ) ± 2 2 q √ 2+2 2+ i q √ ! −2 + 2 2 . (35) Im wichtigsten Fall a, b, c ∈ R sind beide Lösungen entweder reell oder zueinander komplex-konjugiert, √ −b ± b2 − 4ac , falls b2 − 4ac > 0, 2a (36) z1,2 = √ 2 4ac − b −b ± i , falls b2 − 4ac < 0, 2a p denn die Quadratwurzeln von x ∈ R− sind ± i |x|. Bsp. 2: Im Fall z 2 − 4z + 5 = 0 z1,2 Bsp. 3: Im Fall ist b2 − 4ac = −4, √ 4 ± i +4 = 2 ± i. = 2 z 2 − 4z + 13 = 0 z1,2 ist b2 − 4ac = −36, √ 4 ± i +36 = = 2 ±3i. 2 (37) 5 (38) 2 Die Diracsche Deltafunktion 2.1 Normierte Gaußfunktionen Wir betrachten folgende Schar von Gaußfunktionen, gǫ (x) := 1 2 2 √ e−x /ǫ ǫ π (ǫ > 0). (39) Die Funktion gǫ (x) fällt beiderseits von ihrem Maximum bei x = 0 sehr schnell auf den Grenzwert limx→±∞ gǫ (x) = 0 ab. Die “Breite” dieses Maximums ist 2ǫ, denn es gilt gǫ (ǫ) = gǫ (−ǫ) = 1 1 gǫ (0) ≈ gǫ (0). e 2 (40) Bei x = ±5ǫ ist gǫ (x) dagegen bereits fast auf den Grenzwert 0 abgefallen, gǫ (5ǫ) = gǫ (−5ǫ) = e−25 gǫ (0) ≡ 1.39 · 10−9 gǫ (0). (SKIZZE) 6 (41) dx = ǫ, also dx = ǫdu Substituiert man x = ǫu, so folgt wegen du Z ∞ Z ∞ Z ∞ 1 1 2 −x2 /ǫ2 dx gǫ (x) = √ dx e =√ du e−u = 1, (42) ǫ π −∞ π −∞ −∞ R∞ √ 2 wobei im letzten Schritt das bekannte Gauß-Integral −∞ du e−u = π benutzt wurde. Für alle Werte von ǫ > 0 sind also die Funktionen gǫ (x) “auf 1 normiert”. 2.2 Definition der Deltafunktion Für hinreichend kleines ǫ > 0 wird gǫ (x) beliebig scharf um x = 0 herum konzentriert. Für eine gegebene stetige Testfunktion f (x) mit Df = R wählen wir ǫ > 0 so klein, daß für alle x mit |x| < 5ǫ mit gewünschter Genauigkeit gilt f (x) ≈ f (0). Dann gilt mit der gleichen Genauigkeit Z ∞ Z ∞ Z ∞ (43) dx gǫ (x)f (x) ≈ dx gǫ (x)f (0) = f (0) dx gǫ (x) = f (0). −∞ −∞ −∞ {z } | 1 Im Limes ǫ → 0 wird diese Näherung exakt, Z ∞ lim dx gǫ (x)f (x) = f (0). ǫ→0 (44) −∞ P Für Polynome f (x) = a0 + a1 x + ... + an xn ≡ nk=0 ak xk läßt sich dies explizit zeigen, Z ∞ Z ∞ n X 1 2 2 dx f (x) gǫ (x) = ak dx xk √ e−x /ǫ ǫ π −∞ −∞ k=0 Z n n ∞ X X a ak Ik k 2 √ ǫ , √k ǫk+1 = (45) du uk e−u = ǫ π π −∞ k=0 k=0 R∞ 2 mit den Integralen Ik = −∞ du uk e−u (vgl. Aufgabe 5.3 b,ii vom Vorkurs April 2014) (k−1)!! √ √ π (k = 2, 4, 6, ...), 2k/2 Ik = I0 = π, (46) 0 (k = 1, 3, 5, ...). R Im Limes ǫ → 0 gilt also tatsächlich dx gǫ (x)f (x) → a0 ≡ f (0). Obwohl die Reihenfolge von Grenzübergang und Integration dort nicht umkehrbar ist, schreibt man Gl. (44) als Z ∞ dx δ(x)f (x) = f (0), (47) −∞ mit der sog. Deltafunktion δ(x) := lim gǫ (x). ǫ→0 δ(x) ist natürlich keine echte Funktion, denn 0 falls x < 0, ∞ falls x = 0, lim gǫ (x) = ǫ→0 0 falls x > 0. 7 (48) (49) 2.3 Interpretationen Haben x, y, z und ǫ die Dimension Länge, so stellt die Funktion ρǫ (x, y, z) = Q ǫ3 π 3/2 e−(x 2 +y 2 +z 2 )/ǫ2 ≡ Q gǫ (x) gǫ (y) gǫ(z) (50) ein Modell für die 3D Ladungsdichte eines Protons dar, dessen Schwerpunkt im Ursprung (x, y, z) = (0, 0, 0) eines 3D Koordinatensystems sitzt. Dabei muß ǫ die Größenordnung ǫ ≈ 10−15 m (51) haben. Die Ladung des Protons ist das Volumenintegral über die Ladungsdichte, Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ dx dy dz ρǫ (x, y, z) = Q dx gǫ (x) dy gǫ (y) dz gǫ (z) = Q. (52) −∞ −∞ −∞ −∞ −∞ −∞ Es ist also Q = +e zu setzen. Häufig spielt die räumliche Ausdehnung des Protons keine Rolle. Dann wählt man den Limes ǫ → 0 und erhält die Ladungsdichte einer Punktladung, ρ0 (x, y, z) = lim ρǫ (x, y, z) = Q δ(x) δ(y) δ(z). ǫ→0 (53) Mathematisch kann man die Delta-“Funktion” auffassen als eine lineare Abbildung δ : F → R, f 7→ f (0) (54) aus der Menge F aller stetigen Funktionen f : R → R in die Menge R der reellen Zahlen. Diese Abbildung δ ordnet der Funktion f = f (x) ihren Funktionswert f (0) bei x = 0 zu. Die Funktionen f ∈ F heißen Testfunktionen. Für die Physik ist es in den meisten Fällen völlig ausreichend, δ(x) mit der “echten” Funktion gǫ (x) zu identifizieren, mit einem endlichen Wert von ǫ > 0 der, angepaßt an die jeweilige Situation, lediglich hinreichend klein zu wählen ist. Bsp.: f (x) sei eine schnell oszillierende Funktion von x, etwa f (x) = sin(kx + φ) mit zwei Konstanten k und φ, wobei k ≫ 1. Damit Z ∞ dx gǫ (x)f (x) ≈ f (0) ≡ sin φ (55) (56) −∞ mit hoher Genauigkeit erfüllt ist, muß offenbar ǫ ≪ πk sein. Dann ist nämlich die Breite 2ǫ von gǫ (x) wesentlich schmäler als eine Periode 2π der Sinusfunktion. k 8 2.4 Rechenregeln Ist die Verkettung δ φ(x) der δ-Funktion mit einer anderen Funktion φ(x) sinnvoll? • Im Fall φ(x) = a(x − x0 ), mit zwei Konstanten a 6= 0 und x0 , definieren wir Z ∞ Z ∞ dx δ a(x − x0 ) f (x) := lim dx gǫ a(x − x0 ) f (x) ǫ→0 −∞ −∞ Z u2 u du = lim gǫ (u) f + x0 , ǫ→0 u a a 1 mit der Substitution a(x − x0 ) = u. Dabei ist (u1 , u2 ) = (−∞, +∞), falls a > 0 und (u1 , u2 ) = (+∞, −∞), falls a < 0. Generell gilt also Z ∞ Z ∞ u 1 1 lim + x0 = f (x0 ). du gǫ (u) f dx δ a(x − x0 ) f (x) = |a| ǫ→0 −∞ a |a| −∞ (57) (58) Man schreibt daher1 δ a(x − x0 ) 1 δ(x − x0 ), |a| = δ(ax) = 1 δ(x). |a| Im wichtigen Spezialfall a = 1 haben wir Z ∞ dx δ(x − x0 ) f (x) = f (x0 ). (59) (60) −∞ Bsp.: Z ∞ dx cos x δ(3x) = −∞ 1 3 (61) Zur Illustration skizziere man die Funktionen gǫ (x) und gǫ (3x) für ǫ ≈ 0.5 ! • Sei nun φ(x) eine Funktion mit einer Nullstelle x1 , die außerdem einfach ist, sodaß für hinreichend kleines α > 0 mit beliebiger Genauigkeit gilt φ(x) ≈ φ′ (x1 ) · (x − x1 ) (für alle x mit |φ(x)| < α). (62) Daher gilt für ǫ < α gǫ φ(x) 1 ≈ gǫ φ′ (x1 ) · (x − x1 ) Alternative Begründung: Mit β = ǫ/|a| haben wir gǫ a(x − x0 ) ≡ = 1 gǫ (x |φ′(x1 )| − x1 ). 2 2 2 2 2 1 1 1 1 √ e−a (x−x0 ) /ǫ = √ e−(x−x0 ) /β = gβ (x − x0 ). |a| β π |a| ǫ π Es gilt also Z ∞ 1 lim lim dx gǫ a(x − x0 ) f (x) = ǫ→0 −∞ |a| β→0 Z 9 ∞ −∞ dx gβ (x − x0 )f (x) = 1 f (x0 ). |a| (63) Entsprechend setzen wir δ φ(x) = 1 |φ′(x1 )| δ(x − x1 ) (64) Verallgemeinerung: Hat φ(x) nur die einfachen Nullstellen x1 , ..., xn , so gilt δ φ(x) = n X k=1 1 |φ′ (xk )| δ(x − xk ). (65) Bsp.: φ(x) = x2 − 9 hat die (einfachen) Nullstellen x1,2 = ±3. Mit φ′ (x) = 2x folgt also Z Z h 1 i f (−3) + f (3) 1 2 dx f (x)δ(x − 9) = dx f (x) δ(x + 3) + δ(x − 3) = . (66) | − 6| 6 6 Zur Illustration skizziere man die Funktion gǫ φ(x) für ǫ ≈ 0.5 ! 2.5 Ableitung der Deltafunktion Ist f (x) eine differenzierbare Funktion mit stetiger Ableitung f ′ (x), so gilt h Z ∞ Z ∞ i∞ ′ ′ ′ f (0) = lim dx gǫ (x)f (x) = lim gǫ (x)f (x) − dx gǫ (x)f (x) ǫ→0 ǫ→0 −∞ −∞ (67) −∞ Im zweiten Schritt haben wir ausgenutzt (“Partielle Integration”), daß gilt d gǫ (x)f (x) = gǫ (x)f ′ (x) + gǫ′ (x)f (x). dx Wegen limx→±∞ gǫ (x) = 0 verschwindet der erste Term auf der rechten Seite, h i∞ = 0. gǫ (x)f (x) −∞ Damit erhalten wir für beliebige x0 ∈ R das Resultat Z ∞ lim dx gǫ′ (x − x0 )f (x) = −f ′ (x0 ). ǫ→0 (68) (69) (70) −∞ Zur anschaulichen Begründung betrachten wir die Ableitung gǫ′ (x) = − 2x ǫ3 π 1/2 e−x 2 /ǫ2 . (71) Ihre Extrema liegen bei den Nullstellen der zweiten Ableitung gǫ′′ (x) = 2 ǫ5 π 1/2 (2x2 − ǫ2 )e−x √ also bei x1,2 = ±ǫ/ 2. 10 2 /ǫ2 , (72) 3 Kronecker- und Levy-Civita-Symbole Wir betrachten im 3D Raum drei paarweise orthogonale Einheitsvektoren e1 , e2 und e3 , die in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden (wie D, Z und M der rechten Hand). 3.1 Skalarprodukt und Kronecker-Symbol Nach der üblichen Definition2 a · b := |a||b| cos γ ≡ b · a (73) des Skalarprodukts zweier Vektoren a und b gilt also e1 · e2 = e1 · e3 = e2 · e3 = 0, e1 · e1 = e2 · e2 = e3 · e3 = 1. (74) Diese sechs Beziehungen lassen sich kompakt schreiben als ei · ej = δij , i, j ∈ {1, 2, 3}, mit dem Kronecker-Symbol 1 falls i = j, δij := 0 falls i = 6 j, (75) i, j ∈ {1, 2, 3, ...}. (76) Es ist also etwa δ11 = 1, δ13 = 0, etc. Um das Rechnen mit δij zu üben, betrachten wir zwei beliebige Vektoren a = a1 e1 + a2 e2 + a3 e3 = 3 X ai ei , b = b1 e1 + b2 e2 + b3 e3 = 3 X bj ej . (77) j=1 i=1 Das Distributivgesetz (λx + µy) · z = λ(x · z) + µ(y · z) ergibt zunächst a · ek = 3 X i=1 ai ei · ek = 3 X i=1 ai (ei · ek ) = | {z } =δik 3 X ai δik . (78) i=1 Die i-Summe im letzten Term bricht zusammen, da δik = 0 für alle i mit i 6= k, 3 X i=1 ai δik ≡ a1 δ1k + a2 δ2k + a3 δ3k = ak . (79) Somit erhalten wir das wichtige Resultat: Satz: Die k-te Komponente ak eines Vektors a = a1 e1 + a2 e2 + a3 e3 bezüglich einer Basis {e1 , e2 , e3 } aus paarweise orthogonalen Einheitsvektoren ist gegeben durch ak = a · ek ≡ ek · a. 2 (80) mit den Beträgen (“Längen”) |a|, |b| der Vektoren und dem von ihnen eingeschlossenen Winkel γ 11 Auf ähnliche Weise folgt unter Hinzunahme des Kommutativgesetzes x · y = y · x a·b= 3 X i=1 3 3 3 3 X 3 X X X X bj δij . ai ai bj ei · ej = ai ei · bj ej = | {z } i=1 j=1 j=1 Im letzten Term ist wieder P j a·b= =δij i=1 (81) j=1 bj δij = bi , und es folgt das bekannte Resultat 3 X i=1 ai bi ≡ a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 . (82) Bsp.: Etwa für a = 2e1 + 3e2 − 5e3 und b = −4e1 + 2e2 − 3e3 ergibt sich 2 −4 (2e1 + 3e2 − 5e3 ) · (−4e1 + 2e2 − 3e3 ) ≡ 3 · 2 = −8 + 6 + 15 = 13. (83) −5 −3 3.2 Kreuzprodukt und Levi-Civita-Symbol Wir erinnern an die Definition des Kreuzprodukts zweier Vektoren, a × b := |a||b| sin γ e⊥ = −b × a, (84) mit einem Einheitsvektor e⊥ , der senkrecht auf der von a und b aufgespannten Ebene steht und der mit a als D und b als Z den Mittelfinger M einer rechten Hand bildet. Da {e1 , e2 , e3 } ein orthonormiertes Rechtssystem ist, so gelten also etwa (e1 × e2 ) · e3 = +1, (e2 × e1 ) · e3 = −1. (85) Dies sind zwei von insgesamt 27 ähnlichen Relationen. Drei weitere sind etwa (e1 × e2 ) · e2 = 0, (e2 × e2 ) · e1 = 0, (e2 × e3 ) · e1 = +1. (86) Definiert man also die sechs Zahlen ǫ123 = ǫ231 = ǫ312 = +1, ǫ321 = ǫ213 = ǫ132 = −1, (87) sowie die insgesamt 21 zusätzlichen Zahlen ǫ111 = ǫ112 = ǫ113 = ǫ121 = ǫ122 = ǫ211 = ... = ǫ323 = ǫ331 = ǫ332 = ǫ333 = 0 (88) (bei denen jeweils mindestens zwei der drei Indizes gleich sind), so können wir alle 27 Relationen bequem zusammenfassen zu (ei × ej ) · ek = ǫijk , i, j, k ∈ {1, 2, 3}. (89) Diese Relation kann man umgekehrt als Definition des Levi-Civita-Symbols ǫijk auffassen. Man beachte die Regeln ǫijk = ǫjki = ǫkij , aber: ǫijk = −ǫkji , etc. 12 (90) Äquivalent zu dieser Formel können wir schreiben ei × ej = 3 X ǫijk ek , i, j ∈ {1, 2, 3}. k=1 (91) Von den drei Termen dieser Summe sind immer mindestens zwei gleich null, z. B.: e3 × e2 = ǫ321 e1 + ǫ322 e2 + ǫ323 e3 = −e1 . |{z} |{z} |{z} =−1 Für zwei beliebige Vektoren a = a×b= X i =0 P3 i=1 (92) =0 ai ei und b = P3 j=1 bj ej erhalten wir X X XX ai bj ǫijk ek . ai ei × ai bj (ei × ej ) = bj ej = j i,j k (93) i,j Die Komponenten von a × b sind also X X (a × b)k = ai bj ǫijk ≡ ǫkij ai bj . (94) Nur zwei der neun Summanden überleben hier! Für k = 1 gilt etwa X (a × b)1 = ai bj ǫij1 = a2 b3 ǫ231 + a3 b2 ǫ321 = a2 b3 − a3 b2 . (95) i,j i,j i,j Insgesamt ergibt sich also das bekannte Resultat a × b = (a2 b3 − a3 b2 )e1 + (a3 b1 − a1 b3 )e2 + (a1 b2 − a2 b1 )e3 . Dieselbe Beziehung ist in Spaltenvektor-Notation gegeben durch a1 b1 a2 b3 − a3 b2 a2 × b2 = a3 b1 − a1 b3 . a3 b3 a1 b2 − a2 b1 13 (96) (97) 4 Bereichsintegrale in Kugelkoordinaten Die Dichteverteilung von CO2 -Gas im Luftraum über einer Fabrik bei (x, y, z) = (0, 0, 0) (die x-Achse zeige nach Osten, die y-Achse nach Norden und die z-Achse senkrecht nach oben) sei gegeben durch die Modellfunktion a2 e−z/c , (98) b2 + x2 + y 2 mit den Konstanten a = 0.55 m, b = 98.5 m, c = 32.7 m und ρ0 = 2.32 mg3 . Dann ist ρ(x, y, z) = ρ0 ∆m = ρ(x, y, z)∆x∆y∆z (99) die in einem kleinen Quader mit Mittelpunkt (x, y, z) und den Kantenlängen ∆x, ∆y, ∆z enthaltene CO2 -Menge in Gramm (g). Die in einem großen Quader o n (100) Q = (x, y, z) x1 ≤ x ≤ x2 , y1 ≤ y ≤ y2 , z1 ≤ z ≤ z2 enthaltene CO2 -Menge m berechnet sich entsprechend durch ein dreifaches Integral, Z y2 Z z 2 Z x2 dz ρ(x, y, z). (101) dy dx m = z1 y1 x1 Um Integrale explizit berechnen zu können, wählen wir die einfachere Funktion ρ(x, y, z) = Cx2 z, (102) mit einer Konstante C > 0 (etwa C = 0.92 mg6 ), Z y2 Z z 2 Z x2 dz x2 z dy dx m = C z y x Z 1y2 h 1 2 iz Z 1x2 z 2 x3 − x31 z 2 − z12 dy x2 = ... = C 2 (y2 − y1 ) 2 . dx = C 2 z1 3 2 y1 x1 (103) Hat man statt Q die obere Halbkugel K mit Radius R und Mittelpunkt (0, 0, 0), o n 2 2 2 2 (104) K = (x, y, z) x + y + z ≤ R , z ≥ 0 , so folgt m = C Z R dx −R = = = = = = Z √ R2 −x2 √ − √ dy R2 −x2 Z √R2 −x2 −y2 dz x2 z 0 h z 2 iz=√R2 −x2 −y2 C dx √ dy x2 2 z=0 2 2 −R − R −x Z R Z √R2 −x2 R2 − x2 − y 2 dy x2 C dx √ 2 −R − R2 −x2 Z R Z √R2 −x2 x2 (R2 − x2 ) x2 y 2 C dx √ − dy 2 2 −R − R2 −x2 √ Z R h x2 (R2 − x2 ) x2 y 3 iy= R2 −x2 C dx y− √ 2 6 y=− R2 −x2 −R Z R 2 C dx x2 (R2 − x2 )3/2 3 −R iR h √ 2 R6 x π 2 2 C arcsin + f (x) R − x = CR6 3 16 R 24 −R Z R Z R2 −x2 14 (105) (vgl. Bronstein, Integral Nr. 173). Offenbar sind kartesische Koordinaten (x, y, z) zur Berechnung dieses Integrals nicht optimal. Wesentlich einfacher wird die Rechnung in Kugelkoordinaten (r, θ, φ) (SKIZZE!), x = r sin θ cos φ, y = r sin θ sin φ, z = r cos θ. (106) Mit der Jacobi-Determinante J(r, θ, φ) = r 2 sin θ gilt jetzt m = Z R dr 0 = C = C Z π/2 dθ 0 Z Z R dr 0 Z dr 0 dφ J(r, θ, φ) ρ̃(r, θ, φ) 0 Z π/2 dθ 0 R 2π Z π/2 dθ 0 Z Z 2π dφ (r 2 sin θ) (r sin θ cos φ)2 (r cos θ) 0 2π dφ r 5 sin3 θ cos θ cos2 φ. (107) 0 Mit cos2 φ = 21 (1 + cos 2φ) ergibt dies m = C Z R dr 0 = C Z Z π/2 0 R dr 0 Z Z π/2 iφ=2π h 1 1 dθ r 5 sin3 θ cos θ φ + sin 2φ 2 2 φ=0 dθ (r 5 sin3 θ cos θ)π 0 R iθ=π/2 h 1 dr r 5 sin4 θ 4 θ=0 0 Z R 1 = Cπ dr r 5 4 0 h 6 iR π π r = = C CR6 . 4 6 0 24 = Cπ 15 (108)