(Mg II_11 Deskr. Mengenl.)

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Deskr. Mg. Kap XI
Kap. XI Deskriptive Mengenlehre
Lévy, A.: Basic Set Theory, Springer 1979 (Ch. VI, VII)
Kechris, A.S.: Classical Descriptive Set Theory, Springer 1995
Moschovakis, Y. N.: Descriptive Set Theory, North Holland Publ. Co. 1980
§1 Der Satz von CANTOR-Bendixson
Die CANTORsche Kontinuumshypothese (CH): 2ℵ 0 = ℵ 1 besagt, daß die Menge ~ der rellen
Zahlen die kleinst-mögliche Kardinalzahl besitzt, d.h.
X abzählbar ∨ |X| = |~ | = 2ℵ 0 .
( * ) für jede Teilmenge X ⊆ ~ gilt:
1.1 Definition
Für reelles δ > 0, a ∈ ~ , sei
U δ (a) := {x∈ ~ | |a - x| < δ } = (a−δ , a+δ ) die (offene) δ -Umgebung von a.
Für eine Teilmenge A ⊆ ~ und a ∈ ~ sei
A offen : ↔ ∀ x ∈ A ∃δ>0 U δ(x) ⊆ A ,
A abgeschlossen : ↔ ~ − A offen ,
a Berührpunkt von A : ↔ ∀δ>0 U δ(a) ∩ A ≠ Ø , d.h. ↔ ∀δ>0 |U δ(a) ∩ A| > 0 ,
a Häufungspunkt von A : ↔ ∀δ>0 |U δ(a) ∩ A| > 1 (bzw ≥ ω),
a isolierter Punkt von A :↔ ∃δ>0 U δ (a) ∩ A = {a},
a Kondensationspunkt von A : ↔ ∀δ>0 |Uδ(a) ∩ A| > ω , somit
A - : = {x ∈ ~ | x Berührpunkt von A }
= {x ∈ ~ | ∀δ>0 U δ(x) ∩ A ≠ Ø } abgeschlossene Hülle von A,
H(A) := {x ∈ ~ | x Häufungspunkt von A }
während man
K(A) := {x ∈ ~ | x Kondensationspunkt von A } setzt.
Es gilt also:
A abgeschlossen ↔ A = A- ↔ H(A) ⊆ A , und H(A) ist abgeschlossen.
A perfekt: ↔ H(A) = A ,
d.h. A ist perfekt gdw A ist abgeschlossen und jeder Punkt von A ist Häufungspunkt von A .
Die leere Menge sowie jedes abgeschlossene Intervall sind perfekt, dagegen ist die Menge
{1/n| n = 1,2,3, . . .} ∪ {0} zwar abgeschlossen, aber nicht perfekt.
1.2 Satz (CANTOR 1895)
Ist G ⊆ ~
ein nicht-leeres Intervall oder eine nicht-leere offene Menge, so gilt
|G| = |~ | .
Zum Beweis zeigt man, daß etwa für das offene Einheitsintervall I = (0,1) gilt: I ~ ~ , jedes
weitere offene Intervall (a,b)
mit
a < b
ist mit (0,1) gleichmächtig und damit auch jedes
nicht-leere abgeschlossene bzw. halb-offene Intervall und damit auch jede offene Menge, da
diese ein (offenes) Intervall enthält.
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Die Übertragung von 1.2 auf abgeschlossene überabzählbare Mengen (offensichtlich gibt es
auch endliche und abzählbare abgeschlossene Mengen) ist weniger einfach:
1.3 Satz
Ist F ⊆ ~ eine nicht-leere abgeschlossene Menge, so gilt:
F abzählbar ∨ |F| = | ~ | .
und folgt aus
1.4 Satz
(i)
Ist X ⊆ ~ eine abgeschlossene Menge, so gibt es eine Zerlegung
X = Y ∪ Z mit Y ∩ Z = Ø , Y perfekt und Z abzählbar. (CANTOR-BENDIXSON 1883)
( i i ) Ist X ⊆ ~ eine perfekte Menge, so gilt X = Ø ∨ |X| = | ~ | .
Zum Beweis von (i) kann man für Y = K(X) wählen und dann Z = X − Y setzen. Einen anderen
Beweis hat CANTOR ursprünglich mit Hilfe der Folge der Ableitungen einer Menge X ⊆ ~
gegeben: Definiere
X (0 ) = X ,
X ( α + 1 ) = H(X( α ) ) ,
X (λ ) =
∩ α<λ X(α )
für Limeszahlen λ .
Man erhält dann (für α ≥1) eine absteigende Folge X(1 ) ⊇ X (2 ) ⊇ . . X (α ) ⊇ X (α+1 ). . . :
1.5 Lemma
( i ) X ( α ) ist abgeschlossen für α ≥1,
( i i ) X ( α ) ⊇ X ( β ) für 1 ≤ α ≤ β ,
( i i i ) ist X( α ) = X ( α+1 ) , so ist X( α ) perfekt.
Ferner gibt es zu jeder Menge X ⊆ ~ eine abzählbare Ordinalzahl
α mit X( α ) = X ( α+1 ) ,
die kleinste derartige Ordinalzahl heißt der CANTOR-BENDIXSON-Rang von X, CB(X).
Tatsächlich gibt es zu jeder abzählbaren Ordinalzahl α ein X mit CB(X) = α .
Die Aussage von Satz 1.3 ist noch nicht optimal: so sind die Mengen der rationalen } bzw. der
irrationalen Zahlen
~-}
weder offen noch abgeschlossen, aber abzählbar bzw. von der
Mächtigkeit des Kontinuums. Tatsächlich ist (*) zwar nicht für alle Teilmengen
X ⊆~
beweisbar, aber doch für viele, die "nicht zu kompliziert" sind.
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§2 BORELsche und analytische Mengen
2.1 Definition
A ist Gδ-Menge : ↔ A =
∩ n∈ {
Gn für eine abzählbare Folge offener Mengen (Gn)n∈ { ,
A ist Fσ-Menge : ↔ A =
∪ n∈ {
Fn für eine abz. Folge abgeschlossener Mengen (Fn)n∈ { .
[Merke: G = Gebiet = offen; F = abgeschlossen = fermé; σ = abzählbare Vereinigung (Summe),
= abzählbarer Durchschnitt!]
Entsprechend definiert man
Gδσ-Mengen als die abzählbaren Vereinigungen von Gδ − Mengen,
Fσδ-Mengen als die abzählbaren Durchschnitte von Fσ
− Mengen , etc.
Beispiele: F σ -, aber keine Gδ -Menge sind die rationalen Zahlen } , während die irrationalen
Zahlen eine G δ- aber keine Fσ-Menge bilden.
Ferner ist für eine beliebige reelle Funktion f: ~ → ~ die Menge der Stetigkeitspunkte von f:
C(f) : = {x∈ ~ | f stetig in x } stets eine
Gδ -Menge.
Mengen, die weder Gδ- noch Fσ-Mengen sind, sind dagegen schwieriger anzugeben (mit einem
Kardinalitäts- bzw. Diagonalargument).
Ausgehend von einfachen Mengen (z.B. den offenen Intervallen bzw. den offenen und
abgeschlossenen Mengen) erhält man durch Bildung abzählbarer Vereinigungen, abzählbarer
Durchschnitte und Komplementbildung kompliziertere Mengen, die die ersten Stufen der
BORELschen Hierarchie bilden. Daneben kann man noch in verschiedener Weise Mengen nach
ihrer Größe klassifizieren (abgesehen von ihrer Kardinalzahl):
2.2 Definition
D ⊆ ~ dicht (in ~ ): ↔ D- = ~ ↔ ∀ x∈ ~ ∀ε>0 U ε (x) ∩ D ≠ Ø ,
d.h. jedes nicht-leere offene Intervall enthält einen Punkt aus D,
N ⊆ ~ nirgends-dicht (in ~ ): ↔ N- ° = Ø ↔ N- enthält kein offenes nicht-leeres Intervall
↔ ∀I (I≠Ø offenes Intervall → ∃ J ⊆ I(J≠Ø offenes Intervall ∧ J ∩ N = Ø ) ,
d.h. N enthält "sehr viele Lücken" ,
M ⊆ ~ mager (von 1. Kategorie) : ↔ M =
∪ n∈ { D n
für eine abzählbare Folge
nirgends-dichter Mengen (Dn )n ∈ { ,
A ⊆ ~ von 2. Kategorie : ↔ A nicht mager .
Bemerkung: Es gilt:
Ist D nirgends-dicht, so auch D- .
Ist A offen oder abgeschlossen, so ist der Rand von A , ∂A := A- − A° = A - ∩ (~ − A) - ,
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nirgends-dicht.
2.3 Beispiele
Dicht in ~ , aber nicht nirgends-dicht sind:
~ selbst, die Menge } der rationalen Zahlen wie die Menge I der Irrationalzahlen.
Nirgends-dicht, aber nicht dicht in ~ sind:
Ø , {x} , alle endlichen Mengen reeller Zahlen sowie | , { und {1 /n |n = 1,2, . . } .
Mager (von 1. Kategorie) sind:
alle abzählbaren Mengen A (als abzählbare Vereinigung der nirgends-dichten {x} für x ∈ A),
insbesondere also } . Es gibt aber auch überabzählbare magere Mengen (z.B. das CANTORsche
Diskontinuum ist sogar nirgends-dicht).
Nicht mager (von 2. Kategorie) sind:
~ , jedes Intervall mit mehr als einem Punkt (Satz von BAIRE), die Menge
I
der
Irrationalzahlen (allgemein: das Komplement einer mageren Menge ist nicht mager - sonst
wäre ~ mager).
2.4 Definition
a) Ein Mengenkörper (auf einer Menge X) ist eine Menge K von Teilmengen von X (also K ⊆
P(X) ), die Ø und X enthält und unter (endlichen) Durchschnitten, Vereinigungen und unter
relativen Komplementen abgeschlossen ist:
(K1)
Ø,X∈K ,
(K2)
A,B∈K → A∩B∈K ,
(K3)
A,B∈K → A∪B∈K ,
(K4)
A,B∈K → A−B∈K .
(Die Bed. (K1) - (K4) zusammen lassen sich offensichtlich vereinfachen.)
b)
Ein Ideal (auf der Menge X) ist eine Teilmenge I ⊆ P(X) mit folgenden Eigenschaften:
(I1)
Ø ∈ I
(I2)
A,B∈I → A∪B∈I ,
A⊆ B ∈ I → A ∈ I .
(I3)
(bzw. I ≠ Ø),
Ein σ−Ideal ist ein Ideal, welches unter abzählbaren Vereinigungen abgeschlossen ist:
(I2)σ
∀n ∈
{ An ∈ I → ∪ n ∈ { A n ∈ I .
Entsprechend ist ein σ− Mengenkörper
ein Mengenkörper, welcher unter abzählbaren Ver-
einigungen (und wegen (K4) dann auch unter abzählbaren Durchschnitten) abgeschlossen ist.
2.5 Beispiele
Mengenkörper auf X sind: {Ø,X} (der kleinste), P(X) (der größte), sowie
{y ⊆ X| y endlich oder y co-endlich (d.h. X − y endlich) }
(die ersten beiden sind immer, der letzte ist aber für unendliches X kein σ− Mengenkörper).
σ− Mengenkörper sind (außer den trivialen):
{y ⊆ X| y abzählbar oder y co- abzählbar (d.h. X − y abzählbar) } sowie
Bo(X) = die Menge der BORELschen Mengen (auf einem topologischen Raum X)
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(definiert als die Elemente des kleinsten σ− Mengenkörpers Bo(X) auf X, der die offenen (und
abgeschlossenen) Mengen enthält. Damit sind dann auch die Gδ- und Fσ -Mengen BORELsche
Mengen),
LM = die Menge der LEBESGUE-meßbaren Teilmengen von ~ ( = X in diesem Fall)
BE(X) = die Teilmengen von X mit der BAIREschen Eigenschaft (s.u.).
Ideale auf X sind: {Ø} sowie P(X) ,
E = {y ⊆ X| y endlich }
(letzteres ist für unendliches X kein σ -Ideal), während
A = {y ⊆ X| y abzählbar } stets ein ein σ -Ideal auf X bildet.
(Die endlichen Mengen zählen wir zu den abzählbaren Mengen.)
ND = Menge der nirgends-dichten Teilmengen von ~
ist ein Ideal auf ~ , aber kein σ -Ideal (z.B. ist }
abzählbare Vereinigung von nirgends-
dichten (ein-elementigen) Mengen, selbst aber nicht nirgends-dicht).
Dagegen ist (für X = ~ , aber auch für einen beliebigen topologischen Raum)
M(X) = {y ⊆ X| y mager } ein σ−Ideal, welches die abzählbaren Mengen umfaßt.
Ein weiteres
σ− Ideal auf
~ ist
N = Menge der Teilmengen von ~ vom LEBESGUE-Maß 0 (Null-Mengen).
Dabei heißt
A ⊆ ~ Nullmenge : ↔ ∀ε>0 ∃ Folge von Intervallen(In ) ( A ⊆
∪ n In
∧
Σ n |In | < ε ) .
2.6 Bemerkung
Elemente eines Ideals I auf X können als kleine Teilmengen von X aufgefaßt werden; allerdings
kann eine Menge klein im Sinne eines Ideals, aber groß im Sinne eines anderen Ideals sein:
( 1 ) Das CANTORsche Diskontinuum ist eine Menge von der Mächtigkeit des Kontinuums
(insbesondere also überabzählbar), aber nirgends-dicht (und somit mager) und Nullmenge.
( 2 ) Es gibt Mengen A, B mit ~ = A ∪ B, A ∩ B = Ø , A mager, aber B eine Nullmenge.
Zum Beweis sei {qn | n ∈ { }
eine Aufzählung der rationalen Zahlen, Ii,j
seien offene
i ≥ 1 I i,j , B := ∩ j ≥ 1 I j .
Dann ist B eine Nullmenge und das Komplement A: = ~ − B mager, da } ⊆ Gj , also Gj dicht
Intervalle der Länge 1/ 2 (i+j)
und offen, ~ − Gj
mit Mittelpunkt
qi , Gj :=
nirgends-dicht und damit A =
∪
∪ j ≥ 1 (~ − G j )
mager.
~ (und allgemeiner jede Teilmenge von ~ ) läßt sich also zerlegen in zwei Mengen, von denen
eine klein im Sinne des LEBESGUE-Maßes und die andere klein im Sinne der BAIREschen
Kategorie ist.
2.7 Definition
A ∆ B := (A − B) ∪ (B − A) = (A ∪ B) − (A ∩ B)
b) I sei ein Ideal auf X . Definiert man für A,B ⊆ X
a)
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symmetrische Differenz
Deskr. Mg. Kap XI
A ~I B : ↔ A ∆ B ∈ I ,
so erhält man eine Äquivalenzrelation auf
P(X), welche eine Kongruenzrelation bzgl. der
BOOLEschen Operationen ∩ , ∪ und − ist. Ferner gilt:
A ~I B : ↔ A − B ∈ I ∧ B − A ∈ I
↔∃M∈I A∪M= B∪M,
d.h. A ~I B ↔ A unterscheidet sich von B um eine Menge im Ideal (also nur um eine "kleine"
Menge im Sinne des Ideals). Speziell im Falle des Ideals M der mageren Mengen:
c)
A⊆
R
hat die BAIRE-Eigenschaft : ↔ A ~M G für eine offene Menge G
↔ A ∆ G = M für eine offene Menge G und eine magere Menge M ,
↔ A = G ∆ M für eine offene Menge G und eine magere Menge M .
2.8 Bemerkungen
( 1 ) Die Klasse der Mengen mit der BAIRE-Eigenschaft bilden einen σ -Mengenkörper, welcher
die offenen Mengen enthält und somit haben alle BORELschen Mengen die BAIRE-Eigenschaft.
Andererseits gibt es Mengen, die die BAIRE-Eigenschaft haben, aber nicht BORELsche Mengen
sind: d.h. Bo(~ ) ⊂
BE(~ ).
Mit Hilfe des Auswahlaxioms läßt sich weiterhin zeigen, daß es Mengen gibt, die nicht die
BAIRE-Eigenschaft haben; während aus dem Axiom der Determiniertheit (das dem
Auswahlaxiom widerspricht) folgt, daß alle Mengen die BAIRE-Eigenschaft haben!
(2)
Auch die LEBESGUE-meßbaren Mengen bilden einen σ -Mengenkörper, welcher die
BORELschen Mengen umfaßt; ferner gilt:
A L-meßbar ↔ A = F ∪ N für eine Fσ-Menge F und eine Nullmenge N ,
A hat die BAIRE-Eigenschaft ↔ A = G ∪ M für eine Gδ-Menge F und eine magere Menge M.
Die hierdurch angedeutete "Dualität" zwischen Maß und Kategorie (im Sinne von BAIRE) ist
Hauptinhalt des Buches von OXTOBY [1971].
Für die BORELschen Mengen kann man zeigen, daß sie die Eigenschaft (*) von §1 besitzen, d.h.
sie sind abzählbar oder von der Mächtigkeit des Kontinuums, außerdem sind sie LEBESGUEℵ
meßbar und besitzen die Eigenschaft von BAIRE. Während es jedoch 2(2 0 ) -viele Mengen
reeller Zahlen gibt, gibt es nur 2ℵ 0 -viele BORELschen Mengen, so daß man versucht, die
Hierarchie der BORELschen Mengen fortzusetzen:
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2.9 Definition (Projektive Hierarchie)
Versieht man den Raum ~ n mit der üblichen Topologie (statt
~ wählt man in der
Deskriptiven Mengenlehre der Einfachheit halber den BAIREschen Raum
N = ω ω mit der
Produkttopologie), so kann man auch in diesen Produkträumen die Hierarchie der BORELschen
Mengen definieren. Man bezeichnet dann als
S11 -Mengen die Projektionen abgeschlossener Mengen, d.h.
1
A ⊆ ~ ist S 1 ↔ A = {x| ∃y (x,y) ∈ F} für eine abgeschlossene Menge
F⊆ ~ x ~ .
Weiterhin sind
1
1-Mengen = Komplemente abgeschlossener Mengen, allgemein
P
S1n + 1-Mengen = Projektionen von P1n-Mengen,
P1n- Mengen = Komplemente von S1n-Mengen.
1
1
1
∆ n -Mengen sind Mengen, die sowohl S n- als auch Pn-Mengen sind.
Nach einem klassischen Ergebnis von SOUSLIN sind die
1
∆ 1 -Mengen = die BOREL-Mengen,
insbesondere sind die BOREL-Mengen sowohl
S11 (analytisch) wie auch P11(co-analytisch).
Wir betrachten die folgenden Eigenschaften von Mengen A ⊆ ~ :
(P) A abzählbar ∨ A enthält eine perfekte Menge
(C) A abzählbar ∨ |A| = | ~ | = 2ℵ 0
(B) A hat die BAIRE-Eigenschaft
(L) A ist LEBESGUE-meßbar.
Aus (P) folgt (C) nach 1.4 (ii). Im Falle der BORELschen Mengen benutzt man die Eigenschaft
(P) , um die Eigenschaft (C) nachzuweisen; diese Methode ist allerdings nicht generell
anwendbar (s.u.). Ferner hat man mit den ersten Stufen der projektiven Hierarchie die
Grenzen erreicht, an denen sich die Mengen hinsichtlich des Nachweises obiger Eigenschaften
unterscheiden:
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2.10 Ergebnisse
a) In ZFC ist beweisbar:
Nicht alle Mengen haben die Eigenschaft (P) bzw. (L) bzw. (B)
(haben alle Mengen die Eigenschaft (L) bzw. (B), so sind alle Ultrafilter auf ω Hauptfilter),
S11 -Mengen haben die Eigenschaft (P) und (C) ,
S11 -und P11-Mengen haben die Eigenschaft (B) und (L) ,
1
Σ 2 -Mengen sind die Vereinigung von ℵ 1-vielen BOREL-Mengen, insbesondere gilt für
1
Σ 2 -Mengen A : falls |A| > ℵ 1 , so |A| = | ~ | ,
~ hat keine S11 -Wohlordnung .
Die letzten Ergebnisse sind optimal:
b) In ZF + V=L ist beweisbar:
alle Mengen haben die Eigenschaft (C) : es gilt CH,
1
nicht alle
1-Mengen haben die Eigenschaft (P) ,
1
nicht alle ∆ 2 -Mengen haben die Eigenschaft (B) und (L) ,
~ hat eine ∆ 12 -Wohlordnung.
P
Mit Hilfe großer Kardinalzahlen kann man die positiven Eigenschaften in der projektiven
Hierarchie eine Stufe weiter nachweisen:
c) In ZFC +MC: " es existiert eine meßbare Kardinalzahl" ist beweisbar:
1
Σ 2 -Mengen haben die Eigenschaft (P) und (C),
1
1
Σ 2 -und Π 2 -Mengen haben die Eigenschaft (B) und (L) ,
und diese Ergebnisse sind optimal: es ist nicht in ZFC + MC beweisbar:
1
alle Π 2 -Mengen haben die Eigenschaft (P) ,
1
alle ∆ 3 -Mengen haben die Eigenschaft (B) und (L) .
Trivial werden die Ergebnisse unter Annahme des Axioms der Determiniertheit AD:
d) In ZF + AD gilt:
alle Mengen haben (B), (P), (L) ,
AC ist falsch, ~ hat keine Wohlordnung.
e) Ist ZFC + IN: es existiert eine unerreichbare Kardinalzahl > ω konsistent, so auch:
ZFC + alle projektiven Mengen haben die Eigenschaften (B), (P), (L) + es existiert
keine projektive Wohlordnung von ~ , sowie
ZF + DC + alle Mengen haben die Eigenschaften (B), (P), (L) (also ¬ AC)+ es existiert
keine Wohlordnung von ~ .
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Deskr. Mg. Kap XI
§3 Das verspielte Universum
Für eine Menge A von Folgen natürlicher Zahlen, also A ⊆ ω ω , sei
G(A) das folgende 2-
Personen-Spiel:
I wählt a0
II wählt
a3
a1
a4 . . .
a2
a3 . . . ,
durch abwechselnde Wahl natürlicher Zahlen wird somit eine Folge a = (a0 , a1 , a2 , a3 , . . )
bestimmt und festgelegt: Spielerin I gewinnt, falls a ∈ A , Spieler II gewinnt, falls a ∉ A .
Eine Strategie σ für die Spielerin I ist eine Abbildung σ : ∪ n ∈ω A2n → A ,
Eine Strategie τ für den Spieler II ist eine Abbildung σ :
∪ n∈ω A 2n+1 →
A.
σ , (d.h. er wählt a0 = σ (Ø), a3 = σ ((a 0 , a1 )), etc.), II mit der
Strategie τ , so sei die dadurch entstehende Folge mit σ*τ bezeichnet.
Spielt
I mit der Strategie
Eine Gewinnstrategie für die Spielerin I ist eine Strategie σ , für die
∀τ σ * τ ∈ A ,
eine Gewinnstrategie für den Spieler II ist eine Strategie τ , für die ∀σ σ *τ ∉ A .
A heißt determiniert gdw I oder II hat eine Gewinnstrategie im Spiel G(A)
gdw
∃ σ ∀τ σ *τ ∈ A ∨ ∃τ ∀σ σ *τ ∉ A ,
gdw
∀τ ∃ σ σ *τ ∈ A → ∃σ ∀τ σ *τ ∈ A .
Das Axiom der Determiniertheit (AD) besagt, daß alle Spiele G(A) determiniert sind.
Ergebnisse:
1. Aus dem Auswahlaxiom folgt, daß es nicht-determinierte Spiele gibt; also
ZF + AC |− ¬ AD .
2. Alle BORELschen Spiele sind determiniert:
ZF |− ∀A ⊆ ω ω (A BORELsch → A ist determiniert) (MARTIN 1975).
Vorher war gezeigt worden:
alle abgeschlossenen Mengen sind determiniert (GALE-STEWART 1953).
0
alle Fσ = Σ 2 -Mengen sind determiniert (WOLFE 1955)
0
alle Gδσ = Σ 3 -Mengen sind determiniert (DAVIS 1964)
1
alle S 1 -Mengen sind determiniert, falls eine meßbare Kardinalzahl existiert (MARTIN
1970)
(Nach FRIEDMAN benötigt der Beweis der BORELschen Determiniertheit das Ersetzungsaxiom
und eine Induktion über ω 1 -viele Schritte.)
9
Deskr. Mg. Kap XI
3. Wir setzen nun die Axiome von ZF + AD voraus.
a) Alle Mengen reeller Zahlen haben die BAIRE-Eigenschaft und sind LEBESGUE-meßbar,
insbesondere sind alle Ultrafilter auf
ω
Hauptfilter. Es sei
I das Ideal der endlichen
Teilmengen von ω . Dann gilt.
~ kann geordnet, aber nicht wohlgeordnet werden,
P( ω )/I kann nicht geordnet werden. Es sei k die Mächtigkeit von P(ω )/I . Dann gilt:
c = | ~ | = 2ℵ 0 < k , insbesondere gilt für die kanonische Abbildung
f : P(ω ) →
P(ω )/ I
: W(f)
> D(f) !
b) alle Mengen reeller Zahlen haben die Eigenschaft (P), es gibt also
keine Mächtigkeit n mit ℵ 0 < n < 2ℵ 0 ,
ℵ
aber es gibt 3 Mächtigkeiten zwischen 2ℵ 0 und 2(2 0 ) :
ℵ
2 ℵ 0 < 2ℵ 0 + ℵ 1 < 2ℵ 1 < 2ℵ 1 +k < 2k = 2(2 0 ) .
2 ℵ 0 ist kein Aleph, ℵ 1
~ = ∪ α<ω Aα
1
ist unvergleichbar mit 2ℵ 0 .
für geeignete paarweise disjunkte und nicht-leere Mengen
Aα , für
die aber keine Auswahlfunktion existiert!
Dagegen gilt das Auswahlaxiom für abzählbare Mengen nicht-leerer Mengen reeller Zahlen.
c) Die Mächtigkeit c = 2ℵ 0 des Kontinuums ist
"klein": ist f : α >→ ~ , so ist α abzählbar,
und zugleich
"groß": für Θ := sup{λ | ∃ h: ~ → > λ } gilt: λ < Θ → λ+ < Θ !
d) Es existieren "große" Kardinalzahlen:
ℵ 1 und ℵ 2 sind meßbar, dagegen sind ℵ 3 und ℵ 4
singulär (mit Konfinalität ω 2 ).
4. ZF + (DC) + AD ist konsistent gdw ZF + AC + "es existieren sehr große Kardinalzahlen"
konsistent ist, s.:
Martin, D.A. - Steel, J.R.: Projective determinacy, Proc. Nat. Acad. Sci. USA 85 (1988),
6582-6586
Martin-Steel: A proof of projective determinacy, JAmMathSoc 2(89), 71-125
Woodin, W.H.: Supercompact cardinals, sets of reals, and weakly homogeneous trees,
Proc. Nat. Acad. Sci. USA 85 (1988), 6587-6591
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