22. Februar 2006 (Heimo Breiteneder)

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IGAV – Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung
www.allergenvermeidung.org
Telefon-Hotline: 01/212 60 60
ao. Univ.-Prof. Dr. Heimo Breiteneder
Molekularbiologe, Experte für strukturelle Allergologie 1, Zentrum für Physiologie und Pathophysiologie am
Institut für Pathophysiologie, Medizinische Universität Wien
22. Februar 2006
Reizende Verwandtschaft Kreuzallergie
Neuer Ratgeber der IGAV informiert über bedrohliche „Familienmitglieder“
Pollen und Nahrungsmittel-Allergene sind Proteine (Eiweißstoffe). Proteine sind große, aus
Aminosäuren zusammengesetzte Moleküle mit komplizierter dreidimensionaler Struktur und
unterschiedlichsten Funktionen in lebenden Organismen. Damit es zum Auftreten einer
allergischen Reaktion kommt, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden. Es muss ein Atopiker
in Kontakt mit einem Allergen treten. Ein Atopiker ist ein Mensch, dessen Immunsystem auf den
Kontakt mit einem ansonsten harmlosen Protein mit der Bildung von Antikörpern des Typs IgE
reagiert. Dass es sich bei Allergenen um sehr spezielle Proteine handelt, sehen wir weiter unten.
Blütenpollen, wie etwa von der Birke, enthalten tausende verschiedene Proteine. Doch nur
wenige, z.B. bei der Birke das so genannte Hauptallergen Bet v 12, veranlassen das atopische
Immunsystem IgE-Antikörper zu produzieren. Weshalb das so ist, ist ein noch nicht gelöstes
Rätsel der Wissenschaft.
Unbekannte Familienmitglieder
Proteine werden in so genannten Proteinfamilien zusammengefasst. Eine solche Familie
beinhaltet Proteine mit oft ähnlicher physiologischer Funktion und Struktur. Mitglieder derselben
Proteinfamilie können deshalb auch in taxonomisch3 weit voneinander entfernten Arten oder
Gattungen vorhanden sein, also aus unterschiedlichen Arten von Tieren oder Pflanzen stammen.
Die „Pfam Datenbank“ (www.sanger.ac.uk/Software/Pfam) definiert derzeit über 8.000
Proteinfamilien. Nur ca. 80 von ihnen, also 1%, enthalten auch allergenwirksame Proteine. Die
beiden Proteinfamilien mit der größten Anzahl an beschriebenen Allergenen sind die „Prolamine“
(36 Allergene; z.B. aus Pfirsich, Haselnuss, Paranuss) und die „Cupine“ (18 Allergene; z.B. aus
Erdnuss, Soja, Walnuss). Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens vollkommen neuer
Allergenfamilien ist eher gering, da sich seit geraumer Zeit neu entdeckte Allergene immer bereits
bestehenden Allergenfamilien zuordnen lassen.
Proteinfamilie Cupine
Molekülstrukturen von Mitgliedern der Cupinfamilie: v.l.n.r.: Beta-Conglycinin (Soja) Germin (Gerste), Glycinin (Soja)
Kreuzallergie: ähnliche allergene Strukturen
Anhand der Proteinfamilien kann man die Kreuzreaktivität von Allergenen verstehen: Von einer
Kreuzallergie spricht man, wenn der Körper nicht nur auf ein Allergie auslösendes Protein (z.B.
aus Birkenpollen) reagiert, sondern auch auf ähnliche allergene Proteine anderer (verwandter wie
auch nicht verwandter) Arten. Proteine von Tier- oder Pflanzenarten, die vermeintlich überhaupt
nichts miteinander gemein haben, können die gleiche Allergie auslösende Struktur besitzen, sie
gehören zur gleichen Familie (z.B. Allergene aus Birkenpollen und Kirsche). Das Immunsystem
reagiert auf Grund der ähnlichen Beschaffenheit der Molekularstruktur nach erfolgter
Erstsensibilisierung (z.B. mit Pollen) bereits beim Erstkontakt mit einem verwandten Molekül (z.B.
aus der Kirsche) ebenfalls mit allergischen Symptomen. Eine Kreuzallergie ist somit immer eine
Folge einer bereits vorhandenen Allergie.
Birkenpollenallergen
Kirschenallergen
Kreuzreaktion Birkenpollen/Kirsche
Die Hauptallergene des Birkenpollen
und der Kirsche gehören zur gleichen
Proteinfamilie, da sie eine sehr ähnliche
Molekülstruktur besitzen. Deshalb kann
es bei Birkenpollenallergikern bei
Genuss von Kirschen ebenfalls zu
allergischen Symptomen kommen.
Am häufigsten: Pollen und Nahrungsmittel
Eine Kreuzreaktion kann grundsätzlich bei sämtlichen Formen einer Allergie auftreten. Besonders
häufig sind jedoch Reaktionen zwischen Pollen und Nahrungsmitteln oder bestimmten
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Nahrungsmitteln derselben Pflanzengattung. Durch den Anstieg der Pollenallergien kam es
naturgemäß auch zu einer Zunahme an pollenassoziierten Kreuzreaktionen mit Nahrungsmitteln.
Nicht jede mögliche Kreuzreaktion muss im Einzelfall tatsächlich relevant sein. In der Tabelle des
neuen Ratgebers der IGAV (liegt der Pressemappe bei) sind deshalb nicht nur die miteinander
verwandten Allergene gelistet. Sie enthält auch, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie auftreten.
Allergiker sollten über diese Zusammenhänge und ihr persönliches Risiko informiert sein, um auf
potenziell auftretende Reaktionen vorbereitet zu sein. Dieses Wissen kann einen langen
Leidensweg ersparen.
Allergene meiden oder unschädlich machen?
Am sichersten ist es, die gefährlichen Lebensmittel(bestandteile) zu meiden. Ein interessantes
Phänomen ist, dass relativ neue Apfelsorten wie Golden Delicious oder Granny Smith weniger gut
vertragen werden als alte heimische Sorten wie z.B. Boskop oder Jamba. Einige Allergene
befinden sich in der Schale, weshalb auch das Schälen von Früchten Besserung bringen kann.
Einige Allergene sind thermolabil. Das bedeutet, die allergen wirkenden Bestandteile können z.B.
durch Erhitzen weitgehend zerstört werden. So kann beispielsweise ein Apfel oder eine Karotte
durch Erhitzen in der Mikrowelle plötzlich wieder vertragen werden. Die Hausstaubmilbe kann
durch eine Schockbehandlung der Bettwäsche in der Tiefkühltruhe oder Waschmaschine (bei
+60°C stirbt der Großteil der Allergene ab) unschädlich gemacht werden. Jeder Versuch muss
aber unbedingt vorher mit dem behandelnden Arzt besprochen werden!
Jetzt neu: IGAV-Ratgeber Kreuzallergie
Hilfreiche Empfehlungen rund um die Kreuzallergie hat die IGAV (Interessensgemeinschaft
Allergenvermeidung) im neuen Ratgeber„Kreuzallergie: Reizende Verwandtschaft von
(vorwiegend) Pollen und Lebensmitteln“ zusammengefasst.
Kontakt für Patienten, Informationsmaterial: Ratgeber „Kreuzallergie: Reizende
Verwandtschaft von (vorwiegend) Pollen und Lebensmitteln“, Liste der österreichischen
Allergie-Ambulatorien und -Ambulanzen u.v.m.
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Kontakt für Journalisten-Rückfragen:
ao. Univ.-Prof. Dr. Heimo BREITENEDER
Zentrum für Physiologie und Pathophysiologie am
Institut für Pathophysiologie, Medizinische Universität Wien
T: 01/40400-5102
E: [email protected]
© Breiteneder, Abdruck honorarfrei
Text und Foto von Prof. Breiteneder in Printqualität gibt’s bei Elisabeth Leeb, ikp, T: 01/524 77 90,
E: [email protected] und auf www.allergenvermeidung.org (Presse-Ecke, aktuelle Downloads).
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1
Strukturelle Allergologie beschäftigt sich mit Strukturen allergener Moleküle und führt zum besseren Verständnis von
Kreuzreaktionen und neuer Klassifizierung von Allergenen.
2
Prof. Breiteneder hat weltweit als erster Wissenschafter das Birkenpollenallergen Bet v 1 beschrieben und kloniert:
Breiteneder et al. The gene coding for the major birch pollen allergen Bet v 1, is highly homologous to a pea disease
resistance response gene. EMBO J. 1989 Jul;8(7):1935-8
3
Taxonomie = Biologische Systematik, Wissenschaft von der Klassifizierung der Lebewesen gemäß ihrer
Verwandtschaft
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