Anleitung-F1_Bioinformatik

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F1-Praktikum "Molekulare Zoologie"
Kursteil: Bioinformatik
(Thorsten Burmester)
Molekulare Sequenzanalyse von Hämocyanin
1. EINLEITUNG
1.1 Hämocyanin
Respiratorische Proteine dienen der Versorgung des Organismus mit Sauerstoff. Im
Tierreich sind drei Typen respiratorischer Proteine verbreitet: Hämoglobin, Hämerythrin und
Hämocyanin. Hämocyanine sind große kupferhaltige Proteine, die den Sauerstoff in der
Hämolymphe vieler Arthropoden und Mollusken transportieren. Die Hämocyanine dieser
beiden Tierstämme unterscheiden sich jedoch fundamental in Sequenz und Struktur,
weshalb eine konvergente Evolution aus unterschiedlichen Typen von Kupferproteinen zu
vermuten ist. Arthropoden-Hämocyanine bilden stets Hexamere oder Oligohexamere (1 bis 8
x 6-Struktur) aus ähnlichen oder identischen Untereinheiten (Abb. 1).
Abb. 1. Quartärstruktur der Arthropodenhämocyanine: (a) 2  6 Hämocyanin vieler
dekapoden Crustacea (z.B. Homarus
americanus), (b) 2  6 Hämocyanin vieler
Spinnen (z.B. Cupiennius salei), (c) 4  6
Hämocyanin einiger Garnelen (z.B. Callianassa californiensis), (d) 4  6 Hämocyanin
vieler
Arachniden
(z.B.
Eurypelma
californicum), (e) 2  6 Hämocyanin des
Fangschreckenkrebses Squilla mantis, (f) 6
 6 Hämocyanin der Myriapoden (z.B.
Scutigera coleoptrata), (g) 8  6
Hämocyanin von Limulus polyphemus.
Jede Untereinheit umfasst etwa 620 bis 660 Aminosäuren (entspricht etwa 70 – 80 kDa) und
kann ein O2-Molekül mittels zweier Kupferionen (Cu+) binden, die jeweils durch drei Histidine
der Proteinkette koordiniert werden (CuA- und CuB-Bindungsstelle) (Abb. 2). Aufgrund
dieser Struktur des aktiven Zentrums werden die Hämocyanine den so genannten "Typ 3"Kupferproteine zugerechnet. Zu dieser Klasse von Metallo-Proteinen gehören ferner die
bereits genannten Mollusken-Hämocyanine, sowie die Tyrosinasen und Catecholoxidasen
(Sammelbegriff: Phenoloxidasen) vieler Tierstämme.
Abb. 2. Schematisierte Struktur eines binukleären
Typ 3-Kupferbindungszentrum.
Strukturanalysen zeigten, dass die Hämocyanin-Untereinheiten etwa nierenförmig sind und
aus drei Domänen bestehen (Abb. 3). Die N-terminale erste Domäne (~180 Aminosäuren)
besteht aus einem -helicalen Bündel und schützt das aktive Zentrum. Domäne 2 (~220
Aminosäuren) besteht ebenfalls vor allem aus α-Helices. Sie ist am stärksten konserviert und
trägt das aktive Zentrum mit den beiden Kupferionen. Domäne 3 (~260 Aminosäuren) enthält
mehrere β-Faltblattstrukturen, die ein siebensträngiges antiparalleles "Beta-Barrel“ bilden.
Obwohl Arthropoden-Hämocyanine stets Hexamere oder Oligohexamere bilden (Abb. 1), ist
die Untereinheitenzusammensetzung sehr variabel. Kontakte zwischen den Untereinheiten
erfolgen in der Regel durch nicht-kovalente Bindungen.
Abb. 3. 3D-Struktur einer Hämocyaninuntereinheit der Languste P. interruptus. Die
Domäne 1 ist grün, die Domäne 2 rot, die
Domäne 3 blau. Die beiden Kupferatome
(Pfeil) sind dunkelblau eingefärbt.
1.2 Die Hämocyanin-Superfamilie
In den letzten 10 Jahren konnte gezeigt werden, dass bestimmte Proteine signifikante
Sequenzübereinstimmungen mit den Hämocyaninen aufweisen, jedoch andere Funktionen
übernehmen. Gemeinsam werden sie als "Hämocyanin-Superfamilie" zusammengefasst, die
neben den Hämocyaninen, auch Phenoloxidasen, Pseudohämocyanine, Hexamerine und
Hexamerinrezeptoren umfasst. Phenoloxidasen sind sauerstoffumsetzende Enzyme des
Melaninstoffwechsels und an der Sklerotisierung der Kutikula, der humoralen Immunantwort
und der Wundheilung beteiligt. Wie Hämocyanine haben sie ein Typ 3-Kupferzentrum. Die
anderen Hämocyanin-ähnlichen Proteine, d.h., die Pseudohämocyanine einiger dekapoder
Krebse und Hexamerine der Insekten, haben die Kupferbindungsstellen verloren. Sie dienen
wohl v.a. als Speicherproteine für nahrungsarme Zeiten, obwohl den Hexamerinen auch
andere Funktionen zugeschrieben werden. Ebenfalls zur Hämocyanin-Superfamilie gehören
Hexamerinrezeptoren, die bislang nur in Fliegen (Diptera) gefunden wurden.
1.3 Die Hämocyanine der Crustacea
Zwar wurden inzwischen in Vertretern aller Unterstämme der Arthropoden (Onychophora,
Cherlicerata, Crustacea, Myriapoda und Insecta) Hämocyanine gefunden, doch liegen
umfangreiche Untersuchungen bislang nur über Cheliceraten (Spinnentiere) und Crustaceen
(Krebse) vor. Innerhalb der Krebse scheint das Vorkommen von Hämocyanin auf die Klasse
der Malacostraca beschränkt zu sein, während die "Entomostraca" (ein wahrscheinlich
paraphyletisches Taxon) über entweder keine respiratorischen Proteine, oder aber über
Hämoglobin (z.B. Daphnia) verfügt. Die größte und bekannteste Gruppe der Malacostraca
sind die Decapoda (Zehnfußkrebse), zu denen auch Astacus gehört. Die Hämocyanine der
Decapoda sind entweder Hexamere (1 x 6) oder Di-Hexamere (2 x 6) aus bis zu sechs
verschiedenen Untereinheiten. Diese lassen sich wiederum in drei Typen einteilen, die nach
Markl (1986) ,  and  genannt werden. Die Untereinheitenzusammensetzung unterscheidet
sich je nach Art, Entwicklungsstadium oder physiologischem Zustand.
2. ABLAUF DES KURSES
2.1 Ziel
Zum Verständnis der Proteinfunktion ist die Kenntnis von Struktur und Evolution eine
wichtige Voraussetzung. Hierfür muss die Proteinsequenz ermittelt werden. Dies macht man
heute gewöhnlich über cDNA-Sequenzen, die anschließend in Protein übersetzt werden. Sie
sollen in diesem Kursteil lernen, wie Sie die bei der Sequenzierung erhaltene Information
lesen, auswerten und interpretieren. Hierfür wollen wir uns verschiedener Programme und
öffentlich zugänglicher Datenbanken bedienen.
2.2 Zeitplan
 Informieren
Sie sich vor Beginn des Kursteils in einem Lehrbuch kurz über die
Systematik der Arthropoden im Allgemeinen und über die der Crustacea im
Speziellen.
 Informieren Sie sich – falls nötig – über folgende Begriffe und Techniken:
- PCR (Polymerasenkettenreaktion)
- DNA-Sequenzierung nach der Sanger-Kettenabbruchmethode
- Restriktionsenzym
- Molekulargewicht
- isoelektrischer Punkt
Tag 1 (Dienstag, 12.3.2005):
 Auswertung von Sequenzierungs-Ergebnissen
 Datenbankanalysen
 Untersuchung der Primärsequenz
 Molekulare Phylogenie
Tag 2 (Mittwoch, 13.3.2005):
 Molekulare Phylogenie (Fortsetzung)
 Auswertung der Ergebnisse
 Vorstellung der Ergebnisse im Seminar
3. ANLEITUNG
3.1 Vorbemerkung
Alle notwendigen Programme und Dateien finden Sie unter:
www.staff.uni-mainz.de/~burmeste/F1
Legen Sie sich auf Ihrem Laufwerk "U:\" ein eigenes Verzeichnis "Zoologie" an.
Kopieren Sie die bereit gestellten Daten in dieses Verzeichnis. Bitte verwenden Sie
während des Kurses dieses Verzeichnis, und nur dieses Verzeichnis, als
Speicherort für Ihre Dateien.
3.2 Analyse der eines Hämocyanin-Klons von Astacus
Die cDNA kann über verschiedene Methoden gewonnen werden (AntikörperScreening, DNA-Sonden-Screening, PCR). Diese wird in einen geeigneten Vektor
(Plasmid; hier pBluescript SK-) kloniert und kann mittels Vektor-spezifischer Primer
(kurze, 17 – 25 Basenpaare lange Oligonukleotide, die an die Sequenz des Vektors
binden) sequenziert werden. Üblicherweise sequenziert man heute nicht mehr selbst,
sondern überlässt dies einem kommerziellen Unternehmen.
Das Plasmid, welches die cDNA einer Hämocyanin-Untereinheit von Astacus enthält,
wurde bereits in der Arbeitsgruppe mit den beiden Standardprimern für den Vektor
(T3 und T7) von beiden Seiten sequenziert. Sie erhalten zwei Sequenz-Dateien, wie
sie von der Firma per E-mail zugeschickt wurden.
Durchführung:
• Öffnen Sie die Sequenz-Datei mit dem Programm "Chromas". Schauen Sie sich
diese Datei an und suchen Sie nach "N"s. Was ist dort passiert?
• Welche der beiden Sequenzen entspricht dem 5' bzw. 3'-Ende? Wo endet der
Vektor, wo beginnt die cDNA? Suchen sie die Schnittstellen der beiden
Restriktionsenzyme EcoR1 (GAATTC) und XhoI (CTCGAG).
• Suchen Sie in der 3'-Sequenz die Polyadenylierungsstelle (AATAAA)
Nun wollen Sie wissen, ob die sequenzierte cDNA tatsächlich für Hämocyanin
kodiert. Hierzu sollen die Datenbanken der bereits vorhandenen Sequenzen mit der
eigenen Sequenz durchsucht werden. Es stehen drei Datenbanken zur Auswahl:
1. NCBI-BLAST http://www.ncbi.nlm.nih.gov/BLAST/
2. EBI-BLAST: http://www.ebi.ac.uk/Tools/similarity.html
3. BLAST-Japan: http://blast.genome.ad.jp/
Kopieren Sie die cDNA (aus "Astacus_Hc_T3.dat") in die entsprechende Dialogbox. Wählen
Sie die Option "blastx" (wird im Kurs erklärt). Handelt es sich tatsächlich um Hämocyanin?
Mit welchem Protein ist die eigene Sequenz am nächsten verwandt? Ist die eigene Sequenz
vollständig? Führen Sie anschließend die gleichen Schritte mit der Sequenz aus
"Astacus_Hc_T7.dat" durch.
3.2 Sequenzdatenanalyse des Hämocyanins von Pacifastacus leniusculus
Leider ist es uns bislang noch nicht gelungen, die cDNA-Sequenz einer HämocyaninUntereinheit von Astacus vollständig zu klonieren und zu sequenzieren Sie erhalten daher
die vollständige Sequenz der Hämocyanin-cDNA der verwandten Spezies Pacifastacus
leniusculus. Ihre Aufgabe ist es zuerst, die cDNA-Sequenz in ein Protein zu übersetzen, das
Molekulargewicht dieses Proteins zu bestimmen und den isoelektrischen Punkt zu
errechnen.
Durchführung:
• Öffnen Sie die bereitgestellte Textdatei mit der Hämocyanin-Sequenz (Pacifastacus
Hämocyanin.txt) mit einem Editor (z.B. Word). Zur Übersetzung der cDNA in Protein stehen
verschiedene Programme zur Verfügung. Wir verwenden eine Netz-basierte Applikation:
http://www.expasy.org/tools/dna.html
• Kopieren Sie die DNA-Sequenz wiederum in die dafür vorgesehene Dialogbox und und
starten sie die das Programm ("Translate Sequence").
• Nun erhalten Sie die in allen sechs möglichen Leserastern translatierte DNA-Sequenz.
Wählen Sie das geeignete Leseraster. Woran erkennen Sie, welches Leseraster das
richtige ist? Das so erhaltene Protein kopieren Sie und speichern Sie dieses in Ihrem
Verzeichnis als Textdatei ab.
• Bestimmen Sie nun das Molekulargewicht und den theoretischen isoelektrischen Punkt
mittels eines weiteren Web-basierten Applikation:
http://www.expasy.ch/tools/pi_tool.html
3.3 Sequenzalignments
Zur phylogentischen Analyse müssen Sie geeignete Vergleichssequenzen auswählen. Dazu
können Sie wiederum mit den BLAST-Programmen die Proteindatenbanken durchsuchen
(diesmal Option "blastp", d.h. Vergleich eines Proteins mit anderen Proteinen):
1. NCBI-BLAST: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/BLAST/
2. EBI-BLAST: http://www.ebi.ac.uk/blast2/
3. BLAST-Japan: http://blast.genome.ad.jp/
• Als nächstes sollen einige ausgewählte Proteine mit dem Pacifastacus-Hämocyanin
verglichen werden.
• Öffnen Sie zunächst das Programm "GENEDOC". Wählen Sie aus den Datenbanken
(NCBI etc; siehe oben) ca. 10 verschiedene Hämocyanine aus. Die Auswahl bleibt Ihnen
überlassen.
• Kopieren Sie die Aminosäuresequenzen mit Hilfer der vorgesehenen Dialogbox (Knopf "S"
-> "import" -> "input") in GENEDOC. Verwenden Sie die in den Datenbanken
vorgegebenen Namen bzw. geeignete Abkürzungen. Kopieren Sie ihre eigene Sequenz in
GENEDOC.
• Wenn Sie fertig sind, speichern Sie die Datei in Ihrem Verzeichnis unter "Hc.msf".
• Exportieren Sie die Datei im CLUSTAL-Format. (Knopf "file" -> "export" -> "Clustal (aln)".
Benennen Sie Ihre Datei "Hc.aln".
• Nach dem Abspeichern öffnen Sie das Programm "CLUSTALX" und laden die Datei
"Hc.aln" (Menü "File" -> "Load Sequences"). Nun "alignen" Sie die Sequenzen. D.h., das
Programm versucht die Sequenzen so aneinanderzulegen, daß sie optimal
übereinstimmen. Dafür müssen in einige Sequenzen Lücken bzw. Insertionen eingefügt
werden. Sie können hierfür die Standardeinstellungen von CLUSTAL verwenden: Menü:
"Alignment" -> "Do Complete Alignment". Nach Bestätigung der Dialogbox ("OK") nimmt
der Sequenzvergleich einige Sekunden in Anspruch.
• Was erkennen Sie an diesem Alignment? Was hat das Programm mit den Sequenzen, im
Vergleich zu den Ausgangsdaten, gemacht?
3.4 Molekulare Phylogenie der Hämocyanine
ClustalX bietet die Möglichkeit einer einfachen phylogenetischen Analyse. Diese soll jedoch
für einen ersten Überblick dienen, zur genauen Untersuchung der phylogenetischen
Verwandtschaftsverhältnisse sind i.d.R. bessere Methoden und Programme notwendig, die
jedoch im Rahmen dieses Kurses nicht weiter betrachtet werden können.
Hierfür wählen Sie in ClustalX unter dem Menü-Punkt "Trees" zunächst die Option "Correct
for multiple substitutions". Anschließend führen Sie mit "Draw N-J Tree" (ebenfalls unter dem
Menü "Trees") die Stammbaumanalyse durch. Öffnen Sie den Stammbaum mit dem
Program "TreeView" und betrachten Sie ihn. Welche Schlüsse können Sie ziehen?
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