Möglichkeiten im Instrumentalunterricht mit Senioren. Schriftliche Arbeit im Rahmen des Studiengangs Musikpädagogik. Erstgutachter: Frau Reinhild Spiekermann. Verfasser: Lauri Bruins Hochschule für Musik Detmold 16. Mai 2007 „Wenn morgen die Welt unterginge, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Wahrscheinlich Martin Luther (1483-1546) 2 Inhaltsangabe Seite Vorwort 5 Einleitung 5 Kapitel 1: Erfolgreiches Altern 8 1.1 1.2 1.3 1.4 Die Berliner Altersstudie Die Stichprobe Die Ergebnisse der Studie Erfolgreiches Altern 9 10 12 15 Kapitel 2: „Kopf” 16 2.1 2.2 2.3 17 19 2.4 Vom Vergessen und Errinnern Über Spätanfänger und Wiedereinsteiger Unterschiede im Lernen zwischen Erwachsenen und Kindernund Jugendlichen Zeit und Üben 21 23 Kapitel 3: „Herz” 24 3.1 3.2 3.3 3.4 25 26 27 28 Motive Möglichkeiten zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse Musikpräferenzen älterer Menschen Erwartungen an den Lehrer Kapitel 4: „Hand” 30 4.1 4.2 4.3 4.4 31 33 35 37 Physiologische Voraussetzungen Entspannung Entspannungsübungen Welche Instrumente sind geeignet für Senioren? Kapitel 5: Die Unterrichtspraxis 5.1 5.2 5.3 5.4 Ein Beispiel aus der Praxis Selektion, Optimierung und Kompensation Klavierschulen für Erwachsene Erwachsenenbildung im Unterrichtspraktischen Alltag 38 40 41 45 47 3 Schlusswort 48 Anhang 51 Quellenangabe 61 Eidesstattliche Erklärung 63 4 Vorwort An dieser Stelle möchte ich mich bei einigen Personen bedanken, weil sie mir geholfen haben diese Diplomarbeit zu schreiben. Frau Spiekermann für die Begleitung und die wertvollen Literaturhinweise, Bert Bruins, Alice van der Sande, Christine Bohnenkamp und Frauke Burg für die Korrekturen. In Konzerten sind ein Grossteil des Publikums ältere Leute. Viele von denen befassen sich gerne passiv mit Musik. Sie gehen in Konzerte und geniessen es Musik zu hören. Manche glauben nicht, dass es ihnen in ihrem Alter noch gelingen würde ein Instrument aktiv spielen zu lernen. Die demographische Entwicklungen sind so, dass es in die nächsten Jahren viele ältere Menschen geben wird, die wegen der steigenden Lebenserwartung in relativ gute Gesundheit leben werden. Sind Rentner nicht eine neue, interessante Zielgruppe für Musikpädagogen? Um das heraus zu finden, wollte ich gerne wissen, welche Möglichkeiten es mit Senioren im Instrumentalunterricht gibt. Weil ich selber keine praktische Erfahrung mit Senioren im Instrumentalunterricht habe, hat es mir sehr gefreut eine kurze Hospitation an der Musikschule Löhne machen zu können. Dafür möchte ich mich herzlich bei dem Musikschulleiter Herr Sowa für das Gespräch bedanken, in dem er mir sehr viele praktische Informationen und von eigenen Erfahrungen erzählt hat. Ausserdem bin ich Frau Bornemann und ihren Schülern Herr Lampert und Herr Lessing dankbar, dass ich mir ihren Unterricht anhören durfte. Diese Erfahrung war mir für das Schreiben dieser Arbeit sehr wichtig und ich habe vieles daraus gelernt. Einleitung Sehr faszinierend sind die Leistungen von professionellen Musikern im hohen Alter. Zum Beispiel der Pianist Arthur Rubinstein, der noch umjubelte Konzerte gab, als er 5 das Alter von 80 Jahre schon deutlich überschritten hatte. Damit ist er zweifellos eine Ausnahmeerscheinung. Charakteristisch für Pianisten wie Rubinstein ist, dass sie schon in jungen Jahren als Wunderkinder eine internationale Karriere begannen. Wenn Kinder mit Musikunterricht anfangen, mündet das oft in ein lebenslängliches Hobby. Sie können schon nach einigen Jahren Unterricht ihr Hobby ausbauen, indem sie in Orchestern oder kleineren Ensembles mitspielen. Was sind aber die Möglichkeiten, wenn man erst in hohem Alter ein Instrument anfangen möchte? Die letzten Jahrzehnte hat das Alter als gestaltbare Lebensphase immer mehr Aufmerksamkeit bekommen. Es ist auffällig, dass der Verband deutscher Musikschulen (VdM), Paul Baltes und die Bundesregierung in ungefähr dem gleichen Zeitraum (zwischen 1989 und 1994) Untersuchungen über Erwachsenen- beziehungsweise Seniorenbildung gemacht haben. Der Anlass dazu ist die demographische Entwicklung, so wie sie (nicht nur) in Deutschland stattfindet. Die Lebenserwartung steigt und ausserdem gibt es für Arbeitnehmer die Möglichkeit, früher in Rente zu gehen. Die Prognosen für Deutschland sind sogar so, dass im Jahre 2030 jede dritte Person über 60 Jahre und jede zweite Person über 50 Jahre alt sein wird.1 Mit 60 Jahren haben ältere Menschen aber noch ungefähr 20 Jahre vor sich. Die Seniorenpolitik beabsichtigt neben der Forderung nach sozialer und gesundheitlicher Absicherung in drei Schwerpunktbereichen ihre Ziele zu erreichen: Ältere Menschen sollen am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können 1 2 Sie sollen sich selbst verwirklichen und in Würde ihr Leben verbringen können.2 Wucher, Diethard: „Musik selber machen“, 1999, S. 9. Wucher, Diethard: „Musik selber machen“, 1999, S. 9. 6 Trotz steigender Lebenserwartung bauen körperliche und geistige Fähigkeiten im Alter ab. Da stellt sich die Frage, inwieweit dieser Abbau das Instrumentalspiel beeinträchtigt. Der Titel dieser Arbeit „Möglichkeiten im Instrumentalunterricht mit Senioren“ trägt schon in sich, dass es Begrenzungen geben muss. Andererseits ist die Frage, ob Instrumentalunterricht den Prozess des Alterns sogar positiv beeinflussen kann nicht uninteressant. Senioren bringen andere Voraussetzungen mit in den Unterricht als Kinder. Sie haben viele Jahre gearbeitet und es ist für die meisten schon lange her, dass sie in einer Schülerposition waren. Sie haben andere Ansprüche an den Unterricht und den Lehrer als Kinder. Sie lernen kein Instrument mehr, damit sie ein großer Virtuose werden. Da im Moment für die meisten Musiklehrer die Schüler hauptsächlich aus Kindern und Jugendlichen bestehen, wäre ein Umdenken gefordert. Zuerst werde ich einen allgemeinen Einblick in die Altersforschung verschaffen. Dann werden die körperlichen und geistigen Kapazitäten älterer Leute, spezifisch auf das Erlernen eines Instrumentes bezogen, besprochen. Es ist selbstverständlich auch wichtig zu wissen, welche Motive ältere Leute haben Musikunterricht zu nehmen und was dabei ihre Hoffnungen und Erwartungen sind. Zuletzt ein Erfahrungsbericht aus der Unterrichtspraxis als Beispiel dafür, wie ein Unterricht mit Senioren wirklich ablaufen kann. 7 Kapitel 1: Erfolgreiches Altern Letztes Jahr ist der berühmte Alternsforscher Paul Baltes (1939-2006) verstorben. Er war Entwicklungspsychologe und Direktor am Max-Planck Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er hat in den 1970er Jahren die Forschungsrichtung „Entwicklungpsychologie der Lebensspanne“ mitbegründet. Dazu hat er mehrere Publikationen veröffentlicht. (Baltes 1987, 1999; Baltes, Staudinger&Lindenberger 1999). In der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wird, wie der Name schon vermuten lässt, davon ausgegangen, dass Entwicklung ein lebenslanger Prozess ist. Im Kindesund Jugendalter wird vor allem Energie in den Aufbau von Fähigkeiten investiert. Mit fortschreitendem Alter geht es um die Aufrechterhaltung dieser erworbenen Fähigkeiten. Die Bilanz zwischen Gewinnen und Verlusten verändert sich über die Lebensspanne. Im Alter fangen die Verluste an zu überwiegen. Entwicklung ist aber auch durch eine große individuelle Dehnbarkeit gekennzeichnet. Vor allem über die Entwicklungsprozesse im Alter war vor ungefähr zwei Jahrzehnten noch kaum etwas bekannt: Wie alt ist man im Alter, das heißt, wie hängen Lebensalter und „funktionales“ Alter miteinander zusammen? Wie eng verwoben oder unabhängig voneinander sind Alterungsprozesse in verschiedenen Lebens- und Funktionsbereichen? In welchem Sinn ist das Alter unabwendbares Schicksal und welche Gestaltungs- und Interventionschancen sind realistisch?3 Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe an der ehemalige Westberliner Akademie der Wissenschaften gegründet. Daran anschließend entstand eine Projektgruppe, die die „Berliner Altersstudie“ entwarf und durchführte. 3 Baltes, Paul/Mayer, Karl Ullrich: “Die Berliner Altersstudie”, 1996, S. 7. 8 1.1 Die Berliner Altersstudie Die Berliner Altersstudie wurde von dieser Projektgruppe 1990-1993 im ehemaligen Westteil Berlins durchgeführt. Diese Studie ist in vielen Hinsichten einzigartig; erstens, weil ein breites Spektrum an Wissenschaftler vertreten war: Innere Medizin, Geriatrie, Psychiatrie, Psychologie, Soziologie und Sozialpolitik. Sie untersuchten nicht nur auf ihrem eigenen Fachgebiet, sondern auch fächerübergreifend. Zweitens lag der Fokus auf einem sehr hohen Alter von 70 bis über 100 Jahren. Für diese Hochbetagten war die Teilnahme an der Studie sehr intensiv. In 14 Sitzungen, verteilt über drei Jahre, wurden sie untersucht nach ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit, ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit und psychischen Befindlichkeit sowie ihrer sozialen und ökonomischen Situation. Seitdem ist die Untersuchung als Langschnittstudie weitergeführt worden, indem Personen, die noch leben, bis sechs Mal nachuntersucht wurden. Drittens ist im empirischen Bezug die repräsentativ ausgewählte Großstadtbevölkerung sehr wichtig. Neben den für jedes Fachgebiet spezifischen Themen leiten folgende vier gemeinsame theoretische Orientierungen die Berliner Altersstudie: (1) differentielles Altern, (2) Kontinuität versus Diskontinuität des Alterns, (3) Umfang und Grenzen von Plastizität und Kapazitätsreserven und (4) Alter und Altern als interdisziplinäre und systemische Phänomene Der erste Punkt, differentielles Altern, bezeichnet die großen individuellen Unterschiede beim Altern. Beispielsweise muss man unterscheiden, ob die beim Altern auftretenden Veränderungen Ausdruck normalen Alterns oder Zeichen von Krankheit sind. 9 Die Kontinuität, beziehungsweise Diskontinuität in einem Menschenleben wird verständlicher anhand eines Beispiels. Wenn eine Person mit einem Vollzeit-Job in Rente geht und sich dann aus dem gesellschaftlichem Leben zurück zieht, wäre das Diskontinuität. Würde diese Person Ersatz für den Job suchen, indem sie zum Beispiel ehrenamtliche Jobs übernimmt oder einem Club oder Verein beitritt, wäre das Kontinuität. Der dritte Punkt, Umfang und Grenzen von Plastizität und Kapazitätsreserven, bezeichnet die zentrale Lebensproblematik des Alterns: die Auseinandersetzung mit Entwicklungsverlusten und –Gewinnen. Einerseits gibt es die altersbedingten Grenzen der Kapazitätsreserven, andererseits sind Intelligenz- und Gedächtnisleistungen noch deutlich zu steigern. Wegen des Fortschritts einer positiven Alterskultur wird immer mehr Aufmerksamkeit auf die möglichen Gewinne und die aktivierbaren Reserven des Alters gerichtet. Zum Schluss wurde das Alter und Altern als interdisziplinäres und systemisches Phänomen untersucht. Das Kennzeichen des Alters und Alterns ist, dass es nie nur in einer Disziplin auftritt, sondern gleichzeitig ein biologisches, psychisches, soziales und gesellschaftliches Phänomen ist. 1.2 Die Stichprobe Die Studienteilnehmer wurden randomisiert aus dem West-Berliner Melderegister gezogen. Von den 2.297 Personen aus der Bruto Stichprobe waren nur 1.908 Personen verifizierbar; die anderen waren vor Beginn der Studie gestorben, aus dem WestBerliner Stadtteil weg, oder unbekannt verzogen. Von diesen 1.908 Personen ließen sich wiederum nur 1.219 für eine erste Kurzbefragung erreichen. Die 516 Personen, die schließlich am gesamten Untersuchungsprogramm teilnahmen, wurden nach Alter und Geslecht aufgeteilt. Für beide Geschlechter und jede Altersgruppe (sechs insgesamt: 70-74, 75-79, 80-84, 85-89, 90-94, 95+), wurden jeweils 43 Personen befragt (siehe Abbildung 1). 10 Abbildung 1 Eine Schwierigkeit an dieser Studie ist, dass nicht alle Personen gleich Alt werden. Manche erreichen sogar die Altersuntergrenze von dieser Studie, 70 Jahre, nicht. Deshalb gibt es mehr „junge“ Alte als „alte“ Alte und außerdem mehr Frauen als Männer. So gibt es fünfmal mehr 70jährige als 90jährige und fünfmal mehr 90jährige Frauen als 90jährige Männer (siehe Abbildung 2). Trotz dieser Tatsache haben die Wissenschaftler mit Absicht eine gleiche Verteilung von 43 Personen für jede Kohorte gewählt. Sie konnten so jede Altersgruppe an sich untersuchen und vergleichen. Weil die prozentualen Anteile der einzelnen Kohorten in der Gesamtbevölkerung den Wissenschaftler bekannt sind, konnten sie die Ergebnisse einer Stichprobe hochrechnen wenn es nötig war (siehe Abbildung 2). 11 Abbildung 2 1.3 Die Ergebnisse der Studie Den Wissenschaftlern war es sehr wichtig die Vielfalt des Alterns zwischen Gruppen und Personen, zwischen Funktionsbereichen einzelner Personen und zwischen Altersverläufen zu unterstreichen. (Also das, was schon als „differentielles Altern“ bezeichnet wurde). Deshalb kann man keine allgemeinen Aussagen darüber machen, in welchem Alter bestimmte Fähigkeiten nachlassen. Fakt ist aber, dass alle Menschen sich mit altersbedingten Verlusten auseinandersetzen müssen. Die negativen Aspekte des Alters häufen sich mit zunehmendem Alter. Alle älteren Menschen unterliegen einem graduellen Abbau ihrer geistigen Fähigkeiten. Alte Menschen können zwar Neues hinzulernen, aber mit zunehmendem Alter immer weniger. Nicht nur das Gedächtnis, sondern auch alle andere kognitive Fähigkeiten verschlechtern sich kontinuierlich von Altersgruppe zu Altersgruppe. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem graduellen Abbau von geistiger Fähigkeiten und dem Abbau sensorischer Fähigkeiten (Hören, Sehen und Gleichgewicht). Mit dem Alter nehmen auch soziale Aktivitäten ab, vor allem aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen. 12 Folgende Ergebnisse der Studie zeigen aber, dass die Vorstellung vom Alter als insgesamt negativ und problematisch zu bewertende Lebensphase, der Wirklichkeit nicht entspricht (siehe Abbildung 3): Ein Abbau der fluiden Intelligenz ist unbestritten. Die fluide Intelligenz ist zuständig für die mechanischen Aspekte der Intelligenz, wie zum Beispiel logisches Schliessen und Schnelligkeit des Denkens. Die so genannten kristallinen Intelligenzfaktoren können sich im Alter sogar noch steigern oder stabil bleiben. Kristalline Intelligenz ist die Fähigkeit die Mechanik der Intelligenz in verschiedenen praktischen Lebensbereiche anzuwenden, wie den Wortschatz oder praktisches Wissen. Für die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter ist die kristalline Intelligenz besonders wichtig. Sie nimmt weiterhin, in Abhängigkeit von der intellektuellen und gesellschaftlichen Kulturaneignung zu, also durch aktives Lernen, wie zum Beispiel etwas anspruchsvolles lesen, Klavier üben oder sich politisch engagieren. 13 Abbildung 3: Leistung der kristallinen und fluiden Intelligenz mit zunehmendem Alter. Ein weiterer Beleg, der der allgemeinen negativen Vorstellung vom Alter widerspricht, ist die subjektive Befindlichkeit der älteren Menschen. Die meisten alten Menschen sind mit ihrem Leben zufrieden. Zwei Drittel der Befragten fühlen sich gesund. Mehr als zwei Drittel meinen, dass sie ihr Leben selbst bestimmen können und fühlen sich insoweit selbstständig und unabhängig. Mehr als neun von zehn ältere Menschen haben noch ausgeprägte Lebensziele und nur ein Drittel ist stark vergangenheitsorientiert. Die subjektive Lage ist besser als die objektive Situation. Die überwiegend positiven Einstellungen sind das Ergebnis von der psychischen Auseinandersetzung mit widrigen Bedingungen. Es gibt aber auch positive Belege für eine objektive Alterssituation. Auch fühlen sich alte Menschen nicht nur selbstständig, sie sind es auch weitgehend in ihrer Lebensführung. Mehr als neun von zehn leben in Privathaushalten. Fast die Hälfte der 70jährigen ist frei von gravierenden Beschwerden durch Einschränkungen des Bewegungsapparates. 14 1.4 Erfolgreiches Altern Aufgrund der Berliner Altersstudie präsentieren Paul und seine Frau Margret Baltes das Konzept ‚Erfolgreiches Altern’. Das Leben wird als ein Entwicklungsprozess von der frühen Kindheit bis ins hohen Alter gesehen. Das Alter wird dabei nicht als Phase von Abbau gesehen, wo man Abschied nimmt von Leben und sich allmählich zurückzieht, sondern als eigenständige, gestaltbare Lebensphase. In diesem Konzept wird davon ausgegangen, dass die Alternsprobleme hauptsächlich aus Funktionslosigkeit bestehen. Erfolgreiches Altern handelt nun von der Bewältigung dieser Probleme. Die Studie hat hervorgehoben, dass Zufriedenheit sich vor allem dann einstellt, wenn die Aktivitäten der mittleren Lebensjahre, die Jahre der Familiengründung und Berufsausübung, aufrecht erhalten werden. Meistens ist das wegen der Verrentung nicht möglich. Es sollte dann ein Ersatz für die ausgeübten Tätigkeiten gesucht werden, in zum Beispiel ehrenamtlichen Jobs oder organisierten Freizeitprogrammen, wie Sport, Kunst und Musik. Abgesehen von biologischen und gesundheitlichen Veränderungen, haben Menschen im Alter dieselben psychischen und sozialen Bedürfnisse wie im mittleren Lebensalter. Im kurzen; um Zufriedenheit im Alter zu erreichen sollte das Leben Aufgaben-, Sinnund Gemeinschaftsbezogen sein. „Erfolgreiches“ Altern kann sich dann einstellen, wenn die Menschen es schaffen ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen und den Anforderungen von ihrem Alter herzustellen. Das geht aber nicht von selbst. Es setzt von einem Menschen vorraus, offen zu sein gegenüber neuen Situationen und die sich bietenden Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen. Bis vor zwei Jahrzehnten glaubte man noch, dass Nervenzellen beim Lernen zwar neue Verbindungen untereinander herstellen, abgestorbene aber nicht mehr durch neue ersetzt werden. Heute wird dieser Aussage widersprochen. 15 Durch aktives Lernen werden auch im hohem Alter neue nervliche Verknüpfungen hergestellt und es können in bestimmten Hirnregionen Zellen neu gebildet werden. Je nach Gegenstand und Art des Lernens werden verschiedene Hirnregionen angesprochen. Eine Tätigkeit, die möglichst viele davon anspricht, wäre für Senioren ideal. Musik ist ein Lernfeld, dass diesen Anforderungen entspricht; es verlangt Denken, geschicktes Handeln, Wissen und anstrengendes Tun. Ausserdem aktiviert sie eine Fülle von Emotionen. Für das Lernen von Musik braucht man „Kopf, Herz und Hand“, wie der berühmte Pädagoge Pestalozzi (1746-1827) es ausgedrückt hat. In den nächsten drei Kapiteln wird das Erlernen eines Musikinstrumentes von älteren Leuten in den drei Bereichen „Kopf, Herz und Hand“ auseinandergenommen. Dabei ist zu beachten, dass Baltes´ Studie Personen ab 70 Jahre untersucht hat. Die „Berliner Altersstudie“ ist sehr ermutigend was die Lernkapazitäten von älteren Leuten angeht. Hier muss bemerkt werden, dass in dieser Arbeit mit „Senioren“ Leute ab dem gesetzlich festgestellten Rentenalter, das wegen der steigende Lebenserwartung vor kurzem von 65 auf 67 Jahre erhöht worden ist, also sogar noch etwas jünger, gemeint sind. Kapitel 2: „Kopf“ Nur die wenigsten Senioren haben ein Beruf ausgeübt in dem sie ständig lernen müssten. Das aktive Lernen haben die meisten mit der Berufsausbildung abgeschlossen und vielleicht später eine Fortbildung mehr oder weniger über sich ergehen lassen. Sie sind was das Lernen angeht nicht mehr in Übung. Nach einer langen Pause, wenn auch freiwillig, wieder ins disziplinierte und systematische Lernen einzutreten ist nicht leicht. Das Maß an benötigter Anstrengung überrascht. Die Befriedigung, die man als Schüler hatte, wenn die Hausaufgaben erledigt waren, entfällt. Das Erlernen eines Instruments 16 fordert (tägliche) Übung über mehrere Jahre hinweg. Größere und kleinere Erfolge lassen oft länger auf sich warten und stellen sich nicht von heute auf morgen ein. Im Beruf und Studium lernt man vor allem über Sprache, Begriffe und logische Beweisketten. Diese von der linke Gehirnhälfte gesteuerten Tätigkeiten werden in unserer Kultur überbewertet. In musikalischen Grundbildungskursen für Erwachsene wird das lernen von Theorie, zum Beispiel Notenlernen, häufig überschätzt. Eine stärkere Beachtung von Ereignissen, die in der rechten Hirnhälfte stattfinden, wie Emotionen, die sozialen Beziehungen von Menschen und das Denken in Bildern, bzw Analogien ist deshalb wünschenswert. Ganzheitliche Lernmethoden und der Einsatz von nonverbalen Kommunikationsmöglichkeiten sind wichtig im Musikunterricht. Ob verschiedene Funktionen im Alter noch veränderbar sind ist eine wesentliche Frage, wenn es um das Erlernen eines Musikinstruments geht. 2.1 Vom Vergessen und Erinnern Die Gründe, warum etwas vergessen oder beibehalten wird, sind für junge und alte Lerner gleich. Die Unterschiede liegen in der Motivation etwas zu lernen, bei der Effektivität in der Vorbereitung und Planung und vor allem in der benötigten Dauer der Übung. Jede Person verarbeitet auf höchst individuelle Art und Weise neue Informationen. Jeder verfolgt dabei seine eigenen Strategien und benutzt die bevorzugten Sinneskanäle. Die Bedingungen unter denen man optimal lernen kann werden unter anderem entschieden durch die früheren Lernerfahrungen, das kulturelle Umfeld und das vorhandene oder mangelnde Training. Eine abgeschlossene Einheit zu vermitteln, das Interesse vom Schüler zu wecken und kleine Erfolge einzubauen sind die Grundbedingungen für jeden Unterricht. Wenn der Stoff als geschlossene Einheit vermittelt wird, kann der Teilnehmer sie in Zusammenhang verfassen. So bleiben zum Beispiel Lateinvokabeln nicht so lange im 17 Gedächtnis, weil das zuviele Einzelinformationen sind. Die Sprichwörter dagegen werden besser beibehalten. Jeder Mensch, in jedem Alter braucht kleine Erfolgserlebnisse. Freude und Spaß, Voraussetzung für das Lernen, sind abhängig von diesen (kleinen) Erfolgserlebnissen. Die Gefühle, die damit verbunden sind, begünstigen die Einspeicherung von neuem Stoff. Wenn ähnliche oder zuviele verschiedene Themen hintereinander in einer Unterrichtsstunde durchgenommen werden, kommt es zu Überlagerung. Durch eine Überlagerung wird die Information gar nicht gespeichert. Sie ist im Kurzzeitgedächtnis verloren gegangen. Man kann sich nicht auf zwei Themen gleichzeitig konzentrieren. Ein ständiger Wechsel zwischen Themenbereichen sollte von daher vermieden werden. Ältere Personen sind störanfälliger als jüngere Leute. Weil sie scheller abgelenkt sind, verarbeiten sie Informationen nicht gründlich. Deshalb haben sie später Schwierigkeiten das Gelernte zu reproduzieren. Die Kontinuität im Unterricht mit Senioren ist etwas wesentliches. Der rote Faden muss immer beibehalten werden. Um dem Vergessen vorzubeugen sollte man ein langsameres Tempo und einen ruhigeren Ablauf einplanen. Kurze Pausen zur Abspeicherung von neuen Informationen sind wichtig und effektiv. Beim Erlernen eines Instrumentes sollte man das Überlernen bevorzugen; obwohl man meint den Stoff zu beherrschen, sollte man ihn trotzdem weiter üben. Man beugt dem Vergessen vor, indem viel auswendig gespielt wird. Jedoch ältere Lerner, vor allem Anfänger, halten sich zuerst lieber an gewohnten Gedächtnisstützen fest, wie zum Beispiel am Notenheft. Man kann das Auswendigspielen langsam im Unterricht einführen, indem anfangs kürzere Passagen, darauf ganze Stücke auswendig gespielt werden. So wird der neu zu erlernende Stoff tiefer verankert und besser beibehalten. 18 2.2 Über Spätanfänger und Wiedereinsteiger Es ist ein grosser Unterschied, ob man eine musikalische Fertigkeit im Alter neu lernen muss oder an früher erlernte Fertigkeiten anknüpfen kann. Die grundlegenden körperlichen und geistigen Fähigkeiten sind schon am Ende der Adoleszenz ausgebildet. Durch Übung oder Reifung können jedoch auch danach noch Veränderungen stattfinden. Diese nehmen aber mehr Zeit in Anspruch als im Kindes- oder Jugendalter. Bis zum Ende der Adoleszenz gibt es mehrere sensible Phasen, die für den Erwerb von bestimmten Fertigkeiten zuständig sind. Wenn die sensible Phase vorbei ist, lässt sich eine Fertigkeit nur mit Mühe aneignen. Das wird umso schwieriger, je mehr Jahre zwischen der sensible Phase und dem Alter der Person liegen. Das Alter von 2 bis 5 Jahren ist zuständig für den Erwerb der Muttersprache. Die Fähigkeit eine Sprache akzentfrei sprechen zu lernen nimmt mit zunehmenden Alter ab. Auch die Musik kann im Alter von 2 bis 5 Jahren wie die Muttersprache leicht angeeignet werden. Wenn in diesem Alter das Singen und Tanzen unterstützt wurde, kann man im Erwachsenenalter schneller ein sicheres Gefühl für Metrik, Dynamik und Agogik bilden. Um neue Fertigkeiten zu erwerben nutzt der Erwachsene seine im Kindes- und Jugendalter gebildete Fähigkeiten. Durch gezieltes Training ist es möglich die Verfügbarkeit über früher erlernte Fertigkeiten wieder zu erlangen. Schwer zu erlernen sind jedoch solche Fähigkeiten, die keine Ähnlichkeiten mit bereits ausgebildete Fähigkeiten besizten. Für das Klavierspiel, braucht man zehn entkoppelte Finger. Jeder Finger muss in der Lage sein eigenständige und unabhängige Bewegungen zu machen. Im Alltagsleben wird die Hand aber hauptsächlich zum Greifen benutzt. Dabei arbeiten die vier dem Daumen gegenüberstehenden Finger meistens im Verbund. Die Daumen und Zeigefinger leisten beim Greifen die Hauptarbeit. Ausserdem ist (bei Rechtshändern) die linke Hand unbeholfener als die rechte. Im Alltag wird die linke 19 Hand entweder benutzt um Dinge festzuhalten die mit der linken Hand bearbeitet wurden, wie beim Brot schneiden, oder gar nicht. Dass die dritten, vierten und fünften Finger schwerfällig und nicht unabhängig sind, ist ein häufig vorkommendes Problem. Auch ein zu starkes Greifen, wie der zu fest gehaltene Bogen, ist für das Instrumentalspiel unerwünscht. Dagegen haben erwachsene Klavieranfänger, die viel Schreibmaschine geschrieben haben, es leichter. Sie können die beim Schreiben beidhändig trainierte Fähigkeit, die dritten, vierten und fünften Finger isoliert geschwind und geschickt zu bewegen auf das Klavierspiel übertragen. Der Lehrer sollte berücksichtigen, dass für die Bewegung am Instrument ungeübte oder in falscher Weise geübte Muskeln und Gelenke eingesetzt werden. Es ist beim Lernen allgemein schwer früher Gelerntes neu zu organisieren oder ganz zu vergessen. Es werden viel eher alte Handlungsmuster wiederholt. Neulernen ist leichter als Umlernen. Im Unterricht mit Erwachsenen ist es von daher wichtig ihren Erfahrungsschatz zu nutzen und an hochentwickelte Fertigkeiten anzuknüpfen. Es ist dabei unwichtig, ob die Fertigkeiten im Kindes- und Jugendalter oder im Erwachsenenalter trainiert wurden. Um Lernfehler vorzubeugen, muss man die Lerngeschichte des erwachsenen Schülers berücksichtigen. Viele wissen aus eigener Erfahrung, dass seine Großeltern sich nicht so gut erinnern können, was sie gestern gemacht haben, dafür sind die Ereignisse aus ihren jungen Jahren umso lebendiger im Gedächtnis. Wenn eine ältere Person in seiner Kindheit schon mal ein Instrument gelernt hat, ist das von Vorteil. Beim Lernen fällt ihr vieles wieder ein und sie lernt schneller Neues dazu als jemand, der das Instrument zum ersten Mal in Angriff nimmt. Auch wenn die Erfahrung aus der Jugend nicht aktiv präsent ist, wird sie im Laufe der Übung wieder hervorgeholt. Für Spätanfänger könnte der Lehrer neue Informationen so gestalten, dass der erwachsene Schüler sie in bekanntes einordnen kann. Motivationen und positive 20 Erwartungen, die den Schüler an den Musikunterricht hat, entscheiden den Lernprozess und beeinflussen die Aufnahmekapazität stark. Die S-Form ist eine typische Lernkurve für ältere Menschen. Am Anfang scheint man keine Fortschritte zu machen und bleibt längere Zeit auf einem niedrigen Anfangsniveau. Das kann erklärt werden durch die mangelnden Erfahrungen, die jetzt langsam aufgebaut werden. Der erwachsene Schüler sollte in der Anfangsphase in allen Bereichen ermutigt und unterstützt werden. Das niedrige Anfangsniveau wird plötzlich abgelöst durch leichte, schnelle Fortschritte. Diese Phasen von plötzlichem, leichtem Lernen lösen sich immer wieder ab mit den oft als Stagnation empfundenen Phasen. 2.3 Unterschiede im Lernen zwischen Erwachsenen und Kindern- und Jugendlichen Erwachsene unterscheiden sich von Kindern in ihrer Lernmotivation, Lernbereitschaft und ihrer Lernfähigkeit. Senioren kommen freiwillig zum Unterricht. Sie werden durch ihr eigenes Interesse gelenkt und möchten sich selbst herausfordern. Nach der Verrentung suchen viele ältere Menschen nach weiteren Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, zum Beispiel in der Musik. Es geht ihnen beim Musik-lernen mehr um Aspekte der Selbstbegegnung in der Musik und die Kommunikation mit anderen, als um den Aufbau spezieller instrumentbezogener Fertigkeiten. Erwachsene Anfänger setzen sich selbst ein sehr hohes Anspruchsniveau. In diesen Altersgruppen ist eine große Diskrepanz, zwischen der Fertigkeit Musik wahrzunehmen und aktiv zu musizieren. Erwachsene sind sehr anfällig für Selbstabwertung und werden deshalb nicht gerne mit anderen verglichen (z.B. durch Prüfungen). Kinder- und Jugendliche dagegen sind in einer Phase, wo sie gerade ihre Umwelt explorieren und lernen müssen Eigeninitiative zu entwickeln. Sie gewinnen zunehmend Einsicht in die Regeln und Ordnung ihrer Umwelt. Vor allem Jugendliche sind auf der 21 Suche nach ihrer eigenen Identität, wobei sie Problemen begegnen, die im Erwachsenenalter schon bewältigt sind. Die Motivation von diesen Gruppe von Lernenden ist von außen gesteuert. Sie sind eher auf ein Ziel ausgerichtet, wie zum Beispiel eine gute Note oder Anerkennung von Freunden und Familie. Die Möglichkeit von Musik als spätere Berufswahl steht noch offen, was bei Erwachsenen nicht mehr der Fall ist. Jüngere Leute akzeptieren eine Autoritäre, aber gerechten Lehrer, der ihre Kenntnisse überprüft und kontrolliert eher. Im Unterricht mit Erwachsenen sollte man die Autorität bei dem Schüler lassen; es nicht gut ihm ständig zu sagen, wie er etwas zu tun hat oder wie er es richtig machen muss. Der strenge, aber gerechte Unterricht ist bei Erwachsenen deshalb nicht angebracht. Sie legen mehr Wert auf einen kompetenten und sympathischen Lehrer. Hobby’s und Interessen Erwachsener können zum Teil als Ausdruck davon gesehen werden, die eigene Identität im Aktivitätsprofil wieder zu finden. So kann ein Hobby auch durchaus dazu dienen, sich selbst oder anderen etwas zu beweisen, wenn zum Beispiel eine Schwerhörige sich entscheidet, Geige zu lernen. Deshalb sind Erwachsene anfälliger für Frustrationen und Misserfolge. Ein zu weit gestecktes Ziel oder zu wenig Rückmeldung vom Lehrer können sich sehr verunsichernd auswirken. Wegen weit verbreiteten Vorurteilen, dass Ältere beim Lernen benachteiligt sind gegenüber Jüngeren, und kritischen Bemerkungen von Familie und Freunden, sollte im Unterricht Platz geschaffen werden für ermutigende und unterstützende Gespräche. Heinz Meinhardt sagt: „Ohnehin wurden wir schon unserer Absicht wegen, im Alter noch ein Instrument lernen zu wollen, verspottet [...]. Es ist erstaunlich auf wieviel Widerstand man trifft, wenn man im Alter noch etwas Neues lernen will.“4 Kinder und Jugendliche werden von ihren Eltern ermutigt weiterzumachen und durchzuhalten. Erwachsene brauchen für ein ermutigendes Wort den Lehrer oder, wenn vorhanden, die Arbeitgruppe. Meinhardt, Heinz/Vogelbein, Cornelia: “Dem Alter ein Schnippchen schlagen. Durch Blockflötenspiel dem Altern entgegenwirken.“ In: Windkanal 2006, Nr.4. 4 22 2.4 Zeit und Üben Erwachsene sind selbstkritischer als jüngere Spieler. Sie brauchen deshalb weniger Kritik von außen, dafür aber mehr konstruktive Anleitung zum Üben, um ihre Schwierigkeiten zu bewältigen. Die besten Ziele im Unterricht sind diejenigen, die Erwachsene sich selbst setzen. Es gibt keine von außen gesetzte Norm, die erreicht werden muss. Beim Üben geht es darum die eigene Leistung schrittweise zu verbessern. Alles, was man im Vertrauen auf sein Können versucht, ist verbunden mit dem Zweifel, ob es auch gelingen wird. Um das Einschleichen von Fehlern zu verhindern, ist man aufgefordert die Schwierigkeiten mit einer gewissen Härte gegen sich selbst zu meistern. Dabei sollte man versuchen eine Bilanz zwischen Anspannung und Gelöstheit zu finden. Erfolg um jeden Preis begünstigt das Misslingen der Übung, wegen der zu großen Anspannung, und kann sogar zu Verkrampfungen führen. Unbeschwert und entspannt sein, ist deshalb eine Voraussetzung für das erfolgreiche Üben. Es ist natürlich auch möglich, dass das Üben als Freizeitbeschäftigung an sich entspannend wirkt. Obwohl Senioren fleißig üben, bedauern manche es, dass sie zu wenig Zeit zum Üben haben. Den Spruch: „Ich konnte diese Woche nicht üben, weil...“ kann man verschieden deuten. Die Senioren, die Musikunterricht nehmen, sind tatsächlich oft diejenigen, die sowieso gesellschaftlich sehr engagiert sind und sich neben Musikunterricht noch viele andere Aktivitäten zulegen. Eine andere Möglichkeit aber wäre, dass sie mit dieser Entschuldigung einem gewissen Leistungsdruck ausweichen; sie empfanden ihre Leistungen als ungenügend und schieben deshalb eine plausible Erklärung vor. Erwachsene bekommen gerne Anregungen von bedeutenden Pädagogen in der Literatur. Sie erkennen Ihre Probleme hier wieder und kriegen sinnvolle Hinweise zum täglichen Üben. Der Aufsatz von Gisela Sott zum Beispiel, den sie um 1960 für ihre Schüler 23 geschrieben hat, behandelt die wesentlichen Teile von Üben: Zeiteinteilung, Üben der Technik, Üben der Werke, Repertoire-Üben und Vorbereitung zum Vorspielen.5 Kapitel 3: „Herz“ Die „Berliner Altersstudie“ hat schon gezeigt, dass das Bild vom Alter als insgesamt negativ und problematisch zu bewertender Lebensphase nicht stimmt. Entwicklungschancen im höheren Alter gewinnen immer mehr an Bedeutung. Der Graphik „Schülerzahl und Altersverteilung an Musikschulen im VdM“ (siehe Anhang) ist zu entnehmen, dass die Teilnehmerzahl von Senioren an Musikschulen zwar nicht groß ist, sich aber zwischen 1997 und 2005 verdoppelt hat. Ein allgemeines Charakteristikum von Musikschülern ist, dass sie einen durchaus hohen Bildungsabschluss haben. Wenn man sich die Statistik „Instrumentales und vokales Musizieren 2005 und 2000“ (siehe Anhang) anschaut, sieht man, dass ein Viertel der Schüler Abitur oder Hochschulreife hat und ein weiteres Viertel ein abgeschlossenes Studium. Die Ausgangssituation von Rentnern die in den Musikunterricht kommen kann man in folgende Gruppen unterteilen: Senioren, die nach längerer Unterbrechung den Unterricht auf dem alten Instrument wieder aufnehmen oder das Instrument wechseln. Fortgeschrittene, die bereits in Ensembles musizieren Spätanfänger Was genau sind die Gründe dieser Senioren im Alter, das Musizieren wieder aufzunehmen oder sogar neu anzufangen? Welche Erwartungen haben sie an den Instrumentalunterricht und den Lehrer? 5 www.giselasott.de 24 3.1 Motive Senioren haben sehr vielfältige Beweggründe im Alter wieder mit dem Lernen anzufangen. Lernen im Alter kann eine Kompensation für früher nicht erfüllte Lernund Studienwünsche darstellen. Für ältere Leute ist das Lernen ein Chance bewusster Lebensgestaltung und zur Selbstverwirklichung. Sie haben den Wunsch, durch Musik ihren seelischen und körperlichen Zustand zu verbessern. Ältere Leute sind daran interessiert ein tieferes Verständnis für Musik zu bekommen. Sie geben sich mit reinem Musikgenuss nicht zufrieden und möchten über mehr Fachwissen verfügen. Sie erwarten, dass Nachbarbereiche wie Musikgeschichte, Formenlehre und Strukturanalyse in den Unterricht einbezogen werden. Die individuelle Betreuung im Unterricht ist dem Senior wichtig. Das größte Elend älterer Leute ist die Einsamkeit. Viele von denen hoffen durch gemeinsames Musizieren sich neue Kontakte zu schaffen und ihre Schmerzen durch Musik zu verarbeiten. Sie möchten nach einem anstrengenden Berufsleben (oder der langjährigen Pflege der Familie) einfach mal etwas „für sich tun“. Solche Motive sind vom Musiklehrer besonders ernst zu nehmen, weil es dem Schüler mehr um die Selbstbegegnung in der Musik und die Kommunikation mit anderen geht, als um den Aufbau spezieller instrumentaler Fertigkeiten. Die außermusikalischen Beweggründe sind meistens wichtiger als die musikalischen, obwohl sie schwer voneinander zu trennen sind. An dieser Stelle muss kurz bemerkt werden, dass Gruppenunterricht mit Senioren nur in Ausnahmefällen möglich ist. Die körperlichen und geistigen Fähigkeiten von Senioren sind sehr unterschiedlich. Sie vertragen es untereinander schlecht „warten“ zu müssen auf jemanden der langsamer lernt. Da spielt auch das Preis-Leistungsverhältnis eine Rolle. Weil Musikschulen für erwachsene Schüler keine Zuschüsse empfangen, wie es für Kinder der Fall ist, ist der Unterricht für Erwachsene dementsprechend teurer. Sie möchten die Unterrichtszeit deshalb effektiv nutzen. 25 Weil das gemeinsame Musizieren für ältere Menschen wichtig ist, um neue Kontakte zu knüpfen, sollte der Lehrer sich überlegen, wie er das im Einzelunterricht einbinden oder zusätzliche Ensemblekurse anbieten kann. Erwachsene Schüler bringen Erfahrungen, Erwartungen und Meinungen mit in den Unterricht, die nicht unbedingt die gleichen sind wie die des Lehrers. Im Unterschied zu Jüngeren hat ein Erwachsener fast immer eine genaue Vorstellung von dem Ziel und der Gestaltung des Unterrichts. Obwohl es für Senioren viele Motiven gibt, Musikunterricht zu nehmen, ist für viele die Hemmschwelle es tatsächlich zu tun noch viel größer. Es sind vor allem Ängste, die sie davon abhalten ein Instrument zu erlernen (siehe auch Kapitel 2.3). Negative Erfahrungen mit früherem Musikunterricht können ein Hindernis sein. Vielen glauben unnötig, dass das Musizieren ihnen nicht gelingen wird, wegen motorischen Schwierigkeiten oder körperlichen Verspannungen. Auch die Schülerrolle kann im Erwachsenenalter Hemmungen erzeugen. 3.2 Möglichkeiten zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse Im Leben eines älteren Menschen finden viele einschneidende Ereignisse statt. Der Tod des Partners, Krankheit, Wegzug der Kinder und auch der Eintritt in den Ruhestand fordern vom Individuum Anpassung und Bewältigung der neuen Situation. Solche Geschehen erzeugen Stress und Anspannung. Diese Ereignisse sind eine Herausforderung für die psychischen Kompetenzen älterer Menschen. Musik ist eine gute Möglichkeit psychische Schmerzen Ausdruck zu verleihen, beziehungsweise sie zu verarbeiten. Sie spricht das parasympathische Nervensystem an, also jenes Nervensystem, das für das Beruhigen des Organismus zuständig ist. Weil mit psychopharmakologischen Mitteln nur begrenzt gearbeitet werden kann, empfehlen Mediziner und Neurologen das Entwickeln von psychologischen Maßnahmen. Diese können das parasympatische Nervensystem nämlich so unterstützen, dass damit Schmerzzustände gelindert werden können. 26 Hier kommt der Instrumentalunterricht der Musiktherapie sehr nah. Es gibt zwei Möglichkeiten mit Musik zu arbeiten. Zum einen ist das Musikhören sehr beliebt bei Hochbetagten, die kein Instrument spielen können. Zum andern kann man Musik selbst machen. Musik hilft vor allem Schmerzpatienten, die sich in sich selbst zurückziehen, aus ihrer Isolation. Durch Musizieren schließen Menschen sich dort auf, wo sie über das gesprochene Wort nicht mehr erreicht werden können. Die Fähigkeit sich selbst darzustellen und mitzuteilen, kann (zumindest teilweise) zurückgewonnen werden. Musik kann das sinkende Selbstbewusstsein und die fehlende Selbstachtung wieder aufbauen. Außerdem lassen sich durch Musizieren die geistigen Kräfte und die Motorik trainieren. Musizieren bringt die Erfahrung des eigenen Könnens, was für die Menschen mehr bedeutet als die vorübergehende Stimmungsaufhellung. 3.3 Musikpräferenzen älterer Menschen Lernen vollzieht sich zum Teil durch Orientierung an einem Vorbild, das positiv erlebt wird und einen Vorsprung im Verhältnis zur Musik besitzt. Als Kind sind das zum Beispiel die Eltern, später die Popidole, im Erwachsenenalter ein Verwandter oder Bekannter. Im Unterricht kann es der Lehrer oder (in Gruppenunterricht) ein geschätztes Gruppenmitglied sein. Diese Vorbilder stärken die Vorliebe zu einer bestimmten Musik. Einige Studien belegen, wie zum Beispiel die von Jonas (1991)6, dass ältere Leute vor allem die Musik aus ihre Jugend bevorzugen. Viele ältere Leute lernten in ihrer Jugend, sofern die klassische Musik nicht im Elternhaus gepflegt wurde, vor allem die Volksmusik kennen. Diese war so gut wie überall vertreten: in Volkslied, Kirchenlied, Tanz, Schlager, unter anderem bei geselligen Veranstaltungen, im Gottesdienst oder bei Karnevals- und Schützenfesten (siehe Statistik im Anhang vom VdM „bevorzugte Musikrichtungen nach Altersgruppen 2006“). Ein damals erworbenes Repertoire ist auch heute noch geläufig und auf Anhieb wieder präsent. 6 Gembris, Heiner: “Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung“, S. 356. 27 Diese Voraussetzung muss man sich klar machen, um die richtige Einstellung zu Musik mit älteren Menschen finden zu können. Im Instrumentalunterricht wird das Spielen volkstümlicher Musik in der Regel Schwerpunkt der Arbeit bleiben. Darüber hinaus sollte der Erlebnishorizont erweitert werden, indem der Schüler Musik anderer Stilrichtungen kennenlernt. Die anstehende Generation von Rentnern haben in ihrer Jugend schon die Rockmusik kennengelernt. Sie haben zum Beispiel die Musik von Frank Zappa und Elvis Presley gehört. Ebenso wie die Rockmusik selbst sind eine Reihe von Stars und ein nicht unerheblicher Teil ihrer Hörer auch ins Alter gekommen. Rockmusik kann nicht mehr unbedingt gleichgesetzt werden mit Jugendmusik. Die Jazzmusik war in seinen Anfängen keine Jugendmusik. Jazz hat eine längere Geschichte und ausgeprägteren Kunstanspruch. Sie ist schon etabliert in wissenschaftlichen und pädagogischen Institutionen. Für den Wunsch, sich selbst auszudrücken und darzustellen, liegt eine große Chance im Jazz: es werden viele eigene Kompositionen geschrieben. Bei Jazz gibt es ausserdem einen hohen Improvisationsanteil in schon existierenden Stücken. Die Notierung von diesen Stücken ist je nach Instrument lediglich in Akkordsymbolen oder harmonischen, dynamischen, melodischen beziehungsweise rhythmischen Angaben, an die man sich fest zu halten hat. 3.4 Erwartungen an den Lehrer Spätanfänger erwarten von einem Lehrer, dass er auf ihre Wünsche und Bedürfnisse eingeht, ihre Person interesse zeigt und die Ängste vor Versagen oder nicht-können mildert oder produktiv umleiten kann. Ältere Schüler bringen sehr ausgeprägte Wunschvorstellungen mit in den Unterricht. Sie haben eine sehr genaue Vorstellung vom Unterrichtsinhalt und den Zielen, die sie erreichen wollen. Ausserdem haben sie ihre eigene Vorlieben für bestimmte Musik. 28 Ihre Vorstellungen vom Unterricht, müssen wie bereits erwähnt nicht unbedingt mit die vom Lehrer übereinstimmen. Daher empfielt es sich sls Lehrer, in einem Vorgespräch mit dem zukünftigen Schüler erst herauszufinden, was er erwartet: Welche Wunsch-, welche Zielvorstellungen bringt ein Schüler mit? Welche manuellen, welche geistigen Voraussetzungen besitzt er, um diese einzulösen? Wie ist die Ausdauer im Alltag einzuschätzen, wieviel Zeit, wieviel Energie ist er bereit einzubringen? Welche Hindernisse gibt es? Was bedeutet Musik für den Lernenden? Besteht bei ihm ein ausgeprägter Gestaltungswille, eine Liebe zur Musik, eine spezifische Vorliebe für eine Stilart, für ein Genre?7 Hier ein kleiner Überblick über die Vorstellungen, die Senioren vom Unterricht und Lehrer haben: Der Lehrer sollte einen Überblick über alle Nachbarbereiche in der Musik haben, wie zum Beispiel Geschichte, Theorie. Der Lehrer ist in der Lage auf persönliche Probleme des Schülers, die sich im Umgang mit der Musik zeigen, einzugehen. Der Lehrer ist kompetent in seinem Fach und kann Hilfestellung geben im Umgang mit Musik und Instrument bei Problemen technischer und interpretatorischer Art. Er benutzt keine Bewertungen und Kritik, die an berufsalltäglichen Maßstäben orientiert sind. Auch Flexibilität ist eine Voraussetzung: von geplanten Zielen wird spontan abgewichen, dafür können aber ungeplante Ergebnisse auftauchen. Er sollte die Fähigkeit besitzen, aus dem vom Schüler Gegebenen das Beste zu machen. 7 Grimmer, Frauke/Schroth, Gerhard: “Lebenslanges Lernen” In: Üben und Musizieren 2004. H.1, S.24. 29 Der Lehrer fördert Selbsterfahrung; vor allem für Senioren ist es wichtig, dass sie lernen, ihre Grenzen zu erkennen, diese zu akzeptieren und vielleicht sogar zu erweitern. Erwachsene erwarten oft in besondere Weise, dass der Lehrer ein Überblick über die gesamte Musik hat. Deshalb ist es der Lehrer hilfreich, wenn sein persönliche musikalische Interesse breit gefächert ist. Neben der Musikrichtung, wo der Lehrer sein Ausbildung gemacht hat, sollte sein Interesse auch andere Musikrichtungen, wie Jazz, Klezmer, Blues, Folk, Pop und Rock erschliessen. Der Lehrer sollte im Erwachsenenunterricht realitätsnahe Zielvorstellungen haben und entwickeln können, die sich an dem jeweiligen Schüler und seinen Möglichkeiten orientieren und nicht an seinen eigenen Wunschvorstellungen. „Teilnehmerorientierung“ ist das Schlüsselwort, wenn es um Unterricht mit Erwachsenen geht. Kapitel 4: „Hand” Dass körperliche Fähigkeiten sich im Alter abbauen steht außer Frage. Das Alter ist aber differentiell, das heisst, dass man nicht sagen kann, dass bestimmte Fähigkeiten sich zu einem bestimmten Zeitpunkt beim Altern abbauen. Es ist für jeden unterschiedlich, welche Fähigkeiten sich zum welchen Zeitpunkt abbauen, wenn überhaupt. Die für das Erlernen eines Instrumentes wichtigen Organfunktionen bleiben in einem Menschenleben relativ lange stabil: die für schnelle Bewegungen benötigte Energie die Muskelkraft (einschließlich ausgedehnter Muskelanstrengung) die Nervenleitgeschwindigkeit die Reaktionsgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit von Reflexen, vor allem der Fingerglieder die Fähigkeit zu dauernder Fingerwiederholung 30 koordinative Fähigkeiten Dennoch bauen sich diese Fähigkeiten im Alter ab. Jedoch gibt es dabei große individuelle Unterschiede. Es müssen nicht alle Fähigkeiten nachlassen und auch diese nicht in gleichen Maße. Daher wird in diesem Kapittel weniger auf die einzelnen Probleme und Begrenzungen eingegangen, sondern nach den Möglichkeiten gesucht, die es in Hinsicht auf Entspannung von steifen, verspannten Muskeln gibt und den Möglichkeiten, die es bei der Wahl eines Instrumentes gibt, trotz physiologisch bedingter Begrenzungen. 4.1 Physiologische Voraussetzungen Zuallererst ist das Lernen eines Instrumentes eine körperliche Tätigkeit. Es müssen Muskeln bewegt werden um das Instrument zu halten und Bewegungen am Instrument auszuführen. Von daher ist es wichtig die körperliche Verfassung des zukunftigen Schülers mit zu berücksichtigen. Dazu kann man die Altersgruppen, wie sie in der Sportpädagogik unterschieden werden, heranziehen: das frühe Erwachsenenalter (18/20 –30 Jahre); Jahre der Erhaltung der motorischen Leistungfähigkeit das mittlere Erwachsenenalter (30-45/50 Jahre); die Jahre der allmählichen motorischen Leistungsminderung das spätere Erwachsenenalter (45/50-60/70 Jahre); die Jahre der verstärkten Leistungsminderung das späte Erwachsenenalter (ab 60/70 Jahre); die Jahre der ausgeprägten Leistungsminderung8 Durch die individuelle Plastizität sind im Einzelfall sehr große Abweichungen nach oben oder unten festzustellen. 8 Holtmeyer, Gert: “Musikalische Erwachsenenbildung” nach Meinel/ Schnabel 1987; Meusel 1981 31 Vor allem beim Neu-erlernen eines Instruments liegt das Problem nicht in einem grundsätzlichen Unvermögen, sondern an motorischer Ungeübtheit. Die Geschwindigkeit mit der man senso- und psychomotorishe Funktionen ausübt nimmt im Alter zwar ab, aber das Wichtigste ist in Übung zu bleiben. Die Schulung von neuen, komplizierten Bewegungen im Instrumentalunterricht kann wegen nachlassender motorischer Fähigkeiten zu Frustrationen führen und ist deshalb nicht angebracht. Vor allem bei Etüden ist Vorsicht geboten, wegen möglicher einseitiger Belastung, wie zum Beispiel Fingerstreckübungen. Es ist viel besser die Übungen in Stücken zu erarbeiten und auf diese Weise Bewegungen verschiedener Art zu üben. Viel sinnvoller ist es das Üben von koordinativen Fähigkeiten im Unterricht aufzunehmen. Der Anfang vom Lernprozess liegt im Aufnehmen von neuen Informationen über die fünf Sinneskanäle. In unserer Kultur wird vor allem über die Augen und die Ohren aufgenommen; wir lernen vor allem visuell und akustisch. Köche und Winzer dagegen lernen über Geschmack und Geruch. Der fünfte Sinneskanal ist der Tastsinn. Beim Erlernen eines Musikinstrumentes ist eine Zusammenarbeit von Augen, Ohren und des Tastsinns gefragt. Viele Ältere haben Schwierigkeiten mit der Ohr-Hand und der Auge-Hand Koordination. Damit der Schüler sich ohne ständige Augenkontrolle auf dem Instrument zurechtfinden kann, sollte der Tast- und Orientierungssinn besonders geschult werden. Die Ohr-Hand Koordination ist für ältere Leute besonders schwierig. Das Üben von Auswendigspiel ist hier hilfreich. Die mit dem Alter nachlassende Hör- und Sehfähigkeit sind hinderlich für das musizieren. Diese können aber kompensiert werden durch die externen Unterrichtbedingungen. Es kostet zum Beispiel wenig Aufwand, dem Notentext an einer Kopiermaschine um einige Punkte zu vergrößern und dem Schüler mit schlechtem Sehvermögen ist schon geholfen. 32 Durch Beruf und Lebensgewohnheiten verfestigt sich der Muskelapparat. Darüber hinaus werden im Alter die (Finger-) Muskeln steif oder man hat mit Krankheiten wie Arthrose zu tun. Im Unterricht mit älteren Schülern muss man erst das Körperbewusstsein wieder aufbauen. Entspannungsverfahren, wie autogenes Training, progressive Relaxation oder Alexander-Technik sind gute Möglichkeiten dafür. 4.2 Entspannung Im Alter ändert sich die Funktion des Musikhörens. Senioren suchen nicht mehr nach ihrer Identität und Selbsterfahrung, so wie das in der Jugendzeit der Fall ist. Dagegen gewinnt die Entspannungsfunktion von Musik im Alter an Bedeutung. Eine der wichtigsten Motivationen älterer Menschen Musikunterricht zu nehmen ist, etwas für sich tun zu wollen oder einfach Spaß zu haben. Leider wirkt das Musizieren nicht automatisch entspannend. Es gibt eine Diskrepanz zwischen der Erwartung vom Schüler, Entspannung im Instrumentalunterricht zu finden, und der Vorstellung vom Lehrer, eine möglichst leichte Spielweise zu vermitteln. Eine negative musikalische Vorgeschichte, Erwartungen oder ein selbstprovozierter Leistungsdruck führen zu einer angespannten Grundhaltung und machen das Lernen schwer (siehe Kapitel 2.3). Außerdem sind die Muskeln während des Arbeitslebens verfestigt, und es mangelt dementsprechend bei Erwachsenen an einem guten Körpergefühl. Entspannungsübungen oder „geführtes Schweigen“ am Anfang einer Unterrichtsstunde haben einen sehr positiven Effekt. Das Ziel von Entspannungsübungen ist, Spannungszustände bewusst zu machen und die eigene Körperwahrnehmung zu sensibilisieren. Der Unterricht sollte in einer entspannten Atmosphäre stattfinden. Zeitdruck, Überforderung, starke Reglementierung, Beobachtung durch andere und die damit 33 verbundene Angst erzeugen Stress. Unter solchen Umständen wird die Speicherung von Lerninhalte im Gedächtnis gestört. Vor allem ältere Lerner zeigen wenig Durchhaltewillen in einer unangenehmen, gestressten Atmosphäre. Für jede Bewegung ist eine gewisse Grundspannung der Muskeln notwendig. Eine komplette Entspannung ist also auch nicht erwünscht. Zu vermeiden ist aber, dass die Muskeln mehr angespannt werden als nötig ist. Auch das Anspannen von zuvielen Muskel, zum Beispiel das Hochziehen der Schulter bei schwierigen Stellen, ist nicht gefragt. Lockerheit der Muskeln, Leichtigkeit der Spielbewegungen und die seelische Situation des Schülers bilden eine Einheit. Ziel eines guten Gebrauchs des eigenen Körpers und auch von einem guten Instrumentalunterricht ist, Handlungen mit einem Minimum an Spannung zu verrichten, so wie es zum Beispiel in der Alexander-Technik gelehrt wird. Die Auseinandersetzung mit Entspannungsmethoden ist deshalb für jeden Lehrer zu empfehlen. Je größer der eigene Hintergrund ist, desto besser kann man auf die Wünsche des Schülers eingehen. Das Prinzip des in Deutschland sehr populären autogenen Trainings ist Selbstentspannung durch hohe Konzentration. Die Entspannung geschieht im Zustand gefahrloser Tiefenentspannung, in einer abgesenkten Bewusstseinslage. Dieser Zustand ist nicht mit einem Bewusstseins- oder Kontrollverlust verbunden. Es handelt sich um eine nach innen gerichtete Aufmerksamkeit und Selbstsuggestion mit Beeinflussung des vegetativen Nervensystems. Autogenes Training kann zum Beispiel bei Lampenfieber wirksam eingesetzt werden. Die Idee von der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobsen ist, dass bei Anspannung und anschliessender Entspannung eines Muskels der Muskeltonus sinkt. Durch diese Technik wird die Wahrnehmung der Muskelspannung trainiert. Unnötige Muskelspannungen, wie zum Beispiel Schultern hochziehen beim Instrumentalspiel, werden auf diese Weise entdeckt und schnell korrigiert. 34 Die Alexander-Technik stärkt das Bewusstsein für den Gebrauch des Selbst, sie fördert die richtige Nutzung von Körper und Geist. Diese Technik trägt dazu bei, Fehler zu vermeiden und die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten besser zu nutzen. Sie geht davon aus, dass wir die Leichtigkeit Bewegungen auszuführen beim Aufwachsen verlieren und im Erwachsenenalter Bewegungen mit zuviel Muskelkraft ausführen, weshalb man Verspannungen bekommt. Da ein Instrumentallehrer selbstverständlich ohne Ausbildung diese Techniken in seinem Unterricht nicht direkt vermitteln kann, ist es aber doch von Nutzen, wenn er diesbezüglich Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hat. Darüberhinaus kann er seinen Schülern Empfehlungen geben und eventuell auf zusätzliche Unterrichtangebote verweisen. 4.3 Entspannungsübungen In diesen Paragraph sind zwei Entspannungsübungen aufgenommen, die man relativ leicht im Unterricht durchführen kann. Jede Übung dauert ungefähr 5 Minuten und kann im Sitzen oder Stehen ausgeführt werden. Um dem Schüler die Angst vor Bloßstellung zu nehmen, ist es wichtig, dass der Lehrer mit ihm zusammen übt. Die Übungen sollten langsam und aufmerksam ausgeführt werden. Bevor mit den Übungen angefangen wird, sollten Sinn, Zweck und Ausführung der Übung genau erklärt werden. Weil die Atmosphäre bei Entspannungsübungen still ist, sollten Störungen von außen ausgeschlossen werden, indem man zum Beispiel ein Schild „nicht stören“ an der Tür hängt. Vor Anfang jeder Übung ist folgendes zu beachten: die Augen sind geschlossen, sie schauen „nach innen“ Kiefer hängen lassen, den Kaudruck lösen Schultern hängen entspannt neben dem Körper Der Atem ist ruhig und gleichmäßig Jede Atemübung beginnt mit einer Ausatmung Alle Übungen sollten langsam und rhythmisch ausgeführt werden 35 1. Übung: Sitzhaltung Herkunft: Krankengymnastik Art der Ausführung: - Vorstellung Marionette: Kopf am Scheitelpunkt aufgehängt - ganze Fußsohle spürt Boden - Füße etwas mehr als Schulterbreit auseinander - Fußspitzen etwas nach außen - Schultern hängen - kein Druck im Kiefer-, Hals- und Augenbereich - nicht ins Hohlkreuz gehen 2. Übung: Standhaltung Herkunft: Qi-Gong Art der Ausführung: - Füße parallel, schulterbreit auseinander - Knie locker und leicht gebeugt, etwas nach auswärts gehalten - Becken geringfügig nach vorne gekippt - Wirbelsäule gerade - Kinn leicht nach vorne gebeugt Variante Herkunft: Bioenergetik Zweck: Beweglichkeit der Taille, Lockerung der Bauchmuskeln, Lösen von Verspannungen in Schultern, Taille, Rücken, Hüfte Art der Ausführung: Sitzhaltung - Rechte Hand auf linkes Knie legen - Einatmen: Drehung des Körpers nach links, Blickrichtung linke Schulter - Ein/ausatmen, für einige Atemzüge Haltung bewahren - Zurück zur Ausgangsstellung - Wiederholung seitenverkehrt 36 Was ist zu beachten: Art der Atmung: ruhige Bauchatmung. Test: Schüler soll Hand auf Bauch legen, bei Einatmung nach außen, bei Ausatmung nach innen wölben Variante Art der Ausführung: - gleiche Übung, dabei Hände hinter dem Kopf verschränken - Oberkörper nach links/rechts drehen - Einatmung: zur Seite - Ausatmung: zur Mitte Was ist zu beachten: Übung wird langsam im Atemrhythmus ausgeführt 4.4 Welche Instrumente sind geeignet für Senioren? Ältere Menschen bevorzugen konventionelle Musikinstrumente wie Klavier, Blockflöte und Gitarre (siehe Tabelle im Anhang: „Schülerzahlen in den am häufigsten gewählten Instrumentenfächern“). Diese Instrumente sind ihnen schon seit langem bekannt und vertraut. Im hohen Alter macht sich der physiologische Abbau immer mehr negativ bemerkbar. Streichinstrumente, vor allem Geige, sind für Senioren schwer zu erlernen. Die Haltung, insbesondere die Drehung in der linken Hand, die isolierte Betätigung ihrer Finger, ihre Bewegung beim Lagenwechsel und das Einklemmen des Instruments zwischen Schulter und Kinn sind sehr ungewohnt. Außerdem muss ein Geiger Intonationsunsauberkeiten schnell durch Bewegungskorrekturen umsetzen können. Korrekturen, die mit der sowieso schon schwerfälligeren linken Hand ausgeführt werden müssen. Im Unterricht mit Blasinstrumenten nimmt an erster Stelle die Koordination zwischen Teilen der Atmungs-, Hals-, Mund und Zungenmuskulatur, die den Ton erzeugen und zweitens die Fingerbewegungen, die die Tonhöhe verändern einen wichtigen Platz ein. Im Alter wird die Luft knapp. Die meiste Blasinstrumente überfordern Senioren mit der benötigten Spannung von Lunge und Zwerchfell. Bei Trompete und Oboe entsteht außerdem beim Blasen ein hoher Druck auf den Kopf. 37 Die Blockflöte dagegen hat nur ein geringes Gewicht. Beim Spiel muss der Atem genau dosiert werden, es darf kein festes Pusten, kein zu schwaches Hauchen sein. Die Anforderung an Lunge und Zwerchfell sind für Senioren zu leisten. Das Flötenspiel ist am Anfang schnell und leicht zu erlernen. Man kann schon sehr bald etwas vorspielen. Ausserdem dringt der Ton in hellhörigen Wohnungen nicht so stark durch wie zum Beispiel Trompeten und Posaunen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Blockflöte relativ billig ist. Tasteninstrumente sind besonders für Senioren geeignet. Das Spiel ist relativ bequem, weil es nur geringe Körperkraft fordert; man muss zum Beispiel keine Haltearbeit leisten beim Spielen. Außerdem ist das Spiel mit beiden Händen, die unterschiedliche Bewegungen ausführen müssen für Senioren attraktiv, weil es das Gehirn „fit“ hält. Klavier zu spielen ist für viele ältere Leute ein Kindertraum, den sie erfüllen möchten. Das Akkordeon ist sehr beliebt für das Spielen volkstümlicher Musik, was für viele Ältere die Wiederbelebung von der Musik aus ihrer Jugend bedeutet. Die Technik von Keyboards, Heimorgeln und E-Pianos ist auch für ältere Menschen leicht zu überwinden. Die akustische Belastung der Nachbarn kann vermieden werden durch den Gebrauch von Kopfhörern. Ein relativ niedriges Spielniveau kann ausgeglichen werden durch eine Begleitautomatik. Kapitel 5: Die Unterrichtspraxis Die Musikschule Löhne (Westfalen) hat im Moment 1.200 Schüler, wovon ungefähr 20 Senioren sind. Der Musikschulleiter Herr Sowa hat vor die Anzahl von älteren Leuten in den nächsten Jahren auf ungefähr 50 Personen wachsen zu lassen. Da es im Moment noch eine Warteliste gibt für Jugendliche möchte er denen den Vortritt lassen. Es gibt viele „junge“ Senioren, die geistig sehr fit sind, die nach ihrer Verrentung plötzlich viel Zeit haben und eine (neue) Aufgabe suchen. Es besteht unter Älteren eine große Hemmschwelle Musikunterricht zu nehmen. Vor allem „alte“ Senioren haben Angst vor dem eigenen Versagen. Sie glauben, dass es den Lehrer zuviel Mühe kosten wird, sie zu unterrichten. 38 Weil ältere Leute körperlich und geistig sehr verschiedene Voraussetzungen haben, ist Gruppenunterricht selten möglich. Gerade Ältere haben eine niedrige Toleranzgrenze einander gegenüber. Im Gruppenunterricht besteht außerdem die Angst vor dem Urteil der anderen Mitspieler. Deshalb bevorzugen Senioren Einzelunterricht. Viele Lerngewohnheiten von Senioren haben sich im Arbeitsleben verfestigt. Sie sind gewöhnt Aufgaben sofort anzupacken, abzuhandeln und abzuhaken. Das es vielleicht 3 oder sogar 5 Jahre dauert bis man ein Musikinstrument einigermaßen spielen kann, ist für sie nur schwer zu verstehen. „Der Kunde ist König“, sagt Herr Sowa und deshalb sollte der Lehrer seine Anforderungen an Rentner anders stellen. Der Unterricht sollte nicht auf pure Leistung ausgerichtet sein. Der Lehrer sollte kleine Ziele vorgeben, die schnell erreichbar sind, damit Erfolgserlebnisse nicht ausbleiben. Mit dem Flyer „Musizieren in den besten Jahren“ (siehe Anhang) wird unter Senioren für die Musikschule geworben. Der Flyer ist speziell für diese Zielgruppe deutlich und punktgemäß gestaltet worden. Ältere Menschen brauchen eine Anleitung was sie wie, wann, wo und warum tun sollten. Dazu hat Herr Sowa eine Anekdote von einem von ihm geleiteten Konzert erzählt, das den Titel: „Die Generationen verbinden“ trug. Auf der Bühne saßen junge Leute und im Saal ältere Menschen. Damit beide Gruppen Spaß am Konzert haben, sollte die Musik für beide Generationen interessant sein. Die Leute im Publikum, die jetzt 70 sind, waren 20 Jahre alt, als gerade der Rock ´n Roll aufkam. Deshalb haben sie nicht unbedingt etwas gegen die bei jüngeren Leuten beliebte Pop-Musik. Mann muss es für die Älteren einfach verständlich machen. Wenn zum Beispiel ein Song von Jennifer Lopez kommt, könnte man dazu erklären, dass sie bekannt ist für ihre Art zu tanzen. Herr Sowa hat empfohlen im Akkordeonunterricht von Frau Bornemann zuzuhören. Ihre zwei älteren Schüler, Herr Lampert und Herr Lessing, haben sehr unterschiedliche Voraussetzungen, aber können sich gut leiden und spielen gerne zusammen. 39 Ihr letzter Auftritt war bei dem „Tag der offenen Tür“ für Senioren von der Sparkasse Herford. Nicht zuletzt hofften sie mit ihrem Auftritt auch zu erreichen, dass Ältere ihre Hemmschwelle überschreiten, Musikunterricht nehmen, und in die Musikschule kommen. 5.1 Ein Beispiel aus der Praxis Herr Lampert hat im mittleren Alter ein Akkordeon von seiner Frau geschenkt bekommen. Ein Jahr später wurde er krank und musste die Musik zur Seite legen. Danach hatte er im Beruf zu wenig Zeit das Akkordeonspiel wieder aufzunehmen. Erst nach seine Verrentung fing er wieder an. Er hatte bemerkt wie die Finger im Alter langsam steif wurden. Das Akkordeonspiel hilft ihm die Finger geschmeidig zu halten. Das funktioniert sehr unterschiedlich; es geht manchmal besser, manchmal schlechter. Beim Akkordeonspiel ist das Spielen von Volksliedern relativ einfach. In der linken Hand bleiben die zu spielenden Akkorde ziemlich gleich und in der rechten Hand wird eine Melodie gespielt. Schwieriger wird es, wenn man gleichzeitig die linke und rechte Hand koordinieren muss und das Balg bewegen muss, das wie der Atem von einem Sänger oder Bläser funktioniert. Herr Lampert ist sehr motiviert das für sich zu lernen, um weiter zu kommen. Herr Lessing ist autodidaktisch Orgel- und Akkordeonspieler. Er hat im Rentenalter angefangen Unterricht zu nehmen, weil er, so sagt er: „die Feinheiten lernen möchte“. Mit zunehmendem Alter „sieht“ er weniger; wenn zum Beispiel ein Küchenschrank offen steht, der aufgrund seiner Erfahrungen aber zu ist, läuft er dagegen. Die letzten Jahre ist das schlimmer geworden. Genauso ist es aber mit den „Feinheiten“ in der Musik; Legato und Staccato „sieht“ er nicht, weil er, bevor er Unterricht bei Frau Bornemann hatte, immer so gespielt hat, wie es ihm gepasst hat. 40 Weil er auf hohem Niveau spielt, spielt er jede Woche im Akkordeonorchester mit. Er glaubt aber, dass andere Leute kopfschüttelnd zugucken und sich fragen, was dieser alte Mann da zwischen den jungen Mädchen zu suchen hat. Wenn neue Stücke im Orchester gespielt werden, hört er zwar welches Tempo die anderen Teilnehmer spielen, ist sonst aber so beschäftigt mit den Noten, dass er nicht dazu kommt auch noch auf die Dirigentin zu gucken. „Das kommt dann nächste Woche“, so Herr Lessing. Herr Lampert und Herr Lessing sind beide sehr selbstkritisch; sie bemerken ihre eigenen Fehler sofort. Beim Unterrichtwechsel streiten beide sich freundschaftlich darüber, dass der andere doch besser spiele als er selbst. Frau Bornemann lässt den beiden Herren genug Zeit, ihre eigenen Fehler zu verbessern. Sie macht nie Druck oder fordert zuviel. Die Atmosphäre im Unterricht ist schön und ruhig; Schüler und Lehrerin verstehen sich gegenseitig sehr gut. Wenn Herr Lampert bemerkt: „Ach, Frau Bornemann hat immer noch etwas zu meckern“, sind sich aber beide einig: „Dafür sind wir aber auch hier“. 5.2 Selektion, Optimierung, Kompensation Das Konzept „erfolgreiches Altern“ macht deutlich, dass Altern nicht nur ein biologisches Schicksal ist, sondern dass die Gesellschaft und auch die alten Menschen selbst es mitgestalten können. Im Alter lassen Sehschärfe, Gehör und Gleichgewicht nach. Auch der Geist arbeitet nicht mehr so effizient wie früher. Im Alter sollte man lernen mit den biologischen Verlusten umzugehen. Erfolgreiches Altern ist die Kunst mit den eigenen Grenzen zu leben und zu zeigen wie Kultur und Geist den Körper überlisten können. Eigentlich ist das eine Fähigkeit, die man nicht erst im Alter braucht. Man versucht in jedem Lebensalter seine Entfaltungsmöglichkeiten und Gewinne zu optimieren. Ein von Baltes und seinen Kollegen entwickeltes Modell hilft das selbst mitzugestalten; durch Selektion, Optimierung und Kompensation. Erstens Selektion: aus den vorhandenen Lebensmöglichkeiten werden diejenige ausgewählt, die verwirklicht 41 werden sollten. Zweitens Optimierung: um das Gewählte möglichst gut zu tun, sollte man geeignete Mittel suchen. Und drittens Kompensation: wenn Mittel wegfallen, sollte man darauf flexibel reagieren und neue Wege suchen, den gewählten Zielen näher zu kommen. Dieses Modell durchzuführen ist leichter gesagt als getan. Das Lernen von Selektion, Optimierung und Kompensation ist ein lebenslänglicher Entwicklungsprozess. Das Ergebnis psychologischer Studien ist, dass Wissen und Handeln nicht dasselbe ist. Es gibt zum Beispiel einen großen Unterschied zwischen moralischem Wissen und moralischem Handeln. Es fällt außerdem vielen Leuten schwer nicht alles im Leben zu wollen, sich energisch auf nur einen Teil zu konzentrieren und sich von den anderen Optionen zu trennen. Der Pianist Rubinstein ist in verschiedenen Interviews gefragt worden, wie er im hohem Alter immer noch ein sehr guter Pianist sein kann. Aus seinen Antworten lassen sich oben genannte Strategien herauslesen. Er hat sein Repertoire verringert (Selektion). Diese kleinere Anzahl von Stücken, hat er mehr geübt als früher (Optimierung). Weil er die ausgewählten Stücke aber nicht mehr so schnell spielen konnte wie früher, hat er sich eine Taktik ausgedacht. Vor besonders schnellen Passagen verlangsamte er sein Tempo; im Kontrast erschienen die Passagen dann ausreichend schnell (Kompensation). Anläßlich dieser Geschichte sagte Baltes in einem Interview: „Ich glaube, diese Strategie – sich auf wenige Ziele zu beschränken, diese aber sehr energisch zu verfolgen und dabei nach geeigneten inneren und äußeren Ressourcen der Kompensation zu suchen – das ist die Kunst des guten Älterwerdens.“9 Um die Motivation zum Erlernen eines Instruments zu erhalten, sind kleine Erfolge nötig. Das Üben des Körpers und des Geistes fordert immer mehr Anstrengung. Die Übungserfolge werden immer geringer. Man sollte deshalb lernen, bei 9 Paulsen, Susanne: Lebenswege. In: Geo 2002. H.8, S. 60. 42 unausweichlichen Veränderungen seine Ziele anzupassen und sich mit einem kleineren Territorium zufrieden zu geben. So ermöglicht das Spiel auf der Blockflöte oder Klarinette zum Beispiel, nur mit der linke Hand schon verschiedene musikalische Figuren. Der Lehrer oder Gruppenmitglieder mit mehr Kenntnissen, können die schweren Passagen übernehmen oder eine Begleitung dazu spielen. Auf diese Art und Weise sind kleine Erfolge erreichbar und ein Vortrag schon schnell möglich. Neben Erfolgen bringt das Instrumentalspiel auch Probleme mit sich. Das Greifen der ganz tiefe Töne zum Beispiel ist für jeden schwer, für Senioren aber besonders. Rheuma und Arthrose spielen eine Rolle und auch schlecht verheilte Verletzungen der Fingeroder Handgelenke, der Sehnen oder Muskeln behindern feinmotorische Aktivität. Hier ist es hilfreich sich Übungsprogramme auszudenken. Wenn sie nicht helfen, kann man auf prothetische Hilfsmittel zurückgreifen. Zum Beispiel den Einbau von individuell angepassten Klappen und Stützen. Auf den Abbildungen 4 bis 7 sind zwei verschiedene Daumenstützen für Klarinette zu sehen. Sie verlagern das Gewicht der Klarinette von der Daumenspitze auf einen größeren Teil des Daumens und entlasten damit das Handgelenk. Abbildung 4 43 Abbildung 5 Abbildung 6 44 Abbildung 7 5.3 Klavierschulen für Erwachsene In den letzten Kapiteln ist besprochen worden, was die Anforderungen an Senioren im Instrumentalunterricht sind. Zusammenfassend brauchen sie erstens ein langsameres Tempo im Unterricht. Die körperlichen und geistigen Fähigkeiten lassen nach und reagieren nicht mehr so schnell wie früher. Sie sind außerdem störanfälliger als junge Leute und müssen länger an einem Thema arbeiten bevor sie zum nächsten gehen können. Zweitens sind sie daran interessiert viel über Musik zu lernen. Sie lesen gerne über Nachbarbereiche wie Musikgeschichte oder Musiktheorie. Drittens besteht bei erwachsenen Anfängern eine Diskrepanz zwischen der Fähigkeit Musik wahrzunehmen und diese selber auszuführen. Sie sind sehr selbstkritisch und brauchen deshalb weniger Kritik von außen, sondern eher eine Anleitung zum effektiven Üben. Wie wird dieses Wissen umgesetzt in den Schulwerken, die im Unterricht verwendet werden? Um das herauszufinden, werden hier zwei Klavierschulen für Erwachsene 45 beschrieben; und zwar die drei Bände umfassende Schule von Wesley Schaum und das in Zusammenarbeit von Heinz-Christian Schaper, Konrad Meister und Ulrich Schlie entstandene Schulwerk in zwei Bänden. Das Schulwerk von Schaum hat viel Text. Das Einführungsheft fängt mit sechs Seiten reinem Text an. Hier werden Themen wie die Entwicklung und Geschichte des Klaviers, Musik und Sport, Körperhaltung und die Anfänge der Musiklehre beschrieben. Auf der Innenseite des Umschlags ist in jedem Heft „wissenswertes“ (siehe Anhang) und ganz hinten ein kleines Musiklexikon abgedruckt. Viele bekannte Werke sind vereinfacht dargestellt, wie zum Beispiel die „Überraschungssinfonie“ von Joseph Haydn (siehe Anhang). Bei solchen bekannten Werken gibt es jeweils eine kurze Biographie über den Komponist. Es werden vor allem Werke aus dem Bereich der klassischen Musik erarbeitet, daneben hauptsächlich amerikanische Volkslieder, weil Wesley Schaum selbst Amerikaner ist. Im zweiten Band des von Schaper, Meister und Schlie verfassten Schulwerks ist der Lehrstoff in sechs Aufgabengebiete eingeteilt: Klassisches Studium, Folklore / Songs, Improvisationen / Experimente, Technik, Musiktheorie am Klavier und Jazz. Die ersten drei bauen sich progressiv auf. Die letzten drei sind sogenannte Studienprogramme und sollten neben der Erarbeitung aus den ersten drei Aufgabenbereichen gleichzeitig weiterstudiert werden. Alle sechs Teile fangen mit einer Einführung an, die den jeweiligen Inhalt und den Stellenwert des Gebietes kurz umreißt. Der erste Teilbereich, das klassische Studium, fängt außerdem mit einer Anleitung zum Üben an. Zu jedem neu zu erarbeitenden Thema steht eine Erklärung in einer graufarbigen Fläche, die mit Beispielen verdeutlicht wird (siehe Anhang). Dazu gibt es Querverweise auf vergleichbare Probleme und entsprechende Trainingsvorschläge in den anderen Augabenbereichen. 46 Dem Schulwerk ist ein Begleitbuch zur Seite gestellt, das der weiteren Vertiefung und Verzweigung des Stoffangebots aus dem Hauptteil dient. 5.4 Erwachsenenbildung im Unterrichtspraktischen Alltag In der Ausbildung Musikpädagogik hat man sich bisher hauptsächlich mit Musikunterricht für Kinder und Jugendliche befasst. Die Kinder und Jugendliche bilden zwar immer noch den Großteil der Musikschüler, aber der Anteil an Erwachsenen und Senioren wächst stetig. Viele Lehrer treffen auf einen von der Ausbildung her für sie fremden Schülertyp. Vermutlich sind Erwachsene oft dem gleichen Unterricht ausgesetzt wie Jugendliche, wegen der ungenügenden Vorbereitung auf lebenslanges Lernen der Lehrkräfte. Senioren weisen einige für sie neue Merkmale auf: größere Diskrepanz zwischen intellektuellen und physiologischen Fähigkeiten, die zu Frustrationen führen können sie bringen bestimmtes Wissen und Fertigkeiten aus ihrem Berufsleben mit sie haben relativ stabile Gewohnheiten und eine bereits gefestigte Persönlichkeit, die nicht erzogen werden will ausgeprägte musikalische Vorlieben ausgeprägte Idealvorstellungen Viele Aspekte der Erwachsenenpädagogik ergeben sich aus der Zusammenarbeit zwischen Lehrer und Schüler während des Unterrichts. Ein Umdenken von einigen Aspekten, wie man sie im Studium gelernt hat, ist erforderlich. Der Lehrer-Schüler Beziehung, wird sich zum Beispiel schon deshalb ändern, weil ein Rentner (viel) älter ist als der Lehrer. Die Zielsetzungen und die Unterrichtsgestaltung werden nicht mehr dominant vom Lehrer entschieden, sondern eher von den Wünschen des Schülers. Für viele Instrumente gibt es mittlerweile speziell auf Erwachsene zugeschittene Schulwerke, die ihren Bedürfnissen besser entgegen kommen als die bekannten, aber für junge Lerner gedachten Werke. 47 Erwachsene Schüler erwarten einen sehr vielseitigen Lehrer. Der Musikunterricht wird von allem von vielen Senioren auch als „Rettungsanker“ oder „Lebenshilfe“ gesehen. Wegen Verspannungen und Schwierigkeiten im psychomotorischen Lernbereich sollte der Musiklehrer über ein Repertoire an Methoden der Entspannung verfügen. Da sich solche Aufgaben der eines Therapeuten ähneln, ist der traditionell ausgebildete Instrumentalpädagoge damit überfordert. Schlusswort Die Lernfähigkeit von Erwachsenen, auch am Instrument, steht außer Frage. Dass ein Erwachsener es nicht zur Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule bringen wird, ist unbestritten, aber auch wenige der „üblichen“ Schüler erstreben oder erreichen dieses Ziel. Die Erwachsenenpädagogik stellt an den Lehrer andere Anforderungen als an Jugendliche. Eine pädagogische Grundeinstellung ist die entscheidende Voraussetzung für jeden Unterrichterfolg: die Bereitschaft, nicht vom Instrument und seinen Erfordernissen auszugehen, sondern vom jeweiligen Schüler. Ziel ist es, einen individuellen und bedürfnisorientierten Unterricht zu gestalten, ohne vorgegebe Lernziele. Das allgemeine Richtziel ist Freude und Motivation bei allen musikalischen Aktivitäten. Ältere Menschen benötigen beim Lernen mehr Zeit als jüngere und reagieren empfindlicher auf Zeitdruck oder Ablenkung. Das Wissen über Entwicklungsprozesse im Alter, die Trainierbarkeit von geistigen Kräften und die Möglichkeit, sich neue Lernstrategien anzueignen, sollten den Lehrer ermutigen. Musik kann Grundlage für ein Konzept sein, das über ein unverbindliches Freizeitangebot hinausreicht. Statt nur von den Alters- und Alltagsproblemen abzulenken, kann sie zu ihrer Bewältigung beitragen. 48 Musiklehrer, die ihre älteren Schüler kompetent und aufmerksam begleiten bei ihrer persönlichen Aneignung von Musik am Instrument, tragen bei zum Prozess des erfolgreichen Alterns. Auf der andere Seite verbreitern Senioren den Horizont ihrer Lehrer, die sonst vor allem auf Kinder- und Jugendliche konzentriert ist. Ältere Leute haben im Laufe ihres Lebens Erfolgsrezepte im Umgang mit Problemen entwickelt, die dem Lehrer einen neuen Blickwinkel eröffnen können. Sie lernen zum Beispiel Begriffe wie Leistung neu zu definieren, weil es für Senioren nicht entscheidend ist, in möglichst kurzer Zeit ein anspruchsvolles Stück zu bewältigen. Herr Lampert hat es während der Hospitation so schön ausgedrückt: „Wir erziehen uns gegenseitig.“ Vor knapp drei Jahrzehnten wurden schon erste Studien über ältere Menschen und Erwachsenenpädagogik durchgeführt. Der demographische Wandel der letzten Jahre macht es zu einem aktuellen Thema, das noch nicht bis in seine Tiefen durchforscht ist. Vielversprechend sind deshalb anstehende Projekte wie „Instrumental-/Vokalunterricht mit Erwachsenen“ in Detmold oder die Fachtagung „Es ist nie zu spät – Musizieren 50+“ in Wiesbaden. Das Projekt „Instrumental-/Vokalunterricht mit Erwachsenen“ ist Grundlage für einen Beitrag zum Symposion „Musikmedizin/-physiologie“. Es wird untersucht, was die Bedingungen und Einflussfaktoren instrumentaler und vokaler Lernerfolge im Erwachsenenalter sind. Obwohl zu diesem Thema schon einzelne Studien veröffentlicht worden sind, ist das besondere, dass zum ersten Mal viel Bildmaterial gesammelt wird. Unterrichtsstunden werden vor der Kamera durchgeführt und Interviews mit erwachsenen Schülern und deren Lehrern abgenommen. In der Fachtagung werden die kreativen Potentiale älterer Menschen und damit die Chancen für die Gesellschaft bewusster gemacht. Ebenfalls wird untersucht, was die Auswirkungen und Konsequenzen des Demographiewandels für unsere Gesellschaft sind. Der Schwerpunkt dabei ist generationenübergreifendes Musizieren. Es wird gleichzeitig ein Orchesterkurs veranstaltet, wo ältere Leute zusammen mit einem Jugendorchester der dortigen Musikschule zusammenspielen. 49 Der Komponist Robert Schumann schrieb in seinen musikalischen Haus- und Lebensregeln: „Es ist des Lernens kein Ende.“ 50 Anhang 1 Schülerzahl und Altersverteilung an Musikschulen im VdM 2 Instrumentales und vokales Musizieren 2005 und 2000 3 Bevorzugte Musikrichtungen nach Altersgruppen 2006 4 Schülerzahlen in den am häufigsten gewählten Instrumentenfächer 5 Musikschuler der Stadt Löhne: „Musizieren in den besten Jahren“ 6 Wesley Schaum, aus: „Klavierschule für Erwachsene“ 7 Schaper/Meister/Schlie, aus: „Klavierschule für Erwachsene“ 51 1 Schülerzahl und Altersverteilung an Musikschulen im VdM 52 2 Instrumentales und vokales Musizieren 2005 und 2000 53 3 Bevorzugte Musikrichtungen nach Altersgruppen 2006 54 4 Schülerzahlen in den am häufigsten gewählten Instrumentenfächer 55 56 6 Wesley Schaum, aus: „Klavierschule für Erwachsene“ 57 58 7 Schaper/Meister/Schlie, aus: „Klavierschule für Erwachsene“ 59 Quellenangabe Alcantara, Pedro de: Alexander-Technik für Musiker. Kassel 2002. Backes, Gertrud M./Clemens, Wolfgang: Lebensphase Alter. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Alternsforschung. München 1998. Baltes, Paul B./Mayer, Karl Ulrich (Hrsg) : Die Berliner Altersstudie. Berlin 1996. Füller, Klaus: Musik mit Senioren. Theoretische Aspekte und praktische Anregungen. Weinheim und Basel 1994. Gembris, Heiner: Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung. Augsburg, 2. Auflage 2002. Grasberger, Delia: Autogenes Training. München 2002. Grimmer, Frauke/Schroth, Gerhard: Lebenslanges Lernen, Musikalischer Erwachsenenbildung im Zeichen gesellschaftlicher Umstrukturierung. In: Üben und Musizieren, 21. Jg. 2004. H. 1, S. 20-25. Holtmeyer, Gert (Hrsg): Musikalische Erwachsenenbildung. Grundzüge – Entwicklungen – Perspektiven. Regensburg 1989. Lehmann, Andreas: Erwachsene AnfängerInnen als „schwierige“ SchülerInnen. In: Üben und Musizieren, 19 Jg. 2002. H. 6, S. 23-25. Löscher, Jürgen: Anatomisch verbesserte Daumenstützen für die Klarinette. 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