Zur Theorie der kalten Fusion

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http://www.heise.de/tp/artikel/17/17036/1.html
Kalte Fusion wieder heiß
Haiko Lietz 24.03.2004
Teil 1: Das US-Energieministerium will erstmals vor 15 Jahren
getroffene Behauptungen erneut überprüfen, Kernfusion
sei bei Raumtemperatur möglich. War die kalte Fusion nie
tot?
Vor genau 15 Jahren wurde die Welt in Aufregung versetzt, als zwei Chemiker berichteten, sie
hätten eine Kernfusion bei Raumtemperatur beobachtet. Berichte einer neuen, vielversprechenden
Energiequelle liefen um die Welt. Nach einem halben Jahr, einem Bericht des USEnergieministeriums und vielen gescheiterten Versuchen, das Experiment zu reproduzieren, war
allen klar, dass sich die Hoffnung nicht bewahrheiten würde - außer den Forschern, die das
Experiment offenbar erfolgreich reproduzieren konnten. Nun will das Energieministerium deren
Berichte überprüfen.
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Am 23. März 1989 berichteten die beiden Chemiker Dr. Martin Fleischmann und Dr. Stanley Pons
auf einer Pressekonferenz an der University of Utah, sie hätten im Labor die Fusion von zwei
schweren Wasserstoffkernen (Deuterium) bei Raumtemperatur beobachtet. Sie schlossen auf
Fusion, da sie meinten, Produkte gemessen zu haben, die bei einem Fusionsprozess erwartet
werden, namentlich Neutronen, Tritium und Gammastrahlen. Bei dem Experiment sei mehr Energie
frei geworden, als hineingesteckt worden sei. Diese Überschussenergie habe sich durch Wärme
geäußert.[1]
J.L. Naudin zufolge sieht man hier einen durch kalte Fusion betriebenen
Stirlingmotor
Kurz gesagt, anerkannten Modellvorstellungen nach ist dieses nicht möglich, da Atomkerne die
gleiche Ladung haben und sich somit abstoßen. Fusionsprozesse sollten eigentlich nur in der Sonne
bei extrem hohen Drücken und Temperaturen möglich sein. Fleischmann/Pons entgegneten, durch
Elektrolyse ihrer Testflüssigkeit würden Deuteriumkerne so stark in das negativ geladene
Palladiumgitter gezogen, dass ihre Abstoßungskraft überwunden würde.
Die Behauptungen der beiden Chemiker lösten eine bis heute anhaltende Kontroverse in der
Wissenschaft aus. Weltweit versuchten Forscher, das Experiment zu reproduzieren. Auch am MaxPlanck-Institut für Plasmaphysik (IPP) versuchte man unmittelbar nach Bekanntwerden, "die
gemeldeten Resultate nachzuvollziehen. Die Publikationen zum Thema wurden lange Zeit hindurch
verfolgt. Wegen des offensichtlichen und sich stets wiederholenden Misserfolgs, Fusion seriös
nachzuweisen, wurden diese Aktivitäten aber schon lange eingestellt", teilte das IPP mit. Auch am
Kernforschungszentrum Jülich beschäftigt sich heute keiner mehr mit kalter Fusion. Kalte Fusion
gilt als tot. Bislang.
US-Energieministerium will kalte Fusion überprüfen
Das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, der
Vizedirektor des Wissenschaftsbüros des US-Energieministeriums (DoE), Dr. James Decker, habe
versprochen, die Behauptungen zur kalten Fusion würden bis Anfang 2005 einer Überprüfung
unterzogen.[2] (dazu siehe auch: U.S. Will Give Cold Fusion Second Look, After 15 Years) Das ist
zumindest eine Antwort, warum Anfragen an Kritiker der kalten Fusion in letzter Zeit
unbeantwortet blieben. Dr. Robert Park, einer der vehementesten Kritiker, schrieb zuletzt, kalte
Fusion habe zwar "Gläubige, aber nicht viel Bestätigung." Der Ausdruck "nicht viel" war neu.
Seit Anfang März kursiert unter Erforschern und Kritikern der kalten Fusion außerdem ein Entwurf
für einen Artikel, der in der April-Ausgabe von Physics Today erscheinen soll. In diesem Entwurf,
der Telepolis vorliegt, sagt Decker, "ob es Anwendungen für die Energiewirtschaft gibt, ist zur Zeit
völlig unklar." Vor der Anwendung käme erst die Erforschung und "hier könnte eine interessante
Wissenschaft liegen." Unterstützung erhält Decker von Dr. Mildred Dresselhaus. Sie war Direktorin
des DoE-Wissenschaftsbüros in der Clinton-Administration. Sie sagt zur kalten Fusion mittlerweile,
"Wissenschaftler sollten offen sein." Die Geschichte zeige, dass sich Sichtweisen über die Jahre
verändern.[3]
Das Energieministerium hat damit eine 180-Grad-Wende vollzogen. Dresselhaus war Ende der 80er
Mitglied des Energy Research Advisory Board (ERAB) und hat damit entscheidend den Anfang
vom (vorläufigen) Ende der kalten Fusion mit eingeleitet. Der Untersuchungsbericht des ERAB an
das DoE schloss[4] ein gutes halbes Jahr nach Fleischmann/Pons:
Jüngste Experimente, manche mit fortgeschritteneren Messinstrumenten und verbessertem
Hintergrund, fanden keine Fusionsprodukte und ergaben Obergrenzen für die Wahrscheinlichkeiten
von Fusionen in diesen Experimenten weit unter den ersten positiven Resultaten. Deswegen schließt
der Ausschuss, dass die gegenwärtigen Hinweise auf die Entdeckung eines neuen nuklearen
Prozesses, genannt kalte Fusion, nicht überzeugend sind.
Der Ausschuss gab zwar zu, dass manche, kalter Fusion zuordenbaren Beobachtungen "noch nicht
entkräftet" seien, weitere Experimente müssten aber "innerhalb bestehender
Finanzierungsprogramme" auskommen - also quasi ohne Finanzierung. Seitdem ist kalte Fusion
diskreditiert, wie erst kürzlich in der New York Times wieder zu lesen war[5]. Lt. Col. Tom Bearden,
eine der Autoritäten der unkonventionellen Nuklearphysik, hofft nun, dass die DoE-Überprüfung
die kalte Fusion "auf die akzeptierte wissenschaftliche Matte" setzen wird.
Feuer aus Eis
Dr. Eugene F. Mallove fühlt sich durch den jüngsten Schritt des DoE in seiner Einschätzung
bestätigt. Mallove war bis 1991 Chefautor im Nachrichtenbüro des Massachusetts Institute of
Technology (MIT). Noch in diesem Jahr veröffentlichte er das erste Buch, das kalte Fusion nicht als
Messfehler oder Spinnerei abtat.[6] Seit 1995 gibt er das Magazin Infinite Energy heraus und
veröffentlicht darin in der Fachwelt umstrittene Forschungsergebnisse, unter anderem zur kalten
Fusion. Der Autor und Visionär Arthur C. Clarke, selber vehementer Verfechter der kalten Fusion,
hat der Magazin-Gründung mit einer Anschubfinanzierung geholfen.
Mallove meint, er habe schon genug gesehen, um nicht mehr an der Realität kalter Fusion zu
zweifeln. Nach Jahren der Forschung habe sich der bessere Begriff low energy nuclear reactions
(LENR) eingebürgert, da bei vielen Experimenten anscheinend auch Kernspaltungsprozesse
stattfänden, so dass man nicht mehr allein von Fusion sprechen könnte. So oder so wiesen die
Experimente auf ein "vollkommen neues Gebiet der Physik und der Chemie" hin:
LENR-Forschung deutet an, dass in Wasserstoff in mehreren Größenordnungen mehr kraftvolle
Energiereserven liegen, als konventionell verstandene chemische Energie-Modelle zulassen. Dieses
sollte offene umweltbewusste und andere Menschen, die über die Zukunft des Energie-UmweltProblems besorgt sind, aufhorchen lassen und potentiell einen Einfluss auf das globale Klima
haben.[7]
LENR-Forscher kritisieren heute Protokollfehler der Forscher Fleischmann und Pons. Diese hatten
ihre Forschungsergebnisse auf einer Pressekonferenz mitgeteilt, ohne Kollegen vorher ausreichend
informiert zu haben. Stattdessen hätten sie in einem Wissenschaftsjournal mit den üblichen
Überprüfungsinstanzen (peer review) veröffentlichen sollen. Die stürmisch veröffentlichte Arbeit
enthalte Messfehler und manche Schlussfolgerungen seien nicht durch Daten gedeckt. Das
Experiment sei dadurch von Anfang an angreifbar gewesen, aber nicht falsch.[8] Im Gegensatz zu
1989 existiere heute ein viel größerer Körper publizierter Experimente, sagt Mallove.
Zahlreiche Hinweise auf kalte Fusion
Dr. Edmund Storms zählte 1996 bereits 190 Studien, in denen von kalten Fusions-Effekten berichtet
wird. Allein am Los Alamos National Laboratory (LANL), an dem die Atombombe entwickelt
wurde und an dem er 34 Jahre forschte, hätten drei Forscher erfolgreiche Fusionsexperimente bei
Raumtemperatur durchgeführt[9]:
Neue Arbeiten haben der Kritik Rechnung getragen, indem viele der vorgeworfenen Fehler
eliminiert wurden. Hinweise auf umfangreiche und reproduzierbare Energiegewinnung sowie auf
verschiedene Kernreaktionen, zusätzlich zu Fusionsprozessen, häufen sich aus einer Vielzahl von
Testumgebungen und Methoden. Das Gebiet kann nicht länger abgetan werden, indem man sich auf
offensichtliche Fehler oder prosaische Erklärungen beruft.[10]
Zudem stünden heute in zahlreichen Laboratorien weltweit funktionsfähige elektrolytische und
andere Überschusswärme-Experimentalzellen, welche, so Mallove, "reproduzierbar und verlässlich
einen Energieüberschuss erzeugen, der nicht durch übliche chemische Reaktionen erklärt werden
kann". Das ist möglicherweise sogar so leicht, dass jeder interessierte Bastler zu Hause sein eigenes
Experiment durchführen kann. Der Franzose Jean-Louis Naudin jedenfalls berichtet auf seiner
Webseite von einer erfolgreichen Reproduktion. Mit der gewonnenen Energie will er sogar einen
Stirlingmotor betrieben haben.
Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion
Haiko Lietz 31.03.2004
Teil 2: Seit 15 Jahren erforschen Wissenschaftler die kalte
Fusion. Doch weder etablierte Wissenschaft noch
Öffentlichkeit bekommen davon etwas mit
Forschungsergebnisse zur kalten Fusion, die einer wissenschaftlichen und interdisziplinären
Überprüfung bedürfen, liegen seit 15 Jahren vor. In dieser Zeit hat sich ein internationales
Forschernetzwerk gebildet, dass parallel zur "offiziellen" Wissenschaft an zum Teil völlig neuen
Konzepten arbeitet, die mit kalter Fusion kaum noch etwas zu tun haben. Konferenzen und
Workshops finden regelmäßig statt. Ihre Forschungsergebnisse sind mittlerweile so schlagkräftig,
dass das US-Energieministerium seine 1989 eingenommene Abwehrhaltung gelockert hat (siehe
Teil 1 dieser Serie: Kalte Fusion wieder heiß). In Teil 2 wird die "neue Forschungsrichtung"
geschildert und beleuchtet, wie in der Wissenschaft über kalte Fusion diskutiert wird. Nämlich gar
nicht (mehr).
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Teil 1: Kalte Fusion wieder heiß
In seiner Einführung für Studenten[1] beschreibt Dr. Edmund Storms das Phänomen der kalten
Fusion wie folgt:
Das kontroverse Phänomen mit Namen "Cold Fusion" (CF), "Low Energy Nuclear Reactions"
(LENR) oder "Chemically Assisted Nuclear Reactions" (CANR) beinhaltet den Vorschlag der
Möglichkeit, eine Vielzahl von Kernreaktionen in festen Materialien, bei viel niedrigeren Energien
als bislang für möglich gehalten, initiieren zu können. Statt brachiale Gewalt anzuwenden, um
Atomkerne in gegenseitige Reaktionsnähe zu bewegen, existiert offenbar ein Mechanismus in
Gitterstrukturen, der es erlaubt, die Coulomb-Barriere zu umgehen, und der bestimmten Kernen die
Interaktion ermöglicht.
In anderen Worten: Kernfusion sei nicht nur unter Bedingungen wie in der Sonne, wo
Fusionsprozesse ablaufen, möglich, sondern auch in einem Labor bei Raumtemperatur. Den Stand
der kalten Fusions-Forschung fasste Prof. David J. Nagel (George Washington University) am 23.
März 2004 auf einem Seminar des Naval Research Laboratory wie folgt zusammen[2]:
Die Probleme bei der Behandlung der kalten Fusion können als systematisch und technisch
bezeichnet werden. Kommunikations-Zusammenbrüche zwischen denen, die in die kalte FusionsForschung involviert sind, und sowohl der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch der
Öffentlichkeit, sowie die Schwierigkeit, kalte Fusions-Forschung finanziert zu bekommen, sind
systematische Probleme. Zu technischen Problemen haben unangemessene Instrumente,
unvollständige Materialanalysen, komplexe Protokolle und, am kritischsten, das anfängliche
Ausbleiben der Reproduzierbarkeit gehört. Trotz dieser Probleme hat es in den letzten 15 Jahren
großen experimentellen Fortschritt gegeben. Dutzende "privater" Experimente sind von
kompetenten und renommierten Forschern durchgeführt worden, die angemessene Instrumente
genutzt haben, die vor, während und nach den Experimenten korrekt kalibriert waren. Die
Reproduzierbarkeit ist signifikant verbessert worden.
Forschungsergebnisse aus aller Welt
LENR-Forscher treffen sich alle eineinhalb Jahre auf der International Conference on Cold Fusion
(ICCF). Die zehnte Konferenz (ICCF10) fand vom 24. bis 29. August 2003 am Massachusetts
Institute of Technology (MIT) in Cambridge statt. Schirmherr war Prof. Peter Hagelstein (MIT).
Parallel zur Konferenz soll vom 24. bis zum 30. August in seinem Labor ein Experiment gelaufen
sein, bei dem konstant Überschusswärme durch kalte Fusion produziert worden sei. Ein
Energieüberschuss von 167 bis 267 Prozent sei protokolliert worden. Prof. John Dash von der
Portland State University demonstrierte mit seinen Studenten ein weiteres LENR-Experiment.
Dieses soll gut ein halbes Jahr später von Studenten der italienischen Augusto Monti-Hochschule
erfolgreich wiederholt worden sein. Ziel dort sei gewesen zu zeigen, "dass Überschusswärme
(durch kalte Fusion) sogar mit limitierten Mitteln demonstriert werden kann."
Prof. Dash und Studenten präsentieren ein Experiment zur kalten Fusion auf der ICCF10Konferenz
Die heutigen Arbeiten unterscheiden sich teils sehr stark vom ursprünglichen Elektrolyse-Konzept
der Forscher Fleischmann und Pons. Geforscht wird mit unterschiedlichen Elektroden,
verschiedenen Aggregatzuständen der Wasserstoff-Substanzen und verschiedenen
Anregungsmechanismen. Mehrere Forschergruppen präsentierten in Massachusetts
Forschungsergebnisse zur Laser-Stimulation kalter Fusion.[3] Als sehr vielversprechend gilt die
kalte Fusionszelle des privat finanzierten Energetics Technologies-Programms in Omer, Israel. Es
wird dort experimentiert, wie sich Schallwellen auf Fusionsprozesse auswirken. Die Forschung hat
Ähnlichkeit zur aktuell diskutierten Sono Fusion, bei der es im Labor offenbar zu heißen
Fusionsprozessen kommt, indem stehende Schallwellen deuteriertes Aceton verdampfen[4] (vgl.
Evidence bubbles over to support tabletop nuclear fusion device). Im Gegensatz zur Sono Fusion[5]
berichtet Israel von einem vierfachen Energieüberschuss.[6]
Eine neue Forschungsrichtung
LENR-Forscher zählen ihre Forschungsrichtung zur "Kernphysik der verdichteten Materie"
(Condensed Matter Nuclear Science - CMNS). Um "Verständnis, Entwicklung und Anwendung der
Kernphysik verdichteter Materie zu fördern", ist nach der ICCF10 die International Society for
Condensed Matter Nuclear Science (ISCMNS) ins Leben gerufen worden. Die ISCMNS will
zukünftig Symposien und weitere Treffen organisieren, ein eigenes Journal herausgeben und
generell für Organisation und Austausch sorgen. Organisator des 5. Asti Workshops für WasserstoffAnomalien/Deuterium geladene Metalle und ISCMNS-Gründungstreffens vom 19. bis 21. März
2004 in Italien war Dr. Francesco Celani. An Celanis Nationalem Labor von Frascati (LNF) wird
seit 1989 mit staatlichen Fördergeldern LENR-Grundlagenforschung betrieben.[7] Die Förderung
belief sich in den letzten beiden Jahren auf 50.000 Euro pro Jahr. Offiziell wird dort das
Widerstands-Verhalten von Palladium (oder Legierungen) gegenüber großen Mengen von
Wasserstoff (und seinen Isotopen) während Elektrolyse untersucht. Celani hat 2003 von der
Italienischen Physikalischen Gesellschaft (SIF den ersten Preis in der Kategorie "allgemeine
Physik" für seine "kritische Besprechung der interessantesten Arbeiten präsentiert auf der ICCF10"
erhalten.
International scheinen neben US-amerikanischen und italienischen Gruppen Forscher aus Japan bei
der kalten Fusion am weitesten fortgeschritten zu sein. So wie die ersten Asti-Konferenzen vom
Automobilkonzern Fiat gesponsert waren, ist es in Japan Mitsubishi Heavy Industries (MHI),
genauer deren Advanced Technology Division, die die Forschung vorantreibt. Das Team um Dr.
Yasuhiro Iwamura berichtete im Japanese Journal of Applied Physics über ungewöhnliche
Transmutationen von Elementen. In einem Experiment, bei dem ein Palladium-Komplex von
Deuteriumgas durchströmt wird, messe ein Spektrometer das Metall Praseodym, sobald sich eine
Caesium-Schicht auf dem Palladium befinde. Vorsichtig wurde 2002 eine Transmutation
(Verwandlung) des Elements Caesium in Praseodym in Erwägung gezogen.[8]
Forscher der Osaka University berichten mittlerweile von einer Reproduktion des Experiments. Das
Team um Prof. Akito Takahashi schreibt: "Wir bestätigen, dass eine Transmutationsreaktion von
[Caesium zu Praseodym] stattgefunden hat."[9] Ein LENR-Forscher, der nicht genannt werden
möchte, sagte Telepolis, das Iwamura-Experiment sei so durchsichtig und bislang ohne Kritik, dass
es in den nächsten Jahren für den Nobel-Preis berücksichtigt werden müsse.
Weitere Mitglieder der ISCMNS kommen aus Frankreich und China. Prof. Jean Paul Biberian ist
Kernphysiker am Zentrum zur Erforschung verdichteter Materie und der Nanowissenschaft
(CRMCN der Universität Marseille. Biberian ist Schirmherr der elften International Conference on
Cold Fusion (ICCF11, die ab 31. Oktober 2004 an seiner Universität in Marseille stattfinden wird.
Chinesische Physikgesellschaften hatten ICCF9 in Beijing, China, offiziell unterstützt. Aus
Deutschland oder Osteuropa wird noch ein Repräsentant der ISCMNS gesucht.
Kalte Fusion auch in Deutschland
Die Webseite LENR-CANR.org ist über die Jahre zu einer gigantischen Forschungsdatenbank
gewachsen. 122 tätige LENR-Forscher aus aller Welt sind dort verzeichnet. Mallove hat als
langjähriger Beobachter und Herausgeber des Infinite Energy-Magazins einen guten Überblick über
diesen Wissenschaftsbetrieb, der eigenständig und parallel zur etablierten Wissenschaft arbeitet. Er
schätzt die Zahl der praktisch und theoretisch arbeitenden Forscher auf 1.000, viele Hundert davon
in den USA.
Man findet darunter nur einen deutschen Forscher, den 1994 verstorbenen Prof. Heinz Gerischer.
Gerischer war von 1969 bis 1986 Direktor des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft
(FHI) und galt als führender europäischer Forscher auf dem Gebiet der physikalischen
Elektrochemie. Nachdem er 1991 an einer Konferenz über kalte Fusion teilgenommen hatte, schrieb
er[10]:
Trotz meiner früheren Schlussfolgerungen - und der der Mehrzahl der Wissenschaftler -, dass das
von Fleischmann und Pons 1989 berichtete Phänomen entweder auf Messfehler oder einen
chemischen Ursprung zurückzuführen sei, gibt es jetzt unzweifelhaft überwältigende Hinweise, dass
nukleare Prozesse stattfinden.
John M. Bockris, pensionierter Professor der Texas A&M University, war auf der Tagung in Italien
dabei. "Als er ankam," erinnert sich Bockris an Gerischer, "glaubte er überhaupt nicht an das
Phänomen. Als die Konferenz aber fortschritt, musste er seine Meinung ändern und in einer Rede
am Ende sagte er das auch." Bockris' Team war laut eigenen Aussagen das erste, dass die
Behauptung von Fleischmann und Pons belegen konnte, die Überschusswärme käme aus einer
Kernreaktion. Die Belege seiner Tritium-Messungen hat er 1990 in Fusion Technology
veröffentlicht, einem der wenigen Peer Review-Journale, die derartige Forschungsergebnisse
veröffentlicht haben.[11] Bockris weiß noch, wie er mit Gerischers Memo für seine Forschung
werben wollte. Dieser wünschte es jedoch nicht, weil er auf seinen Ruf habe achten müssen.
Prof. Gerhard Ertl, Direktor der Abteilung für physikalische Chemie am FHI, kann sich auch noch
an seinen früheren Kollegen Gerischer erinnern. Ertl legt Wert darauf, dass Gerischer 1991 kein
"offizieller Vertreter" des FHI mehr war. Nach dessen Rückkehr habe er ihm von seinem
Sinneswandel erzählt, habe aber keine "handfeste wissenschaftliche Belege" präsentieren können.
"Meine skeptische Einstellung wurde dadurch eher noch verstärkt", sagt Ertl, "und diese
Einschätzung ist bis heute unverändert geblieben." Unter dem Eindruck zahlreicher negativer
wissenschaftlicher Befunde habe auch Gerischer wiederum seine Meinung geändert, ohne damit
aber erneut an die Öffentlichkeit zu treten. Der "hochverdiente und weitbekannte Elektrochemiker"
Bockris würde "heutzutage wohl kaum mehr ernst genommen".
Bockris, der seine "abstrusen Vorstellungen zur Elementumwandlung" (Ertl) noch immer verfolgt,
fragt sich heute auch, warum von den großen Industrieländern ausgerechnet in Großbritannien und
in Deutschland niemand an der "größten Entdeckung des 20. Jahrhunderts" forsche. Es gibt jedoch
deutsche Forscher, die an der kalten Fusion gearbeitet haben - allerdings in der Weimarer Republik.
Die Berliner Chemiker Paneth, Peters und Günther haben ihre Arbeit "Über die Verwandlung von
Wasserstoff in Helium" 1927 in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft
veröffentlicht. Die Berliner Chemiker arbeiteten mit den selben Palladium-Kathoden wie
Fleischmann und Pons.[12] Auch im renommierten britischen Wissenschaftsjournal Nature
berichteten sie darüber.[13] Es war das erste und letzte Mal, dass Nature Forschungsergebnisse zur
kalten Fusion veröffentlichte.
Vergleich mit der Hypothese der Kontinentalverschiebung
Als im August des letzten Jahres im Büro von Prof. Hagelstein für acht Tage angeblich eine low
energy nuclear reaction ablief, soll kein MIT-Forscher erschienen sein, der nicht ohnehin an der
kalten Fusion arbeite, um sich von der Behauptung zu überzeugen - obwohl auf dem Campus über
150 Plakate hingen und zahlreiche persönliche Einladungen an Kritiker verschickt worden seien.
Als am MIT ein zweites LENR-Experiment lief, wurden beide Lokalzeitungen, der Boston Herald
und der Boston Globe, telefonisch gebeten, dieses zu dokumentieren. Kein Reporter erschien.[14]
Die CMNS-Forschungsrichtung gilt als pathologische Wissenschaft.
Die wahre Pathologie aber ist der Zusammenbruch der normalen wissenschaftlichen
Kommunikationskanäle, wo Wissenschaftler außerhalb der eng verbundenen kalten FusionsGemeinde sich nicht darum scheren, deren Behauptungen zu überprüfen. (...) So funktioniert
Wissenschaft normalerweise. Aber nicht bei kalter Fusion.
Sharon Begley im September 2003 von der ICCF10-Konferenz im Wall Street Journal[15]
Henry Bauer, Professor für Chemie und Wissenschaftstheorie am Virginia Polytechnic Institute und
Chefredakteur des Journal of Scientific Exploration, vergleicht diese Situation mit dem, was dem
deutschen Geowissenschaftler Alfred Wegener am Anfang des letzten Jahrhunderts widerfahren ist.
Wegener schlug 1912 seine Hypothese der Kontinentalverschiebung vor. Diese setzte sich jedoch
erst nach dem zweiten Weltkrieg durch und ist heute Bestandteil der überprüften Theorie der
Plattentektonik. So lange galt auch Wegener als pathologischer Fall. Sehr viele Entdeckungen in der
Geschichte der Wissenschaft seien anfangs auf Widerstand gestoßen.[16]
"Dass Wissenschaftler neue Behauptungen, die gängige Theorien widersprechen, nicht bereitwillig
akzeptieren", erläutert Bauer, "ist nicht pathologisch." Vielmehr sichere es die Verlässlichkeit der
Wissenschaft. "Was aber pathologisch ist, ist wenn Behauptungen ohne angemessene Untersuchung
abgelehnt werden." Und dieses sei bei der kalten Fusion wiederholt vorgekommen.[17]
Unerfüllbare Forderungen
Kritiker fordern, LENR-Forscher sollten ihre Ergebnisse in Wissenschaftsjournalen publizieren,
welche veröffentlichte Arbeiten vorher überprüfen. Genau das wollen die Forscher auch, und
beschweren sich, dass dieses bisher nur bei vier Journalen möglich war. "Es gibt keine Möglichkeit,
veröffentlicht zu werden," wird MIT-Professor Hagelstein in der noch zu veröffentlichenden AprilAusgabe von Physics Today zitiert, "weil das Gebiet so verdorben ist. Kollegen wollen nicht einmal
dabei erwischt werden, darüber zu reden."[18]
Forschungsergebnisse eines renommierten Forschers einer US-Universität mit "definitiven
Hinweisen" auf kalte Fusion sollen von einem großen Journal, ohne einen Blick darauf zu werfen,
abgelehnt worden sein, berichtet Mallove. Der Effekt: Große Teile der Wissenschaft wissen gar
nicht, was sich in 15 Jahren auf dem Gebiert der LENR getan hat. "Ich dachte, der Großteil der
kalten Fusions-Bemühungen wären längst ausgelaufen", zitiert die New York Times einen Forscher
von der Universität von Wisconsin.[19]
Mit Bezug auf Begleys Artikel im Wall Street Journal schrieb Hagelstein im Herbst 2003 einen
Brief an US-Energieminister Spencer Abraham und bat um eine Überprüfung der mittlerweile
vorliegenden Daten zur kalten Fusion. Weiter geöffnet wurde die Tür zum Ministerium (DoE), so
wird berichtet, durch den Energieunternehmer Randall Hekman und den republikanischen
Kongressabgeordneten Vern Ehlers. Beide kennen Abraham aus Michigan. Hekman kritisierte einen
"wissenschaftlichen McCarthyismus", "der jeden beeinflusst, der sich auf das Terrain wagt", und
Ehlers sagte, es sei Zeit für eine Überprüfung, weil so viele Forscher an renommierten Institutionen
arbeiteten. Den letzten Ausschlag zur Überprüfung brachte schließlich ein persönlicher Besuch von
Hagelstein und weiteren LENR-Forschern im DoE. Der derzeitige Plan des Ministeriums sieht vor,
dass Wissenschaftler eines noch zu besetzenden Ausschusses ein paar Tage lang Präsentationen
anhören und anschließend individuell ihre Gedanken schildern. Eigene Experimente sollten nicht
durchgeführt werden.[20]
Reaktionen auf den Plan des US-Energieministeriums
Dr. Michael McKubre, LENR-Forscher beim Forschungszentrum SRI International in Kalifornien,
begrüßt die Überprüfung als "vernünftig, begründet und zum richtigen Zeitpunkt". Die
Entscheidung sei eine "absolut logische Antwort" auf wissenschaftliche Fragen, die seit 1989
aufgekommen seien. Jean-Luis Naudin, dessen angeblicher kalter Fusions-Motor im ersten Teil
vorgestellte wurde, sieht in der kalten Fusion die "beste und interessanteste Forschungsrichtung", in
die er je geforscht habe: "Ich glaube, dass wir mit einem solchen Gerät wirklich den Durchbruch auf
dem Gebiet der Energietechnik erleben werden."
Dr. Richard L. Garwin, Forscher und Berater der US-Regierung auf dem Gebiet der
Militärtechnologie, bezweifelt, dass Naudins Motor Wärme aus kalter Fusion erlangt. Prof. William
Happer, ebenfalls Berater der US-Regierung und wie Garwin Mitglied des DoE-Ausschusses zur
kalten Fusion im Jahre 1989, schätzt, dass das DoE aktuell gezwungen worden sei, die Überprüfung
durchzuführen[21]:
Ich hoffe, dass sie keinen Schaden anrichten wird. Ich glaube nicht, dass es eines Ausschusses
bedarf, um die kalte Fusion zu überprüfen. Wenn da irgendetwas real wäre, würden die Menschen
heute schon ihre Häuser mit kalter Fusion wärmen. Das wäre viel besser als Wärmepumpen oder
Wärme aus Strom. Die Tatsache, dass dieses nach 15 Jahren enthusiastischer Behauptungen über
Wärme aus kalter Fusion nicht geschieht, ist die eloquenteste Zeugnis, dass kalte Fusion nicht
existiert.
Prof. Ertl sagt, kalte Fusion werde am FHI sehr kritisch eingeschätzt: "Solange nicht grundlegende
physikalische Prinzipien revidiert werden müssen (und dafür sehe ich derzeit keine konkreten
Anhaltspunkte), betrachte ich Forschung auf diesem Gebiet als wenig sinnvoll." Auch das
Forschungszentrum Jülich erklärt, dass die DoE-Initiative nichts daran ändere, dass man sich nicht
mehr mit LENR beschäftige. Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) geht man davon aus,
"dass es ausreichend ist, auf die üblichen Wege wissenschaftlicher Kommunikation zu vertrauen,
um von ernstzunehmenden LENR-Ergebnissen zu erfahren, wenn es solche geben sollte." Dr. Peter
Ziegler vom Bundesministerium für Bildung und Forschung teilt mit[22]:
Im BMBF werden die Arbeiten zur "Kalten Fusion" mit Interesse verfolgt. Die Möglichkeit, die
Fusion leichter Atome mit niedriger Aktivierungsenergie zu erreichen, wäre ein großer Fortschritt in
Richtung einer weltweiten, nachhaltigen Energieversorgung. Trotz der Vielzahl der dazu bisher
vorgelegten Arbeiten gibt es nach der überwiegenden Expertenmeinung noch keinen eindeutigen,
verifizierten Nachweis für diesen Ansatz, so dass die Möglichkeit, Fusionsreaktionen mit niedriger
Aktivierungsenergie zu realisieren, derzeit äußerst zurückhaltend beurteilt werden muss.
Der für 2005 angekündigte Bericht des DoE zur "Kalten Fusion" wird es sicherlich erlauben, die
Arbeiten auf diesem Gebiet besser als bisher einzuordnen und wird weltweit mit Interesse zur
Kenntnis genommen werden. Sollte sich daraus ein Hinweis ergeben, dass eine "Kalte Fusion" doch
als möglich zu betrachten ist, wird sich auch das BMBF erneut mit dieser Frage beschäftigen.
Edmund Storms, lange Zeit beschäftigt am Los Alamos National Laboratory (LANL) und seit 1989
tätig in der kalten Fusions-Forschung, begrüßt die Überprüfung als "lange überfällig", bleibt aber
äußerst skeptisch[23]:
Das DoE ist immer stark gegen LENR gewesen. Nun eine Kehrtwende zu machen, wäre eine große
Peinlichkeit. Ich erwarte eine zurückhaltende Aussage in der Art: "Etwas Neuartiges scheint
entdeckt worden zu sein, das weiter untersucht werden sollte." Das DoE wird dann ein paar große
Institutionen bezahlen, den Effekt zu untersuchen. Diese Institutionen werden ohne Erfahrung von
Null anfangen und daher negative Resultate erhalten. Dieses wird benutzt werden, um zu sagen,
dass die Skeptiker von Anfang an Recht hatten. Währenddessen werden mehrere Unternehmen den
Effekt als kommerzielle Energiequelle entwickeln.
Zur Theorie der kalten Fusion
Haiko Lietz 13.04.2004
Teil 3: Wurde die kalte Fusion abgelehnt, weil sie der
herrschenden Lehrmeinung widerspricht?
In den letzten 15 Jahren sind derart viele experimentelle Daten vorgelegt worden, die darauf
hindeuten, dass Kernreaktionen auch bei niedriger Energie stattfinden können, dass das USEnergieministerium eine Untersuchung versprochen hat. Diese Experimente und die Reaktion der
Wissenschaft darauf sind Inhalt der ersten beiden Teile dieser Serie: Kalte Fusion wieder heiß und
Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion. Der vorliegende Teil fragt nach Gründen für die
Ablehnung der Wissenschaft. Dem Forscher Edmund Storms zufolge liegen diese zu acht Prozent in
Unzulänglichkeiten der Experimente und zu 90 Prozent in einem Konflikt der Beobachtungen mit
der konventionellen Modellvorstellung.
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Teil 2: Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion
Der US-Bundesstaat Utah ist die Heimat der modernen Erforschung der kalten Fusion. An der
Brigham Young University (BYU) begann diese bereits 1982. Die beiden Chemiker Dr. Martin
Fleischmann und Dr. Stanley Pons haben 1984 an der University of Utah (UU) mit ihren
Experimenten zur Spaltung schweren Wassers (mit Deuterium statt normalem Wasserstoff) durch
Anlegung einer Spannung (Elektrolyse) begonnen.[1] Sie wollten überprüfen, ob sich dabei mehr
Energie heraus holen lasse als rein gesteckt wurde, was sich durch die Entstehung von
Überschusswärme äußern sollte. Als ihnen über die Jahre klar wurde, dass dies möglich ist,
beschloss die Universität, dieses Verfahren patentieren zu lassen und dieses auf einer
Pressekonferenz mitzuteilen. Patentanträge wurden am 21. März 1989 gestellt. Die Pressekonferenz
fand zwei Tage später statt. Fleischmann zufolge waren "wirklich die Patentanträge" der Grund für
die Pressekonferenz. Die Forschungsergebnisse sind erst am 10. April 1989 im Journal of
Electroanalytical Chemistry veröffentlicht worden.[2]
Nach der Konferenz reagierte nicht nur die weltweite Presse schlagartig und schrieb von der
"Lösung des Energieproblems". Da Fleischmann und Pons Kathoden aus dem wertvollen Palladium
verwendet hatten, reagierte der Preis des Metalls in der Folge auf jede wissenschaftliche Äußerung
wie der Ölpreis auf politische Äußerungen. Der Email-Austausch zweier Doktoranden am
Massachusetts Institute of Technology (MIT), der interessanterweise online dokumentiert ist, lässt
Einblicke in ein hysterisches Jahr 1989 zu.
Jeff und Rich verfolgten die Nachrichten über die Debatte der kalten Fusion ganz genau, denn sie
hatten Geld in Palladium angelegt. Am 17. April bat Jeff Rich um eine Übersetzung einer Meldung
des italienischen Fernsehsenders RAI 1, italienische Wissenschaftler hätten die Fusion bei
Raumtemperatur bestätigt. "Offenbar haben die Titan und Deuteriumgas benutzt und KEINE
Elektrolyse", schrieb Jeff, "und übrigens, Du hast heute $5 gewonnen." Rich antwortete am selben
Tag:
Die sagen die Idee für das Experiment kam aus der Frage 'ist wirklich Elektrizität nötig, um eine
Interaktion zwischen Deuterium und einem Metall wie Palladium oder Titan zu realisieren?'...
Warum Titan?
Tatsächlich hat ein Team vom Italienischen Nationallabor für Neue Technologien, Energie und die
Umwelt (ENEA) zu besagtem Zeitpunkt ebenfalls auf einer Pressekonferenz über die Entdeckung
von Fusionsprozessen bei Raumtemperatur berichtet, nachzulesen im Rückblick des beteiligten
Plasmaforschers Prof. Franco Scaramuzzi.[3]
Chemiker gegen Physiker
Längst waren weltweit Versuche im Gange, das Fleischmann/Pons-Experiment zu wiederholen, eine
gebotene Aufgabe der Wissenschaft, wenn - wie in diesem Fall - die vorgelegten Daten der
etablierten Theorie widersprechen. Auch am MIT an der Ostküste wurde dieses versucht. Prof.
Ronald Ballinger, Mitglied des 19-köpfigen MIT-Teams, sagte am 26. April 1989 während einer
Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft, Weltraum und Technologie des USRepräsentantenhauses, er und seine Physiker-Kollegen seien "sehr frustriert" über die kommerzielle
Art und Weise, wie die Chemiker in Utah mit ihren Forschungsergebnissen umgingen. Diese
bedürften "großer Aufmerksamkeit" und wären - wenn wahr - ein "Durchbruch" mit "größter
Bedeutung für die zukünftige Energieproduktion". Man selber und andere Teams hätten die
Ergebnisse jedoch nicht reproduzieren können, "mit Ausnahme vielleicht der Ergebnisse aus
Stanford, Europa und der UdSSR", die Ballinger jedoch nicht beurteilen könne. Die
Fusionsbehauptung müsse als "nicht verifiziert" gelten, da Fleischmann/Pons Fusionsprodukte nicht
in erwarteten Mengen gemessen oder berichtet hätten.[4]
Artikel im Boston Herald vom 1. Mai 1989
Für weiteren Vertrauensverlust sorgte ein Artikel auf Seite 1 des Boston Herald vom 1. Mai. Darin
sagt Prof. Ronald Parker, damals Direktor des MIT-Plasma Fusion Center (heute PSFC), die Arbeit
von Fleischmann/Pons sei "wissenschaftlicher Schund" und "vielleicht Betrug".[5] Am selben Tag
fand eine Konferenz der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft (APS) statt. PalladiumSpekulant Jeff schrieb seinem Freund Rich am darauffolgenden Donnerstag:
Schlechte Nachricht: Ich bin sicher, Du hast von der APS-Konferenz am Montag gehört, wo
mehrere Physiker behaupteten, die kalte Fusion widerlegt zu haben, und viele andere Skepsis
ausdrückten... Gute Nachricht: Wir haben das vorausgesehen, weil ich letzten Donnerstag eine Rede
von Dr. Ballinger gesehen habe... Mehr schlechte Nachrichten: Wir haben trotzdem $60 verloren...
Mehr gute Nachrichten: Am Montag wird es eine Konferenz der ACS (Amerikanische Chemische
Gesellschaft) geben. Ich habe gehört, dass dort mindestens ein halbes Dutzend Bestätigungen
angekündigt werden. Stanford bleibt bei seiner bereits angekündigten Bestätigung und Texas A&M
hat mitgeteilt, dass eine zweite Gruppe positive Resultate produziert hat. Wir hoffen auf einen
Vorteil durch diese erwarteten guten Nachrichten (und für den derzeitigen niedrigen PalladiumPreis).
Meinungsumschwung in Wissenschaft und Öffentlichkeit
Obwohl einige Labore berichteten, den Fleischmann/Pons-Effekt reproduziert zu haben, wandelte
sich wissenschaftliches wie öffentliches Interesse alsbald in Ablehnung. Das vom Chefredakteur des
Wissenschaftsjournals Nature, John Maddox, schon im Juli 1989 prognostizierte "Ende der kalten
Fusion"[6] goss der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des US-Energieministeriums,
ins Leben gerufen vom damaligen Präsidenten George Bush, im November 1989 in Zement[7]:
Manche Labore unterstützen, üblicherweise stoßweise, die Behauptung aus Utah einer Produktion
von Überschusswärme, aber die meisten Labore berichten von negativen Resultaten. Die, die
Überschusswärme behaupten, finden keine entsprechenden Mengen von Fusionsprodukten so wie
Neutronen und Tritium, was die deutlichste Signatur von Fusion wäre. Manche Labore berichten
von Tritium. In diesen Fällen werden jedoch keine sekundären oder andere primäre Teilchen
gefunden, so dass die bekannten Deuterium-Fusionsreaktionen als Quelle des Tritiums
ausgeschlossen werden können. Der Ausschuss schließt daher, dass experimentelle Resultate von
Überschusswärme (...) bis heute keine überzeugenden Belege darstellen, dass brauchbare
Energiequellen aus dem Phänomen mit Namen kalte Fusion resultieren. Zusätzlich schließt der
Ausschuss, dass berichtete Experimente bis heute keine überzeugenden Belege darstellen, dass die
berichtete anomale Wärmeentstehung mit einer Kernreaktion in Verbindung steht.
Isabella Milch, die Pressesprecherin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) berichtet
rückblickend, die Aufmerksamkeit für kalte Fusion sei auch am IPP anfangs "sehr, sehr groß"
gewesen. Die Forschungsrichtung habe sich in dieser Zeit "in gewissem Sinne" aber "ihren Ruf
verdorben", weil zu viele Erfolgsmeldungen sich als unhaltbar erwiesen hätten. So auch eigene
Versuche des IPP. "Wenn tatsächlich kalte Fusion in einem Experiment erreicht worden sein sollte,
dann muss sich dies eindrucksvoller manifestieren. Erst dann ist auch mit einem erneuten Interesse
der restlichen Fusionsforscher zu rechnen", so Milch.
Der Wissenschaftstheoretiker Prof. Henry Bauer sieht den Hauptgrund für den "Widerstand" in
einer "disziplinären Dissonanz". Kalte Fusion sei hauptsächlich physikalische Chemie gewesen. Die
vorgeschlagene Erklärung gehöre aber zu einer gänzlich anderen Disziplin: zur Kernphysik.
Versuche der Physiker, das Experiment in ein paar Wochen zu wiederholen, hätten Elektrochemiker
sofort als "inkompetent" erkannt. Umgekehrt hätten Fleischmann und Pons unter Zeitdruck
versucht, die von der Physik erwarteten Fusionsprodukte zu messen, was wiederum inkompetente
Versuche gewesen seien. Daraus sei in der Wissenschaft ein Widerstand erwachsen nach dem
Motto: "Kernfusion kann nicht stattfinden, außer bei mehreren Millionen Grad und enorm hohen
Drücken."
Wenn Theorie die Faktenlage bestimmt
Die New York Times drückte den Grund für die Ablehnung kürzlich mit den Worten aus, "weil kalte
Fusion, falls real, nicht mit derzeitigen Theorien erklärt werden kann, überzeugten die ungereimten
Resultate die meisten Wissenschaftler, das sie überhaupt nicht stattgefunden hatte."[8] Der Satz ist
jedoch zumindest in einer Hinsicht falsch: Kalte Fusion ist mit derzeitigen Theorien erklärbar. Sie
sind nur nicht anerkannt.
Dr. Edmund Storms und Dr. Michael McKubre haben sich nicht von Theorien abhalten lassen,
empirisch an die kalte Fusion heranzugehen. Storms hat 34 Jahre lang am Los Alamos National
Laboratory gearbeitet. McKubre ist Direktor des Energy Research Center am Stanford Research
Institute (SRI International). Das Wired-Magazin zählt beide zu den Wired 25 des Jahres 1998, weil
sie "ihre Karriere riskieren" um die Realisierbarkeit der kalten Fusion zu beweisen.
Edmund Storms vor einem Wärmemengenmesser in seinem Privatlabor in Santa
Fe
McKubre hat sich 1989 durch Äußerungen bekannter Physiker ermutigt gefühlt, kalte Fusion zu
erforschen. Edward Teller, der Erfinder der Wasserstoffbombe, habe ihm gesagt, er glaube nicht,
dass kalte Fusion real sei. Wenn aber doch, könnte er es mit einer sehr kleinen Änderung der
physikalischen Gesetze erklären.[9]
Ein Theoretiker der kalten Fusion war Julian Schwinger. Schwinger erhielt 1965 gemeinsam mit
Sin-Itiro Tomonaga und Richard Feynman den Physik-Nobelpreis für die Begründung der
modernen relativistischen Quantenfeldtheorie. 1989 ist er aus Protest, wie die Amerikanische
Physikalische Gesellschaft mit dem neuen Phänomen umging, aus der APS ausgetreten.
Experimente haben in den Folgejahren eine Datenmenge hervorgebracht, die die Anforderung an
eine Theorie klar umreißt. Demnach gibt es heute zwei Gruppen von Daten:
a Hinweise auf Kernfusion: Entstehung von Wärme, Messungen von Tritium (dem schwersten
Wasserstoff-Isotop) sowie Helium-4, das mit der Wärmemenge korrespondiert. Außerdem geringe
Mengen von Neutronen und Gammastrahlung.
b Hinweise auf Kernspaltung: Messung von Helium-4 und Transmutation (Umwandlung) von
Elementen.[10]
Auf dem Weg zu einer Theorie der kalten Fusion gibt es drei Wege, wie die behauptete Fusion von
Deuteriumkernen stattfinden kann:
(1) Deuterium + Deuterium > Tritium + Proton
(2) Deuterium + Deuterium > Helium-3 + Neutron
(3) Deuterium + Deuterium > Helium-4 + Gammastrahlung
Die Wege (1) und (2) sind die hauptsächlich zu erwartenden Reaktionen und werden mit gleicher
Wahrscheinlichkeit erwartet. Der Einwand der etablierten theoretischen Physik lautet nun: Wenn die
in den erstmals von Fleischmann und Pons durchgeführten Experimenten entstandene Wärme
tatsächlich von einem Fusionsprozess herrührt, müssten Tritium und Neutronen in entsprechenden
Mengen nachweisbar sein, was nicht der Fall ist.[11]
Zur Beantwortung der Frage, woher bei der kalten Fusion die Wärme rührt, nahm Schwinger den
Umweg über das Phänomen der Sonolumineszenz Dabei wird eine Flüssigkeit mit Schallwellen zu
Bildung von Gasblasen angeregt (Kavitation). In dem Moment, in dem diese Gasblasen wieder in
sich zusammenstürzen (implodieren), wird Energie in Form eines Lichtblitzes frei. Es gibt also
einen Mechanismus, bei dem kinetische Energie einer makroskopischen Einheit (Schallwelle) in
eine mikroskopische Einheit (Atom) übertragen wird. Hinsichtlich der kalten Fusion stellte
Schwinger die Frage, ob umgekehrt nicht auch Energie einer mikroskopischen Einheit in kinetische
Energie einer makroskopischen Einheit übertragen werden könnte?[12]
Die Coulomb-Schwelle getunnelt
Was bedeutet das nun? Im klassischen Elektrolyse-Experiment zur kalten Fusion werden positiv
geladenen Deuteriumkerne (Deuteronen) von der negativ geladenen Palladium-Kathode angezogen.
Ein Teil der Deuteronen rekombiniert an der Kathode wieder zu Deuteriumgas, welches dort
aufsteigt. Der andere Teil wird jedoch in das Palladium hineingezogen und besetzt dort
Zwischengitterplätze des Palladium-Kristallgitters. Dort, erläutert Storms, fänden sich zwei oder
mehrere Deuteronen "gelegentlich" in der Lage, sich zu Helium-4 zu verwandeln. Schwingers
Theorie besagt nichts anderes, als dass die Gammastrahlung, die gemäß Weg (3) zu erwarten ist,
vom Palladiumgitter aufgenommen wird. Die entstandene Wärme rühre entsprechend von der
Energieaufnahme der Elektrode.
Es bleibt die Frage, woher die Deuteronen im Palladiumgitter die Energie erhalten, die es ihnen
ermöglicht, die Coulomb-Schwelle zu überwinden. Das ist die Energiebarriere, die erst überwunden
werden muss, damit zwei Teilchen gleicher Ladung sich so weit annähern können, dass es zur
Fusion kommen kann. Hier setzt die Theorie des MIT-Forschers Prof. Peter Hagelstein an. Sie
besagt, dass Energie zwischen Palladium-Atomen und Deuteronen über die Eigenschwingung des
Kristallgitters ausgetauscht werde. Schwinger hatte die gleiche Idee und fühlte sich sofort an den
Mössbauer-Effekt erinnert. Dieser beschreibt eine solche spontane Energieübertragung zwischen
zwei Atomkernen.[13]
Kleine Energiepakete, die in einer stromdurchflossenen Flüssigkeit immer vorhanden sind, könnten
bis zu 12 Billionen mal pro Sekunde ausgetauscht werden, besagt Hagelsteins Theorie. Nach
mehreren Minuten könnten Kerne energetisch angeregt genug sein, dass die Coulomb-Schwelle
überwindbar und eine Kernreaktion ermöglicht werde. Als Ergebnis dieser Kettenreaktion wäre
unter anderem mit der Entstehung von Helium-4, bei genügend hoher Energie auch mit
Kernspaltung zu rechnen.[14] Wie Edmund Storms erklärt, könnten die Kerne auch durch
Wellenanregung per Laser oder Schallwelle zusätzlich energetisiert werden, um die Reaktion zu
beschleunigen.[15]
Hagelsteins Theorie erklärt das Ausbleiben von Fusionsprodukten der Wege (1) und (2) in
erwarteten Mengen dadurch, dass Weg (3) bevorzugt wird. Das Zustandekommen der
Messergebnisse der Gruppen (a) und (b) wird nicht nur qualitativ erklärt, sondern auch quantitativ.
Auch findet eine Erklärung, warum sich in der Praxis Kernreaktionseffekte angeblich erst nach
mehreren Tagen einstellen. Essentiell beruht Hagelsteins Theorie auf dem sogenannten TunnelEffekt demzufolge die Deuteronen - besser: ihre Wellenfunktionen - mit gewisser
Wahrscheinlichkeit jenseits der Coulomb-Schwelle liegen.[16]
"Unerwartet und ungewöhnlich"
Storms gibt zu, dass auch Hagelsteins Theorie Aspekte enthalte, die "normale" Wissenschaftler sich
die Haare raufen lasse. Dieses gelte auch für andere Theorien auf dem Gebiet.[17] Zur Zeit sei es
sehr schwer zu sagen, welche Theorie besser sei als andere. Der Forscher tippt, dass die finale
Theorie Aspekte verschiedener Theorien beinhalten werde, "zusammen mit einer Idee, die bislang
noch nicht vorgeschlagen worden ist." Dass in der Richtung der "Kernphysik der verdichteten
Materie", zu der die Erforscher der kalten Fusion ihre Arbeit zählen, mit Überraschungen zu
rechnen ist, zeigen auch Experimente der Technischen Universität Berlin. Schon länger war
bekannt, dass Elektronen die Coulomb-Schwelle senken, weil die negativ geladenen Teilchen die
positive Kernladung teilweise abschirmen.
Um weitere Tests zur Elektronenabschirmung zu machen, hat Dr. Armin Huke für seine
Doktorarbeit Deuteronen in Metallgitter gepackt und diese mit weiteren Deuteronen beschossen.
Obwohl die Deuteronen nicht genug Energie hatten, um die Coulomb-Schwelle von selber zu
überwinden, maß Huke Fusionsprodukte. Dabei trat bei manchen Metallen ein Effekt auf, der laut
McKubre den "definitorischen Unterschied" zwischen kalter und konventionell verstandener Fusion
ausmache: Die Reaktionswege (1) und (2) traten nicht gleich häufig auf. Vollkommen "unerwartet
und außergewöhnlich" wurde der Neutronenweg unterdrückt. Wie Hagelstein erklärt der Berliner
Forscher seine Ergebnisse mit dem Tunnel-Effekt.[18]
Huke und die Berliner Gruppe sind nicht Teil der angeblich so "eingeschworenen Gemeinde" der
kalten Fusions-Forscher und machen doch verwandte empirische Arbeit. Für Michael McKubre hat
aus theoretischer Sicht "nie ein wirklicher Grund" bestanden, "kalte" Fusion anzuzweifeln. Dennoch
war Theorie bislang zu 90 Prozent Grund der wissenschaftlichen Ablehnung, wenn man Edmund
Storms glaubt. Wenn Unzulänglichkeiten der Experimente weitere acht Prozent ausmachen, so
bleiben zwei Prozent. Dieser Ablehnungsgrund sei der, dass kalte Fusion "Konkurrenz für andere
Energiequellen" darstelle.
Der Kampf gegen die kalte Fusion
Haiko Lietz 03.06.2004
Teil 4: Was wäre, wenn sich jeder selber mit Energie versorgen
könnte?
Die derzeit hohen Benzinpreise lassen uns spüren, wie sehr unsere Lebensweise von der
Verbrennung fossiler Brennstoffe abhängt. Der Kinofilm The Day After Tomorrow (Supersturm mit
frostiger Botschaft) führt uns vor Augen, welchen Preis wir oder unsere Kinder im schlimmsten Fall
für unseren unnatürlichen Energiedurst zahlen müssen. In Teil 1 (Kalte Fusion wieder heiß) dieser
Telepolis-Reihe wurde berichtet, dass Wissenschaftler 1989 eine Entdeckung bekannt machten, von
der sie meinten, dass sie die Lösung unseres Energieproblems sein könnte: kalte Fusion. In Teil 2
(Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion) wurde berichtet, dass zahlreiche Forscher die
Entdeckung reproduziert haben und dafür von den Meinungsführern unserer Gesellschaft
diskreditiert worden sind. In Teil 3 (Zur Theorie der kalten Fusion) wurde geschildert, dass
Aussagen, kalte Fusion sei theoretisch unmöglich, wissenschaftlich nicht haltbar sind. Dieser Teil
ist eine Episode zur Forschungspolitik. Die kalte Fusion ist von Teilen der Politik und der
Wissenschaft aktiv bekämpft worden. Die Gründe dafür haben etwas damit zu tun, dass ein
Kubikkilometer Meerwasser so viel Brennstoff enthält, wie in den gesamten bekannten Ölreserven
schlummert, und dass nach Wunsch der Politik die heiße Fusion die Energiequelle der Zukunft sein
soll.
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Teil 3: Zur Theorie der kalten Fusion
Als im März 1989 auf der ganzen Welt der Startschuss fiel, die kalte Fusion zu reproduzieren,
entschied sich auch das Electric Power Research Institute (EPRI) diese Forschung zu fördern. Das
nichtkommerzielle Konsortium finanziert Forschung zur Energieerzeugung und -verteilung.
Bestehende Förderbudgets des Stanford Research Institute und der Texas A&M University wurden
unmittelbar zu Gunsten der kalten Fusion umgeschichtet. Texas A&M war für die Aufgabe überaus
geeignet. Sie unterhielt 1989 nicht nur ein Zentrum für elektrochemische Systeme und WasserstoffForschung und drei elektrochemische Arbeitsgruppen, sondern auch einen Teilchenbeschleuniger
und ein Thermodynamisches Forschungszentrum. Ganze 90 Forscher waren 1989 an A&M in der
Elektrochemie tätig, und EPRI beauftragte alle Arbeitsgruppen mit dem Versuch, die kalte Fusion
zu reproduzieren.[1]
Die Gruppe von Prof. John O'M Bockris berichtete noch im selben Jahr von einer erfolgreichen
Reproduktion, die sich durch große Mengen des Fusionsprodukts Tritium geäußert habe. Der
Journalist Gary Taubes veröffentlichte daraufhin im Juni 1990 im Fachjournal Science einen
Artikel, in dem er einen jungen Forscher aus Bockris' Team beschuldigte, Ergebnisse manipuliert zu
haben. Der Doktorand Nigel Packham habe Tritium beigefügt, um seine Dissertation zu etwas ganz
Besonderem zu machen. Vor dem Science-Artikel hatte Taubes bereits versucht, Packham zu einem
Geständnis zu bewegen, indem er blöffte, ihn am nächsten Tag in der New York Times bloßzustellen.
Die Anschuldigung war nie durch irgendein Experiment belegt. Hauptquelle war der A&MForscher Prof. Kevin Wolf.[2]
Bockris schreibt rückblickend, Wolf habe heimlich Experimentalflüssigkeiten, die bereits ein halbes
Jahr eingelagert gewesen seien, auf schweren Wasserstoff analysiert, welchen gefunden, und somit
gemeint, Taubes Vermutung stützen zu können. Der zugrunde liegenden Vermutung widersprach
zunächst der EPRI-Programm-Manager und später das Ergebnis eines Experiments[3], das Science
aber nicht veröffentlichen wollte. Bockris wurde auch erst mit Verzögerung ein Leserbrief
zugestanden, in dem er dann aber 26 weitere Labore zitierte, die ebenfalls Tritium gefunden
hätten.[4] Auch Bockris bekam Probleme. Seine wissenschaftliche Integrität war Gegenstand zweier
Untersuchungen seiner Universität, welche zeitweise überlegte, ihn zu entlassen. Am Ende wurde er
von sämtlichen Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens freigesprochen, und er hat auch seine
Auszeichnung behalten, nicht aber seinen vorher exzellenten Ruf. Bockris, Autor mehrerer
Standardwerke zur Elektrochemie, hatte das Pech, die falschen Experimente gemacht zu haben.[5]
1992 berichtete Bockris' Team als erstes von der Messung des Fusionsproduktes Helium. 1994
wurde über die Transmutation (Umwandlung) von Kohlenstoff in Eisen berichtetet und 1995 habe
man entdeckt, "dass viele neue Elemente in Palladium entstehen, wenn man damit über mehrere
Wochen Wasserstoff elektrolysiert."[6] Interessanterweise erhielt auch Professor Wolf 1992
Hinweise auf neu entstandene Elemente. Wolfs Team maß in einem einzelnen ElektrolyseExperiment die Entstehung von Silikon, Eisen, Kupfer, Zink und Gold, konnte dieses aber nie
wiederholen. Dr. Tom Passell, der EPRI-Programm-Manager, bei dem Wolf Bockris zuvor für die
Manipulation von Tritium-Messungen angeschwärzt hatte, veröffentlichte Wolfs Ergebnisse
1995.[7]
Überstürzte Experimente
So lange hat der Untersuchungsausschuss des US-Energieministeriums (ERAB), ins Leben gerufen
vom damaligen Präsidenten George Bush senior, nie gewartet. Im Abschlussbericht vom November
1989 sind dennoch bereits fünf Forschungsgruppen aufgeführt, die Hinweise auf kalte Fusion in
Form von Überschusswärme veröffentlicht haben: neben der ursprünglichen Gruppe von der
University of Utah[8] und den beiden A&M-Gruppen[9] noch jeweils eine von der Stanford
University[10] und der University of Minnesota[11], deren Arbeit letztendlich vom Fachblatt Nature
zur Veröffentlichung aber abgelehnt worden ist.
Dem gegenüber werden 13 Gruppen genannt, die in ihren Veröffentlichungen nicht von
Überschusswärme oder Fusionsprodukten berichteten. Vier Experimente haben aufgrund des
hervorragenden Rufs der ausführenden Labore besonders zum ablehnenden Fazit des
Untersuchungsberichts und generell zur Ablehnung der kalten Fusion beigetragen: das des
California Institute of Technology (CalTech)[12], des britischen Harwell Laboratory[13], beide
veröffentlicht in Nature, das des Massachusetts Institute of Technology (MIT)[14] und des Naval
Weapons Center[15] der US Navy.
Kurz nach Veröffentlichung des ERAB-Berichts an die Regierung und nachdem sich Wissenschaft
wie Öffentlichkeit eine (ablehnende) Meinung gebildet hatte, nahm der Lauf der Dinge erneut eine
Wendung. Auch vom Navy-Labor kam nun eine Bestätigung anomaler Überschusswärme in kalten
Fusions-Experimenten. Erst Palladium-Kathoden, die das Labor im September 1989 erhalten hatte,
brachten die Bestätigung der Wärmeproduktion und der Entstehung des Fusionsproduktes Helium4.[16] Diese neuen Ergebnisse hatten es nicht mehr in den ERAB-Bericht geschafft. In ihrem
Abschlussbericht von 1996 berichtet die Navy von einem anomalen Leistungsgewinn bei 28 von 94
Experimenten. Bestätigt wurde auch der Zusammenhang zwischen der Entstehung von
Überschusswärme und Helium-4.[17]
Bestätigung der kalten Fusion durch zehn Jahre Forschugn der US Navy
Die Forschung bei der Navy ging weiter. Im Februar 2002 erschien der technische Bericht
1862.[18] Ein gutes Jahr später griff der New Scientist den Bericht auf und schrieb, nach mehr als
200 Experimenten, durchgeführt während zehn Jahren in verschiedenen Labors der Navy, seien
manche Forscher bereit, Ereignisse zu bezeugen, die nicht nur zeigten, dass kalte Fusion real sei,
sondern auch, dass sie nicht anders erklärt werden könne. "Mir war ein bisschen unwohl dabei,
meinen Unterschrift [unter den Bericht] zu setzen", gab Dr. Frank Gordon, Direktor des Navigation
and Applied Sciences Department in San Diego, dem New Scientist gegenüber zu. "Doch unsere
Daten sind so, wie sie sind, und wir stehen dazu." Ein anderer Navy-Forscher berichtet[19] von
Einschüchterungsversuchen:
Ziemlich prominente Persönlichkeiten der Physik-Gemeinde sprachen Drohungen aus. (...) Sie
sagten, sie seien sich bewusst, dass staatliche Forschungsgelder in die kalte Fusions-Forschung
gehen würden und dass sie alles versuchen würden, dieses zu verhindern.
Bedrohung der Budgets für die heiße Fusion
Mann muss wissen, dass reguläre Forschungsbudgets auch in den USA knapp bemessen sind.
Werden Forschungsgelder einem bestimmten Gebiet zugewiesen, fehlen sie einem anderen. Auch
das Stanford Research Institute (SRI) hatte von EPRI keine zusätzlichen Gelder erhalten. Dr.
Michael McKubre, der vor 1989 für EPRI bereits zehn Jahre in der Elektrochemie tätig gewesen
war, erhielt ein neues Forschungsziel, womit seine vorherige Forschung abrupt endete. Nach
fünfjähriger Forschung konnte auch das SRI mit Gewissheit sagen, dass kalte Fusions-Zellen eine
unverstandene Leistungsquelle darstellten.[20] "Die Wissenschaft ist sehr träge," teilte McKubre
mit, "und die Idee der kalten Fusion war sehr Unruhe stiftend."
Am 26. April 1989 hatte eine Abordnung aus Forschern und Politikern des US-Bundesstaats Utah,
der Heimat der modernen Erforschung der kalten Fusion, den Ausschuss für Wissenschaft, Weltraum
und Technologie des US-Repräsentantenhauses um 25 Millionen Dollar zur Erforschung dieser
gebeten. Dass es so nicht kam, dazu hat die Aussage vor dem Ausschuss von Prof. Ronald Ballinger
und die anschließende negative Presse beigetragen. Ballinger leitete damals das
Forschungsprogramm zur heißen Fusion des Plasma Fusion Center am MIT. Das PFC musste
fürchten, dass es Forschungsgelder an die kalte Fusion verliert.
Prof. William Happer, 1989 Mitglied des Energieministerium-Ausschusses (ERAB), hat die
damaligen Bemühungen zur Beschaffung von Forschungsgeldern für die kalte Fusion kürzlich als
"schädliche Politisierung der Wissenschaft" bezeichnet. Es wäre bei der Anfrage um 25 Millionen
Dollar nur um persönlich Bereicherung gegangen. Immerhin wisse man ja heute, dass kalte Fusion
"nicht reproduzierbar" gewesen sei.[21] Dabei kennt Happer die Ergebnisse beispielsweise der
Navy. Der Leiter derer Untersuchungen Dr. Melvin Miles hat sie allen ERAB-Mitgliedern im
Sommer 1990 mitgeteilt, ohne eine Antwort zu erhalten.[22]
Die "revolutionäre Entdeckung" der kalten Fusion kam in den Worten des Abgeordneten Wayne
Owens aus Utah zeitgleich mit dem "Eintritt in das Zeitalter alarmierender Umweltprobleme".[23]
Die aktuelle Ankündigung des US-Energieministeriums, die mittlerweile vorliegenden Daten zur
kalten Fusion überprüfen zu wollen[24], kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Umweltprobleme
noch alarmierender und die Knappheit von Energie, Wasser und Nahrungsmitteln noch viel
deutlicher geworden sind (vgl. Maulkorb für Nasa-Wissenschaftler).
Eintritt in die "hydrogen economy"
Evident sind aktuelle Äußerungen der US-Administration zur "Wasserstoffwirtschaft", in die man
nun eintrete. Im Februar 2003 kündigte Präsident George W. Bush eine 1,2 Milliarden Dollar
schwere Wasserstoff-Initiative an, um Amerikas wachsende Abhängigkeit von Ölimporten zu
kontern. Die USA haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, ihre Transportinfrastruktur, die zwei
Drittel der nationalen Ölimporte verbrennt, bis 2020 auf schadstofffreie Wasserstoffverbrennung
umzustellen.
Die Regierung zeigt sich dabei gewillt, die Kontrolle über die Energiequelle der Zukunft zu
behalten. 2015 steht für den Kongress und die beteiligten Unternehmen die
Kommerzialisierungsentscheidung an. Bis dahin soll weiter geforscht werden. Eine
"Aufklärungskampagne" soll die Nation für diese Absicht gewinnen. Arnold Schwarzenegger,
Gouverneur von Kalifornien und Kuratoriumsmitglied der George Bush Foundation, macht bereits
fleißig Werbung für den "Wasserstoff-Highway". Präsidentschaftskandidat John Kerry sagte
kürzlich - ohne Details zu nennen -, auch er habe einen Plan, in "neue Technologien und alternative
Treibstoffe" zu investieren, um "die derzeitige Energiekrise" zu beenden. Am 15. Jahrestag der
Wiederentdeckung der kalten Fusion, dem 23. März 2004, begann das Energieministerium
außerdem eine Fortbildungsreihe für Beamte über "Versprechen und Herausforderung der
Wasserstoff-Energie".
Für die langfristige Energieversorgung setzen die USA auf "Kernkraft und Fusionsenergie der
nächsten Generation". Nachdem die Clinton-Administration ihre Forschungsbeteiligung am
International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) zurückgezogen hatte, ist die BushAdministration Anfang 2003 wieder beigetreten. ITER ist ein geplanter Forschungsreaktor, der den
Durchbruch bei der Energiegewinnung durch heiße Fusion bringen soll.
Heiße Fusion gilt als potentielle Lösung des Energieproblems der Erde. Dabei wird Deuterium und
Tritium verschmolzen. Um diese Wasserstoffisotope in ein reaktives Plasma zu verwandeln, sind
Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius nötig. Vorbild der Reaktion sind Prozesse in der
Sonne, wie sie derzeit verstanden werden. Wenn in einem solchen Reaktor zwei schwere
Wasserstoff-Teilchen zu einem neuen schwereren Teilchen fusionieren, wird Bindungsenergie frei.
Seit nunmehr 50 Jahren wird an der Nutzbarmachung dieser Energie geforscht. Optimistische
Schätzungen gehen davon aus, dass diese Energiequelle in 50 Jahren zur Grundlastdeckung zur
Verfügung stehen könnte.
Im ersten heißen Fusionsreaktor, dem Joint European Torus (JET) in England, konnte 1998 für
einige Sekunden eine heiße Fusion aufrechterhalten werden. Dabei wurden 16 Megawatt Leistung
frei. Allerdings musste das eineinhalbfache an Energie aufgewandt werden, um die
Fusionsbedingungen zu erreichen. ITER soll zehn- oder zwanzigmal so viel Energie erzeugen, wie
zum Erreichen der Zündbedingungen benötigt wird.[25] Eigentlich sollte sich ITER bereits im Bau
befinden, doch die USA verzögern ihn aus politischen Gründen.[26]
Spekulative Zukunft der heißen Fusion
Auch außerhalb der USA hat die Erforschung der heißen Fusion einen sehr hohen Stellenwert.
ITER ist ein internationales Forschungsprojekt. Neben den USA und der EU sind auch Japan,
Russland, China und weitere Länder beteiligt. In Deutschland ist die Fusionspolitik Bestandteil der
Internationalen Nuklearpolitik. Das Auswärtige Amt sieht in der Kernfusion eine "Option für die
kommerzielle Energieversorgung etwa zur Mitte dieses Jahrhunderts".
Die Möglichkeit heißer Fusion zur "Absicherung gegenüber Energieknappheit angesichts der
Erschöpfung der fossilen Energieträger" erkennt auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim
Deutschen Bundestag (BAT). Ein gewisses Umweltrisiko stellten die langfristige radioaktive
Kontaminierung der Reaktorwände und nicht ganz leicht beherrschbare Eigenschaften des
Brennstoffs Tritium dar. Die Hauptkritik, die der heißen Fusion entgegengebracht wird, liegt jedoch
in den immensen Kosten, die bei solchen Großprojekten anfallen.
Die EU hat bis 2000 fast zehn Milliarden Euro an Fördergeldern aufgebracht; Deutschland in den
letzten Jahren fast so viel wie zur Förderung erneuerbarer Energien, im Mittel 130 Millionen. Bis
zur Realisierung der Stromerzeugung müssten bis Mitte des Jahrhunderts weitere 60 bis 80
Milliarden Euro aufgebracht werden (vgl. Update: Kernfusion als Energiequelle der Zukunft?). Für
das BAT ist die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Fusionsenergie gegenüber konkurrierenden
Energieträgern "höchst spekulativ"[27]:
Alleine die Geschwindigkeit des technologischen Fortschrittes und die Kostenentwicklung bei
konkurrierenden, z.B. regenerativen Energiesystemen, die von immenser Bedeutung für deren
Konkurrenzfähigkeit ist, entziehen sich der langfristigen Vorhersagbarkeit. Als sicher gilt, dass die
Investitionen gegenüber den Betriebskosten die Stromgestehungskosten dominieren werden. Für
eine Anlage mit 1.000 MWe werden 5 bis 6 Mrd. Euro angegeben. Fusionskraftwerke werden damit
sehr kapitalintensive Großprojekte sein. Sie werden sich daher hauptsächlich für die zentralisierte
Stromerzeugung in der Grundlast eignen.
Kalter Strich durch die heiße Rechnung?
In diese Situation, tatsächlich in die Hauptphase der politischen Entscheidung zu ITER, platzte
1989 die Ankündigung der kalten Fusion. Milliardenschweren Großprojekten, die sich nur zur
zentralisierten Energieerzeugung eignen und erst in ferner Zukunft eine Energiegewinnung
versprechen, stellten sich kompakte Laborprojekte entgegen, die Energie angeblich jetzt schon
reproduzierbar abgeben und die vor allem dezentral eingesetzt werden könnten.
JET-Reaktorraum zur heißen Fusion
Trotz früher positiver Berichte aus fünf Labors war das Ausbleiben einer Bestätigung durch das
MIT, Harwell und CalTech der Hauptgrund für die heute etablierte Meinung, kalte Fusion
funktioniere nicht. Nach der Publikation ihrer negativen Ergebnisse wurden alle drei Labore von
außenstehenden Forschern kritisiert. "Schwerwiegende Fehler" würden die Akzeptanz dieser
Studien als glaubhafte Untersuchungen "ultimativ unterminieren", kritisierte ein Navy-Team
erstmals 1991. Die CalTech-Ergebnisse könnten nicht beweisen, dass keine anomale überschüssige
Leistung frei würde, und seien bei Berücksichtigung von Fehlerquellen sogar in guter
Übereinstimmung mit eigenen Ergebnissen und den ursprünglichen der Professorn Martin
Fleischmann und Stanley Pons aus Utah.[28] In einer späteren Veröffentlichung schrieben Forscher
der Navy und der University of Texas, obwohl die CalTech-Experimente oft als Widerlegung der
kalten Fusion zitiert würden, zeige deren Bericht im Gegenteil einen Leistungsgewinn von 13
Prozent.[29] Den qualitativ gleichen Schluss ziehen zwei weitere Forscher mit der Begründung,
CalTech hätte eine ungeeignete Methode benutzt.[30]
kaltes Fusions-Experiment zur Lehre an der italienischen Augusto Monti
Hochschule
Auch eine Analyse der Harwell-Daten erbrachte Hinweise auf einen möglichen
Leistungsgewinn.[31] Das Harwell Laboratory befindet sich seit 1954 unter der Ägide der
staatlichen United Kingdom Atomic Energy Authority und ist seitdem, neben anderen Laboren, für
Großbritanniens heißes Fusionsprogramm zuständig. Seit 2000 betreibt die UKAEA den
Versuchsreaktor JET.
Das MIT-Team mit direktem Forschungsauftrag vom US-Energieministerium war prominent mit
Forschern des Plasma Fusion Center (PFC zur Erforschung der heißen Fusion besetzt. Neben der
Überstürzung der Experimente wurde das MIT-Team unter anderem für seine schlechte
Fehlertoleranz kritisiert. Arbeiteten die Forscher aus Utah mit einer Messgenauigkeit von einem
Milliwatt, waren die Ergebnisse des MIT mit 40 Milliwatt weitaus weniger aussagekräftig.[32] Ein
Leistungsgewinn, den es ja zu reproduzieren galt, könne dabei "sehr leicht unentdeckt" bleiben.[33]
EPRI-Manager Passell, der die kalte Fusions-Forschung seit 1989 begleitet und bis 1994 finanziert
hat, sieht die Herangehensweise mancher Labore wie folgt[34]:
Viele versuchten, die kalte Fusion zu reproduzieren, weil sie sich eben nicht sicher waren, dass es
nicht klappen würde. Als sie es aber in Kürze nicht schafften, fingen sie an, die kalte Fusion zu
denunzieren. Sie hatten sich nur ein paar Monate Zeit genommen. Es kam mir vor, als arbeiteten sie
mit dem Konzept, erstens die Budgets für die heiße Fusion zu schützen und zweitens - falls es
tatsächlich klappen sollte -, den Anschluss nicht zu verpassen.
Heavy Watergate?
Möglicherweise war man sich am PFC sogar mehr als unsicher, dass es nicht doch funktionieren
könnte. Dr. Eugene Mallove teilte kürzlich mit, warum er im Juni 1991 seinen Job als MITPressesprecher gekündigt hatte[35]:
Bis zum Frühling 1991 hatte ich Betrug in der Berichterstattung der MIT-Experimentaldaten des
heißen Fusions-Labors vom Frühling 1989 gefunden - in der Phase-II-Kalorimetrie, welche ein
Versuch war, das [Fleischmann/Pons]-Experiment zu reproduzieren. Die Experimentaldaten zeigten,
bevor sie in betrügerischer Absicht verändert worden waren, ein positives Ergebnis.
Leiter der besagten Experimente war Prof. Ronald R. Parker, der sich auch schon vor Beginn der
eigenen Experimente überzeugt zeigte, kalte Fusion sei "wissenschaftlicher Schund".[36] Noch vor
der Analyse der eigenen Daten feierte das MIT mit einer Party das Ende der kalten Fusion,
berichtete Mallove von seinem damaligen Campus. Am 10. Juli 1989 stolperte Mallove über ein
Diagramm, das für die Verwendung schweren Wassers im Experiment einen Leistungsgewinn
angab. Drei Tage später veröffentlichte das PFC seinen endgültigen Bericht. Diesem war dieser
Leistungsgewinn nicht mehr zu entnehmen, das Diagramm war verändert. Mallove gab das
ursprüngliche Diagramm dem MIT-Forscher Dr. Michell Swartz. Dieser folgerte, dass die
Leistungskurve für die Veröffentlichung auf Null gesenkt worden sei, was eine Wärmeproduktion
(einen Hinweis auf kalte Fusion) vernebelt habe.[37] Andere Forscher zweifelte die PFC-Ergebnisse
aus analytischen Gründen an.[38]
Daten für das Kontrollexperiment mit leichtem Wasser, bei dem keine kalte Fusion zu erwarten ist:
Die tatsächliche (schwarz) und veröffentlichte (blau) Kurve des Leistungsgewinns im kalten
Fusions-Experiment des MIT liegen im Mittel bei Null.
Mallove verließ das MIT unter Protest, nachdem ihm über Monate die Rohdaten vorenthalten
worden waren und er merkte, wie er zur "unethischen Manipulation der Presse" benutzt worden sei.
Mallove forderte eine Untersuchung der Vorkommnisse, die aber nach monatelanger
Auseinandersetzung von MIT-Präsident Prof. Charles M. Vest im Frühling 1992 endgültig
abgelehnt wurde.[39] Vest ist seit 2003 wissenschaftlicher Berater des Energieministeriums (DoE).
Whistleblower Mallove hielt die Vorkommnisse am MIT für "einen der schlimmsten
wissenschaftlichen Betrugsfälle der Geschichte". Doch auch im besten Fall handelt es sich um eine
"Politik gütiger Nachlässigkeit", wie der Reporter Hal Plotkin im San Francisco Chronicle
schrieb.[40]
Daten für das Experiment mit schwerem Wasser, bei dem kalte Fusion unter Umständen zu
erwarten wäre: Die unveröffentlichte Kurve (schwarz) liegt über Null. Die veröffentlichte Kurve
(blau) zeigt keinen Leistungsgewinn als Hinweis auf kalte Fusion mehr.
Da der Druck zu groß geworden war, veröffentlichte das MIT-PFC 1992 einen technischen Anhang
zur ursprünglichen Veröffentlichung. Darin wird praktisch eingestanden, die Kurve verändert zu
haben. Mit der Veränderung sei dem Einfluss "bekannter Quellen systematischer und statistischer
Fehler" Rechnung getragen worden.[41] Dieses ist ein schwerer wissenschaftlicher Protokollfehler,
denn aus der Veröffentlichung von 1989 ging dieser Schritt nicht hervor. Effektiv hat das PFC mit
der Nachveröffentlichung auch rückwirkend das Ziel des ursprünglichen Experimentes neu
definiert. Es sei 1989 tatsächlich darum gegangen, nach Störeinflüssen zu fahnden. "In der
Wissenschaft erlauben wir es normalerweise nicht, das Ziel eines Experiments neu zu definieren,
um es den Ergebnissen anzupassen", kommentierte Mallove diesen Schachzug.[42]
Politisierung der Forschung
Spätestens seit 1992 werden Patentanträge, in denen kalte Fusion behauptet wird, vom USPatentamt abgelehnt. Die Begründung unter Berufung auf den ERAB-Ausschuss und speziell die
MIT-Ergebnisse lautet, dass es keine kalte Fusion gäbe. Und weil es sie nicht gäbe, könne sie auch
in keinem Patent beschrieben werden.[43]
Wie im Krieg scheint es der US-Administration auch in der Wissenschaft darum zu gehen, die
Informationshoheit zu besitzen. Im März 2004 hat die US-amerikanische Vereinigung Besorgter
Wissenschaftler (UCS) der Bush-Regierung vorgeworfen, "wissenschaftliche Ergebnisse, die ihrer
Politik widersprechen, zu verzerren und zu zensieren". Besonders besorgt stimmen die
Wissenschaftler aktuelle Pläne der Regierung, Sammlung und Überprüfung wissenschaftlicher
Informationen in einem Büro im Weißen Haus zu zentralisieren und der privaten Industrie mehr
Einfluss zu geben. Ein Forscher warnt, die neue Regelung mache das Weiße Haus zu einem
"Pförtnerhaus" für wissenschaftliche Informationen und würde "Integrität in der Wissenschaft
ultimativ zerstören". Ein Abschnitt über kalte Fusion steht nicht im UCS-Bericht.[44].
Das Verteidigungsministerium hatte bereits 1993 die JASON-Gruppe beauftragt, den damaligen
Stand der kalten Fusions-Forschung zu berichten. JASON ist ein vertrauliches Berater-Gremium der
US-Regierung in wissenschaftlichen Fragen. Vorsitzender bis 1990 war Prof. Happer, ERABMitglied des DoE zur kalten Fusion. Vor elf Jahren ließen sich zwei JASON-Wissenschaftler einen
Tag lang von McKubre und Passell die Experimente am SRI zeigen: Prof. Richard L. Garwin,
ebenfalls ERAB-Mitglied und außerdem UCS-Vorstandsmitglied, und Prof. Nathan L. Lewis, Leiter
der 89er Experimente des CalTech. In einem Bericht an das Pentagon, der von Steven Krivitt von
der New Energy Times freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden ist, schreiben die JASONs
über die positiven Ergebnisse des SRI, sie hätten keine Fehler entdecken können, die die
Überschusswärme erklären könnten. An die große Glocke haben sie das nicht gehängt.
Bericht von Regierungsberater Garwin zum positiven kalten Fusions-Experiment des SRI an das
Pentagon
Wenn das Energieministerium Wort hält, ist man dort bereits mit der Prüfung der vorliegenden
Berichte zur kalten Fusion beschäftigt. Im Hinblick auf die aktuell bekundete Absicht des
Energieministeriums, die kalte Fusion erneut zu überprüfen, wollen Plotkins Worte, nicht die
Experimente sollten Gegenstand einer Untersuchung sein, sondern das DoE selber, nicht so recht
verhallen.[45]
Was wäre, wenn kalte Fusion echt ist?
Warum die Überstürzung, die vermeidbaren Fehler, die politische Einflussnahme und die
Manipulation? Warum der Kampf gegen die kalte Fusion, wenn sie doch gar nicht funktioniert? Um
diese abschließende Frage zu beantworten muss man sich damit beschäftigen, was eigentlich wäre,
wenn kalte Fusion echt sein sollte. Prof. Martin Fleischmann, Wiederentdecker der kalten Fusion in
1989, sagte 1998 in einem Interview[46]:
Man muss sich fragen, wer diese Entdeckung will? Glauben Sie, dass die sieben Schwestern [die
großen Ölkonzerne] sie wollen? Passt sie in irgendein makroökonomisches oder
mikroökonomisches Konzept? Ich glaube nicht.
Berechnungen des US-Office of Naval Research zeigen, dass ein Kubikkilometer normalen
Seewassers genug schweres Wasser enthält, um die Verbrennungsenergie der gesamten bekannten
Ölreserven aufzurechnen. Für den Forscher Dr. Edmund Storms spricht bislang nichts dagegen,
kalte Fusion als Energiequelle zu nutzen, "entweder als Anwendung im großen Maßstab oder im
kleinen, wie etwa in Batterien." Manche Forscher sehen die Möglichkeit gegeben, mit dem
Verfahren Meerwasser zu entsalzen und es auf langem Weg in trockene Regionen zu
transportieren.[47] Bei der kalten Fusion fällt nur unter Umständen leicht radioaktives Tritium an.
Da aber auch von Transmutationen (Umwandlungen) von Elementen berichtet wird, könnte sich das
Verfahren auch zum Entstrahlen von Atommüll eignen.[48]. Letztendlich ließen sich sogar teure
Elemente aus billigen herstellen, meint Prof. Bockris. Kalte Fusion wäre Alchemie in modernem
Gewand.
Auch Charles Platt ist der Frage "What If Cold Fusion Is Real?" 1998 im Wired-Magazin in einem
überaus lesenswerten Artikel nachgegangen[49]:
Wenn Fusion bei niedriger Energie tatsächlich existiert und perfektioniert werden kann, könnte die
Stromerzeugung dezentralisiert werden. Jedes Haus könnte sich selber wärmen und seine eigene
Elektrizität erzeugen, wahrscheinlich mit einer Art von Wasser als Treibstoff. Sogar Autos könnten
durch kalte Fusion angetrieben werden. Massive Stromgeneratoren und hässliche Überlandleitungen
gehörten der Vergangenheit an, genau wie importiertes Öl und unser Beitrag zum Treibhauseffekt.
Bereits 2002 forderte Dr. Gordon von der Navy, "dass Organisationen mit Forschungsgeldern der
Regierung in diese Forschung investieren". Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit dazu?
Diese Telepolis-Reihe ist Eugene Mallove gewidmet. Gene hat sich für eine bessere Welt eingesetzt.
Am 14. Mai 2004 ist er im Haus seiner Eltern umgebracht worden. Sein Vermächtnis ist das 57seitige Protokoll der Vorkommnisse am MIT, das auf der Seite des Infinite Energy-Magazins frei
zugänglich ist. Steven Krivitt betreibt ein Portal mit Informationen zu Genes Ermordung.
Die Rückkehr der kalten Fusion?
Haiko Lietz 17.10.2004
Teil 5: Weltweit erhoffen sich Forscher von einem Gutachten
des US-Energieministeriums die wissenschaftliche
Anerkennung für die Erforschung einer potentiellen
Energiequelle
Die kalte Fusion steht möglicherweise kurz vor ihrem Durchbruch. Seit 1989 gibt es die
Behauptung, durch die elektrische Spaltung von schwerem Wasser lasse sich Energie gewinnen. Die
wissenschaftliche Gemeinde hatte sich gegen diese Möglichkeit ausgesprochen, doch die Forschung
ging weltweit und unbemerkt weiter. Eine Überprüfung der mittlerweile vorliegenden
Forschungsergebnisse durch das US-Energieministerium ist praktisch abgeschlossen. KalteFusions-Forscher hoffen, dass ein positives Gutachten ihr Forschungsgebiet nach gut 15 Jahren der
Ächtung legitimieren wird. Langsam wird nicht mehr nur in Fachkreisen diskutiert, welchen
Einfluss die möglicherweise neue Technologie auf eine Gesellschaft und die Sicherheit einer Nation
haben könnte.
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Teil 4: Der Kampf gegen die kalte Fusion
Als die kalte Fusion 1989 bekannt wurde und weltweit Bemühungen einsetzten, die behauptete
elektrochemische Fusion von Wasserstoffatomen zu wiederholen, war sofort von einer Revolution
der Energiegewinnung die Rede. "Kalte Fusion hat das Potential, den Energiedurst der Welt zu
stillen, mit Meerwasser als Brennstoff und ohne Umweltverschmutzung oder schädlichem Abfall",
schreibt die International Society for Condensed Matter Nuclear Science (ISCMNS).
Das erste Gutachten des US-Energieministeriums schloss im November 1989, "dass die
gegenwärtigen Hinweise auf die Entdeckung eines neuen nuklearen Prozesses nicht überzeugend
sind", und sprach sich gegen die Bewilligung von Forschungsgeldern aus (Kalte Fusion wieder
heiß). Die Untersuchung des Ausschusses schloss jedoch nicht ohne Kontroverse. Der
stellvertretende Vorsitzende Prof. Norman Ramsey forderte, dass ein Vorwort von ihm in den
Abschlussbericht aufgenommen werden müsse. Andererseits würde er zurücktreten. Da es dem
Ansehen des Ausschusses geschadet hätte, wenn der Nobelpreisträger Ramsey zurückgetreten wäre,
wurde dessen Forderung als Präambel aufgenommen[1]:
Aufgrund der vielen widersprüchlichen Behauptungen ist es derzeit nicht möglich, kategorisch zu
sagen, dass alle Behauptungen zur kalten Fusion entweder belegt oder widerlegt worden sind. (...)
Sogar eine kurze aber gültige Phase der kalten Fusion wäre revolutionär.
Auch das Team des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, das die kalte Fusion jedoch nicht
reproduzieren konnte, schrieb 1990[2]:
Von Anfang an war klar, dass [die kalte Fusion] entweder einer der größten Flops des Jahres oder
eine der wichtigsten Entdeckungen des Jahrhunderts sein würde.
Andere Labore hingegen konnten die kalte Fusion reproduzieren, was dem Gros der Wissenschaft
vollkommen entgangen ist, oder was nur keiner zugeben möchte. So ist im zusammenfassenden
Bericht[3] einer Forschungsabteilung der US Navy von 2002 zu lesen:
Wir wissen durch wiederholte Beobachtungen von Wissenschaftlern überall auf der Welt, dass das
Phänomen kalte Fusion existiert. Es ist Zeit, dass Forschungsgelder in diese Forschung investiert
werden.
US-Energieministerium überprüft kalte Fusion
Das Zustandekommen des derzeitigen Gutachtens des US-Energieministeriums geht auf die zehnte
Internationale Konferenz zur Kalten Fusion (ICCF10) von August 2003 im amerikanischen
Cambridge, Massachusetts zurück. "Vielen von uns war klar", berichtet Prof. David Nagel von der
George Washington Universität, "dass die Situation jetzt aussagekräftig genug ist und zudem ein
internationaler Wettbewerb besteht" (Die unerzählte Geschichte der kalten Fusion). Am 6.
November 2003 wurden Nagel, Prof. Peter Hagelstein vom Massachusetts Institute of Technology
(MIT), Dr. Michael McKubre von SRI International und der Energieunternehmer Randall Hekman
im Energieministerium vorstellig, um eine Überprüfung der Forschungsergebnisse zu verlangen.
Vier Monate später stimmte Dr. James Decker, Vizedirektor des Wissenschaftsbüros, einer
Überprüfung zu. Das Ministerium bestimmte etwa 20 Gutachter. Diese erhielten am 23. August
2004 einen Forschungsbericht und sieben weitere aussagekräftige Veröffentlichungen (darunter
diese).
In dem Forschungsbericht "Neue physikalische Effekte in Metall-Deuteriden" wird der Stand der
Forschung zusammengefasst. Demnach verschmelzen schwere Wasserstoff-Kerne (Deuteronen) in
Metall-Deuteriden bei Elektrolyse bei Raumtemperatur zu Helium-4-Kernen. Die dabei entstehende
Überschusswärme sei "weitaus größer, als durch alle chemischen Prozesse erklärbar".
Fusionsprodukte und Überschusswärme seien "nicht durch bekannte Kern- oder Festkörper-Physik
erklärbar". Die durch die Experimente aufgekommenen Fragen könnten und sollten, nach
Einschätzung der Autoren, in einem dezidierten Forschungsprogramm untersucht werden[4].
Leistungsüberschuss (rot) im Vergleich zum Kontrollexperiment (blau) bei angelegtem Strom
(grün). Experiment durchgeführt am SRI International[5].
Einher mit der Überreichung der Berichte sahen 14 Gutachter und drei Ministeriumsangestellte die
Präsentationen von sechs kalten-Fusions-Forschern. U.a. präsentierte Dr. Vittorio Violante die
Ergebnisse des italienischen Nationallabors ENEA, das die kalte Fusion 1989 mit als erstes
reproduzieren konnte. Seitdem wird im italienischen Frascati versucht, die genauen
Reaktionsbedingungen zu erkennen und die Wiederholbarkeit der Experimente zu verbessern.[6]
Violante sagt, er sei "beeindruckt von der großen wissenschaftlichen Kompetenz aller Gutachter."
SRI-Forscher Michael McKubre fühlte sich im Laufe der Überprüfung seiner Ergebnisse - Violante
bestätigt diese Einschätzung - dennoch wie in die Vergangenheit versetzt, "weil die Gutachter mit
nur einer Ausnahme seit 1990 keinen intellektuellen Fortschritt auf dem Gebiet gemacht haben.
Doch der Großteil des Interesses und der Fragen zeigen das aufrichtige Anliegen, die Sache zu
verstehen."
Neue Herangehensweise
"Wir haben in unseren Präsentationen wirklich die überzeugendsten Argumente für die Wärme- und
Helium-Produktion und die Realität von Kernreaktionen präsentiert", erzählt McKubre. "Das ist
natürlich am schwersten zu schlucken und stellt die größte Bedrohung der bestehenden heißenFusions-Interessen dar." Mit Interessen meint er Budgets. Finanzierung ist ein zentraler Aspekt, weil
die kalte Fusion als Konkurrenz für die heiße Fusion wahrgenommen wird, in die seit Jahrzehnten
international bereits Milliardenbeträge investiert worden sind, und die manchen als Energiequelle
der Zukunft gilt.
Wie gezeigt werden konnte, ist es 1989 am MIT zur Manipulation von Experimentaldaten
gekommen, nachdem das dortige Labor zur Erforschung der heißen Fusion ebenfalls Hinweise auf
kalte Fusion gefunden hatte.[7] Da sich die erste Untersuchung des US-Energieministeriums (DoE)
aufgrund dieser und weiterer zweifelhafter Ergebnisse 1989 gegen die kalte Fusion ausgesprochen
hatte, ist das DoE wiederholt beschuldigt worden, die Forschung politisiert zu haben (Der Kampf
gegen die kalte Fusion).
"Auch ich habe dieses in der Vergangenheit getan", gibt McKubre zu. "Diesmal jedoch, und was
James Decker angeht, sehe ich nichts anderes als einen ernsthaften Versuch zu verstehen, was
vielleicht eine höchst wichtige und relevante Wahrheit für das Ministerium und die USA sein
könnte." In den vergangenen Wochen haben nun die letzten Gutacher ihre Einschätzungen an zwei
hochrangige Beamte des DoE geschickt. Diese, so wird erwartet, werden Decker in diesen Tagen
eine Zusammenfassung überreichen. Dann soll das Ergebnis vorliegen. Welchen Schluss Decker
ziehen wird, ist jedoch "völlig unvorhersehbar", sagt Professor Nagel. Decker sei zwar ein "sehr
gewissenhafter und qualifizierter" Mann, doch habe er wenig Zeit. "Alles hängt davon ab, was er
geliefert bekommt", sagt McKubre.
Handhabung als Antrag auf Forschungsgelder
Anders als 1989, wird das DoE die Identität der Gutachter wohl nicht bekannt geben. "Das
Energieministerium behandelt diesen Review wie einen Antrag auf Forschungsgelder", sagt David
Nagel. "Es ist bei US-Agenturen üblich, weder die Gutachter zu nennen noch ihr Gutachten bekannt
zu geben." Was das Ergebnis angeht, ist der Washingtoner Physiker jedoch optimistisch[8]:
Die meisten Leute wissen ja gar nicht, dass es 3.000 Veröffentlichungen zur kalten Fusion gibt.
Wenn man diese hernimmt und fragt, ob die beteiligten Personen geeignete Wissenschaftler sind, ob
sie angemessene, kalibrierte Ausrüstung benutzt haben und ob es Wiederholungen und Kontrollen
gab, so bleiben immer noch 300 Veröffentlichungen übrig. Der einzige Weg, diese Daten
verschwinden zu lassen, ist sie als Betrug oder Fehler zu bezeichnen. Das aber ist unmöglich! Wenn
die Gutachter aber die genannten Maßstäbe anlegen, bleibt kein anderer Schluss übrig, als dass
wirklich ein neuer und unbekannter Effekt vorliegt.
Für den Fall, dass auch die zweite DoE-Überprüfung das Phänomen verneinen sollte, könnten sich
die Forscher auf Prof. Brian Josephson berufen. Dieser hat am 29. Juni auf der alljährlichen Tagung
der Nobelpreisträger in Lindau über "pathologischen Unglauben" in der Wissenschaft gesprochen
und sich dabei vehement für die kalte Fusion eingesetzt.[9] Diese sei 1989 mit nicht haltbaren
Argumenten unter Mithilfe des DoE unter den Teppich gekehrt worden. Die weit verbreiteten
Wissenschaftsjournale hätten damals und seitdem eine Veröffentlichungspolitik erkennen lassen,
positive Ergebnisse nicht zu veröffentlichen. Josephson findet[10].
Wenn man sich wirklich mit den mittlerweile vorliegenden Arbeiten beschäftigt, wird es schwer
sein, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, als dass ein reales Phänomen vorliegt. Wenn dann
immer noch gesagt wird, mit den Experimenten stimme etwas nicht, würde ich hoffen, dass das
nicht akzeptiert wird.
Zunehmende öffentliche Diskussion
In Erwartung des Ergebnisses der Überprüfung ist es in den letzten Monaten vereinzelt zu Berichten
in Fachzeitschriften und Massenmedien gekommen. UPI, Technology Review und der Boston
Globe widmeten der aktuellen Entwicklung eigene Artikel. Spectrum Online schrieb die kalte
Fusion sogar "zurück von den Toten". Mehrere Kommentatoren erwähnten die kalte Fusion in ihren
Kolumnen. Peter Cockrane machte sich in Silicon.com Sorgen um die zukünftige
Energieversorgung und sieht keine Lösung, "außer einem Wunder, plötzlich die kalte oder eine
andere Form der Fusion zu realisieren". Auch George Monbiot schrieb im Guardian über das
"hoffnungsvolle Monster" kalte Fusion, das "uns mit unbegrenzter Energie versorgen" könnte.[11]
Zuletzt war auch in Telepolis zu lesen, die Preisverleihung für den erfolgreichen Raumflug des
SpaceShipOne könnte zu Durchbrüchen auf anderen Gebieten, etwa der kalten Fusion, führen.
Generell wird die kalte Fusion oft als Metapher für eine Wunderlösung benutzt. Was als klassisches
elektrochemisches Experiment begann, ist zu einem popkulturellen Mythos geworden. Es gibt nicht
nur eine Software und eine Rockband mit Namen "cold fusion", sondern auch ein Theaterstück, in
dem es um die Realität der kalten Fusion geht. Außerdem kam nach der Ankündigung des DoEReviews "Spiderman 2" in die Kinos. Im Film geht es um einen Forscher, dem ein entsprechendes
Experiment misslingt, was dazu führt, dass ihm vier mechanische Arme wachsen und er von nun an
die Welt beherrschen will, wovon Spiderman ihn natürlich abhalten muss. In den älteren Filmen
Außer Kontrolle und The Saint geht es jeweils um die Jagd nach der "Formel" für eine nie
versiegende Energiequelle. Von den kürzlich veröffentlichten Artikeln verdient es einer, näher auf
ihn einzugehen.
Kalte Fusion als Gefahr?
Das US-amerikanische Technikmagazin Popular Mechanics schrieb in seiner August-Ausgabe unter
der Überschrift "Gefährliche Wissenschaft", die kalte Fusion mache sich einen Namen als "billiger
Weg, Kernwaffen herzustellen"[12]:
Kalte-Fusions-Experiment in Japan haben gezeigt, dass es nicht nur möglich ist, Tritium
herzustellen, das die zerstörerische Wirkung von Atomwaffen verstärkt, sondern auch
angereichertes Uran. Uran kann Plutonium in Atombomben ersetzen, um Wasserstoffbomben zu
zünden. Kalte Fusion könnte diese Bomben-Herstellungsverfahren potentiell ersetzen. (...) Die
selben Tischexperimente, die der Menschheit den Traum unbegrenzter Energie erfüllen, könnten
auch Ursache der größten Albträume sein: Selbstgemachte Wasserstoffbomben in der Hand von
Terroristen, die die Zivilisation beenden wollen.
In der gleichen Ausgabe findet sich auch ein Artikel zum Comeback der heißen Fusion.[13]
Hauptquelle des Artikels zur kalten Fusion ist Dr. Eugene Mallove, der 1991 die Fälschung von
Experimentaldaten am MIT öffentlich gemacht hat. Mallove war einer der Hauptkämpfer für die
kalte Fusion und Herausgeber des Magazins Infinite Energy, bis er am 14. Mai 2004 von
Unbekannt umgebracht wurde. Laut Presseberichten könnte es einen Zusammenhang mit weiteren
Morden und Raubdelikten geben.[14] Die zuständige Polizei von Norwich, Connecticut, hat seit
Anfrage weiterer Details vor gut drei Wochen und mehrmaliger Nachfrage noch nicht geantwortet.
Zu Lebzeiten ist Mallove davon ausgegangen, Popular Mechanics (PM - nicht zu verwechseln mit
dem deutschen Magazin PM) wolle sachlich über das Forschungsgebiet berichten. Seine Freunde,
die Experimentatoren Alexandra und Dr. Paulo Correa, zitieren in ihrem offenem Brief an den PMAutor Jim Wilson eine Mitteilung Malloves drei Tage vor dessen Tod[15]:
Gestern habe ich einen ganzen Tag mit Jim Wilson verbracht, dem Chefredakteur für Wissenschaft
von Popular Mechanics, dem ehrwürdigen Magazin (erhältlich in 27 Ländern) mit einer
geschätzten Auflage von 10.000.000 (...) Es sieht so aus, als würde Wilson vollkommen positiv im
Sinn der aufkommenden Wissenschaft und Technologie berichten - inklusive der TransmutationsPhänomene, vielleicht auch der Radioaktivitäts-Änderungen, usw., und einer Schelte des USPatentamts und des Betrugs am MIT.
Die Correas werfen Jim Wilson vor, Mallove posthum benutzt zu haben und das Gerücht zu
verbreiten, durch kalte Fusion ließen sich Atomwaffen herstellen. Malloves größter Widersacher,
Dr. Robert Park von der American Physical Society, der bis heute bestreitet, eine Kernfusion bei
Raumtemperatur sei möglich, reagierte in seiner Kolumne auf die PM-Geschichte, er hätte Mallove
für einen Kommentar nicht erreichen können.[16] Was sind die Fakten abseits dieser
Geschmacklosigkeit?
Änderung der Radioaktivität in Transmutations-Experimenten
Das Wasserstoff-Isotop Tritium wird in Wasserstoffbomben und sogenannten geboosteten
Atombomben verwendet. Da die Hälfte eines Tritium-Vorrats in gut 12 Jahren jedoch zu Helium-3
zerfallen ist, muss Tritium-Nachschub bestehen, um ein Atomwaffenarsenal einsatzbereit zu halten.
Da dem US-Militär der Nachschub an Tritium ausgehe, schrieb Popular Mechanics, könnte das
DoE an kalter Fusion Interesse gefunden haben, weil sich damit der Tritium-Nachschub sichern
lasse.
Erste PM-Behauptung: "Kalte-Fusions-Zellen könnten bei minimalem Aufwand und Kosten den
Nachschub an benötigtem Tritium sichern." Dr. Edmund Storms, einer der bestinformierten
Forscher auf dem Gebiet, schreibt[17] dazu in seinem Review:
Es hat über 200 Versuche gegeben, Tritium zu messen, wovon in 24 dieses Produkt berichtet
worden ist, manchmal in signifikanten Mengen, aber nicht so viel, dass es für die anomale Energie
verantwortlich sein könnte. Offenbar ist die Tritium-produzierende Reaktion schwer zu initiieren.
Zweite PM-Behauptung: "Mallove sagte PM, dass zahlreiche kalte-Fusions-Experimente die
Produktion von angereichertem Uran, Plutonium und Tritium erbracht haben." Wer Mallove kannte,
weiß, dass er das nie gesagt hätte, weil es nicht den Tatsachen entspricht und Mallove diese immer
genau genommen hatte. Eine der wenigen Experimente, in denen Uran überhaupt eine Rolle spielt,
ist das bislang unbestätigte Experiment von Prof. John Dash (Portland State University, USA) und
Dr. Dan Chicea (Lucian Blaga Universität, Rumänien). Die beiden Physiker haben leichtes (also
normales) Wasser mit Elektroden aus fast reinem natürlichen Uran gespalten. Natürliches Uran
besteht zu 99,3 Prozent aus dem Isotop Uran-238 und nur zu 0,7 Prozent aus Uran-235, das für
Bomben und die meisten Kraftwerke benötigt wird. Nachdem durch Elektrolyse Wasserstoffkerne
(Protonen) in die Uran-Folie geladen worden waren, maßen die Experimentatoren im
Uran/Protonen-Komplex eine Zunahme von Uran-235 und das Entstehen von Thorium-234.[18]
Thorium-234 hat jeweils zwei Protonen und Neutronen weniger im Kern als Uran-238. Dash und
Chicea interpretieren das Entstehen von Thorium-234 durch einen Alpha-Zerfall von Uran-238, bei
dem ein Helium-Kern entsteht. Das Problem dabei: Uran-238 ist eigentlich sehr stabil. Dieses
Experiment, aber auch andere, bei denen es offenbar zur Spaltung oder Umwandlung von
Elementen (Transmutation) kommt, verdeutlichen, dass es nicht sinnvoll ist, das gesamte
Forschungsgebiet als "kalte Fusion" zu bezeichnen. Das Experiment von Dash und Chicea ist eher
"kalte Spaltung" - eine weitere anomale niederenergetische Kernreaktion in einer Metallumgebung.
Als Oberbegriff für die neuen Reaktionen wird daher Low Energy Nuclear Reactions (LENR)
verwendet (Zur Theorie der kalten Fusion).
Ein neuer Brutreaktor?
Um die Zunahme des spaltbaren Uran-235 zu erklären, bieten Dash und Chicea einen
Reaktionsmechanismus an, wie er von der Urananreicherung in sogenannten Brutreaktoren bekannt
ist.
Von Dash/Chicea vorgeschlagene Kernreaktion zur Erklärung der Uran-235-Zunahme: Uran-238
fängt ein Neutron ein und wird dadurch zu Uran-239. Dieses zerfällt zunächst in Neptunium-239
und dann in Plutonium-239. Dieses schließlich zerfällt unter Abgabe eines Alpha-Teilchens in
spaltbares Uran-235.[19]
Dash sagt, "es scheint, dass wir eine neue Art Brutreaktor entdeckt haben." Ähnlich dem
kanadischen CANDU-Reaktor, der als einziger kommerziell erhältlicher Kernreaktor mit
natürlichem Uran funktioniert, "könnte Uran-238 vielleicht verwendet werden, bis es endgültig zu
Blei wird."
Zusammenfassend ist in dem Experiment kein spaltbares Uran "produziert" worden, denn Uran war
auch das Ausgangselement. Auch ermögliche das Verfahren nicht die Herstellung waffenfähigen
Plutoniums, "denn es ist nur eine kleine Anreicherung möglich, keine große Anreicherung, wie sie
für eine Bombe notwendig ist." Auf den PM-Artikel ist Dash denkbar schlecht zu sprechen[20]:
"Popular Mechanics hat ein sehr heikles Thema sensationalisiert. Das ist absolut unverantwortlich."
Prof. Akito Takahashi, der an der japanischen Universität von Osaka selber Transmutationen und
LENR erforscht[21], meint, erst einmal müsste das besagte Experiment erfolgreich wiederholt
werden. Doch selbst in diesem Fall sei die Menge an Uran-235 oder Plutonium-239 "so gering, dass
keine Gefahr besteht, dass Terroristen eine Bombe bauen. Dieses kann nur ein großes Land, von
dem ich hoffe, dass es kein terroristisches Land ist."[22]
Eine Frage für die Politik
Alexandra und Paulo Correa werfen Popular Mechanics vor, effektiv für die Geheimhaltung der
LENR-Forschung plädiert und der Wissenschaft einen Bärendienst erwiesen zu haben. Wenn schon
ein Aspekt der Kernreaktionen bei Raumtemperatur ein Thema der nationalen Sicherheit sein sollte,
"dann die Aussicht auf eine Technologie zur Energiegewinnung". Der Friedensforscher Michael
Klare warnt, dass nicht der Terrorismus die größte Bedrohung der amerikanischen Sicherheit sei,
sondern die Abhängigkeit von Ölimporten aus instabilen Ländern. Seit Januar ist der Ölpreis um 60
Prozent gestiegen. Mit Aufkommen einer neuen Energietechnologie ginge die Abhängigkeit vom Öl
zurück. Die USA könnten ihre Truppen aus dem Nahen und Mittleren Osten zurückziehen und den
islamistischen Terroristen die politische Argumentationsgrundlage entziehen.
Über zehn Prozent der Länder der Erde sind bei ihrer Trinkwasserversorgung von anderen Ländern
abhängig. "Sogar Nationen mit genug eigenen Reserven haben ernste Verteilungsprobleme", schrieb
der ehemalige Navy-Forscher David Nagel 2000 in seinem Aufsatz "Fusionsphysik und
Philosophie". Mit grassierender Wasserknappheit und dem Rückgang der Ölförderung könnte die
Entsalzung von Meerwasser und der Transport in wasserarme Regionen "eine sehr wichtige
Anwendung der Energie" aus der kalten Fusion sein. Konflikte um Wasser könnten sich eventuell
vermeiden lassen.[23]
Hinzu kommen Forschungsergebnisse die andeuten, dass durch LENR die Radioaktivität von
Sondermüll verringert werden könnte.[24] Ukrainische und russische Universitäten berichten sogar,
bestimmte wachsende Bakterienkulturen würden radioaktive Isotope in Sondermüll aus
Kernkraftwerken in stabile Isotope und andere harmlose chemische Elemente umwandeln.[25]
Gerade die Tatsache, dass die US Navy in den USA die meisten LENR-Forschungslabore
finanziere, lasse laut den Correas wenig Raum für Zweifel, "dass [amerikanische] militärische
Einrichtungen seit langem Interesse an der kalten Fusion und LENR haben." Tatsächlich hat die
Navy ihre Forschung mit vorbildlicher Offenheit betrieben. Außerdem dürfte die amerikanische
Politik durch die JASON-Gruppe und das regierungsnahe Hoover-Institut mindestens sporadisch
über den Stand der Forschung informiert worden sein.[26]
Jetzt vor der US-Präsidentenwahl definieren beide Kandidaten auch die Wissenschaftspolitik, mit
der sie die Wahl zu gewinnen denken. Beide nennen die Ziele, die Abhängigkeit von Ölimporten zu
verringern und erneuerbare Energien zu fördern. Wenn John Kerry seinem Kontrahenten vorwirft,
die Wissenschaft politisiert zu haben, weist George W. Bush auf die Ausweitung der
Forschungsgelder hin.[27] Erst im August hat das amerikanische Repräsentantenhaus beschlossen,
dem Energieministerium nächstes Jahr gut eine sechstel Milliarde Dollar mehr für
Grundlagenforschung zur Verfügung zu stellen, insgesamt 3,6 Milliarden Dollar.
Kerry wiederum betont häufig, alle Materialien zur Herstellung von Atomwaffen wie solche selber
zu behandeln und überall auf der Welt sichern zu wollen. Dass hinsichtlich der kalten Fusion die
Blicke über den Atlantik gerichtet bleiben, dafür sorgt etwa die deutsche Bundesregierung. Sie will
ihr forschungspolitisches Handeln vom Ergebnis der DoE-Überprüfung abhängig machen.
Nächste Konferenz zur kalten Fusion
Es spricht alles dafür, dass es kalte Fusion und niederenergetische Kernreaktionen gibt. "Die
tragende, noch offene Frage ist, ob dieses Phänomen hochskaliert werden kann, um eine
kommerzielle Energiequelle zu werden", sagt Professor Nagel. Die Hoffnung liegt auf den
Schultern einer verantwortungsvollen Politik, die Erforschung der LENR endlich in voller Breite zu
beginnen, damit möglichst bald Anwendungen entstehen können.
Über "Auswirkungen der kalten Fusion auf unser Leben" wird es auch auf der elften
Internationalen Konferenz über Condensed Matter Nuclear Science (ICCF11) gehen. Diese findet
vom 31. Oktober bis zum 5. November im französischen Marseille statt. Hauptredner ist der
Physik-Nobelpreisträger Josephson. Nachdem letztes Jahr gezeigt werden konnte, dass eine kalteFusions-Zelle transportiert und an einem anderen Ort trotzdem optimal betrieben werden kann[28],
soll auch dieses Jahr - von französischen Studenten - in einem Experiment die Produktion von
Überschusswärme demonstriert werden. Der Tagungsleiter Prof. Jean Paul Biberian von der
Universität Marseille erwartet, dass die Konferenz ein "Wendepunkt für die Anerkennung der
Erforschung von Kernreaktionen bei niedrigen Energien als eigenständiges Forschungsgebiet" sein
wird.
US-Energieministerium empfiehlt weitere
Erforschung der kalten Fusion
Haiko Lietz 02.12.2004
Teil 6: Hälfte der Gutachter ist überzeugt: "Hinweise auf
Leistungsüberschuss sind zwingend." Zweifel an der
nuklearen Natur des Effektes
Am Mittwoch ist die weltweit mit Spannung erwartete Überprüfung der mittlerweile vorliegenden
Forschungsergebnisse zur kalten Fusion durch das US-Energieministerium veröffentlicht worden.
Anders als vor 15 Jahren folgte das Gutachten diesmal den Regeln eines wissenschaftlichen Peer
Reviews und nicht denen eines politischen Untersuchungsausschusses. Die Gutachter empfehlen
fast einstimmig die wissenschaftliche Erforschung der kalten Fusion. Forschungsgeldgeber sollten
auf individuelle Forschungsanträge eingehen.
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Teil 5: Die Rückkehr der kalten Fusion?
Das deutsche Forschungsministerium erachtet die kalte Fusion im Fall ihrer Realität als "großen
Fortschritt in Richtung einer weltweiten, nachhaltigen Energieversorgung". Die Möglichkeit der
Kernfusion bei Raumtemperatur ist erstmals im Frühling 1989 von zwei Universitäten im USBundesstaat Utah behauptet worden. Nachdem deren Ergebnisse in weltweit hastig angesetzten
Experimenten oft nicht erfolgreich wiederholt werden konnten und Meinungsführer der
Wissenschaft sich gegen die kalte Fusion ausgesprochen hatten, wandelte sich die anfängliche
Euphorie über die Antwort auf die globale Erwärmung rasch in Ablehnung.
Ein Bericht des US-Energieministeriums (DoE) wirkte wie Zement für den sich etablierenden
Konsens, die kalte Fusion sei auf Messfehler oder Fehlinterpretationen zurückzuführen. Der erste
DoE-Untersuchungsbericht schloss im Herbst 1989, "dass es derzeit für die Entdeckung eines neuen
Kernprozesses (...) keine stichhaltigen Beweise gibt", und sprach sich "gegen eine besondere
Förderung zur Erforschung des der kalten Kernfusion zugeordneten Phänomens" aus. 15 Jahre
später sind die DoE-Gutachter nun gespaltener Meinung, ob und wie weit die Hinweise auf
Kerneraktionsprozesse überzeugend seien. Einigkeit herrscht jedoch in der Forderung, das
Phänomen weiter zu untersuchen.
Ergebnisse des aktuellen Gutachtens
Das aktuelle Gutachten geht auf die Initiative vierer Wissenschaftler (Antragsteller) zurück, die die
kalte Fusion seit 1989 erforschen. Das Wissenschaftsbüro des DoE ließ deren Forschungsbericht
nebst sechs Anhängen von neun Wissenschaftlern begutachten. Diese hatten etwa einen Monat
nebentätig Zeit, um den Fortschritt aus 15 Jahren zu begutachten. Ihre Gutachten dienten neun
weiteren Gutachtern als Vorbereitung auf sechs Vorträge zum Stand der kalten Fusion. Die
Gutachter wurden vom DoE gebeten:
Die experimentellen und theoretischen Hinweise für das Auftreten von Kernreaktionen in
kondensierter Materie bei niedrigen Energien (kleiner als ein paar Elektronenvolt) zu bewerten und
zu bestimmen.
Zu bestimmen, ob die Hinweise beweiskräftig dafür sind, dass solche Kernreaktionen stattfinden.
Zu bestimmen, ob weitere Anstrengungen wissenschaftlich gerechtfertigt sind, und, wenn ja, die
erfolgversprechendsten Ansätze, denen nachgegangen werden sollte, zu identifizieren.
1) Etwa die Hälfte der Gutachter gab an, dass die Hinweise auf einen Energiegewinn überzeugend
seien.
Der oft und unter manchen verstandenen Bedingungen beobachtete Effekt ist zwingend.
Die andere Hälfte gab an, dass ein Energiegewinn nicht überzeugend sei, wenn über die
Gesamtdauer des Experiments gemittelt werde. Auch seien nicht alle chemischen oder Messeffekte
zur Erklärung der Wärmeproduktion als Anzeichen der behaupteten Kernfusion diskutiert worden.
Die meisten Gutachter gaben an, "dass die Effekte nicht wiederholbar sind, die Größenordnung des
Effekts in über einer Forschungsdekade nicht vergrößert worden ist und dass viele der berichteten
Experimente nicht gut dokumentiert sind".
Dass in fünf von 16 klassischen Elektrolyseexperimenten, in denen Überschusswärme produziert
worden sei, auch das Fusionsprodukt Helium-4 gemessen worden sei, überzeugte "manche"
Gutachter "ganz oder einigermaßen", dass Kernreaktionen stattfänden. Für andere war "mangelnde
Stetigkeit ein Anzeichen, dass diese Hypothese nicht gerechtfertigt ist".
Beschleunigerexperimente, in denen niederenergetische Kernreaktionen laut Forschungsberichten
verstärkt vorkommen, wurden von den Gutachtern, die sich damit beschäftigt hatten, "generell
positiv", wenn von manchen auch als Randgebiet gesehen.
Insgesamt fanden fünf Gutachter die Hinweise auf niederenergetische Kernreaktionen
"einigermaßen überzeugend". Einer zeigte sich restlos überzeugt. Der Rest war nicht überzeugt.
Viele Gutachter kritisierten, "dass schlechte Experimentdurchführung, Dokumentation,
Hintergrundkontrollen und ähnliche Aspekte Verständnis und Interpretation der präsentierten
Ergebnisse erschwerten."
2) Zur Frage, ob die Hinweise dafür beweiskräftig seien, dass Kernreaktionen stattfinden, äußerten
sich nicht alle Gutachter. Nur einer bejahte diese Frage. Es ist nicht bekannt, ob diejenigen, die
diese Frage verneinten, auch diejenigen sind, die einen Energiegewinn verneinten.
In ihrem Bericht und den angehängten Veröffentlichungen hatten die Antragsteller den Gutachtern
zu erkennen gegeben, dass bei der kalten Fusion ein neuer Reaktionsmechanismus zu erwarten sei.
Dieser Aussage entsprachen Kernphysiker unter den Gutachtern mit der Formulierung, dass der
vorgeschlagene Mechanismus der kalten Fusion nicht in Einklang stehe mit "altbekannten" und
"akzeptierten" Fusionsreaktionen. Einigkeit herrschte offenbar darin, dass zukünftige Experimente
von bekannten Reaktionsmechanismen ausgehen sollten.
3) Zur Frage, ob und welche weiteren Anstrengungen wissenschaftlich gerechtfertigt seien, steht im
Abschlussbericht:
Es war die fast einhellige Meinung der Gutachter, dass Forschungsgeldgeber auf individuelle und
gutdurchdachte Vorschläge für Experimente eingehen sollten, welche die spezifische
wissenschaftliche Fragestellung zum Ziel haben, ob es in den [beschriebenen] Systemen eine
anomale Energieproduktion gibt, oder ob [Kernfusionen] bei Energien der Größenordnung weniger
Elektronenvolt stattfinden. Diese Anträge sollten etablierten wissenschaftlichen Standards
entsprechen und einem rigorosen Peer Review unterzogen werden. Kein Gutachter empfahl eine
gezieltes, staatlich gefördertes Forschungsprogramm für niederenergetische Kernreaktionen.
Die Gutachter schließen mit der Bemerkung, dass niederenergetische Kernreaktionen unter
Verwendung modernster Apparate und Methoden erforscht werden sollten.
Vergleich
Obwohl das DoE schreibt, die Schlussfolgerungen seien diesmal ähnlich wie 1989, gibt es einen
wesentlichen Unterschied der diesjährigen Erkenntnisse zu den früheren. 1989 schloss der
Untersuchungsausschuss, "dass die experimentellen Ergebnisse kalorimetrischer Messungen keine
überzeugenden Beweise dafür liefern, dass die kalte Kernfusion eine nutzbare Energiequelle
darstellt." Diesmal schloss die Hälfte der 18 Gutachter: "Die Hinweise auf einen
Leistungsüberschuss sind zwingend."
Ebenfalls gibt es diesmal ein deutlicheres Bekenntnis zur Forschungsfinanzierung der kalten
Fusion. 1989 war der Ausschuss "für bescheidene Unterstützung sorgfältig geplanter und
kooperativer Experimente im Rahmen der existierenden Förderungsprogramme". Nun werden
Forschungsgeldgeber explizit aufgefordert, auf Forschungsprojekte einzugehen, "welche die
spezifische wissenschaftliche Fragestellung zum Ziel haben, ob es (...) eine anomale
Energieproduktion gibt".
Anders als 1989 folgte das Gutachten diesmal den Regeln eines wissenschaftlichen Peer Review
und nicht denen eines politischen Untersuchungsausschusses. Die unterschiedlichen Meinungen der
Gutachter sind nicht einer verallgemeinernden Aussage untergeordnet worden.
Der beteiligte Antragsteller Dr. Michael McKubre hat der New York Times gegenüber bereits
begrüßt, dass die aktuellen Schlussfolgerungen wenigstens "ein bisschen positiv" seien. Dieses
nimmt das DoE allerdings auch für seinen Bericht von 1989 in Anspruch. Der Leiter des DoEWissenschaftsbüros, Dr. James Decker, hatte McKubre und seinen Kollegen am 5. November 2003
gesagt, der erste Bericht sei nicht falsch, aber "hastig und vorläufig" gewesen und auch
"unglücklich interpretiert" worden.
Lobbying für die Kalte Fusion
Haiko Lietz 12.08.2008
Teil 7: Vom langsamen aber stetigen Fortschritt der
internationalen Festkörperkernforschung
2004 lief bei Telepolis eine sechsteilige Mini-Serie über die umstrittene Kalte Fusion (Kalte Fusion
wieder heiß). Hintergrund war eine Begutachtung des Stands der Erforschung dieser potentiellen
Energiequelle durch das US-Energieministerium. Das Ergebnis blieb zweideutig. Zu der breit
angelegten Forschungsförderung, die die Antragsteller sich gewünscht hatten, kam es nicht. Nun ist
das Wissenschaftslobbying der Kalte-Fusion-Forscher in eine neue Runde gegangen. Seit Montag
findet vor der Haustür des US-Kongresses die 14. Internationale Konferenz für
Festkörperkernforschung statt. Doch auch international gibt es Bemühungen, die Forschung
auszuweiten, besonders in Indien. Eine Schlüsselrolle kommt der kürzlichen Demonstration einer
Kalten Fusion an der Osaka Universität in Japan zu, von der Manche sich den Anfang eines
Durchbruchs erhoffen. Teil 7 der Serie schildert Hintergründe dieser internationalen
wissenschaftlichen und politischen Bemühungen.
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Teil 6: US-Energieministerium empfiehlt weitere Erforschung der kalten Fusion
Time-Titelblatt vom September 1989
Als Martin Fleischmann und Stanley Pons am 23. März 1989 auf ihrer berühmt berüchtigten
Pressekonferenz die Kalte Fusion vorstellten, versetzten sie damit fast die ganze Welt in Aufruhr.
Saubere Energie durch Kernfusion per elektrischer Wasserspaltung klang einfach zu verlockend.
Doch viele - wenn auch nicht alle - Reproduktionsversuche endeten im Chaos und die etablierte
Wissenschaft wandte sich wieder ihrem Tagesgeschäft zu.
Als Yoshiaki Arata am 22. Mai 2008 auf seiner Pressekonferenz eine Weiterentwicklung des
Fleischmann/Pons-Experiments vorstellte, versetzte er damit, gemessen an der weltweiten
Berichterstattung nicht viele in Aufruhr - in Deutschland berichtete nur Telepolis (Kernreaktion im
Vortragssaal). Dabei ließ er gleich noch eine Live-Demonstration folgen und hat ein Register
veröffentlichter Bestätigungen der Kalten Fusion inklusive einer unabhängigen Reproduktion
vorzuweisen. Am meisten Aufmerksamkeit wurde ihm wohl von seinen Kollegen in der
Festkörperkernforschung (Condensed Matter Nuclear Science: CMNS) zuteil, dem
Forschungsgebiet, zu dem die Kalte Fusion heute gehört. Denn eine Demonstration gilt als Beleg,
dass das Experiment beherrscht wird und der begehrte Überschusswärmeeffekt auf Knopfdruck
reproduziert werden kann.
Arata ist emeritierter Professor an der Osaka-Universität. Vom japanischen Kaiser hat er 2006 die
höchste kulturelle Auszeichnung für seine Verdienste in der Hochenergiephysik erhalten, von seinen
Kollegen 2005 die Giuliano-Preparata-Medaille für herausragende Leistung in der
Festkörperkernforschung. Von 157 Kalte-Fusion-Experimenten, in denen mehr Wärme entstanden,
als etwa in Form von elektrischer Energie hineingesteckt worden sei und die der CMNS-Veteran Ed
Storms in seinem Buch kürzlich zusammengefasst hat, werden fünf Arata und seiner chinesischen
Kollegin Yue-Chang Zhang zugeschrieben. Das demonstrierte Experiment ist eine wissenschaftlich
bislang nur japanisch beschriebene Vereinfachung dieser frühereren Experimente. Nun da Storms
mit dem Betreiber des CMNS-Archivs LENR-CANR.org Jed Rothwell eine Lesehilfe zu Aratas
Pressematerial gegeben hat, stellt sich auch langsam heraus, was Arata und Zhang eigentlich genau
gemacht haben.
Yue-Chang Zhan und Yoshiaki Arata bei der Demonstration im Mai. Bild: S. Krivit/New Energy
Times
Gas rein, Wärme und Helium raus?
Ziel der Kalten Fusion ist es, Wasserstoff sich möglichst dicht und dynamisch in einem Metallgitter
bewegen zu lassen. Anders als bei der Heißen Fusion, bei der die Fusionsbedingung durch eine
Steigerung von Druck und Temperatur geschaffen wird, ermöglicht die Gegenwart mancher Metalle
offenbar die Wasserstofffusion auch bei Raumtemperatur. Üblicherweise wird schwerer Wasserstoff
(Deuterium) verwendet, da er viel fusionsfreudiger ist als leichter Wasserstoff. Fusionieren
Deuteronen, entstehen unter Wärmeabgabe charakteristische Fusionsprodukte.
Anders als Fleischmann/Pons und in ihren früheren Experimenten produzieren Arata/Zhang
Deuterium nicht in situ durch die Spaltung (Elektrolyse) von schwerem Wasser, sondern leiten es
gasförmig in einen Hochvakuum-Edelstahlbehälter. In diesem befinden sich sieben Gramm eines
Zirkoniumoxid-Palladium-Pulvers. Sobald das Gas eingeleitet wird, steigt im Behälter die
Temperatur. Diese chemische Wärme ist auf die Absorption des Wasserstoffs durch die
Nanopartikel zurückzuführen. Nach etwa 20 Minuten hat das Metallpulver so viel wie möglich
Wasserstoff aufgenommen. Nun beginnt der Druck in der Reaktorkammer zu steigen. Gleichzeitig
beginnt die Innentemperatur zu fallen. Doch sie nähert sich der Außentemperatur nicht an.
Mindestens zwei Tage lang bleibt der Reaktor innen heißer als außen. Innerhalb scheint es also eine
weitere Wärmequelle zu geben - eine nukleare Quelle, behaupten Arata und Zhang. Denn in einem
Kontrollexperiment mit leichtem, erwartungsgemäß nuklear inaktivem Wasserstoff sind Innen- und
Außentemperatur nach 100 Minuten gleich.
Um zu zeigen, dass es sich tatsächlich um Kernfusion handelt, präsentierten Arata und Zhang
Messungen des Fusionsprodukts Helium-4. Diese "nukleare Asche" ist bei der Heißen Fusion total
unerwartet. Bislang ist das japanisch-chinesische Team allerdings jede Erklärung schuldig
geblieben, wie und in welchen Mengen sie Helium-4 gemessen haben will. "Die Demonstration
sollte als ‘Demonstration für Laien’ verstanden werden", sagt daher der japanische Kalte-FusionTheoretiker Hideo Kozima. Aber auch die Wärmemessungen könnte man genauer machen.
Rothwell und Storms ziehen daher den Schluss:
Bevor diese Arbeit vollständig verstanden ist, müssen noch viele Fragen beantwortet werden. Da
vorherige Arbeiten mit derselben Methode, aber mit reinem Palladium-Pulver, jedoch gut
dokumentierte und reproduzierte Wärme- und Helium-Ergebnisse erbracht haben, sollte diese
Arbeit eine Chance bekommen. Hoffentlich stellt Prof. Arata weitere Informationen zur Verfügung
und werden die Behauptungen bald reproduziert.
Versuchsaufbau für das Experiment von Yoshiaki Arata und Yue-Chang Zhan. Bild: S. Krivit/New
Energy Times
Reproduktion
In den 90er Jahren hatten Arata/Zhang Elektrolyseexperimente mit Elektroden durchgeführt, die mit
feinem Palladium-Pulver gefüllt waren. Mit diesem Aufbau erzielten sie 1994 in einem Experiment
zwölf Tage lang eine Wärmeleistung von 80 Watt und produzierten dabei 1,8 Mal mehr Energie, als
sie in das System hineingesteckt hatten. Auch die Produktion von Überschusswärme über ein halbes
Jahr ist bei Arata/Zhang keine Seltenheit. Bereits 1995 schrieben sie, ihre Ergebnisse seien "beliebig
wiederholbar". Außerdem wird regelmäßig von den Fusionsprodukten Helium-4 und Helium-3
berichtet, erstes in größeren Mengen und beide immer nur bei der Verwendung von schwerem
Wasser, nie in den Kontrollexperimenten.
"Als wir von diesen Ergebnissen hörten, versuchten wir es selber", sagt Michael McKubre, "und
anfangs hatten wir dabei keinen Erfolg." Der Direktor des Energieforschungszentrums von Stanford
Research International (SRI) gilt in der Festkörperkernforschung als derjenige, der endgültig
bewiesen hat, dass bei der Kalten Fusion tatsächlich mehr Energie entsteht als verbraucht wird. Der
Schlüssel zur erfolgreichen Reproduktion war die Verwendung exakt gleicher Elektroden, die SRI
aus Japan erhalten hatte. "Aratas Hauptaussage war Überschusswärme und wir haben das in seiner
Größenordnung bei Verwendung von schwerem Wasser auch bestätigt." Was die Fusionsprodukte
angeht, wurden bei SRI jedoch Spuren großer Mengen von Helium-3 gefunden, nicht Helium-4.
"Also gab es Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen unseren Ergebnissen und denen von Arata.
Diese Diskrepanz können wir immer noch nicht erklären", sagt McKubre.
Also Helium-3 statt Helium-4 - warum so viel Aufhebens um eine Zahl? Das Problem ist, entsteht
ein unterschiedliches Helium-Isotop, erfordert das unter Umständen eine vollständig andere
Erklärung. Tatsächlich gibt es in der Festkörperkernforschung kein Standardmodell, wie die Kalte
Fusion eigentlich funktioniert. Eine solche braucht es aber, wenn das Feld die Anerkennung der
etablierten Wissenschaft haben will.
Lobbying seit 2003
Seit Montag findet die 14. Internationale Konferenz für Festkörperkernforschung (ICCF-14) statt.
Auch Arata wird eine weitere Ehrung zuteil. Austragungsort ist Washington DC, um in der
Hauptstadt des Lobbyismus für die Sache zu werben. Die diesjährige Organisation liegt bei
Angehörigen des US-amerikanischen Marineforschungslabors (Naval Research Laboratory). Diese
sind aktiv in die Forschung eingebunden - auch wenn sie es nicht an die große Glocke hängen - und
kooperieren unter anderem mit McKubres Gruppe. Zu deren Geldgebern zählt bereits seit etwa zehn
Jahren die DARPA-Forschungsbehörde des Pentagons. Bei soviel Unterstützung könnte man
meinen, dass Lobbyismus nicht nötig sei, doch die Pentagon-Finanzierung ist - gemessen an dem,
was man sich wünscht - nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Das Lobbying hatte 2003 begonnen und 2004 zu einer Begutachtung des Forschungsstandes durch
das US Department of Energy (DoE) geführt. Hauptentscheidungsgrundlage war ein Dokument von
McKubre, dem ICCF-14-Organisator David Nagel und weiteren, in dem auch die Arata-Forschung
beschrieben wurde. Die Hälfte der Gutachter erkannte die Energieproduktion an und empfahl, "dass
Forschungsgeldgeber auf individuelle und gut durchdachte Vorschläge für Experimente eingehen
sollten". Damit war klar, dass es das CMNS-Forschungsprogramm beim DoE, das die Antragsteller
sich erhofft hatten, nicht geben würde. Da sich den Gutachtern kein einheitliches Bild eines
Reaktionsmechanismus bot, wurden Zweifel an der nuklearen Natur des Wärmeeffektes geäußert.
(US-Energieministerium empfiehlt weitere Erforschung der kalten Fusion). Das DoE ist seitdem
kritisiert worden, zur Begutachtung kaum CMNS-Experten berufen zu haben. In der Tat zeigten nur
fünf von 18 Gutachtern in ihren Stellungnahmen, dass sie über Hintergrundwissen verfügten.
"ICCF-14 ist Teil der Strategie", sagt McKubre über die Konferenz in Washington DC, und mit
ihrer Marine-Mentalität seien die Organisatoren das Problem so effektiv und direkt wie möglich
angegangen:
Wir müssen drei Gruppen aufklären: die Wissenschaft, die von der Regierung kontrollierten
Geldgeber und die Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit kann man über die Medien aufklären. Die
Wissenschaft kann man über Fachzeitschriften aufklären, wenn sie das zulässt. Aber sie will nicht
aufgeklärt werden. Sie wollen keine hochwertigen Forschungsaufsätze lesen und weisen sie ab,
ohne sie zu begutachten. Das kann man ändern, indem man die Öffentlichkeit dazu bringt, Druck
auf die Kongressabgeordneten auszuüben, damit Fördermittel für diese Forschung bereitgestellt
werden. Natürlich kann man auch den Weg über die private Forschung gehen, die hier in den USA
noch immer ziemlich dynamisch ist, auch wenn es einmal besser war.
Michael McKubre
Indische Forscher wollen Festkörperkernforschung wiederbeleben
Die Demonstration an der Osaka-Universität fand zwar zur Feier von Aratas 85. Geburtstag statt,
diente wahrscheinlich aber auch der Akquirierung von Forschungsgeldern. "Arata versucht, ein
Institut für Neue Energie in Osaka aufzubauen", sagt ein japanischer Wissenschaftler, der nicht
genannt werden möchte und der vermutet, "dass er die Demonstration vor den Medien gemacht hat,
um das zu erreichen".
An der japanischen Tohoku-Universität gibt es zur Zeit ein vom Forschungsministerium gefördertes
CMNS-Labor. Auch in China und Russland wird in diese Forschung investiert. In Italien sind
Forscher der staatlichen Forschungszentren ENEA und INFN mit CMNS beschäftigt und stehen mit
privaten Kapitalgebern in Verhandlungen. In Deutschland steht die Gründung eines Instituts für
Festkörperkernphysik bevor. Außerdem will eine Gruppe, die zuletzt 1989 an der Kalten Fusion
gearbeitet hat, diese Arbeit wieder aufnehmen, weil über 19 Jahre immer ein Zweifel geblieben war,
ob nicht doch etwas dran sein könnte. Die größten Bemühungen, früherer Forschung neues Leben
einzuhauchen, finden jedoch in Indien statt.
Das Bhabha Atomic Research Centre (BARC) des Department of Atomic Energy (DAE), zuständig
für das indische Atomprogramm und die Grundlagenforschung zur Heißen Fusion, beschäftigte
Anfang der 90er weltweit die meisten Forscher auf dem Gebiet der Kalten Fusion. Zehn von zwölf
Gruppen, geleitet von dem Physiker Mahadeva Srinivasan, fanden binnen Monaten Bestätigungen
für den Fleischmann/Pons-Effekt. Hauptsächlich wurde Tritium gefunden, das Zerfallsprodukt von
Helium-3. Integrationsfigur dieser Forschung war BARC-Direktor Padmanabha Krishnagopala
Iyengar. Als dieser Anfang der 90er Vorsitzender der indischen Atomenergiekommission und damit
Staatssekretär im DAE wurde, endete damit auch die CMNS-Forschung bei BARC. Seitdem
bemüht sich Srinivasan um ihre Wiederaufnahme.
Den Durchbruch könnte ein Treffen (Energy concepts for the 21st century) darstellen, das
Srinivasan am 9. Januar 2008 veranstaltet hatte. Nach seinem Vortrag über historische Vorläufer der
Kalten Fusion und Gastvorträgen von McKubre und dem Fachjournalisten Steve Krivit (Low
Energy Nuclear Reaction Research - Global Scenario) sprachen sich führende indische
Wissenschaftler für die Festkörperkernforschung aus. Der indischen Redaktion der Fachzeitschrift
Nature, deren internationale Ausgabe sonst nur durch Verbalattacken gegen die Kalte Fusion
auffällt, teilte Iyengar mit, man habe "dem Land großes Unrecht getan, die Forschung zu stoppen".
Der ehemalige Wissenschaftsstaatssekretär Valangiman Ramamurthy meinte,
die Tatsache, dass die Kalte Fusion 19 Jahre nach ihrer Entdeckung nicht widerlegt worden ist und
dass 200 Wissenschaftler in 13 Ländern daran arbeiten, sollte als Grund ausreichen, dass auch
Indien wieder anfängt.
Srinivasan betont, dass an dem Treffen erstmals auch Risikokapitalgeber teilgenommen hatten. "Ich
muss jetzt die richtige Person finden, die eine Führungsrolle einnehmen und Experimente im
privaten Bereich organisieren kann." Als Erfolg bezeichnet er auch die Zusage des jetzigen BARCDirektors, im Februar 2009 einen dreitägigen Workshop auszurichten. Srinivasan ist zuversichtlich,
dass die Vorurteile gegen die Kalte Fusion zumindest in Indien nun überwunden sind.
Wohin geht die Reise?
Aratas öffentliche Demonstration der Kalten Fusion wirft die Frage nach dem Status des
Forschungsgebiets auf. Srinivasan, der sich davon erhofft, in Indien die Forschung schneller
wiederbeleben zu können, drückt es so aus:
Aratas Forschung folgt einem modernen technologischen Ansatz und scheint die Wichtigkeit von
Nanotechnologie aufzuzeigen. Aber noch ist er der einzige, der das Experiment gemacht hat.
Solange wir kein Experiment haben, das jeder überall reproduzieren kann, stecken wir noch in der
Grundlagenforschung. Auch Arata steckt nicht in der Prototypentwicklung. Aber in dem Moment,
wo jemand ein Gerät vorführt, das eingeschaltet und jedem demonstriert werden kann, wird die
Forschung ganz sicher durchstarten. Das kann jederzeit passieren und wir bereiten uns darauf vor.
Mahadeva Srinivasan
Die Analyse der bisherigen 157 Experimente, in denen Überschusswärme gemessen wurde, bietet
weder Anhaltspunkte für eine typische erzielbare Wärmeleistung, noch für eine obere Grenze.
Gelegentlich seien größere Leistungsdichten (gemessen in Watt pro Kubikzentimeter Metall) als bei
Spaltungsreaktionen in Kernkraftwerken gemessen worden. Im bislang ertragreichsten Experiment
wurden 1998 - ausgerechnet mit normalem Wasser und Wolfram statt Palladium - 183 Watt
Überschussleistung erzielt.
Für die Energiegewinnung setzen Forscher wie Srinivasan oder Storms die größte Hoffnung in
Gaszellen wie die von Arata/Zhang, betonen aber auch, dass die Festkörperkernforschung mehr ist
als nur Kalte Fusion. Die Autoren des Dokuments, mit dem 2004 die Gutachter des USEnergieministeriums gebrieft worden sind, sind von manchen Kollegen kritisiert worden,
Transmutationen nicht in den Beweiskatalog aufgenommen zu haben. Die Umwandlung von
Elementen stellt neben der Kalten Fusion zur Energiegewinnung den zweiten großen CMNSForschungsbereich dar.
Gezielte Elementeumwandlungen wie die von Mitsubishi Heavy Industries rufen unweigerlich
Erinnerungen an die Alchemie (An Investigation on the Activity Pattern of Alchemical
Transmutations) wach, und manche fürchten, dass das die Chancen auf Anerkennung der Kalten
Fusion verschlechtert. "Man muss das gesamte Forschungsgebiet mit breiter Perspektive sehen",
findet Srinivasan, "und es ist offensichtlich, dass die Organisatoren von ICCF-14 das Programm
nicht so breit haben wollten." Ein außerplanmäßiger Workshop zu Transmutationen findet nun am
letzten Tag der Konferenz statt.
Gefragt, was McKubre von ICCF-14 erwartet, erwähnt er "definitiv interessante" Arbeiten auf dem
Gebiet der Energieforschung. Die Frage sei jedoch, ob die Experimentalisten bereit wären, zu
enthüllen woran sie arbeiten. Wo Forschung privat und militärisch gefördert wird, sind
Verschwiegenheitsverträge nicht unüblich, und wo man sich den Schritt zur Prototypenentwicklung
erhofft, haben Patente Vorrang vor wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Dieses gilt nicht erst seit
kurzem auch für die Festkörperkernforschung.
Kalte Fusion und die Zukunft
Haiko Lietz 23.03.2009
Teil 8: Welche technologischen Entwicklungen die Kernfusion
bei Raumtemperatur ermöglichen könnte
Unsere bisherige Lebensweise hat Mutter Erde verpestet und die gesellschaftlichen Systeme an den
Rand des Chaos geführt. Die Abhängigkeit vom Öl ist zum Problem geworden. Stellt die
Kernfusion bei Raumtemperatur eine Lösung dar? Vor 20 Jahren wurde die Kalte Fusion der
Weltöffentlichkeit vorgestellt. Kaum einer weiß, dass eine anomale Energieproduktion seitdem
mehr als 160 Mal bestätigt worden ist. Was wäre, wenn sich daraus eine Technologie entwickeln
ließe? Involvierte Forscher halten eine Revolution der Energieversorgung für möglich.
Möglicherweise stehen wir vor einer schicksalhaften Weichenstellung.
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Teil 7: Lobbying für die Kalte Fusion
Es ist der 23. März 2089. Zum 100. Jahrestag der Kalten Fusion finden weltweit Festlichkeiten statt.
Nach anfänglichen Widerständen hatte die umweltfreundliche Wasserstofffusion bei
Raumtemperatur ab 2017 grundlegende technologische und gesellschaftliche Veränderungen mit
eingeleitet. 2020 waren die ersten Heizkörper auf den Markt gekommen. Danach war alles recht
schnell gegangen. 2030 fuhren schon die ersten Autos mit Fusionsantrieben, und in Japan ging das
erste KF-Großkraftwerk zur Stromversorgung eines kleinen Industriebezirks in Betrieb. Und dann
kamen die Projekte, die auch das Gesicht des Planeten für immer veränderten.
Dieses Szenario orientiert sich an den Profiles of the Future des Schriftstellers Arthur C. Clarke und
dem Buch Cold Fusion and the Future des Insiders Jed Rothwell. Bereits 1962 hatte Clarke den
Durchbruch der Fusionsenergie auf 1990 gelegt. Die Kalte Fusion (KF) ist eine heute noch
umstrittene Innovation der Chemiker Martin Fleischmann und Stanley Pons. 1989 hatten sie der
Weltöffentlichkeit mitgeteilt, mit der Wasserstofffusion im Labormaßstab hätte sich eine neue,
saubere und quasi unerschöpfliche Energiequelle aufgetan. Der Haupteffekt, die Produktion von
Wärmeleistung, ist bis heute in mehr als 160 größtenteils unabhängigen Experimenten gemessen
worden. Auf jedem anderen Forschungsgebiet würde dieses als Beweis ausreichen, doch bei der KF
macht wenig Sinn, bevor man es in seinem forschungspolitischen Zusammenhang sieht. Clarke hat
ihre Verhinderung als "wohl einen der größten Skandale der Wissenschaftsgeschichte" bezeichnet.
Einem Szenario der Energy Watch Group zufolge könnte Deutschland schon 2030 der Ölhahn
weitgehend zugedreht werden. Kohle- und Uran-Vorkommen werden weniger drastisch
eingeschätzt. Doch hier herrscht wenig Klarheit, Zahlen sind politisch gefärbt. Die Abhängigkeit
vom "schwarzen Gold" betrifft dabei nicht nur die Treibstoffversorgung: Ohne Rohöl kommt auch
ein Großteil der Kunststoff- und Düngemittelindustrie zum Erliegen. Technischen und
wirtschaftlichen Fortschritt haben wir uns erkauft mit dem Raubbau an der Natur und der
Verpestung von Meeren, Böden und Luft. Jährlich sterben über zwei Millionen Menschen an
verschmutztem Trinkwasser. Kriege um Öl sind nichts Neues, und Konflikte um Wasser sind
vielleicht schon häufiger, als man denkt. Klimatische Extremereignisse und Naturkatastrophen
häufen sich.
Erneuerbare Energien aus Sonne oder Wind bieten Hoffnung. Mit ihnen könnte man aus Wasser
Wasserstoff für Brennstoffzellen produzieren, doch dazu muss die Effizienz noch erheblich
gesteigert werden. Außerdem ist es nicht immer und überall sonnig oder windig. Die Heiße Fusion
schließlich, sollte der Nachbau der Sonne auf Erden einmal nützlich realisiert werden, wäre die
teuerste, je entwickelte Energiequelle. Außerdem erzeugt sie nicht zu vernachlässigende
Radioaktivität. "Ich glaube, dass wir mit der heutigen Wissenschaft in eine Sackgasse geraten sind",
sagt der junge deutsche Chemiker Jan Marwan. "Die Kalte Fusion bietet da eine Möglichkeit."
Heat after Death
1962 kam Martin Fleischmann der Gedanke, dass in einem Metallgitter eine Fusion von Deuterium
möglich sein könnte. Schon lange war bekannt, dass das Metall Palladium Deuteronen aufsaugen
kann wie ein Schwamm Wasser. Deuteronen sind schwere Wasserstoffkerne, bestehend aus einem
Proton und einem Neutron. Zu ihrer Fusion gilt es die starke Abstoßung der positiv geladenen
Atomkerne zu überwinden. In der Sonne geschieht dieses offenbar durch zehn Millionen Grad
Celsius. Aber bei Raumtemperatur?
Kosmisches Vorbild? Die Sonne versorgt die Erde mit Energie aus der Fusion von Wasserstoff
(Bild: NASA)
Erst nach seiner Pensionierung als Dekan des Chemiefachbereichs der britischen Universität von
Southampton konnte sich Fleischmann dem Experimentieren widmen. Gemeinsam mit Stanley
Pons von der Universität von Utah hatte er sich für ein Elektrolyseexperiment entschieden, in dem
schweres Wasser mit Palladium-Elektroden gespalten und durch den Strom Deuteronen in das
Metallgitter gezogen werden. Anfang 1985 lief eine Elektrolyse schon für mehrere Monate, als Pons
für einen halben Tag den Stromfluss erhöhte. Am nächsten Morgen war das Palladium geschmolzen
und hatte ein zehn Zentimeter tiefes Loch im Zementfußboden hinterlassen. Als sie den Schaden
sahen, schauten sie drein wie die sprichwörtliche Katze, die gerade den Kanarienvogel verspeist hat.
Über Nacht musste etwas Außergewöhnliches passiert sein.
Am 23. März 1989 gingen Fleischmann und Pons an die Öffentlichkeit. Eine Energieproduktion sei
wiederholbar, zeige sich als Überschusswärme und könne "nur durch einen nuklearen Prozess"
erklärt werden. Doch der Kalten Fusion sollte es ergehen wie der Kernspaltung - als Otto Hahn
diese 1938 entdeckt hatte, glaubten ihm seine Kollegen zunächst auch nicht. In der 1989 bereits
bestens bekannten Heißen Fusion entstehen zu gleichen Teilen Tritium und Neutronen. Doch weil
bei den weltweiten oft spontanen Bestätigungsversuchen der KF praktisch keine Neutronen
gemessen wurden, glaubten die Physiker auch die Messungen von Überschusswärme nicht. Das
Interesse schwand so schnell, wie es gekommen war. Dass und mit welchen Ergebnissen die
Forschung dann weiterging, ist den meisten Wissenschaftlern heute weitgehend unbekannt.
Ihnen gelang der Durchbruch bei der Kalten Fusion: Stanley Pons und Martin Fleischmann (1989)
(Bild: Infinite Energy)
"Die wichtigsten Experimente hatten wir 1995 gemacht, als wir die Entstehung von
Überschusswärme über mehrere Monate beobachteten", erinnert sich Fleischmann heute. Damals
arbeitete er mit Pons in einem Labor in der Provence, finanziert von der Toyota-Tochterfirma
Technova. In einem Experiment mit fast kochendem Wasser produzierten sie 144 Watt - das
entspricht der Wärmeleistung eines kleinen Durchlauferhitzers. Die Leistungsdichte der PalladiumElektrode war dabei größer als die von Uran-Brennstäben in Kernkraftwerken. Forscher der
französische Atomenergiekommission, die die Messmethode überprüft hatten, bestätigten die
Leistungsproduktion.
Mittlerweile hatten einige Labore das Fusionsprodukt Helium-4 nachgewiesen. Mehr noch: Die
Menge des Heliums entsprach der gemessenen Menge Überschusswärme. Wenn auch die
funktionierenden KF-Experimente stotterten wie ein Verbrennungsmotor mit Fehlzündungen,
schien es zumindest, als käme man dem Reaktionsmechanismus langsam auf die Schliche. Die
Präsenz von Helium-4 würde erklären, warum die Physiker 1989 keine Neutronen finden konnten:
Es entstehen keine. Sollte sich dieses bewahrheiten, und darauf deutet immer mehr hin, wäre die
Kalte Fusion schlicht anders als die Heiße. "Ich glaube, sie werden das noch erkennen", sagt
Fleischmann enttäuscht. Mit Pons hatte er noch etwas anderes entdeckt: Als sie alles Wasser
verdampfen ließen und folglich kein Strom mehr fließen konnte, blieb die Palladium-Elektrode
noch drei Stunden lang heiß, ein Phänomen, das als "Heat after Death" bezeichnet wird.
Dass die KF nicht notwendigerweise eine Energiezufuhr benötigt, kann auch Tadahiko Mizuno von
der Hokkaido Universität bestätigen. Er ist einer von 110 japanischen Wissenschaftlern, die bis
Ende 1989 die staatlich geförderte Forschung aufgenommen hatten. 1991 musste er ein Experiment
beenden, das ihm wortwörtlich zu heiß geworden war. Um den getränkedosengroßen PalladiumReaktor abzukühlen, tauchte er ihn in einen Eimer Wasser. Am nächsten Tag war das Wasser fast
vollständig verdampft. Innerhalb von fünf Tagen musste er es viermal auffüllen. Insgesamt
generierte der Reaktor nach Abschaltung der Stromzufuhr 85 Megajoule Energie - genug um einen
Toyota Corolla 33 Kilometer weit zu fahren. Zum Vergleich: Die größte erfolgreiche Heiße Fusion
produzierte 1997 elf Megajoule, zwei Drittel der damals aufgewendeten Energie.
Oberfläche der Gold-Elektrode nach Mizunos Experiment: Aus diesen "Kratern" sind transmutierte
Elemente herausgespuckt worden (starke Vergrößerung) (Bild: Mizuno)
1998 war auch in Japan die üppige Förderung http://www.lenr-canr.org/PDetail5.htm#1525 für die
KF größtenteils ausgelaufen, für die die Regierung aber auch Unternehmen wie Technova,
Mitsubishi Heavy Industries (MHI), Hitachi, Toshiba und Honda im Rahmen des Programms "New
Hydrogen Energy" (NHE) gesorgt hatten. Mizuno und sein Kollege Tadayoshi Ohmori hatten GoldElektroden besorgen können und nach Elektrolyse eine kleine Sensation entdeckt: "Wir haben
transmutierte Elemente auf der Goldoberfläche gefunden und welche, die durch kraterartige Löcher
herausgeschleudert worden sind." Im Experiment tauchten Isotope von Elementen auf, die nicht nur
vorher nicht da waren, sondern die auch verglichen mit der Natur relativ selten vorkommen:
Quecksilber-200, Nickel-60, Eisen-57. Nun also die Umwandlung von Elementen - Gegenstand der
Alchemie seit hunderten von Jahren. Anfangs war das sogar für KF-Forscher hart zu schlucken.
Für Mizunos Vermutung, dass die Kernreaktionen "an extrem aktiven Stellen der Metalloberfläche"
stattfinden, haben 1999 Chemiker des SPAWAR-Forschungslabors der US Navy Belege gefunden.
Mit einer Infrarotkamera filmten sie die Palladium-Elektrode und konnten zeigen, dass die extreme
Wärme nicht im Wasser entsteht, sondern an lokalen, nuklear aktiven Regionen des Metalls. Die
Gruppe gehört zu den produktivsten der Festkörperkernforschung, wie das Forschungsgebiet heute
heißt. Als die Gruppe von Pamela Mosier-Boss eine Elektrode einem elektrostatischen Feld
aussetzte, entdeckte sie Veränderungen wie Mizunos Krater. "Manche der Veränderungen sind
konsistent mit Schmelzvorgängen. Palladium schmilzt bei 1554,9°C." Solch hohe Temperaturen
konnten nur Ergebnis von Kernreaktionen sein.
Beleg für die Kalte Fusion? Spuren "nuklearen Ursprungs" auf einem Plastikdetektor (Bild:
SPAWAR)
Auch Plastikdetektoren, wie Physiker sie zur Identifikation von nuklearen Teilchen nutzen, haben
sie eingesetzt und einen Schauer von Spuren gefunden. "Wir sind uns sehr sicher, dass die Spuren
einen nuklearen Ursprung haben", sagt Mosier-Boss, entweder Tritium, Protonen oder HeliumIsotope. Sicher ist sich die Gruppe allerdings auch, Spuren von Neutronen gefunden zu haben.
Diese Messung hat teils emotionale Reaktionen bei Kollegen ausgelöst, denn sie verhagelt das
harmonische Bild einer verstandenen Reaktion, an deren Ende nur saubere Energie und Helium-4
steht, das auf Kindergeburtstagen aus Luftballons eingeatmet wird. Doch wenn der Motor stottert,
scheint auch die Entstehung von Tritium und sogar Neutronen bei Raumtemperatur möglich.
Drei Viertel aller Festkörperkernforscher sind überzeugt, dass die KF eine brauchbare Energiequelle
sein kann. Ziel der Forschung von Fleischmann und Pons in Frankreich war die Entwicklung eines
10-Kilowatt-Prototyps - entsprechend der Motorleistung einer frühen Citroën "Ente". Von
Experiment zu Experiment konnten sie die Energieausbeute steigern, bis eines Tages aus
unerklärlichen Gründen die Elektroden versagten. Dieses allgegenwärtige Reproduktionsproblem
lässt viele Wissenschaftler noch nicht an Anwendungen denken. Doch Fleischmann sieht "keinen
Grund, warum man kein sehr aktives Forschungsprogramm mit dem Ziel eines 10-Kilowatt-Geräts
haben sollte. Ein, zwei Episoden haben uns gezeigt, dass das innerhalb von fünf Jahren absolut
erreichbar sein sollte." Teamgröße? "Nicht sehr groß. Etwa sechs."
2017: Time Zero
"Die Meere dieses Planeten enthalten 100.000.000.000.000.000 Tonnen Wasserstoff und
20.000.000.000.000 Tonnen Deuterium. Schon bald werden wir lernen, diese simpelsten aller
Atome zu benutzen, um unbegrenzte Energie zu erhalten", hatte Arthur C. Clarke 1962
vorhergesagt. Zu diesem Zweck hat Jan Marwan eine viel versprechende wissenschaftliche Karriere
aufgegeben und betreibt nun ein privates Forschungs- und Entwicklungslabor für Kalte Fusion in
Berlin-Adlershof. Er gehört zur zweiten Generation der KF-Forscher. "Alles was bisher erbracht
worden ist, ist erstmal ein Teil einer Grundlage, die weiter ausgebaut werden muss. Das sind
Projekte für Jahrzehnte." Mit einem nano-technologischen Ansatz will er die Oberflächen von
Palladium-Elektroden vergrößern und damit die Energieausbeute erhöhen, um letztendlich ein Gerät
zu entwickeln.
In einem idealen KF-Reaktor wäre das Metall ein reiner Katalysator, das heißt es ermöglicht die
Wasserstofffusion und wird nicht verbraucht oder durch Transmutationen beschädigt, und ein
Bruchteil der produzierten Energie reicht aus, um ihn dauerhaft zu betreiben. Den Tag, an dem ein
solcher, auf Knopfdruck Energie produzierender Prototyp den Ingenieuren übergeben wird, hat
Rothwell als Time Zero bezeichnet. Angenommen dieses wäre 2017 - mit welchen Entwicklungen
wäre zu rechnen?
"KF rückt kleine, dezentrale Leistungsaggregate mit wenig oder keinem nuklearen Abfall in
Reichweite, wahrscheinlich klein und vielleicht tragbar", erwartet Mosier-Boss. Den Beginn der
"nuklearen Katalyse" hat Clarke für 2020 angesetzt. Fleischmann schätzt, dass es sich dabei um
häusliche Geräte zur Wärmeerzeugung handeln wird, zum heizen, kochen und waschen. "Viel der
Energie, die wir heute noch als Elektrizität verbrauchen, werden wir zukünftig direkt als Wärme aus
der Kalten Fusion beziehen", schreibt Rothwell. Damit ließe sich der häusliche Energieverbrauch
um ein Drittel senken.
Kurze Zeit später, vielleicht 2027, könnten tragbare und miniaturisierte Stromquellen auf den Markt
kommen: Batterien für Laptops und Handys, die lange Zeit ohne Wartung laufen. Ungefähr
zeitgleich dürften die ersten KF angetriebenen Autos auf den Markt kommen, und Wasser würde
nach und nach Benzin als Treibstoff verdrängen - die Rückkehr der Dampfmaschinen, anfangs als
Teil eines Hybridmotors.
Solange industriell produziert wird oder große Maschinen betrieben werden, wird es auch einen
Bedarf an Kraftwerken geben, die große Mengen Elektrizität liefern. Fleischmann sieht keinen
Grund, warum die KF durch Multiplikation nicht auch eine Leistungsproduktion im MegawattBereich ermöglichen sollte. 2030 könnte dieses möglich sein, vielleicht in Japan, deren Industrie
sich bislang am meisten für die KF interessiert hat. "Wenn KF-Aggregate in allen Größen verfügbar
sind, werden Produktentwickler neue Wege finden, diese zu benutzen, und die kumulativen
Veränderungen werden unser Leben und Gesellschaft tiefgreifender verändern, als die
Mikrocomputerrevolution es getan hat", ist sich Rothwell sicher.
"Außer Energie gibt es einen riesigen Bedarf an sauberem Wasser, zum trinken, für Landwirtschaft
und Industrie", sagt Mosier-Boss. "Öl kann man nicht trinken." Meerwasser ist reichlich verfügbar,
doch seine Entsalzung ist sehr energieintensiv. Saudi-Arabien betreibt 30 Entsalzungsanlagen, die
gleichzeitig Strom produzieren. Jährlich produzieren die Scheiche einen Kubikkilometer Süßwasser,
etwa ein Zehntel der Weltproduktion. Rothwell hat eine Vision: "Um die Wüsten zu bewässern,
würde man ungefähr 9400 der großen saudischen Anlagen brauchen." Die entsprechenden Kosten
von heute 8,4 Billionen Dollar mögen astronomisch klingen, sind jedoch nur das Dreifache der
wahren Kosten des Irakkriegs seit 2003. "Entsalzungswerke werden eine der ersten KF-betriebenen
Maschinen mit dem Potenzial globaler, dramatischer Verbesserungen sein. Sie werden die Wüsten
aufblühen lassen." Beginn: 2040.
Dezentral einsetzbar: üblicher Reaktor zur Kalten Fusion (Bild:
Mizuno)
Zwar scheint die KF auch mit Nickel oder Wolfrahm zu funktionieren, aber was wäre, wenn es nur
mit Palladium klappt? "Wir synthetisieren heute im großen Stil Medikamente und Kunststoffe, die
Chemiker gestern noch nicht in ihren Laboren herstellen konnten", schrieb Clarke vor langem. Ab
2040 "werden wir sicherlich in der Lage sein, dasselbe mit den Elementen zu machen." Durch
kontrollierte Transmutation könnten sich nicht nur erwünschte Elemente wie Palladium, Kupfer
oder Gold herstellen, sondern auch unerwünschte beseitigen lassen. 2000 hatte der ehemalige
Forschungsdirektor des Mineralölmultis Shell, Jacques Dufour, eine erfolgreiche KF mit UranElektroden durchgeführt. Dabei entstand nicht nur Überschusswärme, sondern "offenbar zeigte sich
auch eine kleine Verringerung der Uran-Aktivität." Forscher des japanischen MHI-Konzerns
können bereits heute die Elemente Cäsium und Strontium, die als radioaktive Isotope bei der
Kernspaltung entstehen, in harmlose Elemente umwandeln.
Dass selbst die Natur dieses zu bewerkstelligen vermag, behauptet Vladimir Vysotskii. Der
ukrainische Physiker arbeitet mit einem Cocktail mikrobiologischer Kulturen, die sich in einem
kollektiven Gleichgewicht befinden und optimal an veränderte Umweltbedingungen anpassen
können. Vysotskii nimmt acht Reagenzgläser mit Wasser und radioaktivem Cäsium-137. In sieben
Gläser kommt der mikrobiologische Cocktail, und in sechs davon ein jeweils anderes Salz, das die
Bakterien benötigen. Erstaunlicherweise ist die Radioaktivität in diesen sechs Gläsern nach 100
Tagen merklich verringert. Vysotskii vermutet, dass die Bakterien Energie aus der Umwandlung
von Cäsium in nichtradioaktives Barium ziehen.
Sollten sich alle diese Ergebnisse als richtig erweisen, würde die biologische Transmutation ein
völlig neues Weltbild der Evolution, Medizin und Geologie und neue bio- und nano-technologische
Anwendungen einleiten. Ob nun biologisch oder technologisch, Dufour und Vysotskii glauben, dass
schon um 2020 herum begonnen werden könnte, radioaktiven Sondermüll zu beseitigen. Kalte
Fusion und Transmutation würden nicht nur für saubere und "grüne" Energie sorgen, sondern
angerichteten Schaden ebenfalls wieder beheben helfen.
Chronologie der Festkörperkernforschung
1926 Entdeckung der KF
1935 Entdeckung der biologischen Transmutation
1985 Durchbruch der KF
1989 Öffentliche Vorstellung der KF; Bestätigung von Überschusswärme und Tritium; Entdeckung
der Transmutation
1991 Korrelation von Helium-4 und Überschusswärme
1992 KF-Durchbruch mit Nano-Partikeln
1996 Bestätigung der Transmutation
1999 Entdeckung der KF als lokaler Oberflächeneffekt
2002 Gezielte Transmutation
2012 Beginn großer KF-Forschungsprogramme
2017 Time Zero: Übergabe der KF auf Knopfdruck an Ingenieure
2020 Erste Heizanwendungen; Neutralisierung von radioaktivem Sondermüll
2027 Batterien und Automobile
2030 Großkraftwerke
2040 Entsalzungsanlagen; kontrollierte Synthese von Elementen
2090 Replikator
2100 Geschichte beginnt
An der Weggabelung
Um zu wissen, ob dieses Szenario realistisch ist, müsste man es drauf ankommen lassen.
Tatsächlich kann sich die Festkörperkernforschung jedoch nur mühsam selbst über Wasser halten.
Das Gebiet zählt schätzungsweise 400 mehr oder weniger aktive Wissenschaftler. Experimentatoren
sind größtenteils an professionellen Einrichtungen tätig, doch viele haben ihre Forschung auch
schon aus der eigenen Tasche bezahlt. Ein existenzielles Problem ist, dass es kaum Nachwuchs gibt
und die erfahrenen Leute, die junge Forscher einweisen könnten, vor der Pensionierung stehen.
Und doch sind die involvierten Forscher optimistisch, die Kalte Fusion auf Knopfdruck vielleicht
schon in ein paar Jahren zu erreichen. Zunehmend wird dazu übergegangen, Know-how nicht
vollständig zu publizieren, sondern als Wettbewerbsvorteil zu benutzen. Es gibt mehr Risikokapital
als früher. Aber einen politischen und wirtschaftlichen Willen zu einem großen
Forschungsprogramm gibt es nicht. Eigentlich hat es ihn nie gegeben, bedauert Fleischmann. Das
japanische NHE-Forschungsprogramm, durch das auch er und Pons gefördert worden waren, war
1998 nicht beendet worden, weil es sich als aussichtslos erwiesen hätte. Auch Shell hatte Dufours
Forschung "auf höchster Ebene" unterstützt, aber nie ausgeweitet.
Die KF ermöglicht eine dezentrale Energieproduktion. Wenn aber Häuser Wärme und Strom selbst
produzieren, gibt es keinen Bedarf mehr für Großkraftwerke und Überlandleitungen. "Ein
funktionierender KF-Generator, egal zu welchem Preis, egal auf welchem Markt, wird der
Todeskuss für die Energieindustrie sein", schreibt Rothwell. Vysotskii sieht durch Anwendungen der
Transmutation eine "Möglichkeit für den Ausbau der nuklearen Energieproduktion, für existierende
und neue Kernkraftwerke weltweit". Doch Rothwell sieht langfristig nicht mal eine Chance für
letztendlich sogar billigere KF-Großkraftwerke. "Bis diese gebaut sind, werden sich schon so viele
Menschen kleine Aggregate gekauft haben, dass es keinen Markt mehr für zentral produzierte
Energie geben wird."
Jan Marwan sieht die Kalte Fusion als Teil eines wissenschaftlichen und gesellschaftlichen
Paradigmenwechsels (Bild: Marwan)
Im Gegensatz zur Verbrennung oder Kernspaltung sind KF und Transmutation schöpferische
Prozesse. Wasserstoffatome fügen sich kollektiv zu einer höheren Ordnung. "Kalte Fusion kann
man auch gesellschaftlich sehen", findet Marwan. "Wenn alte Lehrsätze über Bord geworfen
würden, wäre die Kalte Fusion ein neues Ordnungsprinzip, nach dem sich dann viele neue Dinge
ausrichten." Gesellschaftlich steht die KF für die Überwindung des Feuers, einen Durchbruch, der
nur noch mit der Erfindung der Sprache und Landwirtschaft vergleichbar wäre. Es scheint als
stünden wir Menschen an einer Weggabelung. Der eine Weg führt wahrscheinlich zu noch mehr
Chaos in Natur und Gesellschaft. Der andere ist neu, kreativ und vermutlich nachhaltig. Wenn
Clarke Recht behält, führt letzterer 2090 zum Replikator, mit dem beliebige Gegenstände - wie bei
Star Trek - nuklear hergestellt werden können. Bis 2100 die Geschichte beginnt...
Populärwissenschaftliche Literatur
Arthur C. Clarke, Profiles of the Future, Indigo, 1999.
Steven B. Krivit/Nadine Winocur, The Rebirth of Cold Fusion, Pacific Oak, 2004.
Tadahiko Mizuno, Nuclear Transmutations, Infinite Energy, 1998.
Jed Rothwell, Cold Fusion and the Future, LENR-CANR.org, 2007.
Wissenschaftliche Literatur
Jan Marwan/Steven B. Krivit, Low-Energy Nuclear Reactions Sourcebook, American Chemical
Society, 2008.
Edmund Storms, The Science Of Low Energy Nuclear Reaction, World Scientific, 2007.
Vladimir I. Vysotskii/Alla A. Kornilova, Nuclear Fusion and Transmutation of Isotopes in
Biological Systems, Mir, 2003.
Kalte Fusion in der Black Box?
Haiko Lietz 23.03.2011
Teil 9: Die Festkörperkernforschung überprüft einen
möglicherweise revolutionären Durchbruch bei der
Energieerzeugung
Seit 2004 berichtet Telepolis über den Stand und politische Hintergründe der Erforschung der
sogenannten Kalten Fusion. Heute vor 22 Jahren vorgestellt gilt diese Form der Kernfusion "bei
Raumtemperatur" nicht Wenigen noch immer als wichtige Energiequelle der Zukunft. Nachdem
Hoffnungen, die US-Politik würde die Kalte Fusion auf die Agenda der öffentlichen
Forschungsförderung setzen, im Sande verlaufen waren, konzentrierte sich das Fachgebiet wieder
stärker auf die eigentliche Forschung, speziell die Nanoforschung (Lobbying für die Kalte Fusion.
Vor zwei Jahren hatten wir hier prognostiziert, dass 2020 mit ersten Anwendungen für Heizzwecke
zu rechnen sei (Kalte Fusion und die Zukunft). Wenn allerdings stimmt, was der Ingenieur Andrea
Rossi angekündigt und in Italien demonstriert hat, dann kommen Aggregate zur Wärme- und
Stromerzeugung aus Kalter Fusion bereits bis 2012 auf den Markt. Diese Ankündigung hat sogar
die Experten des Fachgebiets überrascht. Während die Welt sich mit atomarer Verwüstung und
einem neuen Ressourcenkrieg konfrontiert sieht, wird im Internet ein möglicher technologischer
Durchbruch diskutiert, den der Zukunftsforscher Gerald Celente bereits mit der Entdeckung des
Feuers vergleicht.
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Teil 8: Welche technologischen Entwicklungen die Kernfusion bei Raumtemperatur ermöglichen
könnte
Giuseppe Levi beobachtet Strahlungsmessungen am laufenden RossiReaktor
Ein öffentlich durchgeführtes Experiment
14. Januar 2011, 19 Uhr, Cerodolo Industriebezirk, ein paar Kilometer vor Bologna. Giuseppi Levi
atmet durch. Er ist froh, dass das halböffentliche Experiment doch noch funktioniert hat, denn
zunächst schien es zu scheitern. Ausgerechnet an diesem Tag versagte die Datenaufzeichnung und
spielte das Heizaggregat verrückt. Unruhe und Skepsis hatte sich unter den 50 handverlesenen
Beobachtern breitgemacht. Hätte das Aggregat wie noch am Vortag seinen Dienst getan, hätte die
Eingangsleistung auf 100 Watt runtergeregelt werden können, zugunsten einer höheren Ausbeute.
Levi überschlägt noch einmal die Werte, die er eben gemessen hat. 4,9 Gramm Wasser waren pro
Sekunde am Reaktor vorbeigeleitet und dabei von etwa 20 auf 101 Grad Celsius verdampft worden.
Das entspricht einer Leistung von 12.400 Watt. Die Eingangsleistung im "Steady State"-Betrieb war
400 Watt. Die nukleare Maschine des Ingenieurs Andrea Rossi und des Physikers Sergio Focardi
hatte 31 Mal mehr Energie erzeugt, als sie konsumiert hatte. Das ist für ihn das wichtigste Ergebnis
des Tages.
Vertrauen in den Reaktor hat Levi seit dem 16. Dezember 2010, als er erlebt hatte, wie sie ihre
Arbeit autark, ohne externe Energiequelle verrichtet. Der Kernphysiker der Universität Bologna
hatte das Experiment organisiert, um Kollegen den "Energie-Katalysator" zu demonstrieren. "Ein
'öffentliches Experiment', wo Physiker den Apparat wirklich beobachten können, ist viel
interessanter als eine Reihe PowerPoint-Folien", teile Levi Telepolis mit. "Edison sprach nicht über
die Glühbirne, er zeigte sie." Mit Rossi, dem Erfinder der Dampfmaschine, war vereinbart, dass
dieser lediglich den Apparat auf dem Experimentiertisch bedient. Er selbst und seine Kollegen der
Physik- und Chemie-Fakultäten führten alle Messungen unabhängig durch. Wenn Levi nicht bereits
aus früheren Messungen gewusst hätte, dass keine gesundheitsschädliche elektromagnetische oder
Teilchen-Strahlung entsteht, hätte er mehr Vorsicht walten lassen.
Von Kalter Fusion mag Giuseppe Levi nicht sprechen, lieber von niederenergetischen
Kernreaktionen (Low Energy Nuclear Reactions - LENR). Denn auch für ihn ist der Reaktor eine
Black Box. Was darin vorgeht - ob es Fusion ist -, weiß er genauso wenig wie alle anderen
Beobachter. Soviel ist bekannt: Im Reaktorgefäß befinden sich einige Gramm Nickel, idealerweise
in Form eines Nanopulvers, Wasserstoffgas und ein oder mehrere bis heute streng gehütete
Katalysatoren in einer Atmosphäre von zwei bis 20 Bar. Wird die Temperatur über ein Heizaggregat
erhöht, zündet der Reaktor und erzeugt soviel Wärme, dass die bevorzugte Betriebstemperatur von
150 bis 500 Grad Celsius von selbst aufrecht erhalten werden kann. Der heiße Reaktor verdampft
Wasser, womit letztendlich geheizt, Arbeit verrichtet oder Strom erzeugt werden kann.
Um auszuschließen, dass in der Black Box schlicht und ergreifend Wasserstoff verbrannt wird - eine
der einfachsten chemischen Reaktionen -, hat Levi den Wasserstoffverbrauch überprüft. 218 Gramm
Wasserstoff hätten verbrannt werden müssen, um die gemessene Energiemenge zu erzeugen.
Maximal ein Gramm ist tatsächlich verbraucht worden. Auch ein Stromkabel, das die Energie an
seinen Messgeräten vorbei hätte liefern können, hat Levi nicht gefunden. Focardi und Rossi
behaupten in ihrem gemeinsamen Aufsatz, dass der Reaktor Energie erzeugt, weil Nickel und
Wasserstoff zu Kupfer verschmelzen. In Einzelfällen soll bis zu 415 Mal mehr Energie erzeugt als
verbraucht worden sein.
In dem Nickelpulver sollen nach Betrieb des Reaktors die stabilen Kupfer-Isotope 63 und 65 in
einem unnatürlichen Häufigkeitsverhältnis gemessen worden sein - ein Hinweis auf eine Fusionsbzw. Transmutationsreaktion. Andererseits wird bei der vorgeschlagenen Kernreaktion GammaStrahlung erwartet. Focardi habe diese bereits häufig gemessen, doch am 14. Januar zeigte das
Messgerät von Levis Kollegen keine Werte über der natürlichen Hintergrundstrahlung.
Andrea Rossi erläutert Beobachtern am 14. Januar 2011 seinen
Reaktor
Firma kündigt Strom für 1 Cent pro Kilowattstunde an
15. Januar 2011, 9 Uhr, Journal-of-Nuclear-Physics.com. Andrea Rossi moderiert die Kommentare,
die seit seinem letzten Login aufgelaufen sind. Bereits im April 2010 hatte er hier die Katze aus
dem Sack gelassen, seine Firma entwickele einen Reaktor, der 1 Megawatt Leistung erzeuge. Damit
könnte man 1.000 Einfamilienhäuser mit Energie versorgen.
Heute besteht die angekündigte Möglichkeit, Rossi online mit Fragen zu löchern. Der MegawattReaktor bestehe aus 125 seriell und parallel geschalteten Modulen der demonstrierten Bauweise und
würde in den kommenden Monaten fertig gestellt. Reaktoren würden Energie auf Knopfdruck
erzeugen. Unter kontrollierten Bedingungen könnte ihre Energiezufuhr abgeschaltet werden, und sie
liefen selbständig weiter. Mindestens ein Aggregat habe zwei Jahre lang Energie erzeugt.
Bis 2012 würden die ersten Geräte mit Wartungszyklen von einem halben Jahr auf den Markt
kommen. Eine Kilowattstunde Strom würde voraussichtlich 1 Cent kosten und wäre damit
mindestens zehnmal günstiger als derzeit käuflicher Kohlestrom und 25 mal als "grüner" Strom. In
zwei bis drei Jahren soll die Massenproduktion auf Hochtouren laufen. Nur zu einer Sache äußert
sich Rossi immer noch nicht: welche Katalysatoren die Reaktion ermöglichen. Bevor das
Betriebsgeheimnis nicht patentiert sei, könne er auch nicht darüber sprechen. Nach vier Stunden
beendet er die Fragerunde. In der Folge wird die Seite so viel besucht, dass der Server den Dienst
verweigert.
Andrea Rossi ist Ingenieur und Präsident der Leonardo Corporation mit Sitz in Bedford, New
Hampshire, USA. Die Firma entwickelte laut Webseite Generatoren, die Wärme und Strom aus
Pflanzenöl produzieren. An LENR arbeitet Rossi bereits seit 1993. Zur Größe des Unternehmens
wollte Rossi noch keine Angaben machen. Am 5. Februar 2011 ist das Konsortium Defkalion Green
Technogies, dessen einzige Aufgabe die Herstellung und Vermarktung der Rossi-Technologie ist, im
griechischen Fernsehen an die Öffentlichkeit gegangen. Defkalion wird demnach nicht Strom
verkaufen, sondern Generatoren bis zu 20 Kilowatt, mit denen Wärme und Strom dezentral
produziert werden können. Dem schwedischen Nachrichtendienst NyTeknik sagte der
Konsortiumssprecher Symeon Tsalikoglou:
Diese Technologie wird den Weltenergiekonsum nicht über Nacht verändern. Im Wesentlichen
stellen wir eine neue und eindrucksvolle Energiequelle vor, die dem Endbenutzer günstige, saubere
und erneuerbare Energie zur Verfügung stellt. Wir beabsichtigen sozial verantwortliche
Preisgestaltung und Marktdurchdringung. Wir berücksichtigen auch globale Energietrends und
gliedern uns ein in den erwarteten schrittweisen Wandel des Energiesystems.
Symeon Tsalikoglou, Defkalion Green Technologies
Dem Konsortium gehören laut eigenen Angaben Unternehmen der Energiebranche an. Zuvor hatte
Defkalion in Rossis Blog bereits geschrieben, es handele sich um "einen bedeutsamen und
aufregenden technologischen Durchbruch, wonach Energie kein knapper Rohstoff mehr sein
werde".
Einschätzungen von innen und außen
In der Festkörperkernforschung, dem Fachgebiet, auf dem Kernreaktionen in Metallen erforscht
werden, hat anfängliche Skepsis einer Hoffnung auf den lang ersehnten Durchbruch Platz gemacht.
Focardi und Rossi genießen große Glaubwürdigkeit.
Focardi gehört mit seinem Kollegen Francesco Piantelli, Universität Siena, zu den Pionieren der
Erforschung von Kernreaktionen in hydriertem Nickel. Seit 1992 hat die Gruppe mit 50 Watt
Überschussleistung nicht nur eins der in dieser Hinsicht ertragreichsten Experimente überhaupt
durchgeführt. Mit zwei Experimenten, die fast ein Jahr lang Energie produzierten, und der
Produktion von Neutronen, Gamma-Strahlung sowie der Transmutation von Elementen haben sie in
den Augen von Insidern auch gezeigt, dass die Phänomene im Metallgitter nicht chemischer und
damit konventioneller Natur sein können. Edmund Storms, LENR-Forscher der ersten Stunde,
schätzt die heutige Situation wie folgt ein:
Wir sind angekommen. Dabei ist interessant, dass wir in einem anderen Auto angekommen sind, als
wir erwartet hatten. Kalte Fusion hat mit [schwerem Wasserstoff] und Palladium angefangen, und
nun hat Rossi herausgefunden, dass sie in Nickel und leichtem Wasserstoff ziemlich gut geht. ...
[Rossi and Focardi] haben einen Weg gefunden, den Effekt derart zu vergrößern, dass er als
industrielle Energiequelle interessant ist. Forscher auf dem Gebiet der Kalten Fusion haben darauf
hin gearbeitet, aber nie eine derart große Wärmeproduktion erreicht. Das kam als Überraschung
aber auch als kleiner Schock und hat den Leuten einen Stoß verpasst, nun etwas schneller
voranzugehen. Jetzt sieht es so aus, als habe das Phänomen tatsächlich Anwendungen.
Edmund Storms, Kivalabs
Mittlerweile liegen auch Einschätzungen von Wissenschaftlern vor, die nicht aktiv in die
Festkörperkernforschung oder die Untersuchung der Rossi-Maschine involviert sind. Sven
Kullander, emeritierter Professor an der schwedischen Uppsala University und Vorsitzender des
Energy Committee of the National Academy of Sciences bescheinigte Rossi und Focardi dem
italienischen Blogger Daniele Passerini gegenüber einen "sauberen wissenschaftlichen Ansatz". Er
habe einen guten Eindruck von Rossi. "Ich finde, dass es interessant ist, mit ihm zu sprechen, und
ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er sich einen Betrug ausgedacht hat." Auch Hanno Essen,
Professor für theoretische Physik am schwedischen Royal Institute of Technology und Vorsitzender
der Schwedischen Gesellschaft der Skeptiker, findet es "sehr unwahrscheinlich, dass es einzig und
allein ein Betrug ist."
Entdeckung des sanften Feuers?
Ende 2010 hatte Gerald Celente, Zukunftsforscher und Herausgeber des Trends Journal,
geschrieben, wissenschaftliche Visionäre und Unternehmer würden in 2011 vom Mainstream
unbemerkt eine neue Wissenschaft basierend auf Prinzipien, die einmal als unmöglich galten,
formen und damit Geräte schaffen, die mehr Energie freisetzen als sie konsumieren. Ende Januar
2011 präzisierte er in einem Radiointerview:
Es hat einen großen Durchbruch in der Kalten Fusion gegeben. Es ist in Italien passiert. ... Es gibt
weitere Durchbrüche bei der Energieproduktion. Das wird den Lauf der Dinge verändern. Die
Große Depression wird nicht passieren. Gehen Sie zurück nach 1990. Wir waren in einer Rezession.
Was hat uns rausgeholt? Die Internetrevolution! Heute ist unser ganzes Leben anders. Nun kippt die
ganze globale geopolitische Landschaft. Wären wir im Irak, wenn deren größter Export Brokkoli
wäre und sie nicht auf dem zweitgrößten Ölvorrat der Welt säßen? Das Spiel verändert sich: Die
Energie, die [bei der Kalten Fusion] herauskommt, ist viel größer als die, die hineingeht. Das wird
die größte Investitionsmöglichkeit des 21. Jahrhunderts sein. Das ist so groß wie die Entdeckung
des Feuers oder die Erfindung des Rades.
Gerald Celente, Trends Research Institute
Seit Giuseppe Levi den Rossi-Reaktor am 10. Februar 2011 ein drittes Mal im Betrieb inspizieren
und 18 Stunden lang die Produktion von mindestens 15 Kilowatt beobachten konnte, äußert er sich
deutlicher als zuvor. NyTeknik sagte er:
Nun, da ich das Gerät über mehrere Stunden beobachten konnte, sind meiner Meinung nach alle
chemischen Energiequellen ausgeschlossen. Dieses Mal habe ich die Kontrolleinheit geöffnet (und
das Innere untersucht), da gesagt wurde, sie könnte eine versteckte Batterie enthalten. Ich würde vor
Gericht schwören, dass sie bis auf die Kontrollelektronik - fünf simple [Steuerelemente] - leer war...
Wenn ich nun mit den genauesten Methoden wirklich nukleare Veränderungen sehe, dann haben wir
eine neue Physik. Dann gibt es keinen Zweifel mehr.
Giuseppe Levi, Universität Bologna
Um verbleibende Zweifel an der Technologie zu beseitigen, wird die Universität Bologna in Kürze
ein einjähriges Programm zur Erforschung des Rossi-Reaktors bekanntgeben. Mit Einem hat
Celente jedenfalls bislang Recht: Die gesamte Entwicklung findet außerhalb des wissenschaftlichen
wie medialen Mainstreams statt. Zur Veröffentlichung seines Aufsatzes mit Focardi hatte Rossi
eigens eine begutachtete Fachzeitschrift als Blog gegründet, um gar nicht erst von etablierten
Journalen "ghettoisiert" zu werden, wie er Telepolis mitteilte. Und außer eine paar Berichten in den
italienischen und griechischen Massenmedien werden Informationen fast ausschließlich im Web
geschaffen und diskutiert.
Dieser Artikel ist Telepolis-Autor Achmed Khammas gewidmet, der in unermüdlicher Fleißarbeit
im Buch der Synergie alles zusammengetragen hat, was es über Energie zu wissen gibt.
Kalte Fusion als Technologie
Haiko Lietz 03.11.2011
Teil 10: Der italienische Ingenieur Andrea Rossi hat angeblich
einen 1-Megawatt-Generator verkauft
Im Januar 2011 ist an der Universität Bologna ein Generator vorgestellt worden, der angeblich auf
Knopfdruck saubere Energie aus der Kalten Fusion von Nickel und Wasserstoff erzeugt (Kalte
Fusion in der Black Box?). Seitdem war im Internet verfolgbar, wie ein potenzieller Durchbruch bei
der Energieerzeugung seine Kreise zieht. Nun ist offenbar ein Reaktor, der ein Megawatt
Wärmeleistung erzeugen kann, auf dem Markt. Die Einschätzungen liegen zwischen glattem Betrug
und dem Anfang der Revolution des Energiesektors.
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Teil 9: Kalte Fusion in der Black Box?
Die Geräte des 28. Oktober 2011
Andrea Rossi hat offenbar Wort gehalten. Am 14. Januar 2011 hatte er angekündigt, bis Oktober
2011 einen marktreifen 1-Megawatt-Generator gebaut zu haben. Damals hatten Wissenschaftler der
Universität Bologna den Reaktor des italienischen Ingenieurs durchgemessen und waren auf eine
Leistungsproduktion von 12 Kilowatt gekommen.
Am 28. Oktober nun hat angeblich ein nicht bekanntes Unternehmen den Megawatt-Prototypen
technisch abgenommen und gekauft. Laut Abnahmeprotokoll hat der Reaktor fünfeinhalb Stunden
lang ohne externe Energiezufuhr 470 Kilowatt produziert. Das ist zwar nur die Hälfte der
versprochenen Leistung, reicht aber immer noch aus, um 470 Einfamilienhäuser mit Energie zu
versorgen. Laut Rossi war eine Drosselung nötig, um, wie vom Kunden gewünscht, die
Energiezufuhr abschalten zu können. Nach der Abnahme sagte er:
Denken Sie an die Hunderte Millionen Dollar, die in der Kernfusionsforschung ausgegeben worden
sind bei dem Versuch, eine Leistungsziffer von 1,1 zu erreichen. Mit 470 Kilowatt ohne jeglichen
Brennstoff haben wir heute eine theoretisch unendliche Leistungsziffer erreicht. Ich denke, das ist
ein Durchbruch. Natürlich ist das nur der erste Schritt. Aber es ist ein sehr wichtiger erster Schritt.
Andrea Rossi
Rossi und sein Koautor Sergio Focardi von der Universität Bologna erklären die Energieproduktion
durch die Kalte Fusion von Nickel und Wasserstoff. Ein Strahlenphysiker der Universtät Bologna
hat bestätigt, dass auch diesmal wieder keine gesundheitsschädliche Strahlung nachweisbar war.
Der Rest der Messungen lag jedoch vollständig in der Hand der italienischen Ingenieure des
Käufers. Diese wurden systematisch von den ca. 25 eingeladenen Teilnehmern abgeschirmt, da der
Käufer unbekannt bleiben will. Bekannt ist lediglich der Name des Ingenieurs, der die Abnahme
gemacht hat, ein gewisser Herr Domenico Fioravanti.
Der Megawatt-Generator im Betrieb
Diese Intransparenz ist nicht nur wissenschaftlich unzufriedenstellend, wie der Insider und Archivar
des Forschungsgebietes Jed Rothwell kommentiert
Die höflichen Skeptiker werden sagen, dass Rossi keinen unanfechtbaren Beweis seiner
Behauptungen erbracht hat. Ich muss zustimmen. Er hätte das leicht tun können, hat sich aber
dagegen entschieden. ... Wenn man das [Abnahmeprotokoll] glaubt, ist die Sache klar. Ein
Messfehler ist ausgeschlossen. Ich glaube es, aber ich muss auch zugeben, dass es sich um ein
gigantisches und teures Betrugsmanöver handeln könnte. Ich gebe zu, dass es dafür eine winzige
Chance gibt. Es gibt keinen unabhängigen Beweis, dass das Dokument echt ist.
Jed Rothwell
Einer derjenigen, die Rossi einen Betrug unterstellen, ist der Fachjournalist Steve Krivit vom
Branchendienst New Energy Times. Belege hat er jedoch auch keine. Wer Rossi beobachtet hat was er in seinem Blog schreibt, wie er Experimente präsentiert und mit Menschen umgeht -, der
bekommt den Eindruck eines hart arbeitenden Ingenieurs, der von einer Idee besessen ist, eine
Technologie realisieren und dabei keine Geheimnisse preisgeben will. Er hat hohe Geldbeträge
abgelehnt und sogar sein Haus verkauft, um den Megawatt-Reaktor zu entwickeln.
Sollte es irgendwelche Indizien für einen Betrug geben, würden auch die Wissenschaftler der
Universität Bologna, die den Reaktor begutachtet und einen Forschungsvertrag mit Rossis Firma
EON srl bzw. Leonardo Corporation unterschrieben haben, den Ruf der ältesten Universität Europas
leichtsinnig aufs Spiel setzen. Für Giuseppe Levi von der Universität Bologna war das Experiment
vom 28. Oktober 2011 ein "unabhängiger" und "weiterer Beleg, dass es funktioniert"
(hervorgehoben durch Levi). Betrugsvorwürfe will er Telepolis gegenüber nicht kommentieren: "In
der Wissenschaft gewinnen immer Fakten und die Wahrheit."
Mehrere Experimente dieses Jahr
Nach dem Experiment am 14. Januar 2011 war es zu einer Reihe weiterer, teils unabhängiger oder
gescheiterter Tests gekommen. Am 29. März nahmen Sven Kullander von der schwedischen
Uppsala Universit und Hanno Essén vom schwedischen Royal Institute of Technology (Interview)
an einem Experiment in Bologna teil. Wie Levi zuvor hatten sie Gelegenheit, sämtliche Bauteile bis
auf die etwa 50 Kubikzentimeter große Reaktorkammer zu inspizieren.
Da sie eine Energieproduktion von 25 Kilowattstunden gemessen hatten, schlossen sie jegliche
chemische Energiequelle aus: "Die einzige alternative Erklärung ist, dass die gemessene Energie
durch eine Kernreaktion entsteht." Im Juli tauschten sich Rossi und Wissenschaftler der Uppsala
University über ein potenzielles Forschungsprojekt aus. Parallel hatte sich Rossi an die
Forschungsabteilung der US-Raumfahrtbehörde gewandt. Tests, bei denen NASA-Wissenschaftler
im September anwesend waren, sind laut New Energy Times jedoch gescheitert. Die NASA sieht in
Low Energy Nuclear Reactions, der Fachbezeichnung für Phänomene wie der Kalten Fusion, den
"derzeit interessantesten und vielversprechendsten [Technologiesektor]".
Andrea Rossi in einer Megawatt-Anlage. Bild: Massimo
Brega/Focus/Focus.it
Der letzte Test vor der Abnahme, mit der Rossi demonstrieren wollte, dass der Reaktor auch ohne
Zufuhr Energie produzieren kann, fand am 6. Oktober statt. Dass von diesem Experiment
Messdaten vorliegen, liegt nur daran, dass der Journalist Mats Lewan von NyTeknik die
angeschlossenen Messgeräte abgelesen hatte. Rossi wollte ursprünglich nur zeigen, dass der
Reaktor stundenlang ohne Energiezufuhr heiß bleibt.
Dass er dieses auch tat und die Temperatur zeitweise sogar dramatisch anstieg ist für Rothwell
Beweis genug für eine anomale Energieproduktion. Letzten Endes hat Rossi dadurch, dass er Tipps
zur Verbesserung der Messanordnung nicht berücksichtigt hat, dazu beigetragen, dass auch dieses
Experiment messtechnisch anfechtbar ist. "Das Experiment war näher dran, glaubwürdig zu sein,
als je zuvor", folgert der Amerikaner Horace Heffner, "nur ein paar Änderungen hätten den großen
Unterschied gemacht". Rossi ist kein Wissenschaftler - nichtmal Focardi kennt das Geheimnis, den
geheimen Katalysator. Für Rossi zählt einzig und allein der Markt.
Wer ist der Käufer?
Laut Rossi ist die Pilotanlage mittlerweile dem Käufer übergeben worden. Eine zweite werde in
drei Monaten an einen anderen Kunden geliefert. Nächstes Jahr will er mit seiner Firma 30 bis 100
Anlagen bauen. Wer eine kaufen möchte, solle sich melden.
Ursprünglich sollte der Test am 28. Oktober gemeinsam mit dem griechischen Konsortium
Defkalion Green Technologies durchgeführt werden. Defkalion hatte auf einer prominent besuchten
Pressekonferenz am 23. Juni 2011 sein Produkt zur Erzeugung "billiger und sauberer
Wärmeenergie" auf der Basis von Rossis Erfindung vorgestellt. Defkalion und Rossi haben sich
mittlerweile jedoch getrennt.
Möglicherweise kommt dadurch jedoch Wettbewerb auf, denn, obwohl Rossi behauptet, dass
Defkalion die Technologie nicht besitzt, streben die Griechen auf den Markt. Ein eigener MegawattReaktor soll noch dieses Jahr fertiggestellt werden und Anfang 2012 in Produktion gehen. Rossi hat
mittlerweile Patentschutz für Italien, aber noch kein internationales Patent. Und er ist fest
entschlossen, sein Geheimnis zu beschützen. Laut eigenen Aussagen entwickelt er ein Verfahren,
das den Reaktorkern zerstört, wenn Unbefugte versuchen, ihn zu öffnen.
Derweil schießen Spekulationen ins Kraut, welche die Organisation ist, die den ersten Reaktor
gekauft hat. Das Rätselraten geht in zwei Richtungen: Erstens enthält die veröffentlichte ExcelDatei, in der der Käufer die Messdaten ausgewertet hat, unter den Dokumenteigenschaften den
Firmeneintrag "Manutencoop Facility Management". Als Unternehmen, das Klima-, Kühl-,
Feuerschutzanlagen sowie elektrische und Beleuchtungssysteme für große Gebäudekomplexe
anbietet, hat es großen Bedarf an günstiger Wärmeenergie, die sich natürlich auch in Strom wandeln
lässt.
Die zweite Spur führt in Richtung Militär. Über Colonel Ingenieur Domenico Fioravanti, der die
Abnahme für den Kunden gemacht hat, schreibt Rossi, er sei Ingenieur für die NATO mit 30jähriger Erfahrung mit Wärmemessungen. NyTeknik-Reporter Lewan hat sich ausführlich mit
Fioravanti unterhalten und bestätigt, dass dieser tiefe Kenntnisse über thermische Anlagen besitzt.
Fioravanti war auch am Test des 6. Oktober als "Berater" anwesend.
Kommende Forschungsprojekte
Wenn Rossis Firma Einnahmen generiert, kann auch das zweijährige Forschungsprojekt mit der
Universität Bologna beginnen. Die Gruppe um Professor Levi steht bereit, im ersten Jahr die
Funktionsweise des Reaktor zu studieren und ihn im zweiten Jahr versuchen zu erklären. Auch
sollen Verhandlungen mit der Universität Uppsala wieder aufgenommen werden. Wer als Käufer
oder Journalist auf eine akademische Bewertung nach allen Regeln der Kunst warten möchte, wird
also zwei Jahre warten müssen.
Die Bedeutung der ganzen aktuellen Entwicklung hat Terry Blanton auf der vortex-l Mailingliste
treffend zusammengefasst:
Wenn es ein Betrug ist, wird es wahrscheinlich Rossis letzter sein. Es ist hier eine Menge Geld
ausgegeben worden. Wenn nicht, sagt den Kids von Occupy Wallstreet, dass wir einen neuen Weg
haben, sie warm zu halten.
Terry Blanton
Kalte Fusion als Game Changer
Haiko Lietz 23.03.2012
Teil 11: Anwendungen der Kalten Fusion haben das Potenzial,
derzeitige Systeme zu revolutionieren
In 2012 oder 2013 kommen Warmwasserboiler, die auf Kalter Fusion basieren, in großen
Stückzahlen zu Kampfpreisen auf den Markt. Dies haben zumindest Andrea Rossis Leonardo
Corporation und das griechische Konsortium Defkalion Green Technologies angekündigt (Kalte
Fusion in der Black Box?, Kalte Fusion als Technologie). Weitere Unternehmen streben auf den
Markt. Aufsehen erregt auch die NASA, die die saubere Energieproduktion durch Kalte Fusion
bestätigt und Anwendungen in Luft- und Raumfahrt, aber auch zu Hause in greifbare Nähe rückt.
Vieles könnte sich fundamental ändern, von der Energieinfrastruktur bis hin zur Geopolitik (Kalte
Fusion und die Zukunft). Doch auch die Wissenschaft ist gefragt, denn die Kalte Fusion will
verstanden werden.
Es ist Zufall, dass George Miley sein Konzept einer auf Kalter Fusion basierende Batterie gerade
heute, am 23. Jahrestag der Bekanntmachung der Kalten Fusion, auf der Konferenz Nuclear and
Emerging Technologies for Space vorstellt. Zur Stromversorgung von Deep-Space-Sonden werden
sogenannte Radionuklidbatterien verwendet. Sie erzeugen gut 4 Kilowatt Wärmeleistung aus dem
radioaktivem Zerfall von Plutonium. Letzteres macht sie jedoch nicht nur teuer, sondern auch
gefährlich. Miley schlägt vor, sie durch LENR-Batterien zu ersetzen. LENR (Low Energy Nuclear
Reactions) ist der Oberbegriff für die Kalte Fusion von Elementen bei bis zu mehreren hundert
Grad Celsius. Im wissenschaftlichen Mainstream ist eine Kalte Fusion in den vergangenen 23
Jahren aus theoretischen Erwägungen für unmöglich gehalten worden.
Miley ist emiritierter Physikprofessor an der University of Illinois und hatte als Chefredakteur von
Fusion Science and Technology Aufsätze zur Kalten Fusion zugelassen, als eine Veröffentlichung in
anderen Journals schwierig bis unmöglich war. In den 90er Jahren hat er mit James Patterson an
einer der damals vielversprechendsten Anwendungen der Kalten Fusion gearbeitet. Die Patterson
Power Cell hatte mehrfach die Produktion von 1 Kilowatt Wärmeleistung demonstriert, und es gab
einen Vertrag mit einer Firma zum Vertrieb von Wasserboilern. Außerdem deutete sich die
Möglichkeit an, radioaktiven Sondermüll neutralisieren zu können. Nach Pattersons Tod war es still
geworden um den Reaktor. 1 Kilowatt war die größte Produktion von Wärmeleistung, bis Andrea
Rossi 2010 auf den Plan trat.
Rossi arbeitet angeblich mit Siemens-Turbine an Kraft-Wärme-Kopplung
Wie die Patterson-Zelle basiert Rossis Technologie auf einer Reaktion von Wasserstoff und
nanostrukturiertem Nickel, bei der Energie aus Kernreaktionen entsteht. Zuletzt hatten wir hier
berichtet, dass Rossi am 28. Oktober 2011 angeblich einen 1-Megawatt-Generator verkauft habe
(Kalte Fusion als Technologie). Wer dieser Käufer sein soll, ist bis heute nicht bekannt. Rossi teilte
mit, "es ist militärische Forschung, und ich kann keine weiteren Details enthüllen, weder den
Namen, den Ort, noch die Nationalität des Käufers." Gegenüber E-Cat World sagte er, der Reaktor
würde dem Käufer erst im März 2012 übergeben. Danach würden elf weitere für denselben Kunden
gebaut. Derzeit arbeiteten 50 Personen für seine Leonardo Corporation, die mittlerweile durch
Umwandlung in eine Investmentgesellschaft über ausreichend finanzielle Mittel verfüge.
Das Produkt, der Energy Catalyzer (ECAT), hat mittlerweile eine Webseite. Der ECAT 1 MW Plant
kostet demnach gut 1,1 Millionen Euro, die Lieferzeit beträgt vier Monate und Aufträge werden
entgegengenommen. Alle Produkte würden garantiert sechsmal mehr Energie erzeugen, als sie in
Form von Elektrizität verbrauchen, und seien weder umwelt- noch gesundheitsschädlich. ECAT
Home Units (33x33x6 cm, 10 kg) zur häuslichen Erzeugung von Warmwasser seien abschließend
getestet, fertig designt und würden derzeit vom US-TÜV Underwriter Laboratories geprüft.
"Wichtige Zulassungen" bestünden bereits.
Rossi hat klargemacht, dass er gedenkt, mit großen Stückzahlen und kleinen Preisen "jeglichen
Wettbewerb auszuschalten". Derzeit werde in den USA eine vollautomatische Produktionshalle
gebaut. Mit der finalen Marktzulassung würde auch die Massenproduktion beginnen. Ein Gerät soll
zwischen 450 und 700 Euro kosten und ab 2013 geliefert werden können. In einem Haus soll es
zunächst zusätzlich zur existierenden Warmwasseranlage installiert werden. Die Nickelpatronen
könne man nach einem halben Jahr eigenhändig austauschen. Vertriebspartner gebe es in fast allen
Ländern. Schließlich habe Leonardo bereits über 100.000 Kaufbekundungen erhalten, deren
Absender ab Lieferbeginn nach und nach angeschrieben würden.
All dies sind Behauptungen Rossis. Es gibt weder Fotos einer Baustelle noch Aussagen von
Zweiten, die seine bestätigen. Auch hat er Widersprüche produziert. Wie seine Aussage Ende 2011,
dass die Produktion in den USA bereits begonnen habe. Später äußerte er, es finde "derzeit jede
Produktion, Vertrieb und Verwendung der Geräte in Übersee" statt. Gegenüber Cold Fusion Now
hat der italienische Ingenieur gesagt:
Tatsache ist, jedes Mal, wenn ich den Namen eines Käufers oder Lieferanten genannt habe, sind die
armen Leute von einer Flut inopportuner Kontakte überschwemmt worden. Sie können sich
vorstellen, wie riskant es aus einer Perspektive der Sicherheit sein kann, wenn wir zu diesem
Zeitpunkt die Adresse bekannt geben, wo wir arbeiten. In der nächsten Zeit wollen wir in Frieden
arbeiten.
Andrea Rossi
Vielleicht aus diesem Grund hat er eine Vereinbarung mit der Universität Bologna auslaufen lassen,
die den ECAT auf Herz und Nieren prüfen wollte. Überraschenderweise hatte Rossi am 20. Februar
den aktuellen Entwicklungsstand jedoch an der schwedischen Uppsala University demonstriert. Der
Chemieprofessor Roland Pettersson zeigte sich beeindruckt und sagte NyTeknik, das System arbeite
nun viel stabiler.
Fest steht, dass Leonardo Corporation mit National Instruments (NI) zusammengearbeitet hat.
Kontrollsysteme von NI sind sowohl im Large Hadron Collider der Europäischen Organisation für
Kernforschung (CERN) als auch im Tokamak-Heiße-Fusion-Reaktor des Max-Planck-Instituts für
Plasmaphysik in Garching im Einsatz. Im November hatte NI außerdem mitgeteilt, "die Leonardo
Corporation beabsichtigt, NI-Komponenten in ihrem Kontrollsystem zu verwenden". Im Februar
endete die Kooperation jedoch angeblich, da der Käufer der Megawatt-Anlage bereits einen anderen
Partner für diesen Zweck habe. Laut eigenen Angaben lernt Rossi sehr viel von diesem Käufer,
insbesondere hinsichtlich der Produktion von Elektrizität.
Mitte Februar soll die Siemens AG in Bologna eine Turbine vorgestellt haben, mit der schon bei
relativ niedriger Dampftemperatur effizient Strom produziert werden kann. Wegen dieses
"Durchbruchs" meint Rossi, könnte die ECAT-Stromerzeugung vielleicht früher beginnen, als
ursprünglich gedacht. Er will damit einer alten Forderung nachkommen - und seinem Traum: einen
Reaktor zu bauen, der sich selber mit Strom versorgt und damit völlig autark arbeitet. Rossi schwebt
eine Kraft-Wärme-Kopplung-Anlage vor, die 30 Megawatt Wärme und 7,5 Megawatt Strom
erzeugt. Anschaffungskosten: 23 Mio. Euro. Solch eine Anlage wäre ideal zur Energieversorgung
eines Wohnkomplexes oder einer Industrieanlage.
Wettbewerb kommt auf
Neben Rossis Leonardo Corporation streben mehrere andere Unternehmen mit ihren
Fusionstechnologien auf den Markt. Das sicherlich Aufsehen erregendste von ihnen ist Defkalion
Green Technologies (DGT) mit Sitz in Griechenland. Dieses Konsortium war kurz nach Rossis
halböffentlichem Experiment im Januar 2011 an die Öffentlichkeit gegangen, seine einzige Aufgabe
sei die Herstellung und Vermarktung der Rossi-Technologie (Kalte Fusion in der Black Box?). Im
August trennte man sich jedoch offenbar im Streit von Leonardo (Kalte Fusion als Technologie).
Über den Grund der Trennung ist nichts bekannt, doch gibt es einen öffentlichen Disput. DGT ist
weniger wortkarg und emotional als Rossi und informieren mit einem ausführlichen Datenblatt über
ihr Produkt. Der Hyperion soll aus bis zu neun LENR-Reaktorkernen bestehen, 5 bis 45 Kilowatt
Wärmeleistung produzieren und dieses Jahr zunächst in Griechenland auf den Markt kommen.
Auch eine 5-Megawatt-Anlage soll erhältlich sein. EU-Sicherheitszertifikate seien in Bearbeitung.
Die Nachfrage sei bereits größer, als gedeckt werden könne.
"Hyperion"-Prototyp von Defkalion Green Technologies. Bild: Defkalion Green Technologies
Ende Januar hatte DGT "international anerkannte und renommierte wissenschaftliche und
wirtschaftliche Organisationen" aufgerufen, unabhängige Tests des Hyperion durchzuführen, und
war damit einer Forderung der Wissenschaft nachgekommen. Mitte Februar wurde Sterling Allan
von Pure Energy Systems News der Testreaktor gezeigt. Ende Februar teilte Defkalion mit, dass
zwei von sieben internationalen Gruppen ihre Tests bereits durchgeführt hätten. Darunter sei auch
die griechische Regierung, die sich von der nuklearen Natur des Effekts habe überzeugen wollen.
Die griechische Regierung, die bereits seit Frühling 2010 im Bilde sein soll, hat ihre Involvierung
gegenüber NyTeknik weder bestätigt noch abgestritten. Testprotokolle sollen in Abstimmung mit
DGT veröffentlicht werden. Bereits im Dezember hatte ein Vertrauter von Jed Rothwell Defkalions
Geräte in Augenschein genommen und den Geschäftsplan besprochen. Er kam zu dem Ergebnis:
Die Entwicklungen und Geschäftstätigkeit wecken große Erwartungen. Diese Leute sind
hochprofessionell. Forschung und Entwicklung sind erstklassig. Die Laborausstattung ist
erstklassig. Ihre kommenden Produkte sind revolutionär. Sie sind die besten LENRImplementierungen, die je gemacht worden sind.
Quelle von Jed Rothwell
Rothwell betreibt das Archiv LENR-CANR.org, ist im Forschungsgebiet bestens vernetzt und
genießt dort großes Vertrauen.
Weitere Organisationen sind im Zuge der "größten Investitionsmöglichkeit des 21. Jahrhunderts", so
der Zukunftsforscher Gerald Celente zur aktuellen Entwicklung (Kalte Fusion in der Black Box?),
gegründet worden oder in Aufwind geraten. Francesco Piantelli, der Vater der Nickel-WasserstoffFusion, hat Investoren gefunden und verfolgt mittlerweile kommerzielle Ziele mit seinem
Unternehmen nicHenergy. Piantelli hat Anrecht auf Patentschutz im Rahmen des so genannten
Zusammenarbeitsvertrags. Die Anwälte von Andrea Rossi, der seinen ECAT komplett überarbeitet
und neue Patente beantragt hat, dürften sich Piantellis Patente aufmerksam durchgelesen haben.
Von der von Rossi generierten Aufmerksamkeit scheint auch die Brillouin Energy Corporation zu
profitieren, die ebenfalls kommerzielle Anwendungen der Nickel-Wasserstoff-Fusion entwickelt.
Forscher des US-Marine-Labors SPAWAR führen ihre Forschung mittlerweile in der Global Energy
Corporation weiter, nachdem die Arbeit bei der Marine von oben unterbunden wurde. Unter dem
Namen Cold Fusion Energy, Inc. haben sich Wissenschaftler zusammengeschlossen, um
Anwendungen der Kalten Fusion in die Welt zu bringen. BlackLight Power (Durchbruch bei der
Gewinnung von Energie aus Wasserstoff?) hat in seinen Reaktoren zwar offenbar keine Kalte
Fusion, dafür aber laut Dafürhalten einiger Forscher vielleicht einen Teil ihrer Erklärung. Die Liste
ließe sich fortführen.
Game Change
In den letzten Jahren hat sich Miley dem nanotechnologischen Ansatz von Yoshiaki Arata
(Lobbying für die Kalte Fusion) gewidmet und mit Studenten einen zuverlässigen LENR-Reaktor
gebaut, der 75-200 Watt Überschusswärme erzeugt. Die für eine Radionuklidbatterie benötigte
Leistung sei erreichbar. Eine LENR-Batterie sei ein Game Changer, und auch die NASA habe
dieses bereits erkannt.
NASA-Konzept eines Raumtransporters mit Kalte-Fusion-Antrieb. Bild: NASA
Das NASA Glenn Research Center hat sporadisch LENR-Experimente durchgeführt und sowohl
1989 als auch 2009 eine anomale Energieproduktion bestätigt. Die von Rossi und Piantelli
demonstrierte Technologie sei "potenziell ein Game Changer für Raumfahrtantriebe und den
Energiebedarf von Fahrzeugen". NASA-Wissenschaftler haben sich im Juli mit Rossi getroffen, um
Anwendungen seiner Technologie zu besprechen und sie möglichst zu testen. Zu einem Test war es
jedoch nicht gekommen, da Rossi einen Reaktor verkaufen statt zur Verfügung stellen wollte. Auch
auf Piantelli sind die NASA-Wissenschaftler zugegangen. Auf einem LENR-Workshop am 22.
September, an dem auch Miley teilnahm, sagte der oberste Wissenschaftler des NASA Langley
Research Center, Dennis Bushnell:
Je nachdem, wie sich die Performanz herausstellt, scheint LENR die Luft- und Raumfahrt
grundlegend revolutionieren zu können. Keine einzelne Technologie kommt auch nur in die Nähe
der potenziellen Auswirkungen von LENR auf Missionen der Agentur. … Übrigens - LENR löst
(auch) das globale Klima- und Energieproblem
Dennis Bushnell
Im Januar schließlich erhielt die NASA große Aufmerksamkeit, als der Wissenschaftler Joseph
Zawodny die saubere Energieproduktion durch Kalte Fusion im hauseigenen Technology Gateway
bestätigte. Erste Anwendungen seien mit der Kraft-Wärme-Versorgung von Wohnhäusern zu
erwarten (Kalte Fusion und die Zukunft).
"Game Changer" steht generell für ein Objekt oder Ereignis, das eine Situation fundamental ändert.
Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen auf LENR-Basis, wie sie derzeit angestrebt werden, wären
offensichtlich ein Schlag für die derzeitige zentralisierte Energieinfrastruktur. Auch geopolitische
Umwälzungen sind möglich, wenn die Abhängigkeit vom Öl nicht mehr besteht. Eins hat sich
bereits geändert: Im Januar hat das Massachusetts Institute of Technology erstmals nachgegeben
und ein Studentenseminar zur Kalten Fusion zugelassen. In diesem Rahmen wurde auch eine
Energieproduktion experimentell demonstriert.
Was in den Reaktorzellen der Entwickler jedoch genau vor sich geht, wie der Prozess theoretisch
beschrieben werden kann, ist wissenschaftlich offen. Aber kann etwas auf den Markt kommen, das
nicht verstanden ist? "Weitaus mehr Dinge, die wir alltäglich nutzen, sind realisiert worden, bevor
ein vollständiges wissenschaftliches Verständnis erreicht war", sagte Michael McKubre, Forscher
bei Stanford Research International und technischer Berater von Brillouin Energy, in Ca$h Flow
Radio. Rossi und Defkalion zeigen sich gewiss, dem Geheimnis auf die Spur gekommen zu sein.
Gestern haben Francesco Celani und Yogendra Srivastava vom italienischen Nationalen Institut für
Kernphysik auf Einladung am CERN ein Kolloquium zum aktuellen Stand der Erforschung der
Kalten Fusion gegeben. Trotz aller Fortschritte konstatierte Celani einen immensen
Forschungsbedarf. Die bisherige Forschung habe die Kalte Fusion zweifelsfrei bewiesen, sei wegen
mangelnder Finanzierung jedoch nur sehr langsam vorangekommen. Um funktionierende Reaktoren
zu verbessern und den Effekt zu erklären, sei es nun Zeit für ein gut finanziertes, internationales und
multidisziplinäres Forschungsprogramm.
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