Mathematik 1 für InformatikerInnen basierend auf der Vorlesung von Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Günther KARIGL Andreas Monitzer 29. März 2004 Inhaltsverzeichnis I Grundlagen 3 1 Zahlen 1.1 Die natürlichen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Beweisprinzip der vollständigen Induktion . 1.2 Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen . . . . . 1.3 Wie groß“ sind diese Zahlenmengen? . . . . . . . ” 1.4 Wie werden Zahlen im Computer dargestellt . . . 1.4.1 Darstellung zur Basis b > 1 . . . . . . . . 1.4.2 Darstellung im Computer . . . . . . . . . 1.5 Die komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Rechnen in C . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Darstellung in der Gauß’schen Zahlenebene 1.5.3 Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . 1.5.4 Multiplikation in Polarkoordinaten . . . . . 1.6 Die Restklassen modulo m . . . . . . . . . . . . . 1.6.1 Rechnen mit Kongruenzen . . . . . . . . . 1.6.2 Prüfziffernverfahren zur Fehlererkennung . 2 Mengen, Relationen und Abbildungen 2.1 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Relationen . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Äquivalenzrelationen . . . . . 2.2.2 Halbordnungsrelation . . . . 2.3 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Elementare Logik und Beweismethoden 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 5 7 9 10 10 11 11 11 12 12 13 14 15 16 . . . . . 18 18 19 21 23 25 29 INHALTSVERZEICHNIS 3.1 3.2 II 2 Aussagen und Prädikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Beweismethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.2.1 Umformung von aussagenlogischen Formeln . . . . . . . . . . . 33 Diskrete Mathematik 35 4 Kombinatorik 36 4.1 Grundregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.2 Das Inklusions-Exklusionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5 Graphentheorie 44 5.1 Wege und Kreise: Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Teil I Grundlagen 3 4 Grundlagen der Mathematik: • Logik: sprachlicher Rahmen • Mengenlehre: begrifflicher Rahmen Kapitel 1 Zahlen 1.1 Die natürlichen Zahlen N = {0, 1, 2, 3, . . .} (lt. ÖNORM mit Null) Axiome: 0, n → n+ , @n : n+ = 0, m 6= n ⇒ m+ 6= n+ , Induktionsprinzip (n+ = Nachfolger; siehe Folie Peanoaxiome“) ” Rechenoperationen: +, ·: uneingeschränkt ausführbar −, ÷: partiell ausführbar Ordnungsrelation: ≤ 1.1.1 Beweisprinzip der vollständigen Induktion Beispiel(e) 1.1.1. 1 = 1 = 12 1 + 3 = 4 = 22 1 + 3 + 5 = 9 = 32 Vermutung: Die Summe der ersten n ungeraden Zahlen ergibt n2 . sn = 1 + 3 + 5 + . . . + (2n − 1) = n2 Proof. 0 = 02 1 = 12 n=0: n=1: 5 ∀n ∈ N KAPITEL 1. ZAHLEN 6 allgemeiner Schritt: k → k + 1 sk+1 sk = 1 + 3 + 5 + . . . + (2k − 1) = k2 | +(2k + 1) 2 = 1 + 3 + 5 + . . . + (2k − 1) + (2k + 1) = k + (2k + 1) = k 2 + 2k + 1 = (k + 1)2 damit gilt allgemein: sn = n2 ∀n ∈ N ⇒ n X 2k + 1 = (n + 1)2 k=0 QED Satz 1.1.1 (Prinzip der vollständigen Induktion). Gilt für eine Aussage A(n), n ∈ N, dass (i) A(0) wahr (ii) A(k) ⇒ A(k + 1) für alle k ∈ N, dann ist A(n) wahr ∀n ∈ N A(0) Induktionsanfang“ A(n) ∈ N ” A(k) ⇒ A(k + 1) Induktionsschritt“ ” (A(k). . . Induktionsvoraussetzung, A(k + 1). . . Induktionsschritt) Bemerkung 1.1.1. • statt A(0) ist auch ein beliebiger Induktionsanfang A(n0 ) möglich, damit gilt dann ∀n ≥ n0 • statt (ii) kann auch (ii’) verwendet werden: A(0), A(1), . . . , A(k) ⇒ A(k + 1) ∀k ∈ N Beispiel(e) 1.1.2. A(n) : 1 + 2 + · · · + n = vollständige Induktion: (i) A(0) : 0 = A(1) : 1 = 0·1 2 1·2 2 √ √ n(n+1) 2 (nicht notwendig) (ii) es gelte bereits A(k): 1 + 2 + ··· + k = k(k + 1) 2 ∀n ∈ N Beweis durch KAPITEL 1. ZAHLEN 7 zu zeigen: A(k + 1): 1 + 2 + · · · + (k + 1) = (k + 1)(k + 2) 2 Proof. 1| + 2 +{z· · · + k} +(k + 1) = k(k + 1) + (k + 1) 2 A(k) k = (k + 1)( + 1) 2 (k + 1)(k + 2) = 2 ∀n ∈ N Damit gilt A(n) 1.2 QED Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen ' ' ' $ $ $ 0, 1, 2, . . . N 1 0, ±1, ±2, . . . Z & & & , − 34 , · · · 2 Q √ √ 2, 3, π, e, . . . R % % N⊂Z⊂Q⊂R % In Z = {0, ±1, ±2, . . .} kann +, ·, − uneingeschränkt ausgeführt werden. D.h. a+x = b ist stets lösbar in Z. Q = ab |a, b ∈ Z, b 6= 0 wobei ab = dc falls a · d = b · c → erweitern, kürzen; uneingeschränkt: +, ·, −, ÷ (Ausnahme: Division durch 0) ax = b lösbar (a 6= 0) KAPITEL 1. ZAHLEN −3 −2 −1 8 0 1 0 1 011 1 42 -N 2 a 3 a+b 2 √ -Z - Q (liegen dicht) b √ 2 2 = ab ? 0 1 √ √ Behauptung 1.2.1. 2 ∈ / Q, d.h. 2 ist keine rationale Zahl √ Proof. angenommen 2 = ab , wobei a, b ∈ N, b 6= 0, a, b teilerfremd ⇒ b2 = 2a2 ⇒ b2 gerade ⇒ b gerade, d.h. b = 2c mit c ∈ N. -R (2c)2 = 2a2 a2 = 2c2 ⇒ a2 gerade ⇒ a gerade ⇒ √ a, b gerade ⇒ Widerspruch: nicht teilerfremd! D.h. Annahme ist falsch, also ist 2∈ / Q (indirekter Beweis) QED R = Menge der reellen Zahlen = Menge aller Punkte auf der Zahlengeraden Rechenoperationen +, · = Menge aller endlichen und unendlichen Dezimalzahlen in R besitzen folgende Eigenschaften: (i) Abgeschlossenheit: a, b ∈ R ⇒ a + b, a · b ∈ R ∀a, b ∈ R (ii) Assoziativgesetze: (a + b) + c = a + (b + c) (a · b) · c = a · (b · c) ∀a, b, c ∈ R (iii) Existenz von neutralen Elementen: 0, 1 ∈ R a + 0 = 0 + a = a ∀a ∈ R a·1=1·a=a ∀a ∈ R (iv) Existenz von inversen Elementen: a + (−a) = (−a) + a = 0 ∀a ∈ R a · a1 = a1 · a = 1 ∀a ∈ R \ {0} KAPITEL 1. ZAHLEN 9 (v) Kommunikativgesetze: a + b = b + a ∀a, b ∈ R a · b = b · a ∀a, b ∈ R (vi) Distributivgesetze: a · (b + c) = a · b + a · c ∀a, b, c ∈ R (a + b) · c = a · c + b · c ∀a, b, c ∈ R hR; +, ·i: Körper hR, +i: Gruppe hR \ {0}, ·i: Gruppe hR, ≤i: ≤ natürliche Ordnung, verträglich mit + und · a≤b→a+c≤b+c a ≤ b, c ≥ 0 → a · c ≤ b · c c≤0→a·c≥b·c 1.3 ∀a, b, c ∈ R ∀a, b, c ∈ R ∀a, b, c ∈ R Wie groß“ sind diese Zahlenmengen? ” A Menge: |A| Mächtigkeit der Menge A endlich unendlich endlich: # Elemente, z.B. |0, 1, 2, 3, . . . , n| = n + 1 |N| = ℵ0 Aleph Null“ ” N ist abzählbar [unendlich] |Z| = ℵ0 , |Q| = ℵ0 → Z und Q sind abzählbar 1. Cantor’sches Diagonalverfahren⇒ genau so viele Brüche wie natürliche Zahlen KAPITEL 1. ZAHLEN 10 1 1 2 1 3 1 4 1 ··· 1 2 2 2 3 2 4 2 ··· 1 3 2 3 3 3 4 3 ··· 1 4 2 4 3 4 4 4 ··· ··· ··· ··· ··· ··· |R| = c Mächtigkeit des Kontinuums, c > ℵ0 , Kontinuumshypothese: c = ℵ1 1.4 Wie werden Zahlen im Computer dargestellt 126.5 = 1 · 102 + 2 · 101 + 6 · 100 + 5 · 10−1 Darstellung im Dezimalsystem x = ±xk xk−1 . . . x1 x0 .y1 y2 . . . = ±(xk 10k + xk 10k−1 + . . . + x1 101 + x0 100 + y1 10−1 + y2 10−2 + . . .) | {z } endlich oder unendlich wobei 0 ≤ xi < 10, 0 ≤ yi < 10 (Bem: Darstellung in R nicht eindeutig: 0.249̇ = 0.25, 0.9̇ = 1) 1.4.1 Darstellung zur Basis b > 1 x = ±(xk bk + . . . + x1 b1 + x0 b0 + y1 b−1 + y2 b−2 + . . .) 0 ≤ xi < b, 0 ≤ yi < b zumeist: b = 10, b = 2n z.B. 126.5 = 26 + 25 + 24 + 23 + 21 + 2−1 = (1111110.1)2 KAPITEL 1. ZAHLEN 1.4.2 11 Darstellung im Computer Gleitkommadarstellung zur Basis b: x = |{z} ± 0.x1 x2 . . . xn E ±e1 e2 e3 . . . em | {z } | {z } V orzeichen M antisse −1 −n Exponent P m−i ± n i=1 ei b d.h. x = ±(x1 b + . . . + xn b ) · b xi , ej ∈ 0, 1, . . . , b − 1; x1 6= 0 ⇒ Darstellung normiert Menge aller in Computern darstellbaren Zahlen ⇒ Menge M der Maschinenzahlen festgelegt durch b, n, m eng weit weit @ 0 @ größte Zahl @ kleinste positive Zahl (siehe Folie Rundungsfehler“) ” kleinste Zahl 1.5 Die komplexen Zahlen quadratische Gleichung: ax2 + bx + c = 0 √ 2 x1,2 = −b± 2ab −4ac < 0 keine Lösung in R eine Lösung in R Diskriminante D = b2 − 4ac = 0 > 0 zwei Lösungen in R √ x2 + 1 = 0, x = ± | {z −1} ı . . . imaginäre Einheit ı C = {a + bı|a, b ∈ R mit ı2 = −1} Menge der komplexen Zahlen z = |{z} a + |{z} b ı Realteil <(z) 1.5.1 Imaginärteil =(z) Rechnen in C (a + ıb) + (c + ıd) = (a + c) + ı(b + d) (a + ıb) · (c + ıd) = (ac − bd) + ı(bc + ad) KAPITEL 1. ZAHLEN 12 hC, +, ·i ist wieder ein Körper, R ⊂ C; eine Ordnung ≤, welche mit +, · verträglich ist, gibt es nicht mehr! 1.5.2 Darstellung in der Gauß’schen Zahlenebene Im 6 r z = a + ıb b a @ @ @ @ @ Rr @ - Re z = a + ıb = (a, b) Darstellung in kartesischen Koordinaten, insbesondere ı = (0, 1) z̄ = a − ıb konjugiert komplexe Zahl zu z Im 6 z = r(cosφ + ı sin φ) = [r, φ] Darstellung in Polarkoordinaten rz r φ 1.5.3 - Re Zusammenhang • [r, φ] → (a, b): a=r cos φ =Realteil b=r sin φ =Imaginärteil • (a, b) → [r, φ]: KAPITEL 1. ZAHLEN 13 √ r= a2 + b2 =Radius arctan ab (±π) falls a 6= 0 ±π falls a = 0, b 6= 0 φ= unbestimmt falls a = b = 0 π 2 2. 1. π 0 bzw. 2π ? 6 3. es gelte −π < φ ≤ φ (Hauptwert) 6 3π 2 4. Beispiel(e) 1.5.1. 2ı = (0, 2) = [2, π2 ] (trivial) √ √ −1 + 3ı = (−1, 3) = [2, 2π ] 3 √ √ r = a2 + b 2 √ = 1+3=2 φ = arctan − 3 = − π3 falscher Quadrant, daher +π ⇒ φ = 1.5.4 2π 3 Multiplikation in Polarkoordinaten zk = rk (cos φk + ı sin φk ) k = 1, 2 z1 z2 = r1 (cos φ1 + sin φ1 ) · r(cos φ2 + ı sin φ2 ) = r1 r2 (cos φ1 cos φ2 = sin φ1 sin φ2 +ı(sin φ1 cos φ2 + cos φ1 sin φ2 )) | {z } | {z } cos(φ1 +φ2 ) sin(φ1 +φ2 ) = [r1 r2 , φ1 + φ2 ] Also [r1 , φ1 ] · [r2 , φ2 ] = [r1 r2 , φ1 + φ2 ] (Drehstreckung) Folgerung: z = [r, φ] 6= 0 ⇒ z −1 = [ 1r , −φ], denn zz −1 = [r, φ][ 1r , −φ] = [1, 0] = 1 z = [r, φ] ⇒ z n = [rn , nφ] n ∈ Z, insbesonders r = 1: [1, φ]n = [1, nφ] Satz 1.5.1 (Moivre’sche Formel). (cos φ + ı sin φ)n = cos nφ + ı sin nφ √ wenn wn = z = [r, φ] ⇒ w = [ n r, φ+2kπ ] für k = 0, 1, . . . , (n − 1), n d.h. es gibt n verschiedene n-te Wurzeln von z in C KAPITEL 1. ZAHLEN 14 Beispiel(e) 1.5.2. w3 = 8 = [8, 0] ⇒ w w0 w1 w2 w1 u √ 0 + 2kπ 3 = [ 8, ] k = 0, 1, 2 3 = [2, 0] √ 2π 2π 2π = [2, ] = 2(cos + ı sin ) = −1 + 3ı 3 3 3 √ 4π 4π 4π = [2, ] = 2(cos + ı sin ) = −1 − 3ı 3 3 3 Im 6 Hauptwert u -Re w0 8=z u w2 (Die n-ten Wurzeln liegen immer auf den Ecken eines regelmäßigen n-Ecks) Satz 1.5.2 (Fundamentalsatz der Algebra). Jede quadratische Gleichung ist in C lösbar und hat dort im Allgemeinen 2 Lösungen. Jede algebraische Gleichung cn z n + . . . + c1 z 1 + c0 = 0 mit Grad n ≥ 1 mit reellen oder komplexen Koeffizienten besitzt in C im Allgemeinen n Lösungen. 1.6 Die Restklassen modulo m Seien a, b ∈ Z ( Modul“) ” a ≡ b mod m ⇔ m | (a − b), d.h. |{z} teilt ∃q ∈ Z m·q =a−b a kongruent b modulo m“ ” Beispiel(e) 1.6.1. 12 ≡ 26 mod 7, 12 ≡ 26(7), denn 7| 12 − 26} | {z −14 Bemerkung 1.6.1. a ≡ b mod m gilt genau dann, wenn a mod b bei Division durch a = q1 m + r m den selben Rest hat, denn ⇔ a − b = (q1 − q2 )m ⇔ m|a − b b = q2 m + r KAPITEL 1. ZAHLEN 1.6.1 15 Rechnen mit Kongruenzen a + c ≡ b + c mod m ∀a, b, c ∈ Z a·c≡b·c mod m a · c ≡ b · c mod m, ggT (c, m) = 1 größter gemeinsamer Teiler“ ” c und m sind teilerfremd. wenn a ≡ b mod m ⇒ Beweis für letzte Aussage. a·c ≡ a·c−b·c ≡ (a − b)c ≡ m|(a − b)c, ⇒ m|(a − b) ⇒a ≡ b · c mod m 0 mod m 0 mod m m und c teilerfremd b mod m QED Beispiel(e) 1.6.2. √ 12 ≡ 26 mod 7 | + 2 ⇒ 14 ≡ 28 mod 7 √ | − 3 ⇒ 9 ≡ 23 mod 7 √ | ÷ 2 ⇒ 6 ≡ 13 mod 7 denn ggT (2, 7) = 1 Betrachte ā = {x ∈ Z|x ≡ a mod m} (Restklasse von a mod m.) dh. 0̄ = {0, ±m, ±2m, ±3m, . . .} 1̄ = {1, m + 1, 2m + 1, −m + 1, −2m + 1, . . .} das sind endlich .. viele Restklassen . m − 1 = {m − 1, 2(m − 1), . . . , −m − 1} Z = 0̄ ∪ 1̄ ∪ . . . ∪ m − 1 Klasseneinteilung in die Restklassen mod m Zm = {0̄, 1̄, . . . , m − 1} Menge der Restklassen mod m Beispiel(e) 1.6.3. m = 4 : @ 0, 4, −4, 8, . . . @ @ @ @ @ Z = 0̄ ∪ 1̄ ∪ 2̄ ∪ 3̄ @ 3, 7, 11,@@ 1, 5, −3, −1, . . . @ 9, −7, . . . @ @ 2, 6, 10, . . . @ @ @ 0 @ @ 3 @ @ Z4 2 1 @ @ @ @ @ KAPITEL 1. ZAHLEN 1.6.2 16 Prüfziffernverfahren zur Fehlererkennung z.B. ISBN (Internationale Standard-Buchnummer) ISBN 3 − |{z} 211 − 82084 1 |{z} | {z } − |{z} Gruppe Verlag Titel Prüfziffer Allgemein: ISBN x1 − x2 x3 x4 − x5 x6 x7 x8 x9 − P wobei 10x1 + 9x2 + . . . + 2x9 + p ≡ 0 mod 11 p ≡ −10x1 − 9x2 − . . . − 2x9 mod 11 p ≡ x1 + 2x2 + . . . + 9x9 mod 11 p ∈ {0, 1, . . . , 9, X} | + 11(x1 + . . . + x9 ) zum Beispiel vorhin: p = 1 · 3 + 2 · 2 + 3 · 1 + 4 · 1 + . . . + 9 · 4 = 166 ≡ 1 mod 11 Behauptung 1.6.1. Jeder Fehler in einer Ziffer wird vom ISBN-Code erkannt. Proof. Angenommen 2 ISBN-Nummern unterscheiden sich höchstens in einer Stelle: x bzw. y s + nx ≡ s + ny mod 11 n ∈ {1, 2, . . . , 10} y ∈ {0, . . . , 9, X} s . . .Summe der restlichen Ziffern n(x − y) ≡ 0 mod 11 x − y ≡ 0 mod 11 da n teilerfremd zu 11 x ≡ y mod 11 x=y da x, y ∈ {0, . . . , 9, X} QED Wenn man 2 gültige ISBN-Nummern hat, die sich an höchstens einer Stelle unterscheiden, so unterscheiden sie sich an keiner Stelle, d.h. jeder Einzelfehler wird erkannt. Behauptung 1.6.2. Alle Vertauschungen zweier Ziffern werden vom ISBN-Code erkannt Proof. 2 ISBN-Zahlen: . . . x . . . y, . . . y . . . x (Rest gleich) angenommen beide Zahlen gültig⇒ s + nx + my ≡ s + ny + mx mod 11 n(x − y) + m(y − x) ≡ 0 mod 11 n, m ∈ {1, . . . , 10} (n − m)(x − y) ≡ 0 mod 11 n 6= m ⇒ x − y ≡ 0 mod 11 da ggT (n − m, 11) = 1 −9 ≤ n − m ≤ 9 ⇒ x ≡ y mod 11 x=y KAPITEL 1. ZAHLEN 17 QED Kapitel 2 Mengen, Relationen und Abbildungen 2.1 Mengen Eine Menge ist lt. Cantor eine Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Die Objekte heißen Elemente der Menge. → naı̈ve Mengenlehre (1895) Problematisch, beispielsweise Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten“ ” Beispiele: ASCII = {0, 1, . . . , 9, a, . . . , z, A, . . . , Z, =, :, &, . . .} passwd = {D7Zbk7$m, . . .} ( Die 7 Zwerge brauchen keine 7 $ mehr“) ” N, Z, . . . , C, Zm P = {x ∈ N|x ist eine Primzahl} x ∈ A, A ⊆ B, A ∩ B, A ∪ B, A 4 B, A × B (alles bekannt) M Menge, P (M ) = {A|A ⊆ M } Menge aller Teilmengen (Potenzmenge) z.B. M = {0, 1} ⇒ P (M ) = {∅, {0}, {1}, {0, 1}} Behauptung 2.1.1. Ist M endlich, so gilt |P (M )| = 2|M | Proof. (durch vollständige Induktion nach |M | = n) (i) n = 0 : M = ∅, |P (M ) = {∅}| = 20 = 1 √ (ii) k → k + 1, d.h. M = {a1 , . . . , ak , ak+1 } P (M ) = P ({a1 , . . . , ak }) ∪ {A ∪ {ak + 1}|A ⊆ {a1 , . . . , ak }} | {z } | {z } Teilmengen ohne ak+1 Teilmengen mit ak+1 ⇒ |P (M )| = |P ({a1 , . . . , ak })| + |{A ∪ {ak }|A ∈ P ({a1 , . . . , ak })}| 18 KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN 19 = 2k + 2k = 2k (1 + 1) = 2k · 21 = 2k+1 also |P ({a1 , . . . , ak+1 })| = 2k+1 , damit gilt |P (M )| = 2|M | für alle endlichen Mengen M . QED 2.2 Relationen z.B. 1≤3 5 ≡ mod 3 2|10 Z⊆Q allgemein a steht in Relation zu b“, aRb ” A × B = {(a, b)|a ∈ A, b ∈ B} kartesisches Produkt der Menge A und B A1 × A2 × . . . × An = {(a1 , . . . , an )|ai ∈ Ai für i = 1, . . . , n} Beispiel(e) 2.2.1. • A, B endlich, |A × B| = |A| · |B| B 6 b2 b1 ' u u u u u & u $ A×B a1 a2 % a3 -A • R2 = R × R, R3 , R4 , . . . , Rn • A = {0, 1}: A3 = {(0, 0, 0), (0, 0, 1), . . . , (1, 1, 1)} Definition 2.2.1. Unter einer Relation R zwischen den Mengen A und B versteht man eine Teilmenge R ⊆ A × B. Im Fall A = B heißt dieses R ⊆ A2 eine zweistellige Relation auf A. Anstelle von (a, b) ∈ R schreibt man zumeist aRb. Beispiel(e) 2.2.2. • M Menge aller Einwohner von Wien R1 ⊆ M × M : aR1 b wenn a verheiratet mit b R2 : aR2 b wenn a und b in dem selben Bezirk gemeldet sind KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN 20 • A = {1, 2}, B = {3, 4, 5} R = {(1, 3), (1, 4), (2, 4)} ⊆ A × B A B 1 3 2 4 5 Definition 2.2.2. Allgemein versteht man unter einer Relation R zwischen den Mengen A1 , . . . , An eine Teilmenge R ⊆ A1 × . . . × An . Sind insbesondere alle Ai = A, so nennt man R ⊆ An eine n-stellige Relation auf A. Beispiel(e) 2.2.3. • M Menge aller Einwohner von Wien R3 ⊆ M × M × M : (a, b, c) ∈ R3 wenn a Vater und b Mutter von c • Tabelle einer Datenbank, z.B. Kundendaten: KdNr Name Gebdatum Record → 0025 Huber 5.8.1981 . . . ... ... |{z} Feld einer Tabelle Tabelle=Relation, Record=Element der Relation Adresse 1150 Wien ... TelNr 01/7021963 ... Betrachtung einer zweistelligen Relation R auf einer Menge A: R ⊆ A2 → zugehöriger Graph GR GR : 1. Menge von Punkten (Knoten) entsprechend der Elemente von A 2. Menge von Pfeilen (Kanten), welche zwei Knoten a, b verbinden, wenn aRb gilt. z.B. A = {a, b, c, d}, R = {(a, a), (b, b), (a, b), (b, a), (a, c), (d, c)} GR : ( bd 9 a =h = == == == /c d Definition 2.2.3. Sei R eine zweistellige Relation auf einer Menge A. R heißt (R) reflexiv, falls aRa ∀a ∈ A KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN (S) symmetrisch, falls aRb ⇔ bRa ∀a, b ∈ A (A) antisymmetrisch, falls aRb, bRa ⇒ a = b (T) transitiv, falls aRb&bRc ⇒ aRc 21 ∀a, b ∈ A ∀a, b, c ∈ A Eine Relation R mit den Eigenschaften (R), (S), (T) heißt Äquivalenzrelation, eine Relation R mit den Eigenschaften (R), (A), (T) heißt Halbordnungsrelation. Beispiel(e) 2.2.4. • R1 erfüllt (S) R2 erfüllt (R), (S), (T) → Äquivalenzrelation • R ⊆ Z2 , aRb ⇔ a ≡ b mod 3 erfüllt (R), (S), (T) → Äquivalenzrelation • R ⊆ P (M )2 , ARB ⇔ A ⊆ B erfüllt (R), (A), (T) → Halbordnungsrelation • R ⊆ R2 , aRb ⇔ a ≤ b (natürliche Ordnung in R) erfüllt (R), (A), (T) → Halbordnungsrelation ferner a, b: es gilt stets a ≤ b oder b ≤ a ∀a, b ∈ R → Vollordnungsrelation • Sei A beliebige, α = A × A Allrelation“ erfüllt (R), (S), (T) ” ε = {(a, a)|a ∈ A} identische Relation, erfüllt (R), (S), (A), (T) → Äquivalenzrelation und Halbordnung 2.2.1 Äquivalenzrelationen z.B. A = {1, 2, 3, 4, 5}, a ≡ b mod 3 ist eine Äquivalenzrelation: 9 I1 94 I2 3e 5X → Klasseneinteilung: K1 = {1, 4} K2 = {2, 5} K3 = {3} A = K 1 ∪ K2 ∪ K3 Definition 2.2.4. Unter einer Klasseneinteilung (Partition) einer Menge A versteht man ein System von Teilmengen {Ki |i ∈ I} mit den Eigenschaften (1) Ki 6= ∅ ∀i ∈ I KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN (2) Ki ∩ Kj = ∅ S (3) i∈I Ki = A 22 ∀i, j ∈ I mit i 6= j angenommen a ∈ K: K = K(a) a heißt ein Vertreter“ ( Representant“) der Klasse K. Jedes Element aus K ist ein ” ” Vertreter, K wird über ein beliebiges Element aus der Menge referenziert. Satz 2.2.1. Die Äquivalenzrelationen auf einer beliebigen Menge A entsprechen einander umkehrbar eindeutig. Proof. (i) Jeder Partition {Ki |i ∈ I} der Menge A entspricht folgende Äquivalenzrelation R: a, b ∈ A: aRb ⇔ ∃Ki mit a ∈ Ki , b ∈ Ki R erfüllt: √ (R) √ (S) (R) aRb, bRc ⇒ a, b ∈ Ki , b, c ∈ Kj b ∈ Ki ∩ Kj ⇒ Ki = Kj , a, c ∈ Ki ⇒ aRc √ (ii) Jeder Äquivalenzrelation R auf der Menge A entspricht die Partition {K(a)|a ∈ A}, wobei K(a) = {b ∈ A|bRa} und es gilt aRb genau dann, wenn a und b in derselben Klasse liegen. Überprüfung der Klasseneigenschaften: (1) K(a) 6= ∅, denn a ∈ K(a), da aRa (2) K(a), K(b), angenommen K(a) ∩ K(b) 6= ∅. Z.z.: K(a) = K(b) sei c ∈ K(a) ∩ K(b). cRa, cRb ⇒ aRc, cRb ⇒ aRb ⇒ K(a) = K(b) (3) a ∈ K(a) A⊆ [ a∈A K(a) ⊆ A ⇒ A = | {z } ∈A [ K(a) a∈A Ferner gilt aRb ⇒ a ∈ K(b) ⇔ K(a) = K(b). QED Beispiel(e) 2.2.5. • Z, a ≡ b mod m(m ≥ 2) zugehörige Klassen: K(0) 0̄ 1̄ 2̄ = = = = .. . {b ∈ Z|b ≡ 0 mod m} {0, ±m, ±2m, ±3m, . . .} {1, 1 ± m, 1 ± 2m, . . .} {2, 2 ± m, 2 ± 2m, . . .} m − 1 = K(m − 1) = {m − 1, 2m − 1, 3m − 1, −1, −m − 1, . . .} KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN 23 0̄, 1̄, . . . , m − 1 heißen Restklassen modulo m Z = 0̄ ∪ 1̄ ∪ . . . ∪ m − 1 Restklassenzerlegung von Z Zm = {0̄, 1̄, . . . , m − 1} heißt auch Faktormenge von Z nach ≡ mod m. Allgemein: R Äquivalenzrelation: A/R Faktormenge von A nach R; Insbesondere Z/ ≡ mod m = Zm • 2.2.2 A beliebig, α Allrelation: A/α = {A}, d.h. nur eine Klasse ε identische Relation: A/ε = {{a}|a ∈ A} d.h. jedes Element ist eine Klasse für sich Halbordnungsrelation R ⊆ A × A, kurz ≤“ statt R ” Eigenschaften: (R), (A), (T) a ≤ b bedeutet (a, b) ∈≤ a ≥ b bedeutet b ≤ a a < b bedeutet a ≤ b und a 6= b a > b bedeutet b < a hA, ≤i heißt Halbordnung, z.B. hZ, ≤i Definition 2.2.5. Sei hA, ≤i eine Halbordnung. Dann heißt ein Element g ∈ A größtes Element“, falls g ≥ a∀a ∈ A“. Ein Element k ∈ A heißt kleinstes Ele” ” ment“, falls k ≤ a∀a ∈ A. Ein Element M ∈ A heißt maximales Element“, falls @a ∈ ” A : a > M . Ein Element m ∈ A heißt minimales Element“, falls @a ∈ A : a < m. ” Beispiel(e) 2.2.6. • hN, ≤i: 0 ist kleinstes Element, es gibt kein größtes Element. • hR, ≤i: es existiert weder ein kleinstes, noch ein größtes Element. • hP (M ), ⊆i: ∅ ist kleinstes Element, M größtes Element. • hP (M ) \ {∅}, ⊆i: @ kleinstes Element (für |M | > 1). Alle Mengen der Form {a} (a ∈ M ) sind minimal. Graphische Darstellung einer Halbordnungsrelation • durch Graphen G≤ • durch Hasse-Diagramm Definition 2.2.6. Ein Element a ∈ Aheißt unterer Nachbar von b ∈ A (bzw. b heißt dann deren Nachbar von a), falls a < b und kein c ∈ A existiert mit a < c < b. KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN 24 Sei hA, ≤i Halbordnungsrelation, R die zugehörige Nachbarrelation. Bei der Betrach/ b einfach a (seitliche Verschiebung von a möglich), tung des Graphen GR , statt a b erhalten damit das Hasse-Diagramm von ≤. Beispiel(e) 2.2.7. G⊆ : • hP ({0, 1}), ⊆i: {∅, {0}, {1}, {0, 1}} {0} ? 9 ∅ ?? ?? ?? ?? {1}U FF FF FF FF " / {0, 1} < xx x x xx xx Hasse-Diagramm: {0, 1} FF FF FF FF xx xx x x xx {0} G GG GG GG GG A = {a, b, c, d, e, f } mit x ≤ x x≤a • e≤d f ≤d ∅ w ww ww w w ww {1} ∀x ∀x a> >> >> >> b c e d == == == == f a größtes Element (es kann nur null oder ein größtes Element geben). b, c, e, f sind minimale Elemente, es existiert kein kleinstes Element. Es gibt Elemente, die nicht mit allen anderen Elementen vergleichbar sind, daher existiert hier kein kleinstes Element, daher ist die Definition eines minimalen Elmenets erst notwendig. KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN 25 • hZ, ≤i: 3 2 1 0 Kette −1 −2 −3 • n ∈ N, n > 1, Tn = {m ∈ N|m | n} | . . . teilt; Tn . . . Menge aller positiven Teile von n. Relation | erfüllt (R), (A), (T) → hTn , |i ist eine Halbordnung, z.B. T12 = {1, 2, 3, 4, 6, 12} 12 @ ~ ~~ ~ ~~ ~~ 4 @@ @@ @@ @@ @@ @@ @@ @ ~~ ~~ ~ ~ ~~ 2 @@ @@ @@ @@ 6 == == == = 1 2.3 3 Abbildungen Sonderfall einer Relation, damit Sonderfall einer Menge. Definition 2.3.1. Eine Relation R ⊆ A × B heißt Abbildung (Funktion), wenn zu KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN 26 jedem a ∈ A genau ein b ∈ B existiert mit aRb. Schreibweise: statt R ⊆ A × B jetzt f : A → B A . . .Definitionsmenge, B . . .Bildmenge (Wertemenge) statt aRb jetzt f (a) = b (a . . . Urbild, b . . . Bild/Wert) z.B. A B A a1 b1 a2 a1 b1 b3 a2 b3 b4 a3 b2 a3 B R (keine Abbildung) b2 b4 ƒ Definition 2.3.2. Eine Funktion f : A → B heißt (i) injektiv, wenn es zu jedem b ∈ B höchstens ein a ∈ A gibt, mit f (a) = b (d.h. falls f (a1 ) = f (a2 ) ⇒ a1 = a2 ∀a1 , a2 ), (ii) surjektiv, wenn es zu jedem b ∈ B mindestens ein a ∈ A gibt, sodass f (a) = b, (iii) bijektiv, wenn es zu jedem b ∈ B genau ein a ∈ A gibt, sodass f (a) = b, also wenn f injektiv und surjektiv ist. Ist f bijektiv, dann existiert die Umkehrabbildung f −1 : B → A mit der Eigenschaft f −1 (b) = a, wenn f (a) = b. Beispiel(e) 2.3.1. • Studierender→Matrikelnummer“: injektiv (nicht surjektiv, ” nachdem es auch tote“ Nummern gibt) ” Studierender→(Stamm-)Universität“: surjektiv ” Rektor→Universität“: bijektiv ” KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN A B ƒ 2 b1 b 2 b3 a3 b4 a1 a A injektiv (aber nicht surjektiv wegen b4) B ƒ a1 b1 a2 b2 surjektiv (aber nicht injektiv) a3 A B ƒ a1 b1 a2 b3 b2 bijektiv a3 • • 27 f :R→R f (x) = y = x2 f nicht injektiv f nicht surjektiv 2 G : R → R+ 0 mit g(x) = x √ 2 ∀y ≥ 0∃x mit g(x) = x = y z.B. x = y + 2 R+ 0 → R0 mit h(x) = x √ + −1 h ist bijektiv, inverse Abbildung h−1 : R+ =+ y 0 → R0 h Nun betrachten wir die Abbildung f : A → A, wobei A endlich ist, z.B.: KAPITEL 2. MENGEN, RELATIONEN UND ABBILDUNGEN A a1 a2 a3 28 B b1 b2 b3 Satz 2.3.1. Ist f : A → A eine Abbildung auf einer endlichen Menge A, dann sind folgende Bedingungen äquivalent: (i) f ist injektiv (ii) f ist surjektiv (iii) f ist bijektiv Proof. • (i)⇒(ii): sei A endlich, A = {a1 , . . . , an }, f : A →injektiv → f (A) = {f (a1 ), f (a2 ), . . . , f (an )} ⊆ A mit |f (A)| = n ⇒ f (A) = A, d.h. f ist surjektiv • (ii)⇒(iii) f : A → A, surjektiv, d.h. f (A) = A zu zeigen: f injektiv angenommen: F nicht injektiv, ∃ai , aj mit i 6= j : f (ai ) = f (aj ) ⇒ |f (A)| = |{f (a1 ), . . . , f (an )}| ≤ n − 1 < |A| Widerspruch zu f (A) = A, also muss f injektiv, und damit bijektiv sein. • (iii)⇒(i) trivial QED Kapitel 3 Elementare Logik und Beweismethoden 3.1 Aussagen und Prädikate Aussagen sind Sätze, welche wahr oder falsch sein können, d.h. einen Wahrheitswert aus der Menge B = {1, 0} (1. . . wahr, 0. . . falsch) annehmen können. Prädikate (Aussageformen) sind Ausdrücke der Form P (x1 , x2 , . . . , xn ), welche die Variablen x1 , . . . , xn enthalten und erst nach Belegung dieser Variablen mit Werten in einer gegebenen Grundmenge zu Aussagen werden. Beispiel(e) 3.1.1. Aussagen: • Die Erde ist ein Planet“ ” • 1 + 1 = 3“ ” • Jede gerade Zahl gröer als 2 ist die Summe zweier Primzahlen“ (Goldbach’sche ” Vermutung) Prädikate: • P (x) = x ist ein Planet“, x ∈ {Erde, M ond, Sonne} ” • T uip(x, y, z) = x ist Vater, y ist Mutter von z“, x, y, z ∈ Menge der Einwohner ” von Wien Wie kann man aus Aussagen bzw. Prädikaten neue logische Ausdrücke gewinnen? 29 KAPITEL 3. ELEMENTARE LOGIK UND BEWEISMETHODEN 30 1. Durch Verknüpfung von Aussagen mittels Junktoren: A, B Aussagen: ¬A: A ∩ B: A ∪ B: A → B: A ↔ B: A xor B: Negation Konjunktion Disjunktion Implikation Äquivalenz ausschließliches Oder 2. Durch Bindung von Variablen in Prädikate mittels Operatoren: P (x) Prädikat: ∃xP (x), ∀xP (x) → Prädikatenlogik (∃ . . .Existenzquantor, ∀ . . .Allquantor) Beispiel(e) 3.1.2. P (x, y) : x < y für x, y ∈ N • ∀x∃yP (x, y) wahre Aussage • ∃x∀yP (x, y) falsche Aussage • Q(y) = ∃xP (x, y): einstelliges Prädikat in y z.B. Q(0) = ∃xP (x, 0) falsche Aussage Q(10) = ∃xP (x, 10) wahre Aussage Definition der logischen Junktoren mittels Wahrheitstafel: A 1 1 0 0 B ¬A A ∧ B A ∨ B A → B A ↔ B A xor B 1 0 1 1 1 1 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1 1 0 1 1 1 0 1 0 0 1 1 0 Es gilt: A → B ist gleichbedeutend mit ¬A ∨ B, denn A 1 1 0 0 B ¬A ¬A ∨ B A → B 1 0 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 1 1 1 → identisch. Ferner ist A ↔ B gleichbedeutend mit (A → B) ∧ (B → A). Definition 3.1.1. Unter einer Formel der Aussagenlogik versteht man einen Ausdruck F (A, B, C, . . .), der sich in endlich vielen Schritten aus Aussagenvariablen A, B, C, . . . und Junktoren aufbauen lässt. z.B. F (A, B, C) = ¬(A ∨ B) → C Eine Formel F heißt KAPITEL 3. ELEMENTARE LOGIK UND BEWEISMETHODEN 31 (i) gültig (Tautologie), falls F für jede Belegung der Aussagenvariablen mit Werten aus B wahr ist, (ii) erfüllbar, falls F für mindestens eine Belegung wahr ist, (iii) unterfüllbar (Kontradiktion), falls F für keine Belegung wahr ist, d.h. stets den Wahrheitswert falsch besitzt. Beispiel(e) 3.1.3. Tautologie? • F (A, B, C) = (A → B) → [(A ∨ C) → (B ∨ C)] ist eine A B C A → B usw. F (A, B, C) 1 1 1 1 .. .. .. .. .. . . . . . 0 0 0 1 • F (A) = A ∨ ¬A ist eine Tautologie (Satz vom ausgeschlossenen Dritten) Kräht der Hahn am Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist.“ ” • G(A) = A ∧ ¬A ist eine Kontradiktion (Satz vom Widerspruch) • H(A) = A ∧ B ist erfüllbar Grundfrage nach Gültigkeit bezüglich Erfüllbarkeit einer Formel der Aussagenlogik: F (A, B, . . . , Z ) erfüllbar? gültig? | {z } n Variablen Für die enumerative Bestimmung durch eine Wahrheitstabelle werden 2n Zeilen benötigt! Wann sind 2 Formeln F1 , F2 gleichbedeutend“? ” z.B. A ∧ B, B ∧ A sind syntaktisch verschieden, aber semantisch gleich F1 ↔ F2 eine Tautologie, d.h. | {z } logische Äquivalenz wenn die Formeln F1 und F2 bei beliebiger Belegung ihrer Aussagevariablen entweder beide wahr oder beide falsch sind. ⇔“ = semantische (mathematische) ” Äquivalenz. Definition 3.1.2. • F1 ⇔ F2 , wenn • F1 ⇒ F2 , wenn F1 → F2 eine Tautologie ist, d.h. dass immer dann, wenn F1 wahr ist, auch F2 wahr sein muss: semantische (mathematische) Implikation. Beispiel(e) 3.1.4. • A ∧ B 6= B ∧ A, aber A ∧ B ⇔ B ∧ A • A → B ⇔ ¬A ∨ B (gleiche Wahrscheinlichkeitstafeln) KAPITEL 3. ELEMENTARE LOGIK UND BEWEISMETHODEN 32 • A → B ⇒ (A ∨ C) → (B ∨ C), denn (A → B) → [(A ∨ C) → (B ∨ C)] ist Tautologie • siehe Folie Sätze der Aussagen- und Prädikatenlogik Herleitung von mathematischen Sätzen erfolgt mittels ⇔ und ⇒: mathematischer Satz: A1 ∧ A2 ∧ . . . ∧ An ⇒ B , kurz A ⇒ B |{z} | {z } Vorraussetzung 3.2 Behauptung Beweismethoden 1. Direkter Beweis: Z.z.: A → B ist Tautologie 2. Indirekter Beweis (Widerspruchsbeweis): z.z.: A ∧ ¬B ist Kontradiktion (denn A → B ⇔ ¬A ∨ B ⇔ ¬(A ∧ ¬B)) 3. Beweis durch Kontraposition. Z.z.: ¬B → ¬A (denn A → B ⇔ ¬B → ¬A) 4. Beweis durch vollständige Induktion, falls B = B(n), n ∈ N (siehe Seite 5) Beispiel(e) 3.2.1. Wenn eine natürliche Zahl durch 6 teilbar ist, dann ist sie auch durch 3 teilbar: 6 | n ⇒ 3 | n ∀n ∈ N Beweis 1 (direkt). 6 | n, d.h. ∃k : 6k = n ⇒ 3 · (2k) = n, also 3 | n QED Beweis 2 (indirekt, durch Widerspruch). 6 | n, angenommen 3 - n ∃l : 6l = n, ∃k : n = 3k + 1 oder n = 3k + 2 ⇒ 6l = 3k + 1 oder 6l = 3k + 2 3(2l − 4) = 1 oder 3(2l − k) = 2 Widerspruch Widerspruch QED KAPITEL 3. ELEMENTARE LOGIK UND BEWEISMETHODEN 33 Beweis 3 (Kontraposition). Z.z.: 3 - n ⇒ 6 - n 3 - n, d.h. ∃k : n = 3k + 1 oder n = 3k + 2 wobei k = 2l (gerade) oder k = 2l + 1 (ungerade) ⇒ n = 6l + 1, n = 6l + 2, n = 6l + 4, n = 6l + 5 (einer dieser 4 Fälle müsste auftreten) ⇒6-n QED Beweis 4 (vollständige Induktion). Hier nicht wirklich angebracht, nur zur Demonstrationszwecken: (i) Induktionsanfang: n = 0 : 6 | 0 ⇒ 3 | 0 √ (ii) Induktionsschritt von k auf k + 1 → hier nicht beweisbar, daher die Alternative: Induktionsschritt von 0, 1, . . . , k auf k + 1 1. Fall 6 | k + 1 √ ⇒ 6 | k − 5 ⇒ (lt. Induktionsvorraussetzung) 3 | k − 5 ⇒ k | k+1 2. Fall 6 - k + 1, dann √ ist 6 | k + 1 ⇒ 3 | k + 1 automatisch richtig (”ex falso quod libet“) QED Sprechweise: A ⇒ B A ist hinreichend für B“ ” B ist notwendig für A“ ” 3.2.1 Umformung von aussagenlogischen Formeln Geg.: Formel F (A, B, C, . . .) Ges.: Semantisch äquivalente Formel G in möglichst einfacher Form, oder in standardisierter Form zB. G = _ (Xi ∧ Yi ∧ . . .) Xi , Yi , . . . ∈ {A, B, C, . . . , ¬A, ¬B, ¬C, . . .} i das ist eine Disjunktion von Konjunktionen von Aussagevariablen oder deren Negation = DNF (Disjunktive Normalform) KAPITEL 3. ELEMENTARE LOGIK UND BEWEISMETHODEN 34 Umwandlung in DNF 1. Darstellung von F mittels ¬, ∨, ∧ (A → B ↔ ¬A ∨ B, A ↔ B ⇔ (A → B) ∧ (B → A))) 2. Junktor ¬ unmittelbar von Aussagevariablen und nicht vor Klammern (¬(¬A) ⇔ A, ¬(A ∧ B) ⇔ ¬A ∨ ¬B, ¬(A ∨ B) ⇔ ¬A ∧ ¬B → DeMorgan) 3. Klammern mittels Distributivgesetz auflösen, sodass ∧ nur Aussagevariable und deren Negation (beides zusammen nennt man Literale“) verbindet ” Beispiel(e) 3.2.2. F (A, B, C) = (A ∨ B) → (A ∧ (¬A ∨ ¬C)) ⇔ ¬(A ∨ B) ∨ (A ∧ (¬A ∨ ¬C)) Implikation ⇔ (¬A ∧ ¬B) ∨ (A ∧ (¬A ∨ ¬C)) DeMorgan ⇔ (¬A ∧ ¬B) ∨ ((A ∧ ¬A) ∨(A ∧ ¬C)) Distributivgesetz | {z } ⇔0 ⇔ (¬A ∧ ¬B) ∨ (A ∧ ¬C) DNF Analog ist auch die Darstellung als Konjunktive Normalform“ (KNF) möglich. ” Teil II Diskrete Mathematik 35 Kapitel 4 Kombinatorik Kombinatorik = Kunst des Zählens. In diesem Kapitel sind alle betrachteten Mengen endlich. 4.1 Grundregeln • Summenregel: Gibt es m Elemente vom Typ A und n Elemente vom Typ B, dann gibt es n + m Möglichkeiten, ein Element vom Typ A oder B zu wählen, kurz |A ∪ B| = |A| + |B| falls A ∩ B = ∅. Beispiel(e) 4.1.1 (Autovermietung). Zur Auswahl stehen 5 VW und 3 Opel, also stehen insgesamt 8 Autos zur Auswahl. • Produktregel: Unter obigen Annahmen gibt es m·n Möglichkeiten, ein Element von Typ A und ein Element von Typ B zu wählen, kurz |A × B| = |A| · |B| Beispiel(e) 4.1.2. – Computerprogramm für 4 verschiedene Betriebssysteme, 7 verschiedene Benutzersprachen ⇒ 24 Versionen – Anzahl aller Binärfolgen der Länge n: 2 · 2 · . . . · 2 = 2n • Gleichheitsregel: Entsprechen die Typen A und B einander umkehrbar eindeutig, dann gibt es genauso viele Möglichkeiten, ein Element vom Typ A auszuwählen, wie für B, kurz A ∼ = B ⇒ |A| = |B| (∼ = . . .bijektiv/isomorph) Beispiel(e) 4.1.3. Mächtigkeit der Potenzmenge einer Menge M :P (M ) (mit |M | = n) P (M ) ∼ = {0, 1}, z.B. {a1 , a3 , a4 , an } ↔ (1, 0, 1, 1, 0, . . . , 0, 1) ⇒ |P (M )| = n |{0, 1} | = 2n 36 KAPITEL 4. KOMBINATORIK 37 Wir betrachten nun die Anordnung der Elemente einer n-elementigen Menge A. Definition 4.1.1. Eine Permutation ist eine (lineare) Anordnung der Elemente einer Menge A. Beispiel(e) 4.1.4. 3 Gläser mit Bier, Schnaps, Wein: A = {B, S, W } BSW BW S SBW SW B W BS W SB das sind 6 Permutationen: P3 = 3! = 3 · 2 · 1 = 6 Anzahl der Permutationen von A mit |A| = n: Pn = n! 1. Platz 2. Platz ... n. Platz n · (n − 1) · . . . · 1 = n! Möglichkeiten A = {a1 , a2 , . . . , an } n versch. Elemente: Menge A = {a1 , . . . , a1 , a2 , . . . , a2 , . . . , ar , . . . , ar } | {z } | {z } | {z } k1 -mal k2 -mal kr -mal Menge“, bei der das i-te Element ki -mal vorkommt = Multimenge ” k1 + k 2 + . . . + kr = n Definition 4.1.2. Eine Permutation mit Wiederholdung ist eine Anordnung der Elemente einer Multimenge. z.B. 3 Gläser mit Bier, Bier, Wein A = {B, B, W } BBW W BB 3 Permutationen: P32,1 BW B 3! =3 P32,1 = 2!1! Anzahl der Permutationen mit Wiederholung einer Multimenge A, bei der das i-te Element ki -mal auftritt (i = 1, . . . , r) und k1 + k2 + . . . + kr = n : Prk1 ,k2 ,...,kr = n! k1 !k2 ! . . . kr ! Proof. insgesamt n! Permutationen, wobei jeweils k1 !k2 ! . . . kr ! Permutationen zusamQED menfallen, also verbleiben k1 !k2n!!...kr ! Anordnungen. KAPITEL 4. KOMBINATORIK 38 Einschub 4.1.1 (Schreibweisen). n! = 1 · 2 · . . . · n n Faktorielle“ / n Fakultät“ ” ” 0! = 1 n n! = k!(n−k)! = n·(n−1)·...·(n−k+1) , n0 = 1 1·2·...·k k n über k“ (engl. “n choose k”): Binomialkoeffizient ” z.B. 5! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 = 120 5 = 1, 51 = 51 = 5, 52 = 0 1 2 0 0 0 0 2 1 1 1 5·4 1·2 = 10, 5 3 = 10, 5 4 = 5, 5 5 =1 Pascal’sches Dreieck: 2 2 1 1 2 1 1 1 2 1 4 8 1 3 3 1 16 1 4 6 4 1 1 5 10 10 5 1 32 Es gilt für 0 ≤ k ≤ n: n (i) nk = n−k n (ii) nk + k+1 = n+1 k+1 Pn n n (iii) k=0 k = 2 (ohne Beweis) Sei x, y ∈ R : (x + y)2 = x2 + 2xy + y 2 (x + y)3 = x3 + 3x2 y + 3xy 2 + y 3 (x + y)n = (x + y) · (x + y) · . . . · (x + y) | {z } n-mal Summe von Produkten der Form: xk y n−k n n! = k Anzahl: Pnk,n−k = k!(n−k)! also: P (x + y)n = nk=0 n k (k = 0, . . . , n) xk y n−k (Binomischer Lehrsatz) Nun betrachten wir Auswahlen von k Elementen aus n Elementen: KAPITEL 4. KOMBINATORIK 39 Definition 4.1.3. Eine Variation (k-Permutation) ist ein geordnetes k-tupel (a1 , . . . , ak ) verschiedener Elemente von A = {a1 , . . . , an }. Anzahl der Variationen von n Elementen zur k-ten Klasse: Vnk = n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1) = 1. Platz n 2. Platz n−1 ... ... Sonderfall k = n: Vnn = k-ten Platz (n − k + 1) n! 0! = n! (n−k)! n! (n − k)! Möglichkeiten = n! = Pn z.B. Wie viele verschiedene Wörter kann man aus je 3 der 4 Buchstaben W, I, E, N bilden? V43 = 4 · 3 · 2 = 24 Definition 4.1.4. Eine Variation mit Wiederholung ist ein geordnetes k-tupel (a1 , . . . , ak ) von nicht notwendig verschiedenen Elementen von A = {a1 , . . . , an }. k Anzahl der Variationen mit Wiederholung: W V n = nk . 1. Platz 2. Platz . . . k-ten Platz n n ... n = nk Möglichkeiten z.B. Fußballtoto: 12 Spiele: Tipps 1,2,X 12 n = 3, k = 12, W V 3 = 312 mögliche Tipps Definition 4.1.5. Eine Kombination ist ein ungeordnetes k-tupel {a1 , . . . , ak } verschiedener Elemente von A, das ist eine k-elementige Teilmenge von A. Anzahl der Kombinationen: Vnk n! 1 n k Cn = = = Binomialkoeffizient k! (n − k)! k! k 45 z.B. Lotto 6 aus 45“ 45·44·43·42·41·40 = = 8.145.060 Tipps 6! 6 ” Definition 4.1.6. Eine Kombination mit Wiederholung ist ein ungeordnetes k-tupel {a1 , . . . , ak } von nicht notwendig verschiedenen Elementen von A = {a1 , . . . , an }, das ist eine k-elementige Multimenge mit Elementen von A. k Anzahl der Kombinationen mit Wiederholungen: W C n = n+k−1 k Proof. Sei A = {1, 2, . . . , n} Kombination ohne Wiederholung: {a1 , . . . , ak } mit 1 ≤ a1 < a2 < . . . < ak ≤ n Cnk = |{(a1 , . . . , ak ) | 1 ≤ a1 < . . . < ak ≤ n}| = nk KAPITEL 4. KOMBINATORIK 40 Kombination mit Wiederholung: {a1 , . . . , ak } mit 1 ≤ a1 ≤ . . . ak ≤ n ⇔ 1 ≤ a1 < a2 + 1 ≤ a3 + 1 ≤ . . . ≤ ak + 1 ≤ n + 1 ⇔ 1 ≤ a1 < a2 + 1 < a3 + 2 < . . . < ak + k − 1 ≤ n + k − 1 |{z} | {z } | {z } | {z } b1 b2 b3 bn ⇔ 1 ≤ b 1 < b 2 < b 3 < . . . < bk ≤ n + k − 1 wobei bi = a1 + i − 1 (i = 1, . . . , k) W k C n = |{(a1 , . . . , ak ) | 1 ≤ a1 ≤ a2 ≤ . . . ≤ ak ≤ n}| = |{(b1 , . . . , bk ) | 1 ≤ b1 < k b2 < . . . < bk ≤ n + k − 1}| = Cn+k−1 = n+k−1 QED k Beispiel(e) 4.1.5. Wie viele verschiedene Würfe sind mit 3 Würfeln möglich, falls man die Würfel nicht unterscheidet? 6+3−1 8 8·7·6 W 3 C6 = = = = 56 3 3 1·2·3 (Übersicht: siehe Folie Grundaufgaben der Kombinatorik“) ” Beispiel(e) 4.1.6. Alphabet: A = {a, b, c, d} • Permutationen von A: abcd abdc acbd acdb .. . P4 = 4! = 24 dcba • Permutationen mit Wiederholung von {a, a, b, b}: aabb abab 4! abba P42,2 = =6 baab 2!2! baba bbaa • Variationen mit 2 Buchstaben: ab, ac, ad, ba, bc, bd, ca, cb, cd, da, db, dc V42 4! = 4 · 3 = 12 = (4 − 2)! KAPITEL 4. KOMBINATORIK 41 • Variation mit Wiederholung: siehe oben + aa, bb, cc, dd W 2 V 4 = 42 = 16 • Kombinationen mit 2 Buchstaben: 4·3 4 ab, ac, ad, 2 C4 = = =6 bc, bd, cd 2 1·2 • Kombinationen mit Wiederholung: siehe oben + aa, bb, cc, dd 4+2−1 5 W 2 = 10 C4 = = 2 2 Viele Probleme lassen sich auf diese Operationen abbilden! 4.2 Das Inklusions-Exklusionsprinzip '$ '$ |A ∪ B| = |A| + |B| − |A ∩ B| | {z } Anzahl der Elemente, welche mindestens eine der &% &% Eigenschaften A oder B besitzen. G A B Anzahl aller Elemente, welche keine der Eigenschaften A bzw. B besitzen: |Ā ∩ B̄| |Ā ∩ B̄| = |A ∪ B| = |G| − |A ∪ B| = |G| − |A| − |B| + |A ∩ B| '$ C '$ '$ |A∪B∪C| = |A|+|B|+|C|−|A∩B|−|A∩C|−|B∩C|+|A ∩ B ∩ C| &% | {z } A B Mitte &% &% Satz 4.2.1 (Inklusions-Exklusionsprinzip, Siebformel). Sind A1 , . . . , An Teilmengen einer endlichen Menge A, dann gilt: n [ X X X |A| − |Ai ∩ Aj | + |Ai ∩ Aj ∩ Ak | − + . . . Ai = i−1 i i<j i<j<k \ X +(−1)n−1 |A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An | = (−1)|I|−1 Ai I⊆{1,...,n},I6=∅ i∈I KAPITEL 4. KOMBINATORIK 42 Beweis durch vollständige Induktion nach n. [ \ √ X n=1: (−1)0 Ai Ai = |A1 | = i=1 I={1} i=1 n → n + 1: A1 , . . . , An , An+1 ⊆ A, Formel gelte schon für A1 , . . . , An n+1 [ Ai = i=1 n [ Ai ∪ An+1 i=1 n (3) [ ( Ai ) ∩ An+1 } | i=1 {z n [ (Ai ∩ An+1 ) | {z } i=1 Bi | {z } \ X − (−1)|I|−1 Bi i∈I I⊆{1,...,n},I6=∅ | {z } T P − I⊆{1,...,n+1},{n+1}⊂I (−1)|I| i∈I Ai n [ \ X lt. Vorraussetzung = (−1)|I|−1 Ai Ai n+1 n [ [ ⇒ Ai = Ai + |An+1 | − i=1 i=1 (2) i=1 i∈I I⊆{1,...,n},I6=∅ (1) (1) I ⊆ {1, . . . , n} (2) I = {n + 1} (3) I ⊆ {1, . . . , n + 1}, wo n + 1 ∈ I (1)+(2)+(3) = X I⊆{1,...,n+1},I6=∅ \ (−1)|I|−1 Ai i∈I QED |A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An | = |A| − |A1 ∪ . . . ∪ An | = |A| − |A1 | − |A2 | − . . . − |An | + |A1 ∩ A2 | + . . . − + . . . +(−1)n |A1 ∩ . . . ∩ An | KAPITEL 4. KOMBINATORIK 43 Beispiel(e) 4.2.1. • Gesucht ist die Anzahl aller Wörter der Länge 4 aus den Buchstaben {a, b, c, d, e}, welche mindestens ein a, b und c enthalten. Wa : Wörter ohne a, analog Wb , Wc ⊆ W . . . Wörter der Länge 4 Wa = W \ Wa Wörter mit mindestens einem a, Wb , Wc analog |Wa ∩ Wb ∩ Wc | = |W | − |Wa ∪ Wb ∪ Wc | = |W | − |Wa | − |Wb | − |Wc | + |Wa ∩ Wb | + |Wa ∩ Wc |+ |Wb ∩ Wc | − |Wa ∩ Wb ∩ Wc | = 54 − 3 · 44 + 3 · 34 − 24 = 84 • Wie viele Permutationen von n Elementen besitzen mindestens einen Fixpunkt (d.h. ein Element, welches seinen Platz behält)? z.B. {1, 2, 3} 1 2 3 132 2 1 3 also 4 von 6 Permutationen 2 3 1 mit mindestens einem Fixpunkt 312 321 A1 Menge aller Permutationen mit Fixpunkt 1, analog A2 , . . . , An ⊆ A (alle Permutationen) Sei xn = # Permutationen mit mindestens einem Fixpunkt xn = |A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ An | = |A1 | + . .. + |An | − |A1 ∩ A2 | − . . . = = n · (n − 1)! − n2 (n − 2)! + n3 (n − 3)! − + . . . + n−1 · 1 = n!(1 − 2!1 + 3!1 − + . . . + (−1)n−1 n!1 ) = P(−1) n n! i=1 (−1)i−1 i!1 insbesondere n = 3 : 3!(1 − 12 + 16 ) = 6 · 2 3 √ =4 Anteil der fixpunktfreien Permutationen an allen Permutationen: 1− 1 − (1 − 2!1 + 3!1 − + . . . ) P = 1 − 1 + 2!1 − 3!1 + − . . . = ni=0 (−1)i i!1 ≈ e−1 ≈ 0, 37 xn = n! Kapitel 5 Graphentheorie Als Beispiel nehmen wir das Königsberger Brückenproblem, das von Euler aus dem Jahre 1736 stammt. In Köngisberg (heute: Kaliningrad) gibt es 7 Brücken über den Fluss Pregel: 44 KAPITEL 5. GRAPHENTHEORIE 45 Eulers Frage ist nun: Kann man auf einem Spaziergang durch Königsberg jede der 7 Brücken genau einmal passieren?1 Dieses Problem lässt sich leicht auf ein s.g. Graphenproblem reduzieren. Definition 5.0.1. Unter einem gerichteten bzw. ungerichteten Graphen G versteh man ein Tripel hV, E, f h bestehend aus einer Knotenmenge V = V (G), einer Kantenmenge E = E(G) und der Inzidenzabbildung f : E → V bzw. f : E → {{v, w}|v, w ∈ V }. Dabei gilt f (e) = (v, w) bzw. f (e) = {v, w}, wenn die Kante e vom Anfangsknoten v zum Endknoten w führt. Beispiel(e) 5.0.2. G = hV, E, f i V = {a, b, c, d} E = {e1 , e2 , e3 , e4 , e5 } f : E → V 2 f (e1 ) = (a, a), f (e2 ) = (a, b) f (e3 ) = f (e4 ) = (b, c), f (e5 ) = (c, b) 6 b nnn • c e2 nnnn e1 6 •a nn nnn n n n e4 e3 e5 # •c •d (isolierter Knoten) Schlingen: 9• Zumeist betrachten wir Graphen ohne Mehrfachkanten und Schlingen → schlichter ” Graph“. G = hV, Ei E ⊆ V × V gerichtet E ⊆ {{v, w}|v, w ∈ V } ungerichtet w • |= Knoten v, w sind adjazent, e ||| | | die Kante e ist inzident mit v und w. || •v Sei V = {v1 , v2 , . . . , vn } eine endliche Knotenmenge. Nun betrachten wir die Maske 1 wenn vi , vj adjazent A = (aij ) mit ai j = . 0 sonst A = A(G) Adjazenzmatrix des Graphen G 1 siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/K%F6nigsberger_Br%FCckenproblem KAPITEL 5. GRAPHENTHEORIE 46 Beispiel(e) 5.0.3. G = hV, Ei mit V = {a, b, c, d, e} E = {ab, bc, bd, cd} •b P nnn 0 PPP a • nn nnn n n nn nnn e• 00 PPP PPP 00 PPP 00 PP 00 •c 00 } } 00 }} 0 }}}} a b c d e A = A(G) = a 0 1 0 0 0 b 1 0 1 1 0 c 0 1 0 1 0 d 0 1 1 0 0 e 0 0 0 0 0 •d Analog: B = B(G) Inzidenzmatrix (zwischen Knoten und Kanten) Definition 5.0.2. G Graph, A(G) Adjazenzmatrix, vi ∈ V (G) (i) G ungerichtet: Knotengrad d(vi ) = X aij = j X aji j | {z } | {z } Zeilensumme Spaltensumme = Anzahl der Kanten, welche mit vi verbunden sind. (ii) G gerichtet P Weggrad: d+ (vi ) = j aij Anzahl der Kanten, welche von vi wegführen P Hingrad: d− (vi ) = j aji Anzahl der Kanten, welche zu vi hinführen. ad Bsp: d(a) = 1, d(b) = 3, d(c) = 2, d(d) = 2, d(e) = 0 ⇒ d(a) + d(b) + d(c) + d(d) + d(e) = 8 = 2 · 4 = 2 · |E| P Satz 5.0.2 (Handschlaglemma). In einem ungerichteten Graphen G gilt v∈V (G) d(v) = P P 2·|E(G)|, ist G hingegen gerichtet, so gilt v∈V (G) d+ (v) = v∈V (G) d− (v) = |E(G)| (Beweis wäre am Besten durch vollständige Induktion möglich). Beispiel(e) 5.0.4. Betrachten wir schlichte, ungerichtete Graphen, wo je 2 verschiedene Knoten durch eine Kante verbunden sind. Diese nennt man vollständige Graphen“. ” Kn : vollständiger Graph mit n Knoten KAPITEL 5. GRAPHENTHEORIE • K1 : K2 : 47 • • K3 : • K4 : •@ • • • @@ ~~ @~ ~~@@@ ~ ~ K5 : ~ ~~ ~ ~ ~~ •@ @@ @@ @@ • o •/ OO ooo // OOOOO o o OOO o // OOO ooo // O ooo o / U • @UUUU // ii~ • i i @@ UUUU i i @@ ~~ i/i/ii UU @@ UiUiUiUiUiUiUi // ~~~ UUU ~ iiii • • n(n−1) |V (K Pnn)| = n, |E(Vn )| = 2 = 2 , d(v √i ) = n − 1 ⇒ i=1 d(vi ) = n(n − 1) = 2 · |E(Vn )| n Definition 5.0.3. G1 = hV1 , E1 i heißt Teilgraph von G = hV, Ei, falls V1 ⊆ V, E1 ⊆ E. 5.1 Wege und Kreise: Zusammenhang Definition 5.1.1. Sei G = hV, Ei ein ungerichteter oder gerichteter Graph. Eine Folge x0 , (x0 , x1 ), x1 , (x1 , x2 ), x2 , . . . , xk−1 , (xk−1 , xk ), xk mit xi ∈ V, (xi , xj ) ∈ E, k ∈ N heißt • Kantenfolge der Länge k von x0 nach xk , • offene oder geschlossene Kantenfolge, falls x0 6= xk respektive x0 = xk , • Kantenzug, falls alle Kanten paarweise verschieden sind, • Weg (oder auch Bahn), falls alle Knoten (und damit auch alle Kanten) verschieden sind, • Kreis (oder auch Zyklus), falls alle Kanten und alle Knoten verschieden sind, mit Ausnahme von x0 = xk . Schreibweise für Kantenfolgen: x0 , x1 , x2 , . . . , xk | | Anfangspunkt Endpunkt Beispiel(e) 5.1.1. G = hV, Ei b •O a• / •c / d `@@ ~ • @@ ~ @~ ~~ @@ ~~~ @ f• •e KAPITEL 5. GRAPHENTHEORIE a, b, c, d, e, c, d, f a, b, c, d, e, c, f a, b, c, d, e, f c, d, e, c Hinweis: K2 : a • Kantenfolge der Länge 7 von a nach f Kantenzug Weg (=Bahn) Kreis (=Zyklus) •b aba ist kein Kreis, da die Kante zweimal enthalten ist! 48