VorlesungSS14-skript12

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SS 2014
Prof. Dr. Hans-Werner Hahn
Vorlesung: Zwischen Revolution und deutscher Reichsgründung 1871: Europäische
Geschichte 1848-1871.
12. Entstehung und Verfassung des Norddeutschen Bundes
Literatur:
Wolfgang J. MOMMSEN, Das Ringen um den nationalen Staat. Die Gründung und der innere
Ausbau des Deutschen Reiches unter Otto von Bismarck 1850-1890. Berlin 1993 (Propyläen
Geschichte Deutschlands 7).
Thomas NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 2: Machtstaat vor der
Demokratie. München 1992.
Ernst Rudolf HUBER, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3: Bismarck und das
Reich, 3. Aufl. Stuttgart 1988.
Lothar GALL, Bismarck. Der weiße Revolutionär. Frankfurt a. M. 1980.
Andreas BIEFANG, Politisches Bürgertum in Deutschland 1857-1868. Nationale
Organisation und Eliten. Düsseldorf 1994.
Klaus E. POLLMANN, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund 1867-1870. Düsseldorf
1985.
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I. Indemnitätsvorlage und Spaltung des Liberalismus.
Nicht nur in der deutschen Frage, sondern auch in der preußischen Innenpolitik ging
Bismarck nach 1866 auf die Liberalen zu. Im August 1866 bot er die nachträgliche Billigung
der Regierungsakte an, welche aus Sicht der liberalen Mehrheit des Abgeordnetenhauses
wegen des nicht bewilligten Budgets verfassungswidrig waren. Dieses Angebot Bismarcks
überraschte Konservative wie Liberale, weil es zeigte, dass der Machtpolitiker Bismarck trotz
seines militärischen Erfolges wieder in verfassungsmäßige Bahnen zurückkehren wollte. Die
Indemnitätsvorlage brachte die Liberalen, die bei den Abgeordnetenhauswahlen vom 3. Juli
1866 viele Mandate an konservative Kandidaten verloren hatten, in eine schwere Lage und
ließ die Fortschrittspartei im Herbst 1866 in einen nationalliberalen (BENNIGSEN) und einen
linksliberalen Flügel (VIRCHOW; Fortschrittspartei) auseinander brechen.
Die Nationalliberalen wollten regierungsfähig werden. Die liberalen "Realisten" wollten auf
dem nun von Bismarck Geschaffenen aufbauen, in der Hoffnung, dadurch leichter zu den
anderen Zielen vorstoßen zu können als durch eine gesinnungsethische Verweigerungshaltung. Die Haltung der Nationalliberalen war keine Kapitulation vor der Macht oder die
einseitige Verfolgung ökonomischer Klasseninteressen (so z. B. GUGEL, Industrieller
Aufstieg und bürgerliche Herrschaft. Sozioökonomische Interessen und politische Ziele des
liberalen Bürgertums zur Zeit des Verfassungskonfliktes 1857-1867, Köln 1975), sondern
Ausdruck eines differenzierteren politisch-strategischen Denkens. Man ging davon aus, dass
in einem Nationalstaat langfristig kein Weg am Sieg der bürgerlichen Prinzipien vorbeiführen
werde. Auch die Konservativen spalteten sich 1866 in eine hochkonservative Richtung, die
das alte Preußen bedroht sah (H. GERLACH, KLEIST-RETZOW), und in eine freikonservative Richtung (BETHUSY-HUC; STUMM-HALBERG), die vorbehaltlos mit Bismarck
gehen wollte.
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II. Bismarck und der Norddeutsche Bund:
Bismarck schien im Herbst 1866 auf dem Höhepunkt seiner Macht, schien Gegner wie
Partner wie Figuren auf dem Schachbrett hin- und herzuschieben. Er hatte in der Tat einen
großen Gestaltungsspielraum, aber vor allem deshalb, weil er entschlossen war, mit dem
Strom der Zeit zu schwimmen und den Nationalstaat, die Industrialisierung sowie einen Teil
der verfassungspolitischen Forderungen des liberalen Bürgertums zu akzeptieren. Nur auf
diese Weise konnte aus seiner Sicht den traditionalen Eliten und dem alten Preußen auch
längerfristig ein Großteil der Macht bewahrt werden.
Die Bundesgründung erfolgte durch Verträge vom August und Oktober 1866 über die
Monarchen und ihre Regierungen. Bismarck wollte so von Anfang an ein Gegengewicht
gegen zu starke national-unitarische Tendenzen schaffen. Der föderative Charakter des
Norddeutschen Bundes war für ihn wichtig, um den Einfluss der liberalen und nationalen
Bewegung einzudämmen und zugleich die Voraussetzungen für die spätere Integration der
souveränitätsbewussten süddeutschen Staaten (BAYERN) zu verbessern. Der Norddeutsche
Bund war ein Bundesstaat unter der Hegemonie Preußens. Das stützte die alten Gewalten.
Gleichzeitig sollte der Bundesstaat aber ein gewähltes Parlament bekommen, das den
nationalen Interessen des Bürgertums entsprach und einem ausufernden Föderalismus
entgegenwirken sollte. Bismarck betrieb mit all dem einen komplizierten Balanceakt
zwischen unitarischen, föderalistischen und preußisch-hegemonialen Kräften und wollte im
Grunde eine Ordnung zimmern, die stark auf seine eigene Person und ihre Machtansprüche
zugeschnitten war.
III. Die Wahlen zum konstituierenden Reichstag des
Norddeutschen Bundes.
Die Wahlen sollten nach dem allgemeinen Wahlrecht stattfinden. Bismarck hoffte, mit
diesem Wahlrecht vor allem die ländlichen Massen für seine konservative Politik gewinnen
zu können und die Liberalen damit unter Druck zu halten. Das demokratische Wahlrecht
sollte die konservative Position Bismarcks stützen, aber keineswegs eine völlige Ausschaltung
der Liberalen bringen, die Bismarck ja brauchte. Mit der am 12. Februar 1867 stattfindenden
Wahl zum konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes begann eine neue Epoche
der deutschen Wahl- und Parteiengeschichte (allgemeines Männerwahlrecht, Anstieg der
Wahlbeteiligung auf 65%, Politisierungsschub, neuer politischer Massenmarkt, neue
parteipolitische Entwicklungen).
Vgl. hierzu Karl ROHE, Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland, Frankfurt a. M. 1992.
ERGEBNIS DER WAHLEN: Es gab starke regionale Unterschiede des Wahlverhaltens. Die
dauerhafte Pluralität der deutschen Parteienlandschaft war nun endgültig absehbar. Es zeigte
sich, dass der Liberalismus nicht mehr zur großen Partei des Volkes werden würde und dass
es auch keine Zweiteilung des Parteienlagers in Bewegungs- und Beharrungspartei geben
würde. Der Eintritt der Massen in die deutsche Politik stärkte langfristig nicht den
Liberalismus, der als wichtigste Triebkraft des Parlamentarismus galt. Die zutage tretende
parteipolitische Zersplitterung und die damit verbundenen Probleme einer Mehrheitsbildung
im Parlament schwächten den Trend zur Parlamentarisierung und stärkten die Position
Bismarcks.
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IV. Politische Kräfteverteilung im Reichstag.
LIBERALISMUS:
- die stärkste Kraft dieses Lagers wurden mit 80 von 297 Mandaten die Nationalliberalen
(Bennigsen, Forckenbeck, Miquel, Sybel, Twesten, Lasker, Gneist). Sie hatten ihre
Hochburgen in den neupreußischen Provinzen Hannover, Kurhessen und SchleswigHolstein), ferner in Thüringen, in den anhaltinischen Staaten und in Braunschweig. Im
mitteldeutschen Gürtel beherrschte ein national orientierter Liberalismus das Feld. Hier
fehlten starke partikularistische Kräfte und auch das katholische Wählerpotential. Nur in
Sachsen hatten die Nationalliberalen zunächst gegen sächsisch-konservative und demokratische Kräfte keine Chance. Die linksliberale Fortschrittspartei schnitt mit nur 19 Mandaten
vergleichsweise schlecht ab. Eine freie liberale Vereinigung kam auf 14 Mandate, die
Altliberalen, die in vielen Bereichen eher den Konservativen zuzuordnen waren, erhielten 27
Mandate. Insgesamt gab es damit keine regierungsfähige liberale Mehrheit im neuen
Reichstag.
KONSERVATIVE:
- sie hatten besonders große Wahlerfolge in den altpreußischen Provinzen östlich der Elbe, in
anderen Gebieten wurde das konservative Wählerpotential von partikularistischen Kräften wie
den Welfen im früheren Königreich Hannover und Katholiken aufgesogen. Die
Altkonservativen errangen 59 Mandate, die Freikonservativen 39 Mandate
SONSTIGES SPEKTRUM: Unabhängige "Wilde" mit 25 Mandaten, Polen und Dänen mit
15, bundesstaatlich-konstitutionelle Vereinigung (Welfen und Katholiken) mit 18 und August
Bebel als Vertreter der sächsischen Volkpartei.
V. Der Kampf um die Verfassung.
Bismarck bereitete die Verfassungsberatungen mit den sogenannten Putbuser Diktaten vor.
Seine Grundkonzeption verband föderative, hegemoniale und unitarische Elemente und lief
auf die Stärkung der eigenen Machtposition zu. Die Bismarckschen Vorstellungen erfuhren in
den Beratungen mit dem Reichstag noch einige Modifikationen, aber keine grundlegende
Kurskorrektur. Die wichtigsten Streitpunkte waren:
- Grundrechtskatalog, auf den man unter Hinweis auf die Landesverfassungen verzichtete
- die Staatsorgane und ihr Verhältnisse zueinander
BUNDESRAT: Vertretung der Einzelstaaten; Stimmverteilung wie im früheren Deutschen
Bund, Preußen erhielt allerdings Stimmen der annektierten Staaten hinzu. Trotzdem hatte es
nur 17 von 43 Stimmen im Bundesrat. Der neue Föderalismus war gleichwohl ein hegemonialer. Preußen war die entscheidende Macht.
BUNDESPRÄSIDIUM: vertrat den Bund nach außen, schloss Bündnisse ab, entschied über
Krieg und Frieden. Das Bundespräsidium lag bei der "preußischen Krone". Der König wurde
in der Verfassung nicht erwähnt, weil Bismarck einen "Bundesmonarchen" ablehnte. Dagegen
forderten die Liberalen eine entsprechende Verankerung in der Verfassung, weil eine unitarische konstitutionelle Monarchie leichter in eine parlamentarische Monarchie umzuwandeln
war als die vorgeschlagene Ordnung. Bismarck konnte sich aber behaupten. Eine andere
Änderungsforderung der Liberalen betraf die Einrichtung einer politisch verantwortlichen
Bundesregierung. Zunächst war von Bismarck für den Norddeutschen Bund nur eine Art
geschäftsführendes Organ vorgesehen, das dem Reichstag politisch nicht verantwortlich
gewesen wäre. Die Mehrheit der Liberalen forderte zwar noch kein parlamentarisches
Regierungssystem, wohl aber eine klare politische Verantwortung des Leiters der Bun3
desexekutive. Nach langen Debatten wurde entschieden, dass es zwar kein Bundeskabinett
mit für ihr Ressort verantwortlichen Ministern geben sollte, sondern nur einen Bundeskanzler.
Dieser trug nach Art. 17 der Verfassung aber nun ausdrücklich die politische Verantwortung
für alle Regierungsakte.
Das Kanzleramt erfuhr durch die Beratungen damit eine beträchtliche Aufwertung. Die
Folge war, dass Bismarck nun selbst darauf zusteuerte, das Amt neben dem des preußischen
Ministerpräsidenten zu übernehmen. Die Neuregelung war zwar durch einen Antrag des
Nationalliberalen Bennigsen aufgenommen worden und ursprünglich nicht in Bismarcks
Entwurf enthalten. Es spricht jedoch einiges dafür, dass Bismarck auch im Eigeninteresse an
dieser Lösung mitgewirkt hat.
REICHSTAG (mit 297 Abgeordneten):
- die Liberalen strebten eine möglichst umfassende Gesetzgebungskompetenz für den neuen
Bundesstaat und damit eben auch für den Reichstag an, um die partikularen Kräfte zu
schwächen. Sie erreichten hierbei allerdings nur Teilerfolge.
- So gab es Streit um das Budgetrecht, weil Bismarck ein Äternat der Heeresausgaben
(dauerhafte Bewilligung einer festen Summe für die festgelegte Friedenspräsenzstärke, 225
Taler jährlich für das eine Prozent der Bevölkerung, das unter Waffen stand) verlangte. Das
hätte den politischen Bewegungsspielraum des Parlaments erheblich beschnitten. Am Ende
einigte man sich auf eine vorläufige vierjährige Bewilligung. Eine neue Bewilligung war nur
bei erhöhten Forderungen der Regierung notwendig. Damit wurde die Budgetfrage von den
Liberalen immerhin langfristig offengehalten.
- Wahlrechtsfrage: es blieb beim allgemeinen Wahlrecht. Bismarcks Versuch, die öffentliche
Stimmabgabe einzuführen, scheiterte.
- Bismarck gab auch seinen Plan auf, Mandat und Staatsamt für unvereinbar zu erklären und
damit die Beamten vom Parlament auszuschließen.
- dagegen setzte sich Bismarck mit seiner Forderung durch, den Abgeordneten keine Diäten
zu zahlen. Bismarck wollte keine Berufspolitiker im Parlament.
Am 16. April 1867 nahm der Reichstag mit 230 gegen 53 Stimmen die Verfassung an. Sie
blieb deutlich hinter den liberalen Idealen zurück, auch wenn die Verfassungsberatungen
insgesamt für etwas mehr unitarische Züge gesorgt hatten. Sie war aber andererseits auch
nicht einfach nur ein Sieg der konservativen Kräfte, denn sie enthielt doch beachtliche
Zugeständnisse an die liberale Bewegung. Die Verfassung war ein Kompromiss, der als
"System umgangener Entscheidungen" bezeichnet worden ist (W. J. MOMMSEN). Bismarck
wollte kein wirkliches Gleichgewicht der Kräfte, aber seine Zugeständnisse waren mehr als
ein schmückendes Beiwerk. Aus der Sicht der Nationalliberalen war die Verfassung durchaus
ein guter Anfang. Für sie war die neue Ordnung der Beginn eines Prozesses, nicht dessen
Ende. Die Nationalliberalen hofften, dass der wirtschaftliche und soziale Wandel in
Verbindung mit der geschaffenen Einheit eine eigene Dynamik entfalten würde, durch die
sich viele Fragen bald ganz neu stellen würden. Die Liberalen waren zwar in wesentlichen
Punkten an der Beharrungskraft des preußischen Obrigkeitsstaats gescheitert, aber sie kapitulierten nicht, sondern sahen sich langfristig auf der Erfolgsstraße. Die politische Situation
war 1867 jedenfalls viel offener, als dies im Nachhinein oft gesehen worden ist.
VI. Reformpolitik im Norddeutschen Bund:
Die im Frühjahr 1867 angenommene Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde zur
Plattform und zum Instrument der Bismarckschen Politik. Diese Politik war geprägt durch die
Kooperation mit den Nationalliberalen und führte zu breit angelegten wirtschaftlichen,
sozialen und rechtlichen Reformmaßnahmen.
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Die Neuwahlen zum Reichstag im August 1867, bei denen die Wahlbeteiligung stark
zurückging, brachten keine grundlegende Änderung der Mehrheitsverhältnisse. Aufgabe des
neuen Reichstages war die Verabschiedung zahlreicher Reformgesetze, bei denen die liberalfreikonservative Mehrheit keineswegs nur als Erfüllungsgehilfe Bismarckscher Politik
fungierte, sondern den Reformprozess aktiv mitgestalten konnte. Der Reichstag war kein
scheinkonstitutionelles Akklamationsorgan, aber auch kein reines Oppositionsorgan. Er ist als
vitales, funktionsfähiges und funktionstüchtiges Vereinbarungsparlament bezeichnet worden
(POLLMANN), in dem vor allem die Nationalliberalen in dieser Phase den Beweis
erbrachten, handlungs-, bzw. sogar regierungsfähig zu sein.
Unter maßgeblicher Beteiligung der Nationalliberalen wurde der Norddeutsche Bund zu
einem der in wirtschafts-, sozial-, rechts- und verwaltungsgeschichtlicher Hinsicht
fortschrittlichsten Staatswesen Europas ausgebaut. Allerdings war auch Bismarcks
persönlicher Anteil an diesem Reformwerk recht hoch. Bismarck wollte mit den Reformen
den preußischen Staat stärken und das Bürgertum dauerhaft an ihn binden. Der wichtigste
Reformbeamte dieser Phase war jedoch Rudolf von Delbrück, der im August 1867 zum
Präsidenten des neuen Bundeskanzleramtes ernannt wurde und bis zu seinem Rücktritt 1876
die Politik auf wirtschaftliberalem Kurs hielt ("Ära Delbrück").
Wichtigste Reformen im Norddeutschen Bund:
- allgemeine Freizügigkeit (1867)
- einheitliches Maß- und Gewichtssystem (1868)
- liberales Handelsrecht und Handelsgericht in Leipzig
- liberale Gewerbeordnung (1869)
- Abschluss der Judenemanzipation (1869)
- Strafgesetzbuch (1870)
Insgesamt bestärkte der wirtschaftsliberale Kurs die Liberalen in ihrer Hoffnung, dass der
bürgerlichen Welt langfristig auch politisch die Zukunft gehöre. Dennoch war die
entschiedene Durchsetzung wirtschaftsliberaler Prinzipien auch unter den Anhängern der
Liberalen nicht unumstritten (z. B. alter Mittelstand).
Die Reformgesetzgebung veränderte vor allem die Situation in den von Preußen annektierten
Staaten und in den kleineren und mittleren Staaten des Norddeutschen Bundes. Hier war man
vor 1866 gerade in wirtschaftlicher Hinsicht noch hinter der wirtschaftsliberalen preußischen
Gesetzgebung zurückgeblieben. All dies bedeutete eine tief greifende preußische
Einflussnahme auf die Klein- und Mittelstaaten, die sich aber recht rasch auf die neue
Situation des hegemonialen Föderalismus einstellten und ihre Aktivitäten auf jene
Politikbereiche konzentrierten, die ihnen verblieben waren (z. B. die für die thüringischen
Kleinstaaten wichtige Kulturpolitik).
Die innerpreußische Politik der Jahre nach 1867 war zum einen durch die Beibehaltung der
bisherigen Verfassungsordnung mit dem Dreiklassenwahlrecht und zum anderen vor allem
durch die vergleichsweise behutsame Integration der annektierten Gebiete bestimmt. Der
Einfluss der konservativen Kräfte blieb in Preußen selbst größer als auf der Ebene des
Norddeutschen Bundes. Von einer neuen liberalen Ära konnte daher nicht gesprochen
werden. Dennoch war das neue, 1866 erheblich vergrößerte Preußen durch den territorialen
Zuwachs "liberaler" geworden.
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