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EUROPÄISCHES PARLAMENT
2014 – 2019
Plenarsitzungsdokument
5.11.2014
B8-02019/2014
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der
Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
zur humanitären Lage im Südsudan
(2014/2922(RSP))
Ignazio Corrao, Fabio Massimo Castaldo
im Namen der EFDD-Fraktion
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DE
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In Vielfalt geeint
DE
B8-02019/2014
Entschließung des Europäischen Parlaments zur humanitären Lage im Südsudan
(2014/2922(RSP))
Das Europäische Parlament,
–
unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Südsudan, insbesondere die
Entschließung vom 10. Dezember 2013 zu den Anstrengungen der internationalen
Gemeinschaft im Bereich der Entwicklung und Stärkung des Staates im Südsudan1 und
die Entschließung vom 16. Januar 2014 zur Lage im Südsudan2,
–
unter Hinweis auf das 2005 geschlossene Umfassende Friedensabkommen für den
Sudan,
–
unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Januar und 17. März 2014
zum Südsudan,
–
unter Hinweis auf die Erklärungen des Sprechers der Vizepräsidentin der
Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom
28. August 2014 zur Lage im Südsudan,
–
unter Hinweis auf die Erklärung des für internationale Zusammenarbeit, humanitäre
Hilfe und Krisenreaktion zuständigen Mitglieds der Kommission, Kristalina Georgieva,
vom 25. September 2014,
–
unter Hinweis auf die Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Kimoon, vom 30. Oktober 2014,
–
unter Hinweis auf den im April 2012 angenommenen Fahrplan für den Sudan und den
Südsudan,
–
unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker,
auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und auf das Cotonou-Abkommen,
–
unter Hinweis auf die Erklärung der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung
(IGAD) vom 20. Oktober 2014,
–
gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A.
in der Erwägung, dass ein politischer Konflikt ausbrach, nachdem der Präsident des
Landes und Angehörige der Volksgruppe der Dinka, Salva Kiir, seinen abgesetzten
Vizepräsidenten, Riek Machar, der der Volksgruppe der Nuer angehört, beschuldigt
hatte, einen Staatsstreich gegen ihn zu planen; in der Erwägung, dass Riek Machar den
Versuch eines Staatsstreichs bestritten hat;
1
2
Angenommene Texte, P7_TA(2013)0546.
Angenommene Texte, P7_TA(2014)0042.
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B.
in der Erwägung, dass in den nördlichen und östlichen Landesteilen seit dem
15. Dezember 2013 de facto ein Bürgerkrieg herrscht, der dazu geführt hat, dass
innerhalb und außerhalb des Südsudan 1,7 Millionen Menschen vertrieben wurden, von
denen 1,3 Millionen Binnenvertriebene sind – etwa 100 000 von ihnen sind unter
extrem schlechten humanitären Bedingungen auf überfüllten Geländen zum Schutz von
Zivilpersonen untergebracht, die von den Stützpunkten der Mission der Vereinten
Nationen in der Republik Südsudan (UNMISS) bereitgestellt werden –, und dass mehr
als 452 000 Menschen in die Nachbarländer (Äthiopien, Kenia, Sudan und Uganda)
geflohen sind;
C.
in der Erwägung, dass bis Ende 2014 voraussichtlich 2,3 Millionen Menschen sowohl
innerhalb als auch außerhalb des Südsudan vertrieben worden sein werden;
D.
in der Erwägung, dass der Südsudan von ständigen Krisen heimgesucht wird, die zu
einem enormen Bedarf an humanitärer Hilfe geführt haben; in der Erwägung, dass im
Südsudan als unmittelbare Folge der Kämpfe eine schwere Nahrungsmittelkrise
herrscht; in der Erwägung, dass 7 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit
bedroht sind, wobei für 3,9 Millionen akute Gefahr besteht, und in der Erwägung, dass
führende Hilfsorganisationen davor gewarnt haben, dass in Teilen des Südsudan
Anfang 2015 eine Hungersnot auftreten könnte, wenn die Kämpfe wieder aufflammen;
E.
in der Erwägung, dass die dringendsten humanitären Bedürfnisse Nahrung, sauberes
Wasser, medizinische Versorgung, sanitäre Anlagen, Unterkünfte und Schutz sind;
F.
in der Erwägung, dass der Konflikt das Leben von Millionen Menschen zerstört hat und
besonders schwerwiegende Folgen für Kinder nach sich zieht; in der Erwägung, dass
50 000 Kinder unter fünf Jahren vom Tode bedroht sind, wenn die Versorgung mit
Nahrungsmitteln nicht umgehend verbessert wird; in der Erwägung, dass bislang mehr
als 9 000 Kinder von den Streitkräften rekrutiert wurden und etwa 11 000 Kinder von
Anschlägen auf Schulen und deren Besetzung durch bewaffnete Gruppen betroffen
waren;
G.
in der Erwägung, dass trotz des Beginns der Erntezeit davon ausgegangen wird, dass
1,5 Millionen Menschen auch weiterhin von einer unsicheren
Nahrungsmittelversorgung auf Krisen- bzw. Notstandsniveau betroffen sein werden; in
der Erwägung, dass die Prognosen für 2015 insbesondere in den Konfliktgebieten, wo
die Zahl der Vertriebenen hoch ist und Anbau und Ernte kaum möglich sind, düster
ausfallen;
H.
in der Erwägung, dass der Anteil der von akuter Unterernährung (schwere akute
Unterernährung und globale akute Unterernährung) betroffenen Menschen in vielen
Gebieten über den Notstandsgrenzen liegt, wobei die höchsten Raten in den
konfliktgebeutelten Gemeinden der Volksgruppe der Nuer verzeichnet werden;
I.
in der Erwägung, dass die Kommission ihre Mittelausstattung für die humanitäre Hilfe
in Höhe von 100 Mio. EUR im Oktober 2014 um 20 Mio. EUR aufgestockt hat, um die
große Not der südsudanesischen Flüchtlinge in den Nachbarländern zu lindern; in der
Erwägung, dass die EU – die Mitgliedstaaten wie auch die Kommission – 2014 bislang
Unterstützung im Umfang von über 245 Mio. EUR geleistet hat, was mehr als einem
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Drittel aller Hilfsgelder für die humanitäre Hilfe entspricht;
J.
in der Erwägung, dass der Südsudan der jüngste und instabilste Staat der Welt und
zugleich einer der am wenigsten entwickelten Staaten ist; in der Erwägung, dass die
Vereinten Nationen für den Südsudan die Notstandsstufe 3 – die höchste Stufe für
humanitäre Krisen – ausgerufen haben, sowie in der Erwägung, dass das Land auf dem
„Global Vulnerability and Crisis Assessment Final Index“ von ECHO an zweiter Stelle
rangiert;
K.
in der Erwägung, dass auf skrupellose Weise immer wieder Gewalttaten und
vorsätzliche Anschläge auf Zivilisten verübt werden, und in der Erwägung, dass
Menschen in vielen Fällen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer politischen
Anschauung zur Zielscheibe werden;
L.
in der Erwägung, dass die derzeitige Krise in weiten Teilen durch einen bewaffneten
Konflikt verursacht wird, und in der Erwägung, dass die betroffene Bevölkerung häufig
Opfer von schweren Misshandlungen ist; in der Erwägung, dass militärische Gruppen
mit dem Rückhalt politischer Akteure Zivilisten in Massen misshandeln, Angehörige
bestimmter ethnischer Gruppen gezielt ermorden und Frauen sexuell einschüchtern, und
in der Erwägung, dass Massenmisshandlungen von Kindern weit verbreitet ist; in der
Erwägung, dass medizinische Einrichtungen zerstört und Patienten in ihren Betten
vergewaltigt und/oder ermordet werden;
M.
in der Erwägung, dass der Südsudan seit Jahrzehnten unter einer Situation des Konflikts
und der Vernachlässigung leidet, zu der häufige Naturkatastrophen und der Ausbruch
von Krankheiten hinzukommen;
N.
in der Erwägung, dass eine Choleraepidemie ausgebrochen ist, und in der Erwägung,
dass andere Krankheiten (Malaria, schwarzes Assam-Fieber und Hepatitis) teils wegen
der Regenzeit, teils wegen der Schwächung der Bevölkerung durch die Vertreibung
zugenommen haben;
O.
in der Erwägung, dass der Konflikt und die immer wieder auftretenden
Naturkatastrophen die ohnehin schwache Wirtschaft des Landes stark strapazieren, da
durch Überschwemmungen, Dürren und Vertreibung die Ernten zerstört werden und die
Lebensmittelerzeugung vermindert wird;
P.
in der Erwägung, dass die humanitäre Hilfe unter äußerst schwierigen Bedingungen
geleistet wird, da Kampfhandlungen und Übergriffe auf humanitäre Helfer den Zugang
zu den Hilfsbedürftigen erheblich erschweren, während die Beschlagnahmung von
Hilfsgütern und weitere illegale Sabotagehandlungen die Arbeit der Hilfsorganisationen
zusätzlich behindern;
1.
verurteilt die bisherigen Verstöße gegen die Vereinbarung über die Beendigung der
Kampfhandlungen und fordert alle Parteien auf, sich an die Vereinbarung zu halten und
die Kämpfe nicht erneut anzufachen;
2.
ist tief besorgt über die Lage im Bereich der Ernährungssicherheit im Südsudan, die
durch den Konflikt verursacht wurde und durch immer wieder auftretende
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Naturkatastrophen verschärft wird;
3.
bekräftigt, dass es die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität
des Sudan und des Südsudan entschieden unterstützt, und erinnert daran, dass die
Grundsätze der guten Nachbarschaft, der Nichteinmischung und der regionalen
Zusammenarbeit wichtig sind;
4.
begrüßt den Beitrag, den die EU in der humanitären Krise im Südsudan leistet, und
fordert ihre Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, eine Lösung zu finden, um im Einklang
mit ihren internationalen Verpflichtungen ausreichend Finanzmittel für die steigende
Zahl der Krisen zur Verfügung stellen zu können;
5.
fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihren Finanzierungszusagen für den
Südsudan und die Region nachzukommen und Ressourcen zu mobilisieren, um
umgehend auf die Verschlechterung der humanitären Lage im Südsudan zu reagieren;
6.
fordert alle Nachbarstaaten des Südsudan und alle Regionalmächte auf, eng
zusammenzuarbeiten, um die Sicherheitslage im Land und in der Region zu verbessern
und einen Weg hin zu einer friedlichen und dauerhaften politischen Beilegung der
gegenwärtigen Krise zu finden;
7.
hält es für bedauerlich, dass trotz der beständigen Vermittlungsbemühungen der IGAD
in Friedensgesprächen mit dem Ziel der Einsetzung einer Übergangsregierung der
nationalen Einheit bislang keine wesentliche Fortschritte erzielt worden sind; unterstützt
dennoch die Fortsetzung der Vermittlungsbemühungen der IGAD sowie ihre
Bemühungen um einen inklusiven politischen Dialog, und fordert die EU auf, der IGAD
auch weiterhin sowohl materiell als auch finanziell zur Seite zu stehen und weiterhin
Personal für die Überwachung des Waffenstillstandsabkommens und für den
Überprüfungsmechanismus bereitzustellen;
8.
betont die Notwendigkeit einer wirksamen Überwachung der Menschenrechte, auch in
Bezug auf jegliche sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt bzw. auf Rechtsverstöße
und Fälle von Misshandlungen, die Kindern gegenüber begangen werden;
9.
fordert mit Nachdruck, dass sämtliche noch offenen Punkte aus dem Umfassenden
Friedensabkommen für den Sudan umgesetzt werden;
10.
ist zutiefst besorgt über den ethnischen Aspekt des Konflikts; betont, dass das Streben
nach Macht durch Gewalt oder eine Spaltung entlang ethnischer Grenzen der
demokratischen Rechtsstaatlichkeit und dem Völkerrecht zuwiderläuft; ist außerdem
besorgt über den Ausstrahlungseffekt und die destabilisierende Wirkung, die der
Konflikt für die ohnehin instabile Region hat und die sich insbesondere aus der
wachsenden Zahl der Flüchtlinge in den Nachbarländern ergeben;
11.
weist darauf hin, dass humanitäre Hilfe zwar unerlässlich ist, aber weder ein politisches
Problem lösen noch Frieden, Sicherheit und Stabilität schaffen kann; vertritt die
Auffassung, dass der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Parteien
sowie die uneingeschränkte Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens nicht nur für
Frieden, Sicherheit und Stabilität, sondern auch für eine langfristige Lösung für das
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südsudanesische Volk von entscheidender Bedeutung sind; betont, dass die Teilhabe der
Zivilbevölkerung an den Friedensverhandlungen entscheidend ist;
12.
verurteilt, dass der Zugang von Hilfsorganisationen nach wie vor durch die
Kampfhandlungen erschwert wird und beide Seiten Gewalt gegen humanitäre Helfer,
Ausrüstung und Infrastruktur ausüben; fordert alle beteiligten Parteien nachdrücklich
auf, humanitärem Personal uneingeschränkten, sicheren und ungehinderten Zugang zur
hilfsbedürftigen Zivilbevölkerung und zu allen für ihre Tätigkeit erforderlichen
Einrichtungen zu gewähren, wie es im Völkerrecht, einschließlich des geltenden
humanitären Völkerrechts, und in den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für
humanitäre Hilfe vorgesehen ist;
13.
fordert die Einrichtung von Kinderschutzprogrammen, die auch die Suche nach
Familienangehörigen und die Familienzusammenführung, die Verhütung und
Verarbeitung geschlechtsspezifischer Gewalt, den Schutz, die Überwachung und die
Hilfe für besonders verwundbare Personengruppen sowie die Minderung von Gefahren
im Zusammenhang mit Gewalt, etwa durch eine bessere Beleuchtung in den
Siedlungen, umfassen;
14.
bedauert, dass viele soziale Dienstleistungen aufgrund des Konflikts nicht mehr erbracht
werden und dass Hunderttausende Kinder folglich keine Schule besuchen können; ist
beunruhigt darüber, dass Kinder nach wie vor am stärksten unter der Gewalt und somit
unter psychischen Problemen leiden und keinen Zugang zu Dienstleistungen und
Bildung genießen; fordert die Parteien auf, Kinder nicht mehr für einen Einsatz in den
Streitkräften heranzuziehen und alle weiteren Misshandlungen von Kindern zu
unterlassen;
15.
fordert, dass die Ernährungssicherheit auch weiterhin einer der wichtigsten
Interventionsbereiche ist, wobei die humanitäre Hilfe auf dem Gebiet der Ernährung
zielgerichteter und wirkungsvoller eingesetzt sowie auf der Grundlage des Grades der
Schutzbedürftigkeit genauer auf die Empfänger ausgerichtet werden muss;
16.
beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der
Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und
Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der
Regierung des Südsudan, dem Menschenrechtsbeauftragten des Südsudan, der
Gesetzgebenden Nationalversammlung des Südsudan, den Organen der Afrikanischen
Union, der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD), den Ko-Präsidenten der
Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU und dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen zu übermitteln.
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