Aktuelles aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht

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AStW 2012/01
EStG, GewStG – Tarifermäßigung des Gewinns aus der Veräußerung eines Teilbetriebs ................... 2
§ 4 EStG – Kredit für betriebliche Investitionen auch bei Zahlung über Girokonto begünstigt ............ 4
§ 4 EStG – Ferrari wird nicht als Betriebsvermögen eines Tierarztes anerkannt.............................. 6
§ 4 EStG – Arbeitszimmer zur Verwaltung der Solaranlage wird nicht anerkannt ............................ 8
§§ 4, 8 EStG – Ordnungsgemäßes Fahrtenbuch ist mindestens für ein ganzes Jahr zu führen ......... 10
§§ 4f, 9 EStG – Entschieden: Beschränkter Abzug von Kinderbetreuungskosten ist verfassungsgemäß
.......................................................................................................................................... 12
§ 5 EStG – Urteile zur Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit ........................................ 13
Pensionsverpflichtung ohne Inanspruchnahme ...................................................................... 13
Höhe der Rückstellung für Steuernachzahlungen bei Gesetzes-änderung ................................. 14
§ 5a EStG – Kurz vor Anwendung der E-Bilanz wurden die Grundsätze noch einmal aktualisiert...... 15
Neue Version .................................................................................................................... 15
Dauerhafte Auffangpositionen............................................................................................. 16
§ 6a EStG – Wann liegt eine Überversorgung vor und wie ist diese zu behandeln? ........................ 17
§§ 9, 19 EStG – Lohnsteuerliche Behandlung der Familienpflegezeit............................................ 19
§ 9 EStG – Kein Ansatz von Pauschalen bei offensichtlich unzutreffender Besteuerung .................. 21
Keine Übernachtungspauschale bei Fernfahrern .................................................................... 21
Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei Fernfahrern ................................................................... 21
Kein Abzug von Kilometergeld bei unzutreffender Besteuerung ............................................... 22
§ 9 EStG – BFH erleichtert Anerkennung der doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden! ...... 24
§ 17 EStG – Grundbedingungen für eine steuerbare Anteilsveräußerung ...................................... 26
Verlustansatz bei unentgeltlich erhaltenen Anteilen ............................................................... 26
Wirtschaftliches Eigentum trotz Formunwirksamkeit .............................................................. 27
§ 20 EStG – Vor 2009 erworbene Genuss-Scheine erhalten doch noch Bestandsschutz .................. 29
§ 22 EStG – Erst Millionäre durch die Big Brother-Show, dann Privatinsolvenz dank des BFH ......... 31
Übrigens gilt das Urteil nicht für Quizshows und Lottogewinne ................................................ 31
§ 24 EStG – Einordnung einer Abfindung als Erfindervergütung und Entschädigung ...................... 33
§ 32 EStG – Au-pair-Aufenthalt zählt nur mit Sprachunterricht als Berufsausbildung ..................... 34
§ 32 EStG – Behinderte Kinder mit geringem Einkommen können Kindergeld bekommen .............. 36
§ 32b EStG – Zufluss eines von Dritten vorfinanzierten Insolvenzgeldes ...................................... 38
§ 33 EStG – Sanieren und Steuern sparen ............................................................................... 39
§ 33a EStG – Berechnung von abziehbaren Unterhaltsleistungen bei Selbstständigen .................... 42
UStG – Umgang mit Erschließungsmaßnahmen ........................................................................ 44
§ 2 UStG – Unternehmerische Tätigkeit einer Gemeinde in Konkurrenzsituationen ........................ 47
§ 6a UStG – Anforderungen an den Belegnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen ............ 49
§ 4 UStG – Sind Heilpraktiker und Gesundheitsfachberufe auch steuerbefreit?.............................. 51
AO, FGO – Gleiche Pflichten, wenig Rechte – Keine AdV bei eingetragenen Lebenspartnern ....... 53
GrEStG – Keine Grunderwerbsteuer beim Immobilienerwerb anlässlich einer Scheidung ................ 54
§ 33 GrStG – Gesetzliche Einschränkung beim Grundsteuererlass ist verfassungsgemäß ................ 55
Steuern kompakt .................................................................................................................. 57
§ 15 EStG – Einkünfte eines Rentenberaters sind gewerblich .................................................. 57
§ 24a EStG – Kein automatischer Altersentlastungsbetrag auf Kapitalerträge ........................... 57
§ 35a EStG – Mittagessen im Wohnstift ist keine haushaltsnahe Dienstleistung......................... 57
§ 46 EStG – Keine Veranlagung nach bestandskräftiger Ablehnung ........................................ 58
§ 20 ErbStG – Steuerfestsetzung gegenüber dem Schenker ................................................... 58
BewG – Bezugsfertigkeit eines Bürogebäudes im Rahmen des Ertragswertverfahrens ................ 59
§ 56 AO – Erzielung von Steuervorteilen ist nicht gemeinnützig .............................................. 59
§ 162 AO – Gewinnschätzung für Land- und Forstwirte 2010/2011.......................................... 60
AStW 2012/02
EStG, GewStG – Tarifermäßigung des
Gewinns aus der Veräußerung eines
Teilbetriebs
Der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn eines selbstständigen Teils eines
Gewerbebetriebs unterliegt dem ermäßigten Steuersatz nach §§ 16, 34
EStG. Dieser Betrag gehört grundsätzlich nicht zum gewerbesteuerpflichtigen Gewerbeertrag nach § 7 S. 1 GewStG. Ein begünstigter Teilbetrieb
liegt aber nur vor, wenn ein organisch geschlossener und mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter Teil des gesamten Unternehmens
vorliegt, der für sich allein nach seiner Art als selbstständiger Zweigbetrieb überlebensfähig ist.
Das FG Münster hat in einem aktuellen Urteil die Voraussetzungen für
eine begünstigte Teilbetriebsveräußerung festgelegt. Im Urteilsfall veräußerte ein Getränkehändler den Bereich der Belieferung von Gastronomieunternehmen. Das Grundstück wurde nicht veräußert und wurde weiterhin lediglich für Getränkeabholmärkte und die Leergutsortierung genutzt.
Für die steuerliche Begünstigung spricht nach Meinung des FG, dass das
Grundstück nicht mitverkauft wurde.
Die Übertragung des Geschäfts zur Lieferung an die Gastronomie stellt
keinen nach §§ 16, 34 EStG begünstigten Teilbetrieb dar. Die Gewerbesteuerpflicht nach § 7 S. 1 GewStG kommt damit zur Anwendung.
Gegen die Annahme der steuerbegünstigten Veräußerung eines Teilbetriebs sprechen neben dem nicht erfolgten Grundstücksverkauf weitere
wesentliche Punkte wie
 die fehlende räumliche Trennung des Bereichs des Gaststättengewerbes vom Rest des Unternehmens,
 die einheitliche Buchführung oder
 die interne Organisation, die in dieser Form weder eine Eigenständigkeit noch eine eigene Verwaltung erkennbar ermöglichte.
AStW 2012/03
Praxishinweis: Für die Entscheidung, ob es sich um eine steuerbegünstigte Veräußerung eines Teilbetriebs handelt, ist auf den Grundbesitz abzustellen. Dabei ist zu klären, ob der Grundbesitz eine wesentliche Betriebsgrundlage des veräußerten Geschäftsbereichs darstellt. Durch eine räumliche und funktionale Betrachtung ist darauf
abzustellen, ob es möglich ist, den Geschäftsbereich auch ohne diesen Grund und Boden auszuüben. Zu diesem strittigen Sachverhalt
sind Revisionsverfahren beim BFH anhängig.
Fundstellen:
FG Münster 28.2.12, 1 K 2523/09 G, Revision unter IV R 17/12, unter
astw.iww.de, Abruf-Nr. 121940
FG Münster 25.11.10, 5 K 5019/06 E, Revision unter X R 28/11
AStW 2012/04
§ 4 EStG – Kredit für betriebliche
Investitionen auch bei Zahlung über
Girokonto begünstigt
Schuldzinsen sind als Betriebsausgaben nur abziehbar, wenn sie betrieblich veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Wurden jedoch Überentnahmen
getätigt, so sind die Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar.
Eine Überentnahme ist nach dem Einkommensteuerrecht der Betrag, um
den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Mit anderen Worten: Wird mehr Gewinn entnommen als im Wirtschaftsjahr erzielt wurde, spricht man von Überentnahmen.
Die steuerliche Abziehbarkeit von Schuldzinsen ist zweistufig zu prüfen.
In einem ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen
überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Danach ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist.
Vom begrenzten Schuldzinsenabzug als Betriebsausgaben ausgenommen
sind Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Ihr Abzug ist also unbeschränkt möglich.
Der BFH hat hierzu aktuell festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein
auf das Kontokorrentkonto ausgezahltes Investitionsdarlehen sowie die
Schuldzinsen für das Girokonto selbst als Betriebsausgaben bei Überentnahmen abgezogen werden können. Generell sind in Anlehnung an die
Vorgabe der Finanzverwaltung innerhalb von 30 Tagen vor oder nach
Auszahlung der Darlehensmittel damit bezahlte Investitionen begünstigt,
die Zinsen also unbeschränkt abziehbar. Bei mehr als 30 Tagen kann der
Unternehmer den Zusammenhang zwischen Kreditaus- und Investitionsbezahlung von Wirtschaftsgütern im Einzelfall nachweisen.
AStW 2012/05
Darüber hinaus sind auch Kontokorrentzinsen, die durch die Finanzierung
von Anlagevermögen entstehen, unbegrenzt abziehbar. Dabei ist – abweichend von der Verwaltungsauffassung – keine Aufnahme eines gesonderten Darlehens erforderlich. § 4 Abs. 4a S. 5 EStG verlangt nicht die
Aufnahme eines getrennten Kredits; die Vorschrift findet vielmehr ebenso
Anwendung, wenn Anschaffung oder Herstellung von Anlagegütern über
das betriebliche Girokonto finanziert werden und dadurch auf diesem ein
negativer Saldo entsteht oder sich erhöht.
Praxishinweis: Ob Schuldzinsen bei Überentnahmen für Darlehen zur
Finanzierung von Anlagevermögen vorliegen, bestimmt sich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensgelder. Daher
kommt es weder auf die Mittelverwendungsabsicht des Kreditnehmers
noch auf eine der Darlehensvereinbarung zugrunde liegende Zweckbindung an.
Fundstellen:
BFH 23.2.12, IV R 19/08, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121742
BFH 23.3.11, X R 28/09; 25.5.11, IX R 22/10, BFH/NV 12, 14
BMF 17.11.05, IV B 2 - S 2144 - 50/05, BStBl I 05, 1019, Tz. 27
AStW 2012/06
§ 4 EStG – Ferrari wird nicht als
Betriebsvermögen eines Tierarztes
anerkannt
Wirtschaftsgüter, die weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen sind, können als gewillkürtes Betriebsvermögen berücksichtigt werden, wenn sie objektiv geeignet und vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern. Erkennbar einen Nutzen bringt ein Wirtschaftsgut, wenn es aufgrund von Beschaffenheit und Zweckbestimmung dauernd und uneingeschränkt dem
Betrieb dienen kann und die Anschaffungsgründe nicht im privaten Bereich liegen.
Ein 400 PS-Ferrari Spider eines Tierarztes ist damit eindeutig Privatvermögen. Nach Ansicht des FG Nürnberg verursacht dieser Sportwagen durchgehend horrend hohe Kosten und ist weder geeignet noch dazu bestimmt,
den Betrieb zu fördern. Zwar steht es dem Unternehmer grundsätzlich frei,
welche und wie viele Fahrzeuge er für betriebliche Zwecke anschafft. Dann
muss er aber auch darlegen, dass betriebliche und eben keine privaten
Gründe für Kauf oder Leasing entscheidend waren. In einem solchen Fall
sind als Betriebsausgaben nur die Kosten für durchgeführte betriebliche
Fahrten mit dem Fahrzeug zu berücksichtigen und diese auch nur in angemessener Höhe. Als unangemessen hoch gelten Anschaffungskosten für
einen Pkw nach einem Urteil des FG Hessen, wenn sie ein ordentlicher
Unternehmer angesichts der zu erwartenden Vorteile und Aufwendungen
nicht auf sich genommen hätte.
Praxishinweis: Zu den Betriebsausgaben gehören nur die Kosten für
durchgeführte betriebliche Fahrten in angemessener Höhe. Das FG
Nürnberg zieht zur Ermittlung der nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG angemessenen Betriebskosten die Referenzwerte vergleichbare Modelle
gängiger Oberklasse-Marken zum Vergleich heran und setzt dann die
durchschnittlichen Kilometerkosten nach bekannten Internet-Daten an.
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.
AStW 2012/07
Fundstellen:
FG Nürnberg 27.1.12, 7 K 966/2009, Revision unter VIII R 20/12, unter
astw.iww.de, Abruf-Nr. 121158
FG Baden-Württemberg 28.2.11, 6 K 2473/09, EFG 11, 1508
FG Hessen 4.9.07, 6 K 1447/03
AStW 2012/08
§ 4 EStG – Arbeitszimmer zur
Verwaltung der Solaranlage wird
nicht anerkannt
Wer eine Solaranlage auf dem Dach installiert, hat eine Menge Schreibarbeit zu erledigen. Unter anderem ist die Umsatzsteuervoranmeldung zu
erstellen. Aber auch die Überschussrechnung oder die Gewerbesteuererklärung müssen bearbeitet werden. Dies erweckt die Hoffnung, die Kosten für das Arbeitszimmer steuerlich geltend machen zu können. Das FG
Nürnberg erfüllt diese Hoffnung jedoch nicht. Es mag noch so viel Verwaltungsarbeit anfallen: Ein Arbeitszimmer allein wegen einer Solaranlage
auf dem Dach abzusetzen, kommt nicht infrage, so eine aktuelle Entscheidung.
Aus dem Regelungszweck zum häuslichen Arbeitszimmer ergibt sich, dass
ein Ansatz nur dann erfolgen darf, wenn das Zimmer tatsächlich erforderlich ist. Dies ist im Streitfall nicht gegeben. Die zeitliche Inanspruchnahme des Raums ist bei der Prüfung der Erforderlichkeit von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger brachte vor, das Arbeitszimmer neun Stunden
pro Monat für Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Solaranlage
zu nutzen. Das Gericht hielt diese Angabe bei nur einem Abnehmer für
den Solarstrom nicht für glaubhaft.
Das Kriterium der Erforderlichkeit eines heimischen Büros wurde bereits
ausführlich für den Bereich der Hausverwaltung bei Mieteinkünften in der
Rechtsprechung diskutiert. Unter anderem wurde festgelegt, dass eine
zeitliche Inanspruchnahme des Raumes von rund neun Stunden monatlich unwesentlich ist und auch die Nutzung für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nicht zählt, wenn der Raum weder den Mittelpunkt der
gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dafür darstellt und
zudem ein anderer Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung steht.
Fundstellen:
FG Nürnberg 19.3.12, 3 K 308/11, rkr., unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121809
FG Hamburg 13.7.05, V 13/00, EFG 06, 60
AStW 2012/09
Hessisches FG 19.3.09, 1 K 1167/06; 21.11.00, 13 K 1005/00, EFG 01,
489
AStW 2012/010
§§ 4, 8 EStG – Ordnungsgemäßes Fahrtenbuch ist mindestens für ein ganzes
Jahr zu führen
Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich genauso
wenig definiert wie die Frage, für welchen Zeitraum es geführt werden
muss, damit es noch als ordnungsgemäß gilt. In der Literatur wird entweder die Auffassung vertreten, dass ein Fahrtenbuch wenigstens über
den gesamten Veranlagungszeitraum oder sogar für den gesamten Nutzungszeitraum des Kfz geführt werden muss, um die Pauschalregelung
auszuschließen.
Das FG Münster verweist in diesem Zusammenhang auf die ständige
Rechtsprechung des BFH. Danach muss ein Fahrtenbuch zeitnah und in
geschlossener Form geführt werden. Die Fahrten müssen einschließlich
des am Ende erreichten Gesamtkilometerstandes vollständig und in ihrem
fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Außerdem ist das
Fahrtenbuch für ein ganzes Kalenderjahr zu führen. Ein Wechsel in der
Ermittlung hin zur Listenpreisregelung ist unterjährig nicht zulässig. Für
eine jahresbezogene Betrachtung sprechen Praktikabilitätserwägungen,
ein aussagekräftiger repräsentativer Zeitraum und der Ausschluss von
Manipulationsgefahr.
Somit kann der Steuerpflichtige die Methode, nach der der Privatnutzungsanteil ermittelt wird, nur in jedem Jahr neu wählen. Das FG Münster schließt
sich der Auffassung an, dass Aufzeichnungen für einen Zeitraum von einem
ganzen Kalenderjahr geführt werden müssen. Bei Nachweis für einen Teil des
Jahres besteht Manipulationsgefahr dahingehend, dass bestimmte Zeiträume
mit höherem Privatnutzungsanteil – wie etwa die Urlaubszeiten – nicht erfasst
werden und somit ein verzerrtes Ergebnis entsteht.
Praxishinweis: Gegen das Urteil des FG Münster wurde Revision eingelegt, sodass Fälle mit unterjährigem Methodenwechsel ruhen können. Der BFH hat nun Gelegenheit, seine aus 2009 stammende Ansicht
zum unterjährigen Wechsel und seine Begründung zu überprüfen und
zu aktualisieren.
AStW 2012/011
Fundstellen:
FG Münster 27.4.12, 4 K 3589/09 E, Revision unter VI R 35/12, unter
astw.iww.de, Abruf-Nr. 121842
AStW 2012/012
§§ 4f, 9 EStG – Entschieden:
Beschränkter Abzug von Kinderbetreuungskosten ist verfassungsgemäß
Viele Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2011 waren hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Kinderbetreuungskosten
bisher vorläufig. Der BFH hat nunmehr entschieden, dass die Beschränkung des Abzugs erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten auf zwei
Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag von 4.000 EUR je Kind
nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Damit kommt eine Aussetzung
des Verfahrens nicht mehr Betracht.
Sowohl der Eigen- als auch der angefallene Fremdbetreuungsbedarf wird
von den Kinderfreibeträgen erfasst, so die Auffassung des Gerichts. Zur
Vermeidung einer doppelten Aufwandsberücksichtigung kommt es zu einer realitätsnahen Zusatzvergünstigung. Angesichts der Tatsache, dass
das BVerfG die weit ungünstigeren Abzugsmöglichkeiten vor 2006 als
verfassungskonform erachtet hat, spricht nichts dafür, dass die nunmehr
gewährte steuerliche Entlastung nicht ausreichend wäre, um die notwendigen Kinderbetreuungskosten zu decken.
Praxishinweis: Nach dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 können
nun alle Eltern Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben absetzen.
Bisherige Voraussetzungen wie Erwerbstätigkeit sowie Krankheit, Behinderung oder Ausbildung eines Elternteils entfallen ab dem 1. Januar
2012. Für die steuerliche Berücksichtigung bedarf es des Nachweises
durch Rechnung und Kontozahlungsbeleg.
Fundstellen:
BFH 9.2.12, III R 67/09, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121894
BVerfG 16.3.05, 2 BvL 7/00; 20.10.10, 2 BvR 2064/08, HFR 11, 208
AStW 2012/013
§ 5 EStG – Urteile zur Rückstellung für
eine ungewisse Verbindlichkeit
Der BFH und das FG Niedersachsen haben in unterschiedlichen Fällen zur
Problematik der Rückstellung für Verbindlichkeiten nach § 249 HGB entschieden. Es handelt sich dabei um Verbindlichkeiten, die dem Betrag
nach zwar ungewiss, dem Grunde nach aber schon bestehen und einen
wirtschaftlichen Bezug vor dem jeweiligen Bilanzstichtag aufweisen.
Pensionsverpflichtung ohne Inanspruchnahme
Für Pensionsverpflichtungen ist nach Auffassung des BFH keine Rückstellung zu bilden, wenn eine Inanspruchnahme am Bilanzstichtag durch
Schuldbeitritt nicht mehr wahrscheinlich ist.
Damit ist entgegen der Verwaltungsauffassung kein Freistellungsanspruch
wegen Schuldbeitritts zu aktivieren. In einem solchen Fall tritt ein Dritter
zusätzlich neben dem Arbeitgeber als bisherigem Schuldner in die Pensionsverpflichtung ein. Es entsteht eine Gesamtschuldnerschaft. Diese hat
zwar regelmäßig zur Folge, dass die Gesamtschuldner gleichermaßen
verpflichtet sind; es kann aber etwas anderes bestimmt sein, wenn etwa
eine Person die Schuld in vollem Umfang übernimmt. Das BMF fordert
hier vom Arbeitgeber einen Freistellungsanspruch zu aktivieren und korrespondierend die Verpflichtung beim beitretenden Unternehmen zu passivieren.
Nach Meinung des BFH kommt aber keine Passivierung der Pensionsverpflichtungen wegen des Schuldbeitritts in Betracht, weil es an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme fehlt. Zwar schuldet der Unternehmer den Versorgungsberechtigten weiterhin künftige Leistungen; ihre
Inanspruchnahme ist jedoch durch den Schuldbeitritt eines Dritten unwahrscheinlich, weil nach dem Innenverhältnis der Gesamtgläubiger und
nicht der Arbeitgeber zur Passivierung der Pensionsrückstellung verpflichtet ist. Den Freistellungsanspruch gegen den Dritten muss er nicht aktivieren, weil die Verpflichtung des Dritten zur Freistellung aus der Pensionszusage kein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut ist. Dafür ist die künf-
AStW 2012/014
tige Inanspruchnahme ungewiss und für eine Passivierung nicht hinreichend wahrscheinlich.
Höhe der Rückstellung für Steuernachzahlungen bei Gesetzesänderung
Das FG Niedersachsen hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine
Steuerrückstellung zwingend in Höhe der später festgesetzten Steuer zu
bilden ist. Dies wurde durch das Gericht verneint. Eine Rückstellung ist
nach dem aktuellen Urteil mit dem Betrag anzusetzen, mit dem am Bilanzstichtag bei einer Steuerfestsetzung gerechnet werden muss. Eine
rückwirkende Gesetzesänderung wirkt sich insoweit nicht mehr aus.
Im Urteilsfall ging es um die Umsatzsteuer bei unrichtigem Steuerausweis
in fehlerhaften Rechnungen, die nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldet wird.
Die Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist in der Höhe zu bilden, wie sie sich bei einer Inanspruchnahme für die gesamten in Rechnung gestellten Lieferungen ergab. Sowohl am Bilanzstichtag als auch bei
der Erstellung musste der Unternehmer nämlich konkret damit rechnen,
dass Umsatzsteuer auf den gesamten in Rechnung gestellten Betrag festgesetzt würde und nicht – wie sich erst später herausstellt – weniger aufgrund einer geänderten Regelung mit Rückwirkung. Ein Kaufmann hat
aufgrund des Vorsichtsprinzips Steueransprüche nach den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Buchführung spätestens am ersten Bilanzstichtag zu
aktivieren.
Fundstellen:
BFH 26.4.12, IV R 43/09, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121941
BFH 21.9.11, I R 50/10; 8.10.08, I R 3/06
BMF 16.12.05, IV B 2 - S 2176-103/05 BStBl I 05, 1052
FG Niedersachsen 15.3.12, 6 K 43/10
AStW 2012/015
§ 5a EStG – Kurz vor Anwendung der
E-Bilanz wurden die Grundsätze noch
einmal aktualisiert
Ab 1.1.2013 müssen buchführungspflichtige Unternehmen, Steuerpflichtige, die freiwillig Bücher führen und beschränkt Steuerpflichtige die Vorgaben der E-Bilanz in ihrer Buchhaltung berücksichtigen. Mit dem endgültigen Anwendungsschreiben vom September 2011 hat das Projekt EBilanz nunmehr einen Stand erreicht, der verbindliche Grundlage für die
erstmalige Übermittlung von Jahresabschlussdaten sein wird. In diesem
Zusammenhang hat das BMF ein aktualisiertes Datenschema der Taxonomien veröffentlicht und verspricht dauerhaft Auffangpositionen, wenn
sich ein Muss-Feld nicht mit Daten füllen lässt.
Neue Version
Die neue Version 5.1 der Taxonomien mit dem aktualisierten Datenschema und der technische Leitfaden stehen unter www.esteuer.de zur Ansicht und zum Abruf bereit. Mit jeder Version bleibt eine Übermittlung
auch für frühere Wirtschaftsjahre möglich. Die aktualisierte Version ist
grundsätzlich für die Bilanzen der nach 2012 beginnenden Wirtschaftsjahre zu verwenden – auch bei Liquidations- sowie Eröffnungsbilanzen, sofern diese ab 2013 aufzustellen sind. Es wird nicht beanstandet, wenn die
neuen Taxonomien auch für das Wirtschaftsjahr 2012 oder bei Abweichung 2012/2013 verwendet werden. Dabei soll die Übermittlungsmöglichkeit mit dem aktuellen, neuen Datenschema voraussichtlich ab November 2012 möglich sein.
Nach Veröffentlichung einer aktuelleren Taxonomie ist diese unter Angabe des Versionsdatums solange zu verwenden, bis es eine aktualisierte
gibt. Eine Version ist grundsätzlich nur für ein Wirtschaftsjahr zu verwenden. Sie darf dann aber auch im Vorjahr angewendet werden. Die Übermittlung von Datensätzen soll dabei regelmäßig mit einem neuen ELSTER-Release im November des Vorjahres ermöglicht werden. Diese Taxonomien gelten dann auch für abweichende Wirtschaftsjahre, die nach
dem 31.12. des Veröffentlichungsjahres beginnen. Ohne Aktualisierung
AStW 2012/016
ist die letzte Taxonomie auch für die folgenden Wirtschaftsjahre zu verwenden.
Dauerhafte Auffangpositionen
Positiv anzumerken ist, dass Auffangpositionen – nicht wie geplant nur
für die Dauer von fünf bis sechs Jahren sondern – dauerhaft eingeführt
werden. Das geht aus einer Pressemitteilung des BMF hervor. Dabei wird
besonders hervorgehoben, dass nur die im Hauptbuch enthaltenen Bilanzposten elektronisch übermittelt werden müssen.
Im Weiteren wurden zu den Auffangpositionen die folgenden Punkte festgelegt:
 Lässt sich ein Mussfeld nicht mit Werten füllen – etwa mangels entsprechenden Buchungskontos oder Ableitung aus der individuellen
Buchführung – wird die entsprechende Position leer übermittelt.
 Auffangspositionen können dann genutzt werden, wenn für einen
Sachverhalt eine durch Mussfelder vorgegebene Differenzierung nicht
aus der Buchführung abgeleitet werden kann. Diese Vorgehensweise
verhindert den Eingriff ins Buchführungswesen des Unternehmens.
 Insbesondere für mittelständische Unternehmen wird auf der Webseite
von ELSTER eine kleine Datenbank mit am Markt verfügbarer Steuersoftware mit ELSTER-Schnittstelle vorgehalten.
Praxishinweis: Bemessen Sie die Zeit der Umstellung auf die E-Bilanz
weder in der eigenen Kanzlei noch bei Ihren Mandanten zu kurz. Der
Stichtag 1.1.2013 rückt unaufhaltsam näher und dann wird die elektronische Übertragung zur Pflicht. Viele mittelständische Unternehmen haben noch keinerlei Vorkehrungen getroffen. Sprechen Sie rechtzeitig mit
Ihren Mandanten.
Fundstellen:
Taxonomie: BMF 5.6.12, IV C 6 - S 2133-b/11/10016, unter astw.iww.de,
Abruf-Nr. 121942; BMF 28.9.11, IV C 6 - S 2133-b/11/10009, BStBl 11 I
S. 855
Auffangpositionen: BMF PM 20.5.12
AStW 2012/017
§ 6a EStG – Wann liegt eine
Überversorgung vor und wie
ist diese zu behandeln?
Das Gesetz selbst enthält keine Obergrenze für die Zusage von Versorgungsbezügen. Daher kommt es immer wieder zu Streitigkeiten, wann
eine Überversorgung vorliegt. Aktuell hat sich der BFH zu den Voraussetzungen und den Folgen einer Überversorgung geäußert und dabei seine bisherige Rechtsprechung bestätigt.
Nach Auffassung des Gerichts kommt es zur Überversorgung und infolge
dessen zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn die GmbH feste
Versorgungsbezüge zusagt, die im Verhältnis zu den Aktivbezügen am Bilanzstichtag überhöht sind. Eine Überversorgung ist dabei regelmäßig anzunehmen, wenn die Versorgungs- und Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt.
Eine Überversorgung liegt regelmäßig auch dann vor, wenn die Anwartschaft trotz dauerhaft abgesenkter Aktivbezüge unverändert ungekürzt
bleibt. Ausnahmsweise ist die Pensionsrückstellung bei Absenkung der
Aktivbezüge nicht gewinnwirksam aufzulösen, wenn die regulären aktiven
Bezüge zur Überwindung von wirtschaftlichen Schwierigkeiten nur vorübergehend gekürzt werden und es anschließend zur Wiederanhebung
kommt. Dann entstehen insoweit weder eine Überversorgung noch die
Verminderung der Pensionsrückstellung in der Steuerbilanz. Kommt es
nicht mehr zur beabsichtigten Wiederaufstockung der zuvor entfallenen
Aktivbezüge, weil die Gesellschaft insolvent wird, ist dies unschädlich.
Die Pensionsrückstellung ist aber zu kürzen, wenn der Fortbestand der
Gehaltsherabsetzung wie im Urteilsfall nach zweieinhalb Jahren ohne
konkrete Aussicht auf deren Rückgängigmachung immer noch bestand.
Dann ist dies nicht mehr nur vorübergehend, trotz der wirtschaftlichen
Probleme.
AStW 2012/018
Fundstellen:
BFH 27.3.12, I R 56/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121656
BFH 28.4.10, I R 78/08
BMF 3.11.04, IV B 2 - S 2176 - 13/04, BStBl I 04, 1045
AStW 2012/019
§§ 9, 19 EStG – Lohnsteuerliche
Behandlung der Familienpflegezeit
Zum 1.1. 2012 wurde die Familienpflegezeit eingeführt. Das Familienpflegezeitgesetz bietet Beschäftigten, die ihre Angehörigen pflegen, die
Möglichkeit, ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 15 Stunden zu senken. Das Gehalt wird während der reduzierten Arbeitszeit jedoch nur prozentual gesenkt. Die Beschäftigten erhalten eine Art Lohnvorschuss, der nach Beendigung der Familienpflegezeit durch weiterhin reduziertes Gehalt bei voller Arbeitszeit ausgeglichen
wird. Das negative Wertguthaben wird anschließend bei wieder voller Arbeitszeit durch Auszahlung des herabgesetzten Gehalts in Höhe von 75 %
des letzten Bruttoeinkommens bis zum Null-Saldo ausgeglichen.
Die lohnsteuerliche Behandlung der arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen hat das BMF in einem aktuellen Schreiben aufgegriffen. Die wichtigsten Punkte dieses Schreibens haben wir nachfolgend zusammengefasst:
 Während der Familienpflegezeit liegt Zufluss von Arbeitslohn aus der
Summe des verringerten regulären Gehalts und der Entgeltaufstockung
des Arbeitgebers vor. Das gilt auch, soweit der 50%ige Aufschlag aus
einem Wertguthaben entnommen und dadurch ein negatives Konto
aufgebaut wird. Wird in der Nachpflegephase bei dann wieder voller
Arbeitszeit weiter nur das reduzierte Arbeitsentgelt ausgezahlt, um
gleichzeitig mit dem anderen Teil das negative Wertguthaben auszugleichen, liegt ein steuerpflichtiger Zufluss nur in Höhe des reduzierten
Arbeitsentgelts vor und der Ausgleich selbst löst keine Besteuerung
aus.
 Sowohl die Auszahlung des zinslosen öffentlichen Darlehens an den
Arbeitgeber als auch der spätere Ausgleich und der Erlass der Rückzahlungsforderung wegen Nichtzahlung des Beschäftigten führen beim
Arbeitnehmer zu keinen lohnsteuerpflichtigen Tatbeständen. Schließt
der Arbeitnehmer eine Familienpflegezeitversicherung ab und zahlt er
die Prämie direkt an die Versicherung, hat er auch dann Werbungskosten, wenn die Beiträge zunächst vom Bundesamt verauslagt werden
AStW 2012/020
oder der Arbeitgeber damit in Vorlage tritt und der Angestellte diese
später erstattet. Der Abzug von Werbungskosten erfolgt erst im Veranlagungszeitraum der Erstattung durch den Arbeitnehmer. Verrechnet
der Betrieb hingegen seine Vorleistung mit dem auszuzahlenden vollen
Gehalt, mindert sich der steuerpflichtige Arbeitslohn nicht um die Differenz.
 Lässt sich der Arbeitgeber gezahlte Prämien zur Familienpflegezeitversicherung oder die bei Kreditrückführung belasteten Beträge nicht vom
Arbeitnehmer erstatten, liegen als Leistung des Arbeitgebers im ganz
überwiegend eigenbetrieblichen Interesse weder Arbeitslohn noch
Werbungskosten vor.
 Wurde die Familienpflegezeitversicherung als kostengünstigerer Gruppenvertrag abgeschlossen, gehören die erzielten Prämienvorteile nicht
zum Arbeitslohn. Kommt es nicht mehr zum vollständigen Ausgleich
des negativen Wertkontos, weil der Beschäftigte zuvor gekündigt wurde und deshalb der verbliebene Ausgleichsanspruch mangels Aufrechnungsmöglichkeit erlischt, liegt darin kein geldwerter Vorteil.
Praxishinweis: Vor Inanspruchnahme der Familienpflegezeit hat auf
jeden Fall eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erfolgen. Darin muss unter anderem die Dauer der Familienpflegezeit, der Umfang und die Verteilung der Arbeitszeit, das
Aufstocken des Arbeitsentgelts während der Pflegephase durch den
Arbeitgeber und der Ausgleich dieses negativen Guthabens in der
Nachpflegephase geregelt sein. Zudem muss eine zertifizierte Familienpflegezeitversicherung abgeschlossen werden. Damit wird der Ausgleich des negativen Wertguthabens durch Tod, Berufsunfähigkeit oder
Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers vor dem Ende der Nachpflegephase abgesichert.
Fundstellen:
BMF 23.5.12, IV C 5 - S 1901/11/10005, unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121643
Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf 6.12.11, BGBl I 12, 2564
AStW 2012/021
§ 9 EStG – Kein Ansatz von Pauschalen
bei offensichtlich unzutreffender
Besteuerung
Eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung verbietet den Ansatz von
Pauschalen. Zwei Urteile zu unterschiedlichen Sachverhalten belegen diese Begründung.
Keine Übernachtungspauschale bei Fernfahrern
Schläft ein Fernfahrer in der Lkw-Schlafkabine, sind die Pauschalen für
Übernachtungen bei Auslandsdienstreisen nicht anzuwenden, so das Urteil des BFH. Ein Ansatz der von der Finanzverwaltung festgelegten
Pauschbeträge kommt nicht in Betracht, da dies zu einer offensichtlich
unzutreffenden Steuerfestsetzung führen würde. Die tatsächlich angefallenen Aufwendungen unterschreiten nämlich die Höhe der Pauschalen
erheblich. Die Kosten sollen nicht vollständig unter den Tisch fallen. Daher werden die tatsächlich angefallenen Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt. Ohne Einzelnachweise können 5 EUR für Dusche, Toilette und Reinigung der Schlafgelegenheit angesetzt werden, wenn der
Arbeitgeber insoweit keine steuerfreien Erstattungen geleistet hat.
Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei Fernfahrern
Der BFH hat im Weiteren zur Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte Stellung genommen. Danach lässt sich Folgendes festhalten. Weder der LkwWechselplatz noch das Fahrzeug weisen bei Kraftfahrern im Fernverkehr
die Merkmale einer regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 S.
3 Nr. 4 EStG auf. Beim Wechselplatz handelt es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und der Lkw stellt keine ortsfeste
Einrichtung dar.
Damit gibt es vom BFH ein weiteres Urteil zur jüngst geänderten Rechtsprechung zum Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte, wonach diese nur
dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer sie nicht nur gelegentlich, sondern
mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht.
AStW 2012/022
Praxishinweis: Als Folge hieraus kann der Angestellte für seine
Fahrten von der Wohnung aus zum jeweiligen Lkw und dem Wechselplatz mangels regelmäßiger Arbeitsstätte nicht nur die Entfernungspauschale absetzen, sondern stattdessen die tatsächlich angefallenen
Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen.
Kein Abzug von Kilometergeld bei unzutreffender Besteuerung
Das FG Sachsen hat sich ebenfalls mit dem Thema der unzutreffenden
Besteuerung auseinandergesetzt. Die im Streitjahr angefallenen tatsächlichen Kfz-Kosten bezifferte der Arbeitnehmer auf 11.000 EUR. Die Erstattung des Arbeitgebers betrug 9.000 EUR. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Arbeitnehmer weitere 3.000
EUR für die beruflichen Fahrten als Werbungskosten geltend, die er unter
Ansatz des Pauschbetrags errechnet hatte.
Ein Abzug des pauschalen Kilometersatzes bei Dienstreisen kommt nach
Auffassung der Richter nicht in Betracht, wenn die Pauschale die tatsächlich angefallenen beruflichen Kosten erheblich (hier um mehr als 3.000
EUR) übersteigt und auch die Kostenerstattung des Arbeitgebers bereits
die tatsächlichen Kosten überstiegen hat. Der Ansatz der Pauschale führt
in einem solchen Fall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung.
Der BFH macht die Anwendung des Pauschbetrags generell davon abhängig, dass hierdurch keine offensichtlich unzutreffende Besteuerung bewirkt
wird. Nach diesem Grundsatz kann ein Arbeitnehmer dann keinen weiteren
Kostenabzug beanspruchen, wenn seine beruflichen Fahrten wie hier 82 %
der Gesamtfahrleistung entsprechen und die beruflichen Aufwendungen
bereits unter der Erstattung des Arbeitgebers liegen. Eine unzutreffende
Besteuerung ergibt sich deshalb, weil ein Einnahmen-Überschuss unversteuert bleibt und sich die Differenz durch einen weiteren Abzug sogar
noch erhöhen würde.
Fundstellen:
BFH 28.3.12, VI R 48/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121662
BFH 12.11.09, VI B 66/09; 9.8.07, X B 218/06
AStW 2012/023
Sächsisches FG 23.1.12, 6 K 2097/08
Arbeitsstätte: BFH 22.9.10, VI R 54/09; 19.1.12, VI R 23/11; VI R 36/11
AStW 2012/024
§ 9 EStG – BFH erleichtert Anerkennung
der doppelten Haushaltsführung bei
Alleinstehenden!
Kann ein Lediger die Aufwendungen einer doppelten Haushaltsführung
ansetzen? Mit dieser Frage hat sich der BFH aktuell auseinandergesetzt.
Der BFH stellt in seinem aktuellen Urteil fest, dass im Rahmen der doppelten Haushaltsführung zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, zu unterscheiden ist. Einen eigenen Hausstand unterhält beispielsweise auch derjenige, der die
Mittel dazu von einem Dritten erhält. Wird der Haushalt nämlich in einer
in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften erlaubt, kann regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen werden.
Für den Hausstand als Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, ist beim alleinstehenden Arbeitnehmer entscheidend, dass er
sich dort im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung
für gelegentliche Besuche oder Ferienaufenthalte ist noch kein Hausstand. Auch die Eingliederung in einen fremden Haushalt – etwa bei den
Eltern oder als Gast – rechtfertigen nicht die Annahme eines eigenen
Hausstandes.
Wird eine Wohnung unentgeltlich überlassen, ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden
eingegliedert ist. Dabei ist die Entgeltlichkeit der Wohnungsüberlassung
und die Frage, wer die Kosten trägt zwar ein wichtiges Indiz, aber nicht
allein ausschlaggebend. Es ist durchaus möglich, dass ein Alleinstehender
auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn Dritte für Kosten aufkommen oder sich die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten
nicht feststellen lässt.
AStW 2012/025
Praxishinweis: Wichtige Indizien sind auf jeden Fall jedoch Einrichtung, Ausstattung und Wohnungsgröße. Beim Haushalt in einer abgeschlossenen Wohnung ist regelmäßig vom eigenen Hausstand auszugehen und dabei sind persönliche Lebensumstände und Alter zu berücksichtigen. Ein junger Arbeitnehmer, der nach Schulabschluss eine
Ausbildung beginnt, hat eher den Haushalt bei den Eltern, als wenn er
in einer gefestigten Beziehung oder Ehe lebt.
Fundstellen:
BFH 28.3.12, VI R 87/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121582
BFH 21.4.10, VI R 26/09, BFH/NV 10, 1894
AStW 2012/026
§ 17 EStG – Grundbedingungen für eine
steuerbare Anteilsveräußerung
Anteilsveräußerungen sind steuerbar, wenn der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf
Jahre wesentlich beteiligt war. Dies gilt nur bei unentgeltlicher Übertragung von bereits steuerverstrickten Anteilen. War der Rechtsvorgänger
erst nach der unentgeltlichen Übertragung aufgrund einer Gesetzesänderung wesentlich beteiligt, ist dem Veräußerer die Besitzzeit des Rechtsvorgängers nicht zuzurechnen. Der BFH hat kürzlich in zwei Urteilen weitere Grundsätze zur Auslegung von § 17 EStG aufgestellt.
Verlustansatz bei unentgeltlich erhaltenen Anteilen
Gemäß § 17 Abs. 1 S. 4 EStG sind Verluste auch dann absetzbar, wenn
der Veräußerer den verkauften Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre zuvor unentgeltlich erworben hatte und der Rechtsvorgänger innerhalb dieses Zeitraums wesentlich beteiligt war. Dabei gilt die jeweils maßgebliche
und aufgrund von mehreren Gesetzesänderungen auf mittlerweile 1 %
abgesenkte Beteiligungsgrenze erst für Veräußerungen ab 2002. Daher
scheitert eine mögliche Besteuerung nach § 17 EStG daran, wenn der
GmbH-Gesellschafter erst nach der unentgeltlichen Übertragung durch
die nachfolgende Gesetzesänderung wesentlich und damit maßgeblich
beteiligt wird. Der realisierte Verlust durch den Beschenkten kann steuerlich nicht erfasst werden.
Die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 5 EStG greift also nur bei unentgeltlicher
Übertragung von bereits verstrickten Anteilen. Abgestellt wird auf die bei
Schenkung gültige Gesetzesfassung, ob der abgebende Gesellschafter wesentlich beteiligt ist oder dieses erst in späteren Jahren erstmalig wird. An
dieser Sichtweise ändert die Senkung der Wesentlichkeitsgrenze nichts, da
die Vorschriften insoweit veranlagungszeitraumbezogen auszulegen sind.
Der BFH weist darauf hin, dass nur so dem Interesse des unentgeltlichen
Erwerbers an Planungssicherheit Rechnung getragen werden kann. Dies
gilt unabhängig davon, dass § 17 Abs. 1 S. 1 EStG keinen entsprechenden
Veranlagungszeitraumbezug aufweist.
AStW 2012/027
Wirtschaftliches Eigentum trotz Formunwirksamkeit
§ 17 EStG setzt die Übertragung zumindest des wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 AO durch den Veräußerer voraus. Dies umfasst, dass der
Veräußerer den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung ausschließt und er über den Verkaufserlös verfügen kann sowie die mit dem
Anteil verbundenen wesentlichen Verwaltungs-, Gewinnbezugs- und
Stimmrechte besitzt. Risiko und Chance von Wertveränderungen liegen
somit beim Verkäufer. Dabei ist nicht das formal-rechtlich Erklärte oder
Vereinbarte ausschlaggebend, sondern das wirtschaftlich Gewollte und
tatsächlich Bewirkte. Wirtschaftliches Eigentum liegt auch dann vor, wenn
einander nicht nahestehende Vertragsparteien Vereinbarungen aus einem
formunwirksamen Vertrag tatsächlich durchführen. Auch bei Verträgen
zwischen nahen Angehörigen führt die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines
Vertragsabschlusses nicht durchweg zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung.
Aus diesen Grundsätzen folgt daher nicht automatisch, dass bei zivilrechtlicher Formunwirksamkeit das wirtschaftliche Eigentum zwangsläufig ausgeschlossen ist und ein Verkauf nach § 17 EStG nicht möglich wäre. Maßgeblich ist nämlich das, was wirtschaftlich gewollt und anschließend auch so
durchgeführt wird, indem sich die beteiligten Personen auch dementsprechend verhalten.
Praxishinweis: Auch wenn die Grundsätze der steuerlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen zugrunde
gelegt werden, kann nicht von einer verstärkten Indizwirkung von zivilrechtlichen Formfehlern ausgegangen werden, wenn keine sonstigen
Anhaltspunkte gegen den Bindungswillen der Parteien sprechen. Die
Prinzipien gelten auch dann, wenn ein Anteil unter aufschiebender Bedingung verkauft wird. Dann geht das wirtschaftliche Eigentum grundsätzlich erst mit Bedingungseintritt auf den Erwerber über, wenn dies
nicht allein vom Willen und Verhalten des Erwerbers abhängt.
AStW 2012/028
Fundstellen:
Schenkung: BFH 24.1.12, IX R 8/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121943; BFH 29.5.08, IX R 62/05, BStBl II 08, 856
Eigentum: BFH 24.1.12, IX R 69/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121944
Bedingung: BFH 25.6.09, IV R 3/07, BStBl II 10, 182
AStW 2012/029
§ 20 EStG – Vor 2009 erworbene
Genuss-Scheine erhalten doch noch
Bestandsschutz
In der Vergangenheit boten Genuss-Scheine bei nur leicht höherem Risiko eine deutlich bessere Rendite als andere Anlageprodukte. Sofern Sparer die gesetzlichen Regeln optimal ausnutzten, konnten sie die Zinsen
alle zwei Jahre nach Ablauf der Spekulationsfrist durch einen gezielten
Verkauf steuerfrei vereinnahmen. Mit Einführung der Abgeltungsteuer
entfiel dieses Privileg allerdings, da Kursgewinne und Ausschüttungen
seitdem gleichermaßen unter § 20 EStG fallen und auch Genuss-Scheine
betreffen.
Welche Regelung ist nun aber auf den Altbestand anzuwenden. Das FG
Hessen hat hierzu folgendes Urteil gefällt. Für die Bestandsschutzregelung auf den Altbestand reicht es nach Auffassung des Gerichts, wenn es
sich um ein Wertpapier handelt, für das nach der Rechtslage 2008 keine
Besteuerung des Verkaufserlöses als Kapitaleinnahme als Finanzinnovation stattfand. Dies trifft auf Genuss-Scheine zu, die 2009 erstmals steuerpflichtig wurden. Damit entschieden die Richter gegen die Verwaltungsauffassung. Die über das Jahressteuergesetz 2009 rückwirkend für die
alten Finanzinnovationen eingeführte Ausnahme vom Bestandsschutz in §
52a Abs. 10 Satz 6 und 7 EStG wendet das BMF auch für die Genüsse an,
bei denen Gewinne nach altem Recht außerhalb des § 23 EStG jedoch
steuerfrei waren.
Nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG zählt zu den Kapitaleinkünften auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen, worunter
grundsätzlich auch Genuss-Scheine fallen, weil die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist. Der erst zum 1.1.2009 eingeführte Besteuerungstatbestand für Gewinne aus der Veräußerung von vor 2009 erworbenem
Altbestand ist für Genuss-Scheine aber nicht anwendbar. Es greift vielmehr die allgemeine Übergangsregelung wie für herkömmliche Anleihen.
Denn nach dem alten § 20 Abs. 2 Nr. 4 S. 5 EStG wurden GenussScheine gerade nicht als steuerpflichtige Finanzinnovationen behandelt.
AStW 2012/030
Praxishinweis: Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, sodass der
ruhende Einspruch Fälle offenhält. Anleger sollten Gewinne mit alten Genuss-Scheinen in der Einkommensteuererklärung 2011 angeben und sie
unter Hinweis auf das Urteil in der Anlage KAP als steuerfrei behandeln
Fundstellen:
FG Hessen 16.2.12, 4 K 639/11; Revision unter I R 27/12, unter
astw.iww.de, Abruf-Nr. 121694
BMF 22.12.09, IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 10, 94, Rn. 319
AStW 2012/031
§ 22 EStG – Erst Millionäre durch die
Big Brother-Show, dann Privatinsolvenz
dank des BFH
Der junge, wenig öffentlichkeitsscheue Steuerpflichtige hatte vor einigen
Jahren nach mehr als einem Jahr Aufenthalt den „Big Brother-Container“
eines privaten TV-Senders als Einkommensmillionär glücklich und ohne
Geldsorgen verlassen. Dieser Zustand hielt jedoch nicht dauerhaft an.
Heißt es doch aus Medienkreisen, der Steuerpflichtige habe nach der
BFH-Entscheidung aus dem April dieses Jahres Privatinsolvenz beantragen müssen.
Der BFH hat entschieden, dass ein Gewinn aus der Teilnahme an einer
Fernsehshow – wie das Format Big Brother – steuerpflichtige sonstige
Einkünfte aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG darstellt. Vorausgesetzt
wird dabei, dass das Preisgeld als Gegenleistung für das aktive oder passive Verhalten während des Aufenthaltes zu beurteilen ist. Mit der Annahme des Gewinns ordnet der Teilnehmer das Entgelt seiner erwerbswirtschaftlichen und damit steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu.
Es liegen somit sonstige Einkünfte und keine nach § 19 EStG vor, weil die
Beziehungen zwischen Beteiligtem und Medienanstalt mangels geschuldeter Arbeitskraft im Über-/und Unterordnungsverhältnis kein typisches Arbeitsverhältnis darstellen.
Übrigens gilt das Urteil nicht für Quizshows und Lottogewinne
Nach Auffassung des Gerichts wird die Teilnahme an der „Big Brother“Show nicht als Spiel oder Wette gewertet. Damit sind die Einkünfte nicht
steuerfrei, sondern einkommenssteuerpflichtig. Lottogewinne zählen dagegen nicht zu Einkünften im Sinne des Einkommensteuerrechts, sie
müssen nicht versteuert werden. Das Gleiche gilt für Gewinne bei
Quizshows wie „Wer wird Millionär?“.
Praxishinweis: Dauer und Häufigkeit der Leistung/en sind ohne Bedeutung, weil die Vorschrift nicht nur ein gelegentliches oder auch ein
AStW 2012/032
nur einmaliges Verhalten erfasst, sondern auch sich wiederholende,
regelmäßig oder über eine gewisse Dauer erbrachtes Tun, Dulden oder
Unterlassen. Dabei ist kein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und
Gegenleistung im Sinne eines Austauschvertrags erforderlich. Das Entgelt muss nur durch das Verhalten des Steuerpflichtigen wirtschaftlich
veranlasst sein oder nachträglich ausgelöst werden – etwa bei einem
Preisgeld anlässlich von Auslobungs-Veranstaltungen.
Fundstellen:
BFH 24.4.12, IX R 6/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121745
BFH 23.4.09, VI R 81/06; 25.2.09, IX R 33/07
AStW 2012/033
§ 24 EStG – Einordnung einer
Abfindung als Erfindervergütung
und Entschädigung
Die ermäßigte besteuerte Entschädigung nach § 34 EStG die als Ersatz
für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wird, kommt auch
bei Arbeitnehmererfindervergütungen in Betracht. Nach einem aktuellen
Urteil des BFH handelt es sich auch dann noch um begünstigte außerordentliche Einkünfte, wenn der Angestellte im Streit mit seinem Arbeitgeber um die eigene Erfindervergütung nachgibt und dessen angebotene
Abfindung annimmt. Es entspricht nämlich dem Zweck des von der
Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, einen tatsächlichen Druck schon deshalb infrage zu stellen, weil sich die Parteien
gütlich geeinigt haben.
Insoweit erfüllt auch die anlässlich der Schlichtung gezahlte Abfindung
die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1a EStG. Nach der ständigen BFHRechtsprechung setzt eine solche Entschädigung voraus, dass der Ausfall
der Einnahmen entweder von Dritten veranlasst wurde oder der Steuerpflichtige unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck
stand, wenn er selbst die Einigung herbeiführt. Die Steuerermäßigung ist
gerechtfertigt, wenn ein zusammengeballter Zufluss der Einnahmen mit
Progressionsanstieg vorliegt, dem sich der Empfänger nicht entziehen
konnte.
Von einer solchen notwendigen Drucksituation ist auszugehen, wenn jemand auf das Angebot seines Arbeitgebers aus Loyalitätsgründen und zur
Vermeidung weiterer Streitigkeiten eingeht, obwohl er eigentlich jährliche
Zahlungen bevorzugt hätte. Es besteht dennoch ein tatsächlicher Druck,
dem Wunsch nach fortlaufender Arbeitnehmererfindervergütung aufgrund
von Konflikten im betrieblichen Interesse nachzugeben und lieber alle
Rechtsbeziehungen zu beenden. Die einvernehmliche Lösung ist weiterhin
eine Zwangssituation, der sich der Arbeitnehmer durch Einigung entzieht.
Fundstelle:
BFH 29.2.12, IX R 28/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121747
AStW 2012/034
§ 32 EStG – Au-pair-Aufenthalt zählt
nur mit Sprachunterricht als
Berufsausbildung
Das Schuljahr geht dem Ende zu und viele Abiturientinnen nutzen ihre
neu gewonnene Freiheit für die Vertiefung ihrer Sprachkenntnisse im
Ausland. Die Tätigkeit als Au-pair besitzt dabei immer noch eine gewisse
Attraktivität. Verbindet dieser Aufenthalt doch das Gewünschte mit dem
Nützlichen. Für die Eltern stellt sich jedoch die Frage, ob sie weiterhin
Kindergeld für ihre Tochter bekommen oder die steuerlichen Freibeträge
geltend machen können.
Der BFH hat aktuell seine Rechtsprechung bestätigt, dass Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses im Ausland nur dann als
Berufsausbildung anzusehen sind – und nur wenn eine Berufsausbildung
vorliegt, besteht ein Anspruch auf Kindergeld –, wenn sie von einem
durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden.
Zehn Wochenstunden Sprachunterricht rechtfertigen demnach eine hinreichend gründliche Ausbildung, wobei grundsätzlich auf die Dauer des
gesamten Aufenthaltes abzustellen ist und bei insgesamt hinreichend umfangreichem Unterricht die Berücksichtigung in einem Ferienmonat nicht
unterbrochen wird. Bei weniger als zehn Stunden können ausnahmsweise
einzelne Monate als Berufsausbildung gewertet werden, wenn sie beispielsweise von intensivem Blockunterricht oder Lehrgängen flankiert
sind, die wiederum die Grenze von zehn Stunden deutlich überschreiten
und dann prägend sind.
Praxishinweis: Auslandsaufenthalte können auch unabhängig vom
Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung qualifiziert
werden, wenn sie von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder ein gutes Ergebnis und die Vorbereitung für den Fremdsprachentest bei Zulassung zum Studium oder zu
einer anderen Ausbildung erforderlich sind.
AStW 2012/035
Fundstellen:
BFH 15.3.12, III R 58/08, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121741
BFH 14.9.09, III B 119/08, BFH/NV 10, 34
AStW 2012/036
§ 32 EStG – Behinderte Kinder mit
geringem Einkommen können Kindergeld bekommen
Die Eltern eines behinderten Kindes erhalten grundsätzlich Kindergeld,
wenn der Nachwuchs durch sein Handicap von vornherein in der Berufswahl so eingeschränkt ist, dass ihm nur eine behinderungsspezifische Beschäftigung möglich ist. Das hat der BFH entschieden. Wenn das Kind
wegen einer Behinderung überhaupt nur eine Tätigkeit im Niedriglohnsektor findet, ist die Behinderung die eigentliche Ursache für die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. In dem Fall müsste Kindergeld gezahlt
werden. Für die Beurteilung des Sachverhalts ist damit primär zu klären,
warum ein arbeitendes Kind von seiner Beschäftigung nicht leben kann.
 Ist das allgemeine Lohnniveau so niedrig, dass auch ein nicht Behinderter mit Vollzeittätigkeit seinen Lebensunterhalt nicht deckt, kann
das Kind steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil statt der Behinderung die prekäre Arbeitsmarktsituation die Ursache dafür ist, dass das
Geld nicht zum Leben reicht.
 Ist das Kind aber von vornherein infolge seiner Behinderung in der Berufswahl dermaßen eingeschränkt, dass aufgrund einer behinderungsspezifischen Ausbildung nur ungünstige Beschäftigungsmöglichkeiten
offenstehen und wegen der Behinderung ausschließlich nur im Niedriglohnsektor eine bezahlte Arbeit findet, dann ist die Behinderung die eigentliche Ursache für die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten und es
muss Kindergeld gezahlt werden. Die gleiche Differenzierung ist laut
BFH im Niedriglohnsektor vorzunehmen, wenn das Kind in seiner Leistungsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass es von vornherein nur einer Teilzeitbeschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann.
Welche Ursache letztendlich verantwortlich dafür ist, sich selbst zu unterhalten, ist im Einzelfall festzustellen.
AStW 2012/037
Fundstellen:
BFH 15.3.12, III R 29/09, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121740
BFH 19.11.08, III R 105/07, BStBl II 10, 1057
AStW 2012/038
§ 32b EStG – Zufluss eines von Dritten
vorfinanzierten Insolvenzgeldes
Insolvenzgeld bleibt steuerfrei, unterliegt aber nach § 32b Abs. 1 Nr. 1a
EStG beim Arbeitnehmer dem Progressionsvorbehalt. Das gilt auch für
von einem Dritten vorfinanziertes Insolvenzgeld. Es ist dann als Gegenleistung für die Übertragung des Arbeitsentgeltanspruchs anzusehen, so
der BFH, wenn sich etwa der Arbeitgeber in finanziellen Schwierigkeiten
befindet, eine Bank die Vorfinanzierung der Arbeitslöhne übernimmt und
durch eine Forderungsabtretung an die Agentur für Arbeit absichert.
Dabei ist das Insolvenzgeld bereits im VZ zugeflossen, in dem es zur
Übertragung des Arbeitsentgeltanspruchs kommt. Der Arbeitnehmer hat
im Zeitpunkt der Auszahlung die vorfinanzierten Beträge bezogen, die
dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Leistungen in diesem Sinn sind
nämlich dann bezogen, wenn sie nach den Regeln der Überschusseinkünfte erzielt werden. Abzustellen ist insoweit auf den Zuflusszeitpunkt
nach § 11 Abs. 1 EStG.
Das Urteil ist immer dann besonders relevant, wenn sich ein solcher
Sachverhalt um den Jahreswechsel herum ereignet. Zumeist wirkt sich
der Tenor negativ aus, da der Progressionsvorbehalt noch im alten Jahr
erhöhend wirkt und der Arbeitnehmer zuvor noch laufende Arbeitslöhne
erhalten hat. Im Gegensatz hierzu wäre dagegen eine Erfassung nach
Silvester wegen der insgesamt niedrigeren steuerpflichtigen Einnahmen
günstiger. Allerdings soll der Progressionsvorbehalt die Steuerlast periodengerecht beeinflussen, was durch das Zuflussprinzip gewährleistet wird
und vorzeitig auf den Insolvenzgeldanspruch abstellt.
Fundstellen:
BFH 1.3.12, VI R 4/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121744
BFH 30.6.11, VI R 80/10, BStBl II 11, 948
AStW 2012/039
§ 33 EStG – Sanieren und Steuern
sparen
In der Vergangenheit wurden beim Bau von Eigenheimen teilweise Stoffe
verwendet, die sich im Laufe der Zeit als stark gesundheitsgefährdend
erwiesen haben. Asbest oder Holzschutz gehören beispielsweise dazu. Die
Sanierung kann sehr teuer werden. Unter bestimmten Voraussetzungen
lassen sich diese Kosten aber steuerlich geltend machen.
Der BFH hat mit drei Urteilen entschieden, inwieweit Aufwendungen für
die Sanierung eines selbst genutzten Wohngebäudes außergewöhnliche
Belastungen darstellen und welche Nachweisanforderungen es hierfür
gibt. Dabei ging es um Baumaßnahmen wegen konkreter Gesundheitsgefährdungen, Beseitigung von Hausschwamm und Geruchsbelästigungen.
Grundsätzlich lässt sich zusammenfassen, dass der Grund für die Sanierung weder beim Erwerb des Grundstücks erkennbar gewesen noch der
Schaden vom Eigentümer selbst verschuldet worden sein darf. Auch dürfen keine realisierbaren Ersatzansprüche gegen Dritte bestehen. Wurde
keine übliche Versicherung abgeschlossen, entfällt die steuerliche Absetzbarkeit von vornherein. Zudem sind Kosten für übliche Instandsetzungsund Modernisierungsmaßnahmen nicht absetzbar, soweit es sich um die
Beseitigung gängiger Baumängel als kein ungewöhnliches Ereignis handelt. Nachfolgend die Einzelheiten.
Hausschwamm: Die Aufwendungen zur Beseitigung von Hausschwamm
können als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sein, wenn folgende
Voraussetzungen gegeben sind:
 Der Vermögensgegenstand muss für den Steuerpflichtigen eine existenziell wichtige Bedeutung haben (bei einer Wohnung kann dies unterstellt werden).
 Es dürfen keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Wohnungsbesitzers erkennbar sein.
 Es darf kein realisierbarer Ersatzanspruch gegen Dritte gegeben sein.
 Die Sanierungskosten dürfen nicht durch Baumängel verursacht sein.
AStW 2012/040
Merke: Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist nach dem
Motto „Neu für Alt“ anzurechnen, wozu es der Ermittlung des Vorteilsausgleichs bedarf.
Asbest: Die Aufwendungen zur Beseitigung von Asbest können als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sein, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
 Es muss von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs eine
konkrete Gesundheitsgefährdung ausgehen, die auf einen Dritten zurückzuführen ist.
 Die Beseitigung muss mit ungewöhnlichen Ereignissen wie etwa Hochwasserschäden vergleichbar sein. Dabei ist kein vor Durchführung dieser Maßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten erforderlich, vergleichbar mit dem Attest bei Krankheitskosten.
 Der Steuerpflichtige hat nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen
nicht entziehen konnte. Auch hier ergeben sich keine gesteigerten
Nachweispflichten aus dem Gesetz. Diese widersprechen dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
Merke: Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den durch das
Steuervereinfachungsgesetz 2011 geänderten Anforderungen an den
Nachweis außergewöhnlicher Belastungen.
Geruchsbelästigung: Die Beseitigung unzumutbarer Beeinträchtigungen, die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehen, entsteht zwangsläufig, wie etwa der Austausch mit Formaldehyd
verseuchter Möbel oder der medizinisch indizierten Anschaffung von Möbeln.
Bei Geruchsbelästigungen ist das Überschreiten von objektiv feststellbaren Geruchsschwellen erforderlich. Das subjektive Empfinden genügt
nicht. Auch hier steht ein fehlendes Gutachten dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Abzustellen ist auf die Gesundheitsgefährdung
für die ganze Familie, also auch dann, wenn die Sanierung zugunsten eines Kindes des Hauseigentümers erforderlich gewesen ist, weil Atemwegserkrankungen drohen. Eines Nachweises bedarf es dazu nicht.
AStW 2012/041
Praxishinweis: Der BFH betont, dass er im Bereich des § 33 EStG
hinsichtlich des existenznotwendigen Bedarfs an seiner bisherigen,
sehr umfangreichen Rechtsprechung festhält. Auf die wird in den drei
Urteilen mehrfach verwiesen. Hinzu kommen umfangreiche Erläuterungen zum Nachweis von Krankheitskosten.
Fundstellen:
Unzumutbare Beeinträchtigungen: BFH 29.3.12, VI R 21/11, unter
astw.iww.de, Abruf-Nr. 121804, BFH 11.11.10, VI R 16/09, BStBl II 11,
966
Unausweichliche Schäden: BFH 29.3.12, VI R 70/10, unter astw.iww.de,
Abruf-Nr. 121806, BFH 21.4.10, VI R 62/08, BStBl II 10, 965
Gesundheitsgefährdung:
BFH 29.3.12, VI R 47/10, unter astw.iww.de,
Abruf-Nr. 121805, BFH 11.2.09, VI B 140/08, BFH/NV 09, 762
AStW 2012/042
§ 33a EStG – Berechnung von
abziehbaren Unterhaltsleistungen bei
Selbstständigen
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer
dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.004 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
Der BFH hatte jüngst zu entscheiden, in welcher Höhe die Unterhaltszahlungen eines Steuerpflichtigen an seine Mutter zu berücksichtigen sind.
Der Steuerpflichtige erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
In seiner Einkommensteuererklärung machte er Unterhaltszahlungen an
seine Mutter, mit der er nicht in einem Haushalt lebte, als außergewöhnliche Belastung geltend.
Der BFH stellt hierzu fest, dass die Abziehbarkeit von Leistungen u.a. die
Bedürftigkeit der zu unterhaltenden Personen voraussetzt. Zudem hat der
BFH geklärt, dass die Berechnung der nach § 33a EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen bei Selbstständigen auf der Grundlage eines Dreijahreszeitraums vorzunehmen ist und Steuerzahlungen vom hiernach zugrunde zu legenden Einkommen grundsätzlich in dem Jahr abzuziehen
sind, in dem sie gezahlt wurden.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung absetzbar, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Leistungen noch angemessene Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben. Dazu wird mit Ausnahme von Ehegatten und minderjährigen Kindern
sowie bei einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person die Opfergrenze berechnet. Da die Einkünfte von Selbstständigen stärkeren Schwankungen unterliegen, ist der Berechnung ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen und nicht nur die im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte.
AStW 2012/043
Fundstelle:
BFH 28.3.12, VI R 31/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121661
AStW 2012/044
UStG – Umgang mit Erschließungsmaßnahmen
Die
Verwaltung
wendet
die
aktuelle
und
umfangreiche
BFH-
Rechtsprechung zu Erschließungsmaßnahmen durch Gemeinden oder
eingeschaltete Träger über ein neues BMF-Schreiben in allen offenen Fällen mit diversen Vorgaben an. Betroffen sind Versorgungsnetze, Entwässerungs-, Verkehrs- und Kommunikationsanlagen, aber auch Maßnahmen
zum Schutz gegen Umwelteinflüsse wie beispielsweise Lärmschutzwände
an Straßen. Nicht dazu zählen hingegen die notwendigen Einzelanschlüsse eines Grundstücks zum Bau eines Hauses. Dabei ist zwischen verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden, hinsichtlich Umsatzsteuerpflicht und Vorsteuerabzug:
 Führt die Gemeinde Erschließungsmaßnahmen selbst im eigenen Namen und für eigene Rechnung durch oder beauftragt sie einen Bauunternehmer als Erfüllungsgehilfen, wird sie hoheitlich tätig, sodass Eingangsleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Dieser ist aber
möglich, wenn die Gemeinde als Betrieb gewerblicher Art etwa durch
die Elektrizitäts-, Gas-, Wärme- oder Wasserversorgung die Herstellung öffentlicher Versorgungsnetze den Grundstückseigentümer bezahlen lässt.
 Erschließungsanlagen werden zusammen mit dem Grundstück an die
Gemeinde nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfrei geliefert, sofern es sich
nicht um Betriebsvorrichtungen handelt. Auf die Steuerfreiheit kann
nicht nach § 9 UStG verzichtet werden, wenn es sich um Grundstücke
für den öffentlichen Bereich handelt. Sofern ein Unternehmen die
selbstbeschafften Hauptstoffe verwendet, liegt eine Werklieferung vor.
 Arbeitet der Unternehmer sowohl für die Gemeinde als auch für den
Grundstückseigentümer, ist nur die Kommune Leistungsempfänger und
es kommt zu keiner weiteren sonstigen Leistung. Die Zahlungen der
Hausbesitzer sind Entgelt von dritter Seite für die Erschließungsleistung an die Gemeinde, sodass gegenüber den Eigentümern keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden darf, die ansonsten gemäß
§ 14c Abs. 2 UStG geschuldet wird.
AStW 2012/045
 Zahlt ein Erwerber für das erschlossene Grundstück einen höheren
Kaufpreis, stellt dies nur Entgelt für die Grundstücksübertragung dar.
Der Veräußerer kann unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG
auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichten und
dann die USt in der Rechnung an den Grundstückserwerber gesondert
ausweisen. Der Grundstückserwerber ist unter den Voraussetzungen
des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.
 Im Zusammenhang mit den Erschließungsleistungen gewährte Zuschüsse oder Förderungsmittel der Gemeinde gehören zum Entgelt.
 Verzichtet die Gemeinde auf die Erhebung von Erschließungsbeiträgen,
liegt trotz Forderungsaufgabe kein Entgelt vor.
 Der Erschließungsträger ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er
Leistungen für seine unternehmerischen Tätigkeiten verwenden will.
Nur mittelbar verfolgte Zwecke sind nicht ausreichend.
 Erschließungsleistungen gegenüber der Gemeinde sind Entgelt im Leistungsaustausch, sodass der Bauunternehmer zum Vorsteuerabzug aus
den Eingangsleistungen berechtigt ist, sofern er die Erschließungsanlagen nicht durch eine steuerfreie Grundstückslieferung auf die Gemeinde überträgt. Die Übertragung von Betriebsvorrichtungen – etwa Wasser-, Strom-, Wärme- oder Gasleitungen – ist jedoch steuerpflichtig.
Für die in diesem Zusammenhang bezogenen Eingangsleistungen besteht das Recht auf Vorsteuerabzug.
 Die unentgeltliche Übergabe von öffentlichen Flächen durch den Erschließungsträger ist eine Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG.
Der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ist ausgeschlossen. Handelt es sich aber um eine unentgeltliche Werkleistung aus unternehmerischen Gründen, unterliegt sie nicht der Wertabgabenbesteuerung
nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG. Es liegen keine entgeltlichen zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze vor.
AStW 2012/046
Fundstellen:
BMF 7.6.12, IV D 2 - S 7300/07/10001 :001, unter astw.iww.de, AbrufNr. 121945
Eigentumsübertrag: BFH 13.1.11, V R 12/08, BStBl II 12, 61
Werklieferung: BFH 22.6.10, V R 14/09
Vorsteuerabzug: BFH 9.11.06, V R 9/04, BStBl II 07, 285
AStW 2012/047
§ 2 UStG – Unternehmerische Tätigkeit
einer Gemeinde in Konkurrenzsituationen
Entgeltliche nachhaltige Leistungen der öffentlichen Hand unterliegen der
Umsatzsteuer, wenn sie im privaten Wettbewerb erfolgen. Nach einem
aktuellen Urteil des BFH sind juristische Personen des öffentlichen Rechts
in diesem Fall unternehmerisch tätig, wobei die Absicht, Gewinne zu erzielen oder sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu beteiligen,
nicht erforderlich ist. Gestattet nun eine Gemeinde entgeltlich die Nutzung einer Sport- und Freizeithalle, wird sie damit als Unternehmer tätig,
wenn sie ihre Leistung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, aber im
Wettbewerb zur privaten Wirtschaft erbringt. Das ist bei einer Hallenvermietung der Fall, sofern dies für den Schulsport der Nachbargemeinde
und an private Nutzer erfolgt.
Eine Überlassung von Räumen stellt schon nach der Art eine Tätigkeit im
Wettbewerb zu Privatanbietern dar, unabhängig von den Verhältnissen
auf dem lokalen Markt. Eine Nichtbesteuerung würde hier nicht nur zu
unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen entsprechend der Rechtsprechung des EuGH führen. Hinsichtlich der Nutzung für den eigenen Schulsport entfällt die Umsatzsteuerpflicht. Durch diese Differenzierung ist eine
Gemeinde zum anteiligen Abzug der Vorsteuer entsprechend der Verwendungsabsicht bei Errichtung der Halle berechtigt.
Der BFH verweist auf die EuGH-Rechtsprechung zur Umsatzsteuerpflicht
für die öffentliche Hand. Hiernach sind auch Beistandsleistungen (Amtshilfe) zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts steuerpflichtig, sofern diese auch von Privatanbietern erbracht werden können. Beispiele hierfür sind Tätigkeiten von kommunalen Rechenzentren, das Aufstellen von Automaten in Universitäten oder die Überlassung von PkwStellplätzen auf Gemeindegebiet. Auf der einen Seite werden Leistungen
teurer, dafür gelingt für Investitionsmaßnahmen ein Vorsteuerabzug.
Fundstellen:
BFH 10.11.11, V R 41/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 120522
AStW 2012/048
BFH 1.12.11, V R 1/11; 15.4.10, V R 10/09
EuGH 16.9.08, C-288/07
AStW 2012/049
§ 6a UStG – Anforderungen an den
Belegnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen
Um die Steuerfreiheit nach §§ 6a Abs. 3 UStG und 17a UStDV in Anspruch nehmen zu können, muss eine Rechnungskopie den Hinweis auf
die innergemeinschaftliche Lieferung als Grund für die Umsatzsteuerfreiheit enthalten.
Das FG Hamburg konkretisiert die Anforderungen in einem rechtskräftigen Urteil weiter, indem Ausstellungsdatum, Angaben zu Identität und
Anschrift des Ausstellers sowie kommunale Angabe des Bestimmungsortes zu den Kernelementen einer als Beleg dienenden Bescheinigung gelten. Erfüllt der Unternehmer die bestehenden Nachweispflichten nicht
oder nur unvollständig, ist von einer steuerpflichtigen Lieferung auszugehen.
Bei der Pkw-Lieferung nach Österreich durch Beförderung und Versendung fehlten im Urteilsfall Name, Anschrift, USt-ID und Lieferzeitpunkt.
Die Rechnung enthielt keinen Hinweis auf die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Da auch keine anderen Belege mit gleichwertiger
Aussagekraft vorlagen, waren die Voraussetzungen der Steuerfreiheit
nicht erfüllt.
Praxishinweis: Für Umsätze ab 2012 wurden die bisherigen Nachweismöglichkeiten für innergemeinschaftliche Lieferungen durch die
Gelangensbestätigung ersetzt. Eine Übergangsregel sorgte jedoch dafür, dass der beleg- und buchmäßige Nachweis im ersten Halbjahr
2012 noch nach den alten Regeln geführt werden durfte. Mittlerweile
haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder aber
beschlossen, die neuen Buch- und Belegnachweise über den 30.6.2012
hinaus weiterhin nicht anzuwenden. Geplant ist eine Neufassung des §
17a UStDV.
Merke: Ihre Mandanten können die Buch- und Belegnachweise damit
bis auf Weiteres nach der alten Rechtslage führen.
AStW 2012/050
Fundstellen:
FG Hamburg 28.2.12, 5 K 10/10; rkr, unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121945
BFH 12.5.11, V R 46/10, BFH/NV 11, 1801
BMF 6.2.12, IV D 3 - S 7141/11/10003, BStBl I 12, 211
AStW 2012/051
§ 4 UStG – Sind Heilpraktiker und
Gesundheitsfachberufe auch
steuerbefreit?
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Dabei stellt sich jedoch immer
wieder die Frage, wie Leistungen von Gesundheitsfachberufen zu behandeln sind.
Das BMF ändert nun Abschn. 4.14.1 UStAE in allen offenen Fällen und
definiert den Grenzbereich zwischen Heilbehandlung und Steigerung des
Wohlbefindens:
Tätigkeiten, die ohne konkrete Diagnose der Vorbeugung und Heilung
von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen und die nicht eigenverantwortlich von Ärzten, Psychotherapeuten und Heilpraktikern erfolgen, sind danach nicht steuerbefreit. Für Gesundheitsfachberufe kommt
die Steuerbefreiung grundsätzlich nur bei Durchführung aufgrund ärztlicher Verordnung oder bei Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen in
Betracht. Maßnahmen im Anschluss ohne neue Verordnung sind nicht
mehr steuerfrei. Ausreichend als ärztliche Verordnung sind Rezepte, nicht
aber Behandlungsempfehlungen. Es gilt aber folgende Übergangsregelung: Vor 2012 ausgeführte Umsätze von Physiotherapeuten im Anschluss an eine ärztliche Verordnung dürfen noch als steuerfrei behandelt
werden.
Für Hebammen und Entbindungspfleger umfasst § 4 Nr. 14a UStG auch
ohne ärztliche Verordnung die Betreuung, Beratung und Pflege der Frau
von Schwangerschaftsbeginn an. Nicht in der Vorschrift genannte osteopathische Leistungen von Heil- und Gesundheitsfachberufen fallen unter
die Steuerbefreiung, wenn sie von Arzt oder Heilpraktiker mit entsprechender Zusatzausbildung erbracht werden. Maßnahmen von Physiotherapeuten, Masseuren und medizinischem Bademeister erfordern für die
Steuerbefreiung eine ärztliche Verordnung.
AStW 2012/052
Fundstellen:
BMF 19.6.2012, IV D 3 - S 7170/10/10012, unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121947
BFH 7.6.05, V R 23/04, BStBl II 05, 904; 20.1.08, XI R 53/06, BStBl II
08, 647
AStW 2012/053
AO, FGO – Gleiche Pflichten, wenig
Rechte – Keine AdV bei eingetragenen
Lebenspartnern
Seit über zehn Jahren können gleichgeschlechtliche Paare eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Von Beginn an mussten sie dabei die
gleichen Pflichten übernehmen, die auch Ehepaare haben. Gleichzeitig
wurden ihnen aber die Rechte von Ehepaaren weitgehend verwehrt. Die
einschneidendste Benachteiligung ergibt sich beim Steuerrecht. So sind
die Partner zwar gegenseitig unterhaltspflichtig, gleichzeitig werden sie
jedoch steuerlich als Singles betrachtet und nach Steuerklasse I veranlagt. Diese Vorgehensweise halten viele Paare für verfassungswidrig, sodass sie Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben.
Bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichts bliebe den Betroffenen eigentlich nur die Möglichkeit, Einspruch einzulegen und Aussetzung
des Vollzugs zu beantragen. Diesem Antrag sollte nach einer Einigung der
Landesfinanzminister rein theoretisch stattgegeben werden. Im Ergebnis
hieße dies, dass die Steuerklassen geändert würden.
Der BFH hat dieser Möglichkeit jetzt eine Absage erteilt. In dem Urteilsfall
ging es genau darum, dass ein Paar die Aufhebung der Vollziehung durchsetzen wollte, nachdem ein FA die gemeinsame Veranlagung abgelehnt hatte.
Dem BFH zufolge haben die Betroffenen keinen rechtlichen Anspruch auf die
AdV. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen den Ausschluss von der
Zusammenveranlagung ist nach Auffassung des Gerichts die AdV nicht gerechtfertigt, da weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen
noch die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hat. Auch ist die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die Vollziehung nicht unmittelbar und ausschließlich bedroht.
Fundstellen:
Lebenspartner: BFH 23.4.12, III B 187/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr.
121948, BFH 24.4.12, III B 180/11;
Allgemein: BFH 22.11.01, V B 100/01; 11.6.01, I B 30/01, BFH/NV 2001,
519
AStW 2012/054
GrEStG – Keine Grunderwerbsteuer beim
Immobilienerwerb anlässlich einer
Scheidung
Wer ein Haus oder ein Grundstück erwirbt, muss beim Kauf der Immobilie Grunderwerbsteuer zahlen und danach Jahr für Jahr Grundsteuer. Allerdings gibt es eine Reihe von Ausnahmefällen. So hat der BFH entschieden, dass Ehegatten nach wie vor Immobilien steuerfrei an ihre Partner
übertragen dürfen. Das gilt auch, wenn sich die Ehepartner trennen und
die Immobilien auf eine GbR übertragen.
Grundsätzlich unterliegt die Einbringung von Gebäuden in eine Personengesellschaft der Grunderwerbsteuer. In Höhe des Anteils, in dem das
Grundstück vom Alleineigentümer auf die Gesamthand übertragen wurde,
ist die Grunderwerbsteuer allerdings nicht zu erheben. Dies gilt entsprechend, wenn beide geschiedenen Eheleute als Gesellschafter beteiligt
sind. Nach dem aktuellen Urteil ist für den Erwerb eine weitere Steuerbefreiung in Höhe der Quote zu gewähren. Bei hälftiger Beteiligung beläuft
sich die Grunderwerbsteuer damit für die Einbringung insgesamt auf 0
EUR.
Nach § 3 Nr. 5 GrEStG ist der Grundstückserwerb durch den früheren
Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung von der Besteuerung ausgenommen. Der Erwerber des Grundstücks ist zwar nicht der frühere Ehegatte, sondern die
Personengesellschaft. Laut BFH ist jedoch in Scheidungsfällen der Grundstückserwerb so zu behandeln, als wäre er durch den geschiedenen Ehegatten erfolgt. Hiernach ist er im Verhältnis zu der Quote steuerfrei, zu
der der frühere Ehegatte beteiligt ist. Der verwirklichte Grundstückserwerb ist als abgekürzter Weg anzusehen.
Fundstellen:
BFH 20.12.11, II R 42/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121949
BFH 4.5.11, II B 151/10, BFH/NV 11, 1395; 23.3.11, II R 33/09, BStBl II
11, 980
AStW 2012/055
§ 33 GrStG – Gesetzliche Einschränkung
beim Grundsteuererlass ist verfassungsgemäß
Die rückwirkend ab 2008 eingeführte Regelung des Anspruchs auf Teilerlass der Grundsteuer bei einem wesentlich geminderten Mietertrag ist mit
dem Grundgesetz vereinbar, so das Urteil des BFH. Dies ist auch der Fall,
soweit es die Anwendung bereits für das Jahr 2008 betrifft. Der Gesetzgeber hat dadurch, dass er den Anspruch auf Teilerlass von einer stärkeren Abweichung des tatsächlichen Ertrags vom normalen Rohertrag abhängig macht, den ihm vom Grundgesetz eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
Nach der Rechtsprechung von BFH und BVerwG zu § 33 GrStG kommt ein
Erlass auch bei strukturell bedingtem Leerstand in Betracht. Durch die
damit ausgeweitete Anwendung befürchteten die Gemeinden erhebliche
Steuerausfälle. Die Änderung sollte zur gerechteren Lastenverteilung zwischen Grundstückseigentümer und Kommunen beitragen. Durch den Anstieg der Erlasshöhe werden Mindereinnahmen in Grenzen gehalten und
es bleibt eingeschränkt ein Erlass möglich. Der Gesetzgeber ist nach dem
allgemeinen Gleichheitssatz nicht verpflichtet, bereits bei einer geringeren Mietminderung einen Erlassanspruch einzuräumen.
Dem Steuerpflichtigen ist zuzumuten, die volle Grundsteuer zu entrichten, wenn der normale Rohertrag des Grundstücks nicht um mehr als 50
% gemindert ist, weil die Grund- als Realsteuer grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse und die persönliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers erhoben wird.
Bis 2007 bestand ein Erlassanspruch, wenn der Jahres-Rohertrag um
mehr als 20 % niedriger war. In diesen Fällen wurde Grundsteuer mit
vier Fünftel der Minderung erlassen. Seit 2008 muss der Rohertrag um
mehr als die Hälfte niedriger sein, um eine Erstattung der Grundsteuer in
Höhe von 25 % zu erhalten. Wurde gar kein Rohertrag erzielt, beträgt die
Rückerstattung der Grundsteuer 50 %.
AStW 2012/056
Weiterhin wurde festgestellt, dass es sich um eine zulässige unechte
Rückwirkung handelt, denn bei der Verkündung des JStG lag kein abgeschlossener Sachverhalt vor, weil der Anspruch auf Erlass erst mit Ablauf
des Kalenderjahres entsteht. Erst dann steht fest, inwieweit der tatsächliche Ertrag in diesem Jahr vom normalen Rohertrag abgewichen ist und
ob die Voraussetzungen für einen Grundsteuererlass erfüllt sind. Die Änderung des § 33 GrStG wurde noch vor Ablauf des Erlasszeitraums im
BGBl I verkündet und diente dem Ziel, die durch die geänderte Auslegung
eintretenden unerwarteten Steuermindereinnahmen bei den Gemeinden
auszugleichen.
Der BFH hat in diesem Zusammenhang nicht geprüft, ob die Anknüpfung
der Grundsteuer an die Einheitswerte für die Jahre ab 2008 noch verfassungsgemäß ist oder ob dies wegen der maßgebenden Wertverhältnisse
1964 und im Beitrittsgebiet von 1935 nicht der Fall ist. Er hat aber angemerkt, dass die Änderung im Hinblick auf den einem Steuerpflichtigen
zustehenden Vertrauensschutz auch nicht unverhältnismäßig ist. Denn
durch die Anhebung der Grenze, ab der eine Minderung des normalen
Rohertrags zu einem Erlassanspruch führt, war zum einen der Vergleich
zu den Verkehrswerten der betroffenen Grundstücke von relativ geringer
Bedeutung. Zum anderen gilt das insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass die Grundsteuer zu den ertragsteuerlich abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehört. Der Gesetzgeber konnte dabei
den Ausgleich innerhalb der Gruppe von Hauseigentümern vornehmen,
bei denen ein Erlassanspruch in Betracht kommt. Er brauchte die Gemeinden nicht auf die Möglichkeit zu verweisen, das Grundsteueraufkommen durch eine Erhöhung des Hebesatzes sicherzustellen.
Fundstellen:
BFH 18.4.12, II R 36/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121658
Rückwirkung: VG Düsseldorf 7.10.09, 5 K 4144/09, ZKF 10, 95
VG Halle (Saale) 13.4.11,5 A 19/10
AStW 2012/057
Steuern kompakt
§ 15 EStG – Einkünfte eines Rentenberaters sind gewerblich
Ein Rentenberater erzielt keine freiberuflichen Einkünfte gemäß § 18
EStG, sondern gewerbliche Einkünfte nach § 15 EStG. Rentenberater dürfen lediglich in einem kleinen Ausschnitt der den Anwälten möglichen
Rechtsberatung aktiv werden. Ihre Tätigkeit ist jedoch mit dem Katalogberuf des Rechtsanwalts nicht umfassend vergleichbar. Damit scheidet
die Einordnung in freiberufliche Einkünfte aus. Eine Ähnlichkeit zum
Steuerberater ist wegen geringer Überschneidungen nicht gegeben (FinMin Schleswig-Holstein 17.2.12, ESt-Kurzinfo 2012/6).
§ 24a EStG – Kein automatischer Altersentlastungsbetrag auf Kapitalerträge
Steuerpflichtigen, die zu Beginn des Jahres ihr 64. Lebensjahr vollendet
haben, steht für Nebeneinkünfte der Altersentlastungsbetrag zu. Kapitalerträge nach § 32d EStG bleiben als Einkünfte jedoch unberücksichtigt,
da Kapitaleinkünfte seit 2009 der Abgeltungsteuer unterliegen und in der
Anlage KAP daher normalerweise nicht mehr zu erfassen sind. Doch
Rentner, deren Grenzsteuersatz inklusive Kapitalerträge unter 25 % liegt,
können beim Finanzamt nach § 32 Abs. 6 EStG eine Günstigerprüfung
beantragen. Das Finanzamt prüft dann, ob die Kapitalerträge bei Einbeziehung ins Einkommen zu einem Steuersatz unter 25 % besteuert werden. Ist das der Fall, zieht das Finanzamt auch den Altersentlastungsbetrag ab (FG Münster 24.3.12, 11 K 3383/11 E, unter astw.iww.de, AbrufNr. 121441).
Praxishinweis: Sollte die Veranlagung zum individuellen Steuersatz
nicht günstiger sein, gilt der Antrag als nicht gestellt.
§ 35a EStG – Mittagessen im Wohnstift ist keine haushaltsnahe
Dienstleistung
Eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a EStG)
kann grundsätzlich auch dann in Anspruch genommen werden, wenn sich
der eigenständige und abgeschlossene Haushalt in einem (Alten-)Heim,
Pflegeheim oder Wohnstift befindet. Hierzu gehören z.B. die Reinigungs-
AStW 2012/058
kosten für das Appartement sowie im Appartement durchgeführte Handwerker- und Pflegeleistungen.
Zubereitung und Servieren des Mittagessens in einem Wohnstift stellen
jedoch keine haushaltsnahe Dienstleistung dar, weil sie nicht im Haushalt
des Bewohners erbracht werden, so die Auffassung des FG BadenWürttemberg. Zum Haushalt des Bewohners eines Wohnstiftes oder Pflegeheims gehören zwar eigene Räume und Gemeinschaftsflächen wie der
Garten. Das Essen wird aber in Räumen zubereitet und serviert, die gerade nicht den Gemeinschaftsräumen zugerechnet werden können. Bewohnern ist der Zutritt zur Küche verboten und zum Speisesaal nur zu
Essenszeiten erlaubt. Daher sind diese Räume dem Betreiber zuzurechnen (FG Baden-Württemberg 8.3.12, 6 K 4420/11, unter astw.iww.de,
Abruf-Nr. 121950).
§ 46 EStG
nung
– Keine Veranlagung nach bestandskräftiger Ableh-
Ist die Antragsveranlagung bestandskräftig abschlägig beschieden worden, kommt keine Veranlagung mehr in Betracht. Einer Veranlagung
steht bereits der bestandskräftige Ablehnungsbescheid entgegen. Zwar
haben Arbeitnehmer jetzt einen Anspruch auf Veranlagung ohne Antragsfrist. Die Neuregelung ist jedoch erstmals für 2005 anzuwenden und in
Fällen, in denen am 28.12.2007 noch nicht bestandskräftig darüber entschieden ist. Ist das jedoch der Fall, führt auch der Erlass eines Feststellungsbescheids gemäß § 175 AO nicht zur Veranlagung von Amts wegen.
Die Bindungswirkung als Grundlagenbescheid hat keine Ausweitung bei
den in § 46 EStG spezialgesetzlich geregelten Veranlagungstatbeständen
(BFH 9.2.12, VI R 34/11, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121537).
§ 20 ErbStG – Steuerfestsetzung gegenüber dem Schenker
Hat der Bedachte die Schenkungsteuer entrichtet, kann sie auch dann
nicht mehr gegenüber dem Schenker festgesetzt werden, wenn sie sich
nachträglich erhöht. Hierfür fehlt eine Rechtsgrundlage. Entrichtet der
Bedachte die volle Schenkungsteuer, erlischt sie gemäß § 47 AO auch mit
Wirkung gegenüber dem Schenker und kann daher diesem gegenüber
nicht mehr festgesetzt werden. War der Schenker an einer Steuerhinterziehung beteiligt, werden die fiskalischen Interessen dadurch gewahrt,
AStW 2012/059
dass der Schenker nach § 71 AO für die verkürzte Steuer haftet (BFH
29.2.12, II R 19/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121588).
BewG – Bezugsfertigkeit eines Bürogebäudes im Rahmen des Ertragswertverfahrens
Ein neues Gebäude mit nach den Bedürfnissen der Mieter gestalteten Büros, ist zur Altersbestimmung beim vereinfachten Ertragswertverfahren
für erbschaftsteuerliche Zwecke in dem Zeitpunkt bezugsfertig, wenn wesentliche Bestandteile wie Außen- und tragende Innenwände, Fenster,
Dach, Heizung, Sanitäreinrichtungen sowie Grundleitungen für Wasser,
Strom, Belüftung, Kommunikationsanlagen sowie Treppenhaus fertiggestellt oder installiert sind. Es reicht auch, wenn zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist. Diese muss in diesem Fall durch Wände oder Türen
gegenüber dem noch nicht vermieteten Bereich abgegrenzt sein. Nicht
erforderlich ist, dass bereits alle Büroeinheiten mietergerecht ausgebaut
und benutzbar sind. Zudem muss den zukünftigen potenziellen Mietern
ein Bewohnen oder Benutzen zugemutet werden können, wobei die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde nicht entscheidend ist (BFH
18.4.12, II R 58/10, unter astw.iww.de, Abruf-Nr. 121659).
§ 56 AO – Erzielung von Steuervorteilen ist nicht gemeinnützig
Eine Körperschaft dient nicht nur gemeinnützigen Zwecken, wenn die Beschäftigung Behinderter durch ein Integrationsprojekt nach der Vertragsgestaltung erkennbar dazu dient, den ermäßigten Umsatzsteuersatz nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG zugunsten nicht gemeinnütziger Gemeinschaften
zu nutzen. In diesem Fall dient die Beschäftigung nicht ausschließlich
gemeinnützigen Zwecken durch Förderung des Wohlfahrtswesens, sondern sie ist auch gegründet worden, um umsatzsteuerliche Vorteile durch
den vollen Vorsteuerabzug bei eigenen Leistungen mit begünstigtem
Steuersatz zu nutzen. Darin liegt ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO (BFH. 23.2.12, V R 59/09, unter astw.iww.de,
Abruf-Nr. 121660).
AStW 2012/060
§ 162 AO
2010/2011
–
Gewinnschätzung
für
Land-
und
Forstwirte
Das Bayerische LfSt regelt die Schätzungsgrundbeträge für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 und Sondergewinne bei Milchviehhaltung sowie
übernormaler Tierhaltung. Bei forstwirtschaftlicher Nutzung können Betriebsausgaben und Wiederaufforstungskosten pauschal geschätzt werden. Kommen Betriebe ihren Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten
nicht nach und müssen ihre Gewinne deshalb geschätzt werden, können
sie von den Regelungen des § 7g EStG keinen Gebrauch machen und weder einen Investitionsabzugsbetrag gewinnmindernd abziehen, noch Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen (Bayerisches LfSt 15.5.12, S
2150a. 1.1–5/10 St32).
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