MB3_Hydr_Index

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> Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
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Wörter: ca. 19'400 Zeichen (inkl. Leerzeichen).
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Walter Gostner, Anton J. Schleiss
4
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Die Strukturvielfalt bildet eine Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme. Mit
6
dem im vorliegenden Merkblatt beschriebenen neuen hydro-morphologischen Index der Diversität
7
steht dem Wasserbauer ein Werkzeug zur Verfügung, welches es ihm erlaubt, die Wirkung der
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flussbaulichen Projekte im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturvielfalt zu beurteilen.
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10
Strukturvielfalt als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Gewässerökosystemen
11
Für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme ist eine Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender
12
Faktoren abiotischer und biotischer Natur mitbestimmend. Bei den abiotischen Faktoren spielt neben
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der Wasserqualität und abflussdynamischen Prozessen vor allem die Gewässerstruktur eine tragende
14
Rolle. Stellt man Fliessgewässer mit natürlicher und künstlicher Morphologie einander gegenüber
15
(Abb. 1), sind in natürlichen Abschnitten stark variable Ausprägungen der Strömung zu erkennen:
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Zonen mit hoher Fliessgeschwindigkeit wechseln sich ab mit Bereichen hoher Fliesstiefe und geringer
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Fliessgeschwindigkeit. Weiters gibt es Flachwasserbereiche mit geringer Strömung, Kiesbänke
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unterschiedlicher Höhe mit dementsprechend verschiedenen Vegetationscharakteristiken und
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Sukzessionsstadien (MB Biodiversität), Vorkommen von Totholz und ein Patchwork an verschiedenen
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Substrateigenschaften. Auch ist zwischen dem Fliessgewässer und dem Umland ein breiter Ufergürtel
21
vorhanden. In kanalisierten Abschnitten hingegen ist eine starke Monotonie mit konstant bleibenden
22
Strömungsmustern sowohl in Längs- als auch in Querrichtung und fehlenden aquatischen und
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terrestrischen Lebensräumen zu beobachten.
24
Die Veränderung und vor allem Homogenisierung der Gewässermorphologie in den Fliessgewässern
25
führt zu einer Dezimierung von Artenreichtum und Biomasse aquatischer und uferbewohnender
26
Organismen. Umgekehrt gilt der Grundsatz, dass die Strukturvielfalt des Lebensraumes in
27
verschiedenen räumlichen Massstabsebenen eine Voraussetzung für die Entwicklung und Erhaltung
28
artenreicher Lebensgemeinschaften ist (Jungwirth et al., 2003).
3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
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Deshalb zielen viele Revitalisierungsprojekte an Fliessgewässern darauf ab, die Strukturvielfalt wieder
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herzustellen und damit ein diversifiziertes Angebot von Habitaten zu schaffen. Dies ist notwendig, um
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den aquatischen Organismen und den in Flusslandschaften lebenden semiaquatischen und
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terrestrischen Lebewesen für verschiedene Lebensstadien und Aktivitäten Teillebensräume
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bereitzustellen. Fische zum Beispiel erheben im Lauf ihres Lebenszyklus unterschiedliche Ansprüche
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an ihre Umwelt: es braucht geeignete Laichplätze mit dem entsprechenden Sohlsubstrat, für die
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Nahrungsaufnahme begeben sich die Fische in Bereiche schnellfliessenden Wassers mit hohem
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Nahrungsangebot, dann wiederum benötigen sie zur Erholung Bereiche mit hohen Fliesstiefen und
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geringer Fliessgeschwindigkeit, wobei die Präferenzen für Jungfische anders sind als für adulte
10
Fische. Populationen können sich also nur behaupten und erhalten, wenn ein bestimmtes
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Grundangebot an von ihnen benötigten Habitaten vorhanden ist.
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13
Der hydro-morphologische Index der Diversität HMID
14
Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahrzehnten
15
eine Vielzahl an Hochwasserschutz- bzw. Revitalisierungsprojekten geplant und umgesetzt wird. Der
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Wasserbauingenieur benötigt dabei nicht mehr nur Instrumente zur fachgerechten Auslegung der
17
Hochwasserschutzmassnahmen, vielmehr muss er imstande sein, die Projekte so zu gestalten, dass
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auch die Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme verbessert werden.
19
Bisher konnte der Grad der Verbesserung der Strukturvielfalt bei flussbaulichen Projekten im
20
Wesentlichen lediglich auf qualitative Weise aufgrund von Expertenbeurteilungen abgeschätzt
21
werden. Der in diesem Merkblatt vorgestellte hydro-morphologische Index der Diversität HMID (Box 1)
22
trägt den Anforderungen nach einer quantitativen Beurteilung Rechnung. Er besitzt die Fähigkeit zur
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Vorhersage, womit er hauptsächlich bei flussbaulichen Projekten Anwendung finden kann. Anhand
24
von numerischen Abflussmodellierungen und darauffolgender statistischer Analyse der die
25
Strukturvielfalt kennzeichnenden hydraulischen Variablen kann der HMID für einzelne zur Diskussion
26
stehende Varianten auf einfache Weise berechnet werden. Aus dem Vergleich des für die einzelnen
27
Varianten berechneten Wertes für den HMID kann man jene Variante definieren, die das
28
Fliessgewässer mit der besten Strukturvielfalt auszustatten imstande ist und deshalb die aus
29
ökologischer Sicht zu priorisierende Variante darstellt. Auch kann eine Abschätzung darüber getroffen
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3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
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werden, inwieweit eine gewählte Variante sich in Bezug auf die Strukturvielfalt an den gewünschten
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Referenzzustand bzw. an das vorgegebene Leitbild annähern kann.
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In zeitlicher Abfolge betrachtet reiht sich der HMID zwischen den Methoden, welche eine Bewertung
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des Ist-Zustandes eines Fliessgewässers erlauben (z.B. BUWAL, 1998) und den Anlass zur
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Lancierung eines Projektes geben können, und den Methoden für die Erfolgskontrolle (z.B. Woolsey,
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2005), welche nach Umsetzung des Projekts zur Anwendung kommen, ein. Er füllt damit jene Lücke,
7
die zwischen der Bewertung von Fliessgewässern vor und nach Durchführung eines flussbaulichen
8
Projektes liegt und schafft eine Möglichkeit, eine a-piori Bewertung von Projekten vorzunehmen und
9
diese in strukturell-morphologischer Hinsicht zu optimieren.
10
Der in diesem Merkblatt vorgestellte HMID ist für kiesführende Alpenflüsse, die in ihrem
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Referenzzustand entweder einen pendelnden bis hin zu einem gewundenen oder verzweigten Verlauf
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aufweisen, entwickelt worden. Dieser morphologischer Flusstyp war in den Alpen häufig anzutreffen,
13
weshalb sich für die Anwendung des HMID ein breites Betätigungsfeld ergibt.
14
Herleitung und Entwicklung des HMID
15
Der Herleitung des HMID liegen folgende Annahmen zugrunde (Gostner & Schleiss, 2011):
16
a. Die Strukturvielfalt eines Fliessgewässerabschnittes lässt sich mithilfe der hydraulischen Grössen
17
Fließgeschwindigkeit, Fließtiefe, benetzte Breite und ihrer statistischer Parameter
18
charakterisieren;
19
b. Die statistischen Parameter dieser hydraulischen Grössen können anhand einer mathematischen
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Definition in einer Maßzahl, dem HMID, kombiniert werden. Dieser vermag somit die
21
Strukturvielfalt des aquatischen und semiaquatischen Fliessgewässerlebensraumes eines
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Fließgewässerabschnittes zu charakterisieren.
23
Zur Herleitung des HMID wurden umfangreiche Felduntersuchungen (Abb. 2) an verschiedenen
24
Fliessgewässern in der Schweiz (Bünz, Kanton Aargau; Venoge, Kanton Waadt; Sense, Kantone
25
Freiburg/Bern) durchgeführt. An jedem der ausgewählten Untersuchungsabschnitte wurde eine für
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statistische Auswertungen ausreichende Anzahl von Querprofilen definiert, entlang welcher in einem
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Abstand von 1 - 2 m jeweils die Fliesstiefe und Fliessgeschwindigkeit aufgenommen wurden (Tab. 1).
28
Abbildung 3 stellt daraus gewonnene Ergebnisse an der Sense (Kantone Freiburg/Bern) an 5
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Abschnitten mit unterschiedlichem Verbauungsgrad dar.
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3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
1
Die Boxplots in Abbildung 3 zeigen die hydraulischen Grössen Fließgeschwindigkeit, Fließtiefe und
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benetzte Breite. Im kanalisierten Abschnitten ist die Streuung und somit auch Diversität der Variablen
3
gering. Besonders evident ist dies bei der benetzten Breite, aber auch bei Fliesstiefe und -
4
geschwindigkeit bleibt die Streuung auf einen eher engen Bereich beschränkt. In diesen Abschnitten
5
ist auch eine hohe durchschnittliche Fliessgeschwindigkeit zu beobachten, Ruhewasserzonen sind
6
kaum vorhanden. An den naturbelassenen Abschnitten hingegen lässt sich eine ausgeprägtere
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Variabilität der Grössen feststellen. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass gemäss Erwartungen die
8
Diversität der abiotischen Umwelt und somit der Lebensräume an den natürlichen Abschnitten deutlich
9
höher ist als an kanalisierten Strecken.
10
11
Gewichtung eng mit dem Mittelwert µ zusammenhängt. Dieser Umstand kann am besten mit dem
12
Variationskoeffizienten cv =
13
Grösse lässt sich wie folgt berechnen (Schleiss, 2005):
14
V(i)  1  c 2v  1 
 2i
 2i
15
Der HMID für einen Abschnitt wiederum wird aus dem Produkt der Teilvielfältigkeitsindizes für
16
Fliessgeschwindigkeit v, Fliesstiefe t und benetzte Breite b berechnet:
17
HMID Abschnitt   V(i)  V(v)V(t)V(b)
i
18
Die vorliegende Formulierung für den HMID beschreibt die räumliche Vielfalt der
19
strukturell-morphologischen Eigenschaften eines Fliessgewässers (Beispiele für konkrete
20
Berechnungen gibt Tabelle 2). Durch numerische 2D-Modellierung der Untersuchungsabschnitte an
21
der Sense mit der Software Basement (MB Fliessgewässermodellierung) für verschiedene Abflüsse
22
konnte nachgewiesen werden, dass auch im Hinblick auf die zeitliche Variabilität Unterschiede
23
zwischen Abschnitten mit verschiedener morphologischer Ausprägung festzustellen sind. In
24
natürlichen Abschnitten bleibt der HMID für nahezu alle im Jahresverlauf auftretenden Abflüsse (mit
25
Ausnahme jener, die an ca. 5 Tagen pro Jahr überschritten werden) annähernd konstant, während der
26
HMID in verbauten Abschnitten mit grösser werdenden Abflüssen sukzessive kleiner wird.
27
Aus diesen Untersuchungen kann gefolgert werden, dass in natürlichen Abschnitten generell eine
28
höhere Strukturvielfalt als in verbauten Abschnitten vorhanden ist, zeitlich gesehen die
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3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
1
Lebensbedingungen in natürlichen Abschnitten aber viel konstanter bleiben als in verbauten
2
Abschnitten.
3
4
Anwendungsbeispiel für den HMID
5
Der HMID soll dazu dienen, dem Wasserbauer ein Instrument für die Optimierung von flussbaulichen
6
Projekten in strukturell-morphologischer Hinsicht in die Hand zu geben. In Abbildung 4 ist ein Beispiel
7
von möglichen Projektvarianten bei einem Revitalisierungsprojekt skizziert. Das Beispiel ist für
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illustrative Zwecke gedacht und deshalb einfach und plakativ gehalten, eine Gegenüberstellung von
9
komplexeren Varianten mittels des HMID ist aber durchaus möglich.
10
Als Ausgangszustand wird ein kanalisierter, trapezprofilförmiger und mit einem festen Uferschutz
11
gesicherter Abschnitt angenommen. Weiters wird die Annahme zugrunde gelegt, dass der betreffende
12
Abschnitt in seinem Referenzzustand ein verzweigter kiesführender Alpenfluss war und dass eines
13
der Zieles des Projektleitbildes ist, den Fluss wieder in Nähe des morphologischen
14
Referenzzustandes zu bringen.
15
Mögliche Massnahmen können sein: kleinräumiger Eingriff durch die Platzierung von Störsteinen
16
(Variante 1), die Auflösung einer der beiden Uferlinien zur Initiierung von alternierenden Kiesbänken
17
mit einem verdeckten Uferschutz am Rande des zugelassenen Pufferstreifens (Variante 2) oder eine
18
Aufweitung mit Auflösung beider Uferlinien und Zulassen der vollständigen Eigendynamik des
19
Fliessgewässerabschnitts ohne laterale Einschränkungen (Variante 3).
20
Der HMID für die einzelnen Projektvarianten wird nun folgendermassen ermittelt:
21

Durchführung einer numerischen 2D-Modellierung für den Mittelwasserabfluss. Als Eingabedaten
22
für die Modellierung dienen das im Normalfall bereits vorliegende digitale Höhenmodell (inklusive
23
Rauhigkeitsbeiwerte) der einzelnen Varianten, da es auch für die Hochwasserabflussberechnung
24
benötigt wird, und der Mittelwasserabfluss, der entweder zu berechnen ist oder aus einer für den
25
betroffenen Fliessgewässerabschnitt vorliegenden Abflussdauerkurve abgelesen werden kann.
26

Auslesen der Fliessgeschwindigkeiten und Abflusstiefen für die einzelnen Zellen des Gitternetzes
27
des numerischen Abflussmodells sowie Definition einer genügend grossen Anzahl von
28
Querprofilen (mindestens 20) und Feststellung der jeweiligen benetzten Breite.
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3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
1

Berechnung der Mittelwerte und Standardabweichungen für die hydraulischen Grössen
2
Fliessgeschwindigkeit, Abflusstiefe und benetzte Breite und Berechnung des HMID gemäss oben
3
wiedergegebener Formel.
4
Variante 1 stellt in Bezug auf die Strukturvielfalt des Ist-Zustandes lediglich eine leichte Verbesserung
5
dar. Bei Variante 2 ist ein wesentlich höherer HMID zu erreichen, aufgrund des nach wie vor
6
existierenden Uferschutzes ist aber auch bei Variante 2 keine vollständige Entwicklung der natürlichen
7
aquatischen und terrestrischen Habitate vorherzusehen. Bei Variante 3 erreicht man einen hohen
8
Wert für den HMID, sie stellt für die Revitalisierung des betroffenen Abschnittes ein Optimum dar: es
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kann sich eine grosse Vielfalt an Habitaten ausbilden, wodurch – unter der Voraussetzung, dass sich
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auch aufgrund eines ausgeglichenen Geschiebehaushalts die Eigendynamik im System wieder
11
einstellt – eine starke Verbesserung der Biodiversität zu erwarten ist.
12
Durch die Anwendung des HMID eröffnet sich die Möglichkeit, den voraussichtlichen Erfolg von
13
verschiedenen zur Diskussion stehenden Projektvarianten abzuschätzen.
14
15
Einschränkungen bei der Anwendung des HMID
16
Der HMID stellt ein Hilfsmittel für die Optimierung von flussbaulichen Projekten im Hinblick auf die
17
Verbesserung der Strukturvielfalt des betroffenen Fliessgewässerabschnittes dar. Je höher der HMID
18
für eine Projektvariante ist, desto größer ist voraussichtlich die Strukturvielfalt. Die Anwendung des
19
HMID enthebt die zuständigen Fachstellen und den beauftragten Wasserbauingenieur jedoch nicht
20
der Pflicht zur Beachtung nachfolgend aufgeführter Grundsätze, die es zur Umsetzung eines
21
nachhaltig wirksamen und erfolgreichen Projekts zu berücksichtigen gilt.
22
In erster Linie ist bei Projekten im Flussbau und vor allem bei Revitalisierungsprojekten ein Leitbild mit
23
klar definierten Zielen zu erarbeiten und dementsprechend die Frage zu beantworten, ob die
24
strukturell-morphologischen Eigenschaften tatsächlich eine relevante Hürde auf dem Weg zu diesem
25
Leitbild darstellen. Sind nämlich andere Elemente massgeblich für eine verarmte Biodiversität
26
verantwortlich (z.B. Nährstoff- und Sedimenteinträge durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung
27
bis an den Gewässerrand, chemische Belastung des Fliessgewässers, Fragmentierung des
28
betroffenen Fliessgewässers, usw.) und wird dieser Frage nicht auf den Grund gegangen, können
29
Massnahmen zur Verbesserung der Strukturvielfalt eventuell ohne positive Effekte bleiben und damit
30
den erwarteten Erfolg des Projektes nicht erreichen.
6
3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
1
Ein Kernthema in diesem Zusammenhang bildet die Vernetzung des Fliessgewässers und seiner
2
Umgebung (MB Vernetzung). Die longitudinale, laterale und vertikale Vernetzung sind grundlegende
3
Voraussetzung dafür, dass mit der Verbesserung der Strukturvielfalt bei flussbaulichen Projekten eine
4
höhere Biodiversität einhergeht.
5
Weiters ist es unabdingbar, die Dynamik des Fliessgewässers und sein langfristiges Verhalten im
6
betroffenen Fliessgewässerabschnitt zu untersuchen und zu beurteilen (MB Dynamik).
7
Fliessgewässer, die langfristig positive strukturelle Lebensbedingungen anbieten, sind durch ein
8
dynamisches Gleichgewicht gekennzeichnet. Es treten zwar in periodischen Abständen bettbildende
9
Prozesse mit der Neubildung der Habitate auf, es kommt aber zu keinen irreversiblen Eintiefungs-
10
bzw. Auflandungstendenzen. Um diese Vorgänge und somit die zeitliche Stabilität der im HMID
11
verwendeten statistischen Parameter beurteilen zu können, sind Untersuchungen des
12
Geschiebehaushaltes in Verbindung mit abflussdynamischen Prozessen auf der Einzugsgebietsebene
13
notwendig, um zu können. Zum Beispiel kann eine mangelnde Geschiebezufuhr aus dem Oberlauf in
14
Verbindung mit anthropogen veränderten und häufiger auftretenden Hochwasserspitzen dazu führen,
15
dass die Verbesserung oder Wiederherstellung der Strukturvielfalt nur kurzfristig wirksam ist, da sich
16
der Hauptarm durch die Aufnahme von Geschiebe aus der Sohle eintieft und sich auf lange Sicht
17
wiederum ein Gewässer mit einem verarmten Lebensraumangebot bildet. Deshalb ist bei
18
flussbaulichen Projekten nicht nur eine Verbesserung der Strukturvielfalt (=Erreichung eines möglichst
19
hohen HMID-Wertes) notwendig, sondern auch die Erreichung eines ausgeglichenen
20
Geschiebehaushalts. Nur damit kann gewährleistet werden, dass die Ökosystemleistungen des
21
Fliessgewässers auch von Dauer sind.
22
23
Literatur
24
BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft). 1998. Ökomorphologie Stufe F. Methoden
25
zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer in der Schweiz. Mitteilungen zum
26
Gewässerschutz Nr. 27, 51 S.
27
BWG. 2001. Hochwasserschutz an Fliessgewässern. Wegleitungen des BWG, 72 S.
28
Gostner, W., Schleiss, A.J. 2011. Ein neuer hydro-morphologischer Indikator zur Verbesserung der
29
Lebensraumvielfalt bei der Realisierung von flussbaulichen Projekten. Wasser, Energie, Luft – Eau,
30
énergie, air. xx. Jg. Heft xxxxxx
7
3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
1
2
3
Jungwirth M, Haidvogl G, Moog O, Muhar S, Schmutz S. 2003. Angewandte Fischökologie an
Fliessgewässern. Facultas Universitätsverlag, Wien, 547 S.
Schleiss, A.J. 2005. Flussbauliche Hochwasserschutzmassnahmen und Verbesserung der
4
Gewässerökologie – Vorschlag eines hydraulisch – morphologischen Vielfältigkeitsindexes. Wasser,
5
Energie, Luft – Eau, énergie, air. 97. Jg. Heft 7/8: 195 – 199
6
Woolsey, S., Weber, C., Gonser, T., Hoehn, E., Hostmann, M., Junker, B., Roulier, C., Schweizer, S.,
7
Tiegs, S., Tockner, K., Peter, A. 2005. Handbuch für die Erfolgskontrolle bei
8
Fliessgewässerrevitalisierungen. Publikation des Rhone - Thur Projektes. Eawag, WSL, LCH -EPFL,
9
VAW-ETHZ, 112 S.
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3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
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#TEXTE FÜR TABELLEN UND BOXEN#
2
Box 1: Der hydro-morphologische Index HMID
3
Der HMID verwendet die statistischen Parameter von hydraulischen, die aquatischen Habitate
4
kennzeichnenden Größen. Im Gegensatz zu Bewertungsmethoden (wie zum Beispiel Ökomorphologie
5
des Modul-Stufen-Konzepts), die auf teilweise subjektiven Einschätzungen des Betrachters im Feld
6
aufbauen, basiert der HMID damit auf objektiven Kriterien.
7
Was sind die Vorteile des HMID?
8
Die Verwendung von numerischen, zweidimensionalen Abflussmodellen zur Beurteilung von
9
wasserbaulichen Projekten im Hochwasserfall ist heutzutage Standard. Mit geringem Zusatzaufwand
10
können diese Modelle dazu verwendet werden, auch die Mittelwasserabflüsse zu modellieren und aus
11
den daraus resultierenden hydraulischen Kenngrößen den HMID zu berechnen.
12
Welche Lücke schließt der HMID?
13
Der HMID hat die Fähigkeit zur Vorhersage. Durch Anwendung des HMID in wasserbaulichen
14
Projekten können Projektvarianten im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturvielfalt quantitativ
15
verglichen werden. Der HMID soll also weder ein neues Instrument zur Beurteilung des
16
IST-Zustandes eines Fließgewässers noch zur Erfolgskontrolle nach der Durchführung von Projekten
17
sein.
18
19
Tabelle 1. Kenndaten der Felduntersuchungen an der Sense
Abschnitt
Länge
[m]
Querprofile
Abstand QP
[m]
Punkte
Abfluss Q
[m³/s]
Spende q
[l/s,km²]
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
verzweigt
pendelnd
verzweigt
teilverbaut
kanalisiert
1850
770
620
685
940
19
17
19
14
14
100
48
10,4
53
72
310
202
135
216
2,30
19,5
2,93
19,5
249
3,19
18,2
5,65
17,6
5,81
16,3
20
21
9
3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität
1
2
Tabelle 2. Berechnung des HMID für die einzelnen Untersuchungsabschnitte an der Sense
(3)
(1)
(2)
verzweigt,
(4)
verzweigt,
pendelnd,
natürlich,
kanalisiert,
natürlich
natürlich
geringfügi
teilverbaut
(5)
Abschnitt
kanalisiert
g verbaut
Fliessge-
[m/s]
0,45
0,56
0,39
0,72
0,71
[m/s]
0,41
0,45
0,27
0,42
0,30
cv
0,93
0,80
0,69
0,58
0,41
V(v)
1,86
1,64
1,47
1,34
1,17
[m]
0,20
0,32
0,31
0,46
0,31
[m]
0,13
0,22
0,18
0,22
0,15
cv
0,67
0,70
0,59
0,47
0,49
V(t)
1,45
1,49
1,34
1,23
1,21
[m]
21,79
16,14
24,77
15,59
24,95
[m]
8,72
5,75
9,63
5,74
2,98
cv
0,40
0,36
0,39
0,39
0,12
V(b)
1,16
1,13
1,15
1,14
1,01
)
3,12
2,74
2,27
1,86
1,47
µ
schwindigkeit
µ
Fliesstiefe
µ
)
Benetzte
Breite
HMID
3
4
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