1 > Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 2 Wörter: ca. 19'400 Zeichen (inkl. Leerzeichen). 3 Walter Gostner, Anton J. Schleiss 4 5 Die Strukturvielfalt bildet eine Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme. Mit 6 dem im vorliegenden Merkblatt beschriebenen neuen hydro-morphologischen Index der Diversität 7 steht dem Wasserbauer ein Werkzeug zur Verfügung, welches es ihm erlaubt, die Wirkung der 8 flussbaulichen Projekte im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturvielfalt zu beurteilen. 9 10 Strukturvielfalt als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Gewässerökosystemen 11 Für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme ist eine Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender 12 Faktoren abiotischer und biotischer Natur mitbestimmend. Bei den abiotischen Faktoren spielt neben 13 der Wasserqualität und abflussdynamischen Prozessen vor allem die Gewässerstruktur eine tragende 14 Rolle. Stellt man Fliessgewässer mit natürlicher und künstlicher Morphologie einander gegenüber 15 (Abb. 1), sind in natürlichen Abschnitten stark variable Ausprägungen der Strömung zu erkennen: 16 Zonen mit hoher Fliessgeschwindigkeit wechseln sich ab mit Bereichen hoher Fliesstiefe und geringer 17 Fliessgeschwindigkeit. Weiters gibt es Flachwasserbereiche mit geringer Strömung, Kiesbänke 18 unterschiedlicher Höhe mit dementsprechend verschiedenen Vegetationscharakteristiken und 19 Sukzessionsstadien (MB Biodiversität), Vorkommen von Totholz und ein Patchwork an verschiedenen 20 Substrateigenschaften. Auch ist zwischen dem Fliessgewässer und dem Umland ein breiter Ufergürtel 21 vorhanden. In kanalisierten Abschnitten hingegen ist eine starke Monotonie mit konstant bleibenden 22 Strömungsmustern sowohl in Längs- als auch in Querrichtung und fehlenden aquatischen und 23 terrestrischen Lebensräumen zu beobachten. 24 Die Veränderung und vor allem Homogenisierung der Gewässermorphologie in den Fliessgewässern 25 führt zu einer Dezimierung von Artenreichtum und Biomasse aquatischer und uferbewohnender 26 Organismen. Umgekehrt gilt der Grundsatz, dass die Strukturvielfalt des Lebensraumes in 27 verschiedenen räumlichen Massstabsebenen eine Voraussetzung für die Entwicklung und Erhaltung 28 artenreicher Lebensgemeinschaften ist (Jungwirth et al., 2003). 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 Deshalb zielen viele Revitalisierungsprojekte an Fliessgewässern darauf ab, die Strukturvielfalt wieder 2 herzustellen und damit ein diversifiziertes Angebot von Habitaten zu schaffen. Dies ist notwendig, um 3 den aquatischen Organismen und den in Flusslandschaften lebenden semiaquatischen und 4 terrestrischen Lebewesen für verschiedene Lebensstadien und Aktivitäten Teillebensräume 5 bereitzustellen. Fische zum Beispiel erheben im Lauf ihres Lebenszyklus unterschiedliche Ansprüche 6 an ihre Umwelt: es braucht geeignete Laichplätze mit dem entsprechenden Sohlsubstrat, für die 7 Nahrungsaufnahme begeben sich die Fische in Bereiche schnellfliessenden Wassers mit hohem 8 Nahrungsangebot, dann wiederum benötigen sie zur Erholung Bereiche mit hohen Fliesstiefen und 9 geringer Fliessgeschwindigkeit, wobei die Präferenzen für Jungfische anders sind als für adulte 10 Fische. Populationen können sich also nur behaupten und erhalten, wenn ein bestimmtes 11 Grundangebot an von ihnen benötigten Habitaten vorhanden ist. 12 13 Der hydro-morphologische Index der Diversität HMID 14 Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahrzehnten 15 eine Vielzahl an Hochwasserschutz- bzw. Revitalisierungsprojekten geplant und umgesetzt wird. Der 16 Wasserbauingenieur benötigt dabei nicht mehr nur Instrumente zur fachgerechten Auslegung der 17 Hochwasserschutzmassnahmen, vielmehr muss er imstande sein, die Projekte so zu gestalten, dass 18 auch die Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Gewässerökosysteme verbessert werden. 19 Bisher konnte der Grad der Verbesserung der Strukturvielfalt bei flussbaulichen Projekten im 20 Wesentlichen lediglich auf qualitative Weise aufgrund von Expertenbeurteilungen abgeschätzt 21 werden. Der in diesem Merkblatt vorgestellte hydro-morphologische Index der Diversität HMID (Box 1) 22 trägt den Anforderungen nach einer quantitativen Beurteilung Rechnung. Er besitzt die Fähigkeit zur 23 Vorhersage, womit er hauptsächlich bei flussbaulichen Projekten Anwendung finden kann. Anhand 24 von numerischen Abflussmodellierungen und darauffolgender statistischer Analyse der die 25 Strukturvielfalt kennzeichnenden hydraulischen Variablen kann der HMID für einzelne zur Diskussion 26 stehende Varianten auf einfache Weise berechnet werden. Aus dem Vergleich des für die einzelnen 27 Varianten berechneten Wertes für den HMID kann man jene Variante definieren, die das 28 Fliessgewässer mit der besten Strukturvielfalt auszustatten imstande ist und deshalb die aus 29 ökologischer Sicht zu priorisierende Variante darstellt. Auch kann eine Abschätzung darüber getroffen 2 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 werden, inwieweit eine gewählte Variante sich in Bezug auf die Strukturvielfalt an den gewünschten 2 Referenzzustand bzw. an das vorgegebene Leitbild annähern kann. 3 In zeitlicher Abfolge betrachtet reiht sich der HMID zwischen den Methoden, welche eine Bewertung 4 des Ist-Zustandes eines Fliessgewässers erlauben (z.B. BUWAL, 1998) und den Anlass zur 5 Lancierung eines Projektes geben können, und den Methoden für die Erfolgskontrolle (z.B. Woolsey, 6 2005), welche nach Umsetzung des Projekts zur Anwendung kommen, ein. Er füllt damit jene Lücke, 7 die zwischen der Bewertung von Fliessgewässern vor und nach Durchführung eines flussbaulichen 8 Projektes liegt und schafft eine Möglichkeit, eine a-piori Bewertung von Projekten vorzunehmen und 9 diese in strukturell-morphologischer Hinsicht zu optimieren. 10 Der in diesem Merkblatt vorgestellte HMID ist für kiesführende Alpenflüsse, die in ihrem 11 Referenzzustand entweder einen pendelnden bis hin zu einem gewundenen oder verzweigten Verlauf 12 aufweisen, entwickelt worden. Dieser morphologischer Flusstyp war in den Alpen häufig anzutreffen, 13 weshalb sich für die Anwendung des HMID ein breites Betätigungsfeld ergibt. 14 Herleitung und Entwicklung des HMID 15 Der Herleitung des HMID liegen folgende Annahmen zugrunde (Gostner & Schleiss, 2011): 16 a. Die Strukturvielfalt eines Fliessgewässerabschnittes lässt sich mithilfe der hydraulischen Grössen 17 Fließgeschwindigkeit, Fließtiefe, benetzte Breite und ihrer statistischer Parameter 18 charakterisieren; 19 b. Die statistischen Parameter dieser hydraulischen Grössen können anhand einer mathematischen 20 Definition in einer Maßzahl, dem HMID, kombiniert werden. Dieser vermag somit die 21 Strukturvielfalt des aquatischen und semiaquatischen Fliessgewässerlebensraumes eines 22 Fließgewässerabschnittes zu charakterisieren. 23 Zur Herleitung des HMID wurden umfangreiche Felduntersuchungen (Abb. 2) an verschiedenen 24 Fliessgewässern in der Schweiz (Bünz, Kanton Aargau; Venoge, Kanton Waadt; Sense, Kantone 25 Freiburg/Bern) durchgeführt. An jedem der ausgewählten Untersuchungsabschnitte wurde eine für 26 statistische Auswertungen ausreichende Anzahl von Querprofilen definiert, entlang welcher in einem 27 Abstand von 1 - 2 m jeweils die Fliesstiefe und Fliessgeschwindigkeit aufgenommen wurden (Tab. 1). 28 Abbildung 3 stellt daraus gewonnene Ergebnisse an der Sense (Kantone Freiburg/Bern) an 5 29 Abschnitten mit unterschiedlichem Verbauungsgrad dar. 3 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 Die Boxplots in Abbildung 3 zeigen die hydraulischen Grössen Fließgeschwindigkeit, Fließtiefe und 2 benetzte Breite. Im kanalisierten Abschnitten ist die Streuung und somit auch Diversität der Variablen 3 gering. Besonders evident ist dies bei der benetzten Breite, aber auch bei Fliesstiefe und - 4 geschwindigkeit bleibt die Streuung auf einen eher engen Bereich beschränkt. In diesen Abschnitten 5 ist auch eine hohe durchschnittliche Fliessgeschwindigkeit zu beobachten, Ruhewasserzonen sind 6 kaum vorhanden. An den naturbelassenen Abschnitten hingegen lässt sich eine ausgeprägtere 7 Variabilität der Grössen feststellen. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass gemäss Erwartungen die 8 Diversität der abiotischen Umwelt und somit der Lebensräume an den natürlichen Abschnitten deutlich 9 höher ist als an kanalisierten Strecken. 10 11 Gewichtung eng mit dem Mittelwert µ zusammenhängt. Dieser Umstand kann am besten mit dem 12 Variationskoeffizienten cv = 13 Grösse lässt sich wie folgt berechnen (Schleiss, 2005): 14 V(i) 1 c 2v 1 2i 2i 15 Der HMID für einen Abschnitt wiederum wird aus dem Produkt der Teilvielfältigkeitsindizes für 16 Fliessgeschwindigkeit v, Fliesstiefe t und benetzte Breite b berechnet: 17 HMID Abschnitt V(i) V(v)V(t)V(b) i 18 Die vorliegende Formulierung für den HMID beschreibt die räumliche Vielfalt der 19 strukturell-morphologischen Eigenschaften eines Fliessgewässers (Beispiele für konkrete 20 Berechnungen gibt Tabelle 2). Durch numerische 2D-Modellierung der Untersuchungsabschnitte an 21 der Sense mit der Software Basement (MB Fliessgewässermodellierung) für verschiedene Abflüsse 22 konnte nachgewiesen werden, dass auch im Hinblick auf die zeitliche Variabilität Unterschiede 23 zwischen Abschnitten mit verschiedener morphologischer Ausprägung festzustellen sind. In 24 natürlichen Abschnitten bleibt der HMID für nahezu alle im Jahresverlauf auftretenden Abflüsse (mit 25 Ausnahme jener, die an ca. 5 Tagen pro Jahr überschritten werden) annähernd konstant, während der 26 HMID in verbauten Abschnitten mit grösser werdenden Abflüssen sukzessive kleiner wird. 27 Aus diesen Untersuchungen kann gefolgert werden, dass in natürlichen Abschnitten generell eine 28 höhere Strukturvielfalt als in verbauten Abschnitten vorhanden ist, zeitlich gesehen die 4 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 Lebensbedingungen in natürlichen Abschnitten aber viel konstanter bleiben als in verbauten 2 Abschnitten. 3 4 Anwendungsbeispiel für den HMID 5 Der HMID soll dazu dienen, dem Wasserbauer ein Instrument für die Optimierung von flussbaulichen 6 Projekten in strukturell-morphologischer Hinsicht in die Hand zu geben. In Abbildung 4 ist ein Beispiel 7 von möglichen Projektvarianten bei einem Revitalisierungsprojekt skizziert. Das Beispiel ist für 8 illustrative Zwecke gedacht und deshalb einfach und plakativ gehalten, eine Gegenüberstellung von 9 komplexeren Varianten mittels des HMID ist aber durchaus möglich. 10 Als Ausgangszustand wird ein kanalisierter, trapezprofilförmiger und mit einem festen Uferschutz 11 gesicherter Abschnitt angenommen. Weiters wird die Annahme zugrunde gelegt, dass der betreffende 12 Abschnitt in seinem Referenzzustand ein verzweigter kiesführender Alpenfluss war und dass eines 13 der Zieles des Projektleitbildes ist, den Fluss wieder in Nähe des morphologischen 14 Referenzzustandes zu bringen. 15 Mögliche Massnahmen können sein: kleinräumiger Eingriff durch die Platzierung von Störsteinen 16 (Variante 1), die Auflösung einer der beiden Uferlinien zur Initiierung von alternierenden Kiesbänken 17 mit einem verdeckten Uferschutz am Rande des zugelassenen Pufferstreifens (Variante 2) oder eine 18 Aufweitung mit Auflösung beider Uferlinien und Zulassen der vollständigen Eigendynamik des 19 Fliessgewässerabschnitts ohne laterale Einschränkungen (Variante 3). 20 Der HMID für die einzelnen Projektvarianten wird nun folgendermassen ermittelt: 21 Durchführung einer numerischen 2D-Modellierung für den Mittelwasserabfluss. Als Eingabedaten 22 für die Modellierung dienen das im Normalfall bereits vorliegende digitale Höhenmodell (inklusive 23 Rauhigkeitsbeiwerte) der einzelnen Varianten, da es auch für die Hochwasserabflussberechnung 24 benötigt wird, und der Mittelwasserabfluss, der entweder zu berechnen ist oder aus einer für den 25 betroffenen Fliessgewässerabschnitt vorliegenden Abflussdauerkurve abgelesen werden kann. 26 Auslesen der Fliessgeschwindigkeiten und Abflusstiefen für die einzelnen Zellen des Gitternetzes 27 des numerischen Abflussmodells sowie Definition einer genügend grossen Anzahl von 28 Querprofilen (mindestens 20) und Feststellung der jeweiligen benetzten Breite. 5 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 Berechnung der Mittelwerte und Standardabweichungen für die hydraulischen Grössen 2 Fliessgeschwindigkeit, Abflusstiefe und benetzte Breite und Berechnung des HMID gemäss oben 3 wiedergegebener Formel. 4 Variante 1 stellt in Bezug auf die Strukturvielfalt des Ist-Zustandes lediglich eine leichte Verbesserung 5 dar. Bei Variante 2 ist ein wesentlich höherer HMID zu erreichen, aufgrund des nach wie vor 6 existierenden Uferschutzes ist aber auch bei Variante 2 keine vollständige Entwicklung der natürlichen 7 aquatischen und terrestrischen Habitate vorherzusehen. Bei Variante 3 erreicht man einen hohen 8 Wert für den HMID, sie stellt für die Revitalisierung des betroffenen Abschnittes ein Optimum dar: es 9 kann sich eine grosse Vielfalt an Habitaten ausbilden, wodurch – unter der Voraussetzung, dass sich 10 auch aufgrund eines ausgeglichenen Geschiebehaushalts die Eigendynamik im System wieder 11 einstellt – eine starke Verbesserung der Biodiversität zu erwarten ist. 12 Durch die Anwendung des HMID eröffnet sich die Möglichkeit, den voraussichtlichen Erfolg von 13 verschiedenen zur Diskussion stehenden Projektvarianten abzuschätzen. 14 15 Einschränkungen bei der Anwendung des HMID 16 Der HMID stellt ein Hilfsmittel für die Optimierung von flussbaulichen Projekten im Hinblick auf die 17 Verbesserung der Strukturvielfalt des betroffenen Fliessgewässerabschnittes dar. Je höher der HMID 18 für eine Projektvariante ist, desto größer ist voraussichtlich die Strukturvielfalt. Die Anwendung des 19 HMID enthebt die zuständigen Fachstellen und den beauftragten Wasserbauingenieur jedoch nicht 20 der Pflicht zur Beachtung nachfolgend aufgeführter Grundsätze, die es zur Umsetzung eines 21 nachhaltig wirksamen und erfolgreichen Projekts zu berücksichtigen gilt. 22 In erster Linie ist bei Projekten im Flussbau und vor allem bei Revitalisierungsprojekten ein Leitbild mit 23 klar definierten Zielen zu erarbeiten und dementsprechend die Frage zu beantworten, ob die 24 strukturell-morphologischen Eigenschaften tatsächlich eine relevante Hürde auf dem Weg zu diesem 25 Leitbild darstellen. Sind nämlich andere Elemente massgeblich für eine verarmte Biodiversität 26 verantwortlich (z.B. Nährstoff- und Sedimenteinträge durch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung 27 bis an den Gewässerrand, chemische Belastung des Fliessgewässers, Fragmentierung des 28 betroffenen Fliessgewässers, usw.) und wird dieser Frage nicht auf den Grund gegangen, können 29 Massnahmen zur Verbesserung der Strukturvielfalt eventuell ohne positive Effekte bleiben und damit 30 den erwarteten Erfolg des Projektes nicht erreichen. 6 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 Ein Kernthema in diesem Zusammenhang bildet die Vernetzung des Fliessgewässers und seiner 2 Umgebung (MB Vernetzung). Die longitudinale, laterale und vertikale Vernetzung sind grundlegende 3 Voraussetzung dafür, dass mit der Verbesserung der Strukturvielfalt bei flussbaulichen Projekten eine 4 höhere Biodiversität einhergeht. 5 Weiters ist es unabdingbar, die Dynamik des Fliessgewässers und sein langfristiges Verhalten im 6 betroffenen Fliessgewässerabschnitt zu untersuchen und zu beurteilen (MB Dynamik). 7 Fliessgewässer, die langfristig positive strukturelle Lebensbedingungen anbieten, sind durch ein 8 dynamisches Gleichgewicht gekennzeichnet. Es treten zwar in periodischen Abständen bettbildende 9 Prozesse mit der Neubildung der Habitate auf, es kommt aber zu keinen irreversiblen Eintiefungs- 10 bzw. Auflandungstendenzen. Um diese Vorgänge und somit die zeitliche Stabilität der im HMID 11 verwendeten statistischen Parameter beurteilen zu können, sind Untersuchungen des 12 Geschiebehaushaltes in Verbindung mit abflussdynamischen Prozessen auf der Einzugsgebietsebene 13 notwendig, um zu können. Zum Beispiel kann eine mangelnde Geschiebezufuhr aus dem Oberlauf in 14 Verbindung mit anthropogen veränderten und häufiger auftretenden Hochwasserspitzen dazu führen, 15 dass die Verbesserung oder Wiederherstellung der Strukturvielfalt nur kurzfristig wirksam ist, da sich 16 der Hauptarm durch die Aufnahme von Geschiebe aus der Sohle eintieft und sich auf lange Sicht 17 wiederum ein Gewässer mit einem verarmten Lebensraumangebot bildet. Deshalb ist bei 18 flussbaulichen Projekten nicht nur eine Verbesserung der Strukturvielfalt (=Erreichung eines möglichst 19 hohen HMID-Wertes) notwendig, sondern auch die Erreichung eines ausgeglichenen 20 Geschiebehaushalts. Nur damit kann gewährleistet werden, dass die Ökosystemleistungen des 21 Fliessgewässers auch von Dauer sind. 22 23 Literatur 24 BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft). 1998. Ökomorphologie Stufe F. Methoden 25 zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer in der Schweiz. Mitteilungen zum 26 Gewässerschutz Nr. 27, 51 S. 27 BWG. 2001. Hochwasserschutz an Fliessgewässern. Wegleitungen des BWG, 72 S. 28 Gostner, W., Schleiss, A.J. 2011. Ein neuer hydro-morphologischer Indikator zur Verbesserung der 29 Lebensraumvielfalt bei der Realisierung von flussbaulichen Projekten. Wasser, Energie, Luft – Eau, 30 énergie, air. xx. Jg. Heft xxxxxx 7 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 2 3 Jungwirth M, Haidvogl G, Moog O, Muhar S, Schmutz S. 2003. Angewandte Fischökologie an Fliessgewässern. Facultas Universitätsverlag, Wien, 547 S. Schleiss, A.J. 2005. Flussbauliche Hochwasserschutzmassnahmen und Verbesserung der 4 Gewässerökologie – Vorschlag eines hydraulisch – morphologischen Vielfältigkeitsindexes. Wasser, 5 Energie, Luft – Eau, énergie, air. 97. Jg. Heft 7/8: 195 – 199 6 Woolsey, S., Weber, C., Gonser, T., Hoehn, E., Hostmann, M., Junker, B., Roulier, C., Schweizer, S., 7 Tiegs, S., Tockner, K., Peter, A. 2005. Handbuch für die Erfolgskontrolle bei 8 Fliessgewässerrevitalisierungen. Publikation des Rhone - Thur Projektes. Eawag, WSL, LCH -EPFL, 9 VAW-ETHZ, 112 S. 8 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 #TEXTE FÜR TABELLEN UND BOXEN# 2 Box 1: Der hydro-morphologische Index HMID 3 Der HMID verwendet die statistischen Parameter von hydraulischen, die aquatischen Habitate 4 kennzeichnenden Größen. Im Gegensatz zu Bewertungsmethoden (wie zum Beispiel Ökomorphologie 5 des Modul-Stufen-Konzepts), die auf teilweise subjektiven Einschätzungen des Betrachters im Feld 6 aufbauen, basiert der HMID damit auf objektiven Kriterien. 7 Was sind die Vorteile des HMID? 8 Die Verwendung von numerischen, zweidimensionalen Abflussmodellen zur Beurteilung von 9 wasserbaulichen Projekten im Hochwasserfall ist heutzutage Standard. Mit geringem Zusatzaufwand 10 können diese Modelle dazu verwendet werden, auch die Mittelwasserabflüsse zu modellieren und aus 11 den daraus resultierenden hydraulischen Kenngrößen den HMID zu berechnen. 12 Welche Lücke schließt der HMID? 13 Der HMID hat die Fähigkeit zur Vorhersage. Durch Anwendung des HMID in wasserbaulichen 14 Projekten können Projektvarianten im Hinblick auf die Verbesserung der Strukturvielfalt quantitativ 15 verglichen werden. Der HMID soll also weder ein neues Instrument zur Beurteilung des 16 IST-Zustandes eines Fließgewässers noch zur Erfolgskontrolle nach der Durchführung von Projekten 17 sein. 18 19 Tabelle 1. Kenndaten der Felduntersuchungen an der Sense Abschnitt Länge [m] Querprofile Abstand QP [m] Punkte Abfluss Q [m³/s] Spende q [l/s,km²] (1) (2) (3) (4) (5) verzweigt pendelnd verzweigt teilverbaut kanalisiert 1850 770 620 685 940 19 17 19 14 14 100 48 10,4 53 72 310 202 135 216 2,30 19,5 2,93 19,5 249 3,19 18,2 5,65 17,6 5,81 16,3 20 21 9 3 Ein neuer Indikator für die hydro-morphologische Diversität 1 2 Tabelle 2. Berechnung des HMID für die einzelnen Untersuchungsabschnitte an der Sense (3) (1) (2) verzweigt, (4) verzweigt, pendelnd, natürlich, kanalisiert, natürlich natürlich geringfügi teilverbaut (5) Abschnitt kanalisiert g verbaut Fliessge- [m/s] 0,45 0,56 0,39 0,72 0,71 [m/s] 0,41 0,45 0,27 0,42 0,30 cv 0,93 0,80 0,69 0,58 0,41 V(v) 1,86 1,64 1,47 1,34 1,17 [m] 0,20 0,32 0,31 0,46 0,31 [m] 0,13 0,22 0,18 0,22 0,15 cv 0,67 0,70 0,59 0,47 0,49 V(t) 1,45 1,49 1,34 1,23 1,21 [m] 21,79 16,14 24,77 15,59 24,95 [m] 8,72 5,75 9,63 5,74 2,98 cv 0,40 0,36 0,39 0,39 0,12 V(b) 1,16 1,13 1,15 1,14 1,01 ) 3,12 2,74 2,27 1,86 1,47 µ schwindigkeit µ Fliesstiefe µ ) Benetzte Breite HMID 3 4 10