INFORMATION zur Pressekonferenz mit Landesrat Rudi Anschober 22. Juni 2015 zum Thema Jetzt geht es los: Bürgerinitiative für mehr Ernährungsbildung an Österreichs Schulen Weitere Gesprächsteilnehmer: Prof. Dr. Thomas Mohrs, ÖKOLOG-Beauftragter der PH OÖ; Autor des Begründungstextes Mag. Philipp Braun, Slow Food Linz Rückfragen-Kontakt: Mag. a Tina Schmoranz (+43 732) 77 20-12083 oder (+43 664) 600 72-12083 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 1 Jetzt geht es los: Bürgerinitiative für mehr Ernährungsbildung an Österreichs Schulen "105.000-mal essen wir im Lauf unseres Lebens. Mit unserer Ernährung entscheiden wir ganz wesentlich über unsere Gesundheit, über Umwelt, Böden, Grundwasser und Klima, über die Struktur und die Zukunftschancen der Landwirtschaft, über gerechten Handel und vieles andere mehr. Vielfach haben wir in den letzten Jahren den Bezug zu Lebensmitteln, zum Essen, zum eigenen Geschmack verloren. Viele haben nie kochen gelernt und Lebensmittelindustrie Gegenbewegung, sind wehrlos die in dem Einheitsessen ausgeliefert. Oberösterreich Aber stark es vom der globalen beginnt eine Umweltressort unterstützt wird. An vielen Orten beginnen neue Projekte, Essen und Ernährung wird zum politischen Thema, vielfach engagieren sich auch in den Schulen Pädagog/innen und Eltern sehr und die Kids sind mit großem Interesse bei der Sache. Dieses Engagement für Kochen und Themen wie Ernährung und Konsument/inneninformation braucht mehr Unterstützung, mehr Platz und einen besseren Stellenwert in unseren Schulen", fordert Oberösterreichs "Deshalb habe Konsument/innenschutz-Landesrat ich die parlamentarische Rudi Anschober. Bürgerinitiative Ernährungsbildung gestartet, damit es eine breite Plattform für dieses Ziel gibt und sich der Nationalrat im Herbst damit auseinandersetzen muss.“ In der von LR Anschober vor wenigen Wochen initiierten Bürgerinitiative für mehr Ernährungsbildung an Schulen wurden seit April in der Vorbereitungsphase bereit über 1.200 Unterstützer/innen gefunden– damit ist die Hürde von 500 Unterschriften zur Einreichung im Nationalrat bereits vor dem offiziellen Start geknackt. Heute aber geht es erst so richtig los: Online-Unterstützung ist ab sofort unter unten angeführter Adresse bis September möglich. Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 2 Im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen des Nationalrats wird das Thema behandelt – Stellungnahmen von Ministerien und anderen Institutionen können eingeholt, Hearings mit Expert/innen durchgeführt werden. Unterstützungserklärungen sind hier möglich: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00074/index.shtml Anschober: „Aber ich hoffe auf eine sehr starke Unterstützung, nur dann wird der politische Druck spürbar zunehmen, damit vom Nationalrat auch gehandelt wird.“ Stand der Ernährungsbildung an den Schulen In Volksschulen und AHS-Unterstufen ist derzeit kein eigenes Fach vorgesehen. „Ernährung und Haushalt“ ist lediglich in der Neuen Mittelschule (NMS) Pflichtgegenstand, allerdings wurde dieser Gegenstand mit der Überführung der Hauptschulen in NMS vielfach stark ausgedünnt. Laut Lehrplanverordnung für die NMS muss in zumindest einem der vier Schuljahre mind. 1 Stunde bis max. 4 Stunden pro Woche das Unterrichtsfach „Ernährung und Haushalt“ angeboten werden. In vielen Schulen wird derzeit das Minimum angeboten. Ziele der Parlamentarischen Bürgerinitiative betreffend Lebenskompetenz Ernährung im Schulsystem Der Nationalrat wird ersucht, dass im Bereich der Lebenskompetenzen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucher/innenbildung 1. das Unterrichtsangebot an Volksschulen und allen Schulen der Sekundarstufe I inklusive der AHS-Unterstufe sukzessive mit dem Ziel eines eigenen, obligatorischen Unterrichtsfaches ausgebaut wird. Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 3 2. an den Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten eine umfassende und praxisnahe Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen im Hinblick auf die genannten Lebenskompetenzen sichergestellt wird. 3. das Angebot an Weiterbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen (Lehrgänge) für Lehrerinnen und Lehrer entsprechend erweitert wird. 4. mittel- und längerfristig die Errichtung einer tertiären Bildungseinrichtung mit einem Schwerpunkt auf den genannten Lebenskompetenzen angestrebt wird. Statements zur Bürgerinitiative Prof. Dr. Thomas Mohrs, PH OÖ und Autor des Begründungstextes: „Schon Platon wusste: Wenn man in einer Gesellschaft nachhaltig etwas verändern will, geht das nur über die Bildung, über die Kinderköpfe und das Bewusstsein, das sich in ihnen entwickelt. Kinder sind die Zukunft und ihnen gehört die Zukunft. Die Ernährungsweise der meisten Menschen im „Westen“, aber zunehmend auch in „Schwellenländern“ wie China, ist in ökologischer, sozialer und auch ökonomischer Hinsicht nicht nachhaltig, birgt unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten sogar große Gefahren. Daher ist es dringend erforderlich, die Ernährungswende jetzt in Angriff zu nehmen und die Kinder – eben nicht zuletzt in der Schule – systematisch einzubeziehen, damit sie eine lebenswerte Zukunft haben können.“ Mag. Philipp Braun, Slow Food Linz: „Essen ist weit mehr als Energiezufuhr. Genuss soll Spaß machen und Freude bereiten. Genuss hat jedoch auch eine Schwester: die Verantwortung. Durch Geschmacksschulungen und Lebensmittelkunde kann das Bewusstsein für die Zusammenhänge von Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Gesundheit, Klima und echtem Genuss geschaffen werden. Erst mit dem Wissen, in welcher Region, wann, wie Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 4 und von wem, unter welchen Bedingungen sowie unter wessen Kontrolle, etwas produziert und gegebenenfalls auch verarbeitet wurde, kann wahrer Genuss entwickelt werden. Falsche Ernährungsgewohnheiten zeigen sich unter anderem darin, dass viele Menschen quantitativ überernährt und qualitativ unterernährt sind, wobei auch die mangelnde Bewegung eine Rolle spielt.“ Hintergründe und Motivation für die Bürgerinitiative Es steht außer Zweifel, dass „Ernährung“ eines der Mega-Themen des 21. Jahrhunderts ist, dessen Bedeutung für die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft gar nicht überschätzt werden kann. Die eng miteinander verflochtenen Dimensionen dieses konkret-alltäglichen und zugleich extrem komplexen Themas reichen von Aspekten der individuellen Gesundheit und des Genusses über Fragen der Verantwortung gegenüber unseren Kindern, der regionalen und überregionalen Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität, der Ernährungsinfrastruktur samt Regionalund Stadtentwicklung bis hin zu Problemstellungen eines auf Dauer finanzierbaren staatlichen Gesundheitswesens und schließlich nicht zuletzt auch zu übergeordneten Fragen wie Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung und Solidarität. Dazu einige nähere Stichworte: Gesundheit und Genuss Eine ausgewogene Ernährungsweise, vorzugsweise auf der Basis frischer, reifer und möglichst naturbelassener Lebensmittel, ist eine der wichtigsten Säulen der Gesundheitsförderung und -erhaltung. Frische, Reife und Naturbelassenheit sind darüber hinaus aber auch die Grundlage wirklich schmackhafter Speisen. Eine gesunde, ausgewogene und genussvolle Ernährungsweise hat zudem wesentlichen Einfluss auf die Lebens- Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 5 zufriedenheit sowie den ökologisch und ökonomisch orientierten Umgang mit Lebensmitteln. Verantwortung gegenüber unseren Kindern Geschmacksvorlieben sowie Grundlagen des Ernährungsverhaltens und des Umgangs mit Nahrungsmitteln werden von der frühen Kindheit an geprägt, weshalb es gerade im frühen Kindesalter immens wichtig ist, dem Thema Essen und Ernährung einen hohen Stellenwert zu geben. Hier wird der Grundstein für eine gesunde und klimaschonende Ernährungsweise im späteren Lebensverlauf gelegt. Wenn es für die Kinder bereits früh selbstverständlich ist, regelmäßig und unter Verwendung frischer und qualitativ hochwertiger Lebensmittel selbst zu kochen, werden sie dies auch im Erwachsenenalter viel eher beibehalten und diese Kompetenzen ihrerseits an ihre Nachkommen weitergeben. Ein besonderes Augenmerk sollte daher auf die Ernährungsbildung in Horten/Krippen, Kindergärten und Volksschulen gelegt werden. Dies auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Leistungsfähigkeit des Gehirns – und folglich auch die Lernfitness unserer Kinder während ihrer gesamten Bildungslaufbahn – in hohem Maße von der Ernährung abhängig ist. Verantwortung gegenüber dem sozialen Umfeld und kulinarischer Infrastruktur Da die Kriterien für eine gesunde, ausgewogene und genussvolle Ernährung – Frische, Reife und Naturbelassenheit – am ehesten von regionalen (Bio-)Qualitätsprodukten erfüllt werden können, besteht ein hohes Interesse an der Bewahrung (bzw. Wiederherstellung und Steigerung) eines möglichst hohen Maßes Ernährungssicherheit, Ernährungssouveränität Lebensmittelproduktion. Die Bildung an regionaler und Transparenz der eines Bewusstseins bei Konsumentinnen und Konsumenten, dass sie durch ihr Einkaufs- und Konsumverhalten mit darüber entscheiden, ob in der Region (oder auch der Stadt und der städtischen Umgebung), in der sie jeweils leben, Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 6 entsprechende Lebensmittel produziert und vermarktet werden können, ist daher von zentraler Bedeutung. Zudem sind Aspekte der kulinarischen Infrastruktur bei allen Regional- und Stadtentwicklungsplanungen („urban gardening“, „transition towns“) systematisch mit zu bedenken. Gesamtgesellschaftliche (staatsbürgerliche) Verantwortung Nachweislich bestehen kausale Zusammenhänge zwischen der Ernährungsweise und „Zivilisationskrankheiten“ wie Diabetes Mellitus 2, „leaky gut“-Syndrom, Reizdarm, Arteriosklerose, Allergien, Adipositas, Alzheimer, Parkinson, diversen Krebsarten usw. Die enorme Bedeutung von Mangel- und Fehlernährung für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist somit denkbar evident. Mangel- und Fehlernährung (im interdependenten Zusammenhang mit der demographischen Überalterung) tragen folglich auch einen wesentlichen Teil dazu bei, dass das Gesundheitssystem in der bestehenden Form in absehbarer Zeit womöglich nicht mehr finanzierbar sein wird. Die Erhaltung eines funktionierenden und leistungsstarken Gesundheitssystems hängt daher im Umkehrschluss Ernährungsverhaltens maßgeblich nach den mit Kriterien der von Änderung des Gesundheit und verantwortlichem Genuss in unserer Gesellschaft zusammen. Aspekte globaler (weltbürgerlicher) Verantwortung Dokumente wie der Weltagrarbericht oder der Bericht der UNCTAD „Wake up before it is too late!“, der jährliche Report zum Welthunger sowie zahlreiche Publikationen der FAO und der WHO weisen eindringlich auf die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Ernährungs- und Konsumverhalten der Menschen in den industrialisierten Ländern der Erde einerseits und Hunger, Verelendung sowie weit reichenden ökologischen Zerstörungen in anderen Teilen der Welt andererseits hin, ebenso auf Zusammenhänge mit der Zerstörung kleinbäuerlicher (Subsistenz- )Strukturen, der Vernichtung des Regenwalds in Amazonien, rasanter Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 7 Bodendegradation, Desertifikationsprozessen, massiven Biodiversitätsverlusten, Überfischung der Weltmeere, Vernichtung der Meeresfauna, gefährlicher Trinkwasserverknappung und insgesamt dem Phänomen des Klimawandels. Dbzgl. stellt die intensive, industrielle Weltlandwirtschaft – insbesondere die industrielle Tierhaltung und Fleischproduktion sowie die Milch- und Milchprodukteproduktion – sogar die mit Abstand größte Gefahr für eine nachhaltige Klimagasemissionen, Entwicklung dar, sei Biodiversitätsverlusten es oder im Hinblick der auf Verknappung lebenswichtiger Ressourcen wie Wasser und fruchtbarem Ackerboden. Man erkennt: „Ernährung“ ist eine politische Kategorie von überragender (Zukunfts-)Bedeutung. Dieser Bedeutung muss auch im Bildungssystem in angemessener Weise Rechnung getragen werden, weshalb die Schaffung umfangreicher Unterrichts- und Bildungsangebote im Bereich der Lebenskompetenzen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucher/innenbildung im Sinne dieser Petition ein dringliches Gebot zukunftsorientierter Bildungspolitik ist! Vor diesem Hintergrund erscheint es als außerordentlich bedauerlich und korrekturbedürftig, dass das Thema „Ernährung“ in seiner ganzen Komplexität und immensen faktischen Relevanz im Prozess der Neuentwicklung von Curricula im Rahmen der Umsetzung von „Pädagog/innenbildung NEU“ im Primarstufenbereich und erst recht im Sekundarstufenbereich geradezu sträflich vernachlässigt wurde. Dabei ist allen aufgeführten nachhaltigkeits- und zukunftspolitischen Argumenten aus pädagogischer Hinsicht hinzuzufügen, dass es sich bei den Themen „Ernährung“, „Kochen“, „Gesundheit“ und „Verbraucherbildung“ nicht um abstrakten Schul-„Stoff“ handelt, sondern über das kognitive Wissen hinaus in erster Linie um echte Lebenskompetenzen, die zudem moderne, fächerübergreifende, partizipative, lernseitig- und handlungsorientierte Lehr- und Lernformen nicht nur in vielfältigster Weise ermöglichen, sondern diese nachgerade fordern. Pressekonferenz 22. Juni 2015 LR Anschober + Dr. Mohrs + Mag. Braun Seite 8 OÖ Initiativen für mehr Bewusstseinsbildung zu Ernährung an Schulen Von Umwelt- und Konsument/innenschutz-Landesrat Rudi Anschober laufen aktuell gerade folgende Initiativen, um schon Kinder und Jugendliche für das Thema Ernährung und dessen umfassende Auswirkungen zu sensibilisieren: „Besser Essen – MEHR bewegen!“ Klimabündnis OÖ, Bio Austria, Slow Food und die PH OÖ begleiten ein Jahr lang fünf Schulen und einen Hort mit Workshops auf ihrem Weg zum „Besser Essen“. „Gustls Kochwettbewerb – So schmeckt’s mir UND dem Klima“: Bei diesem Kochwettbewerb reichen Schüler/innen ein klimafreundliches und nachhaltiges Menü ein – das beste gewinnt. Schulobstaktion Der Biohof Achleitner liefert frisches, regionales, Bio-Obst an teilnehmende Schulklassen, finanziert durch EU und Land OÖ. Schulgartenwettbewerbe (Bodenbündnis) Info-Kochshow „Kochtopf statt Mistkübel“ bei Kinderunis Bei der Info-Kochshow „Kochtopf statt Mistkübel“ zur Vermeidung von Lebensmittelmüll kochen LR Anschober und Co erstmals auch bei den oö. Kinderuni-Terminen mit Produkten, die im Handel nicht mehr verkäuflich wären, auf. Kinder und Jugendliche unterstützen tatkräftig. Pressekonferenz 22. Juni 2015