INFORMATION zur Pressekonferenz mit Landesrat Rudi Anschober Dr. Helmut Burtscher, Pestizid-Experte von Global 2000 5. August 2015 zum Thema Der oö. Pestizid-Test zwischen Bio- und konventionellem Obst und Gemüse & Experiment zeigt Auswirkungen auf menschlichen Körper Rückfragen-Kontakt: Mag. a Tina Schmoranz (+43 732) 77 20-12083 oder (+43 664) 600 72-12083 LR Rudi Anschober Seite 1 Der oö. Pestizid-Test zwischen Bio- und konventionellem Obst und Gemüse & Experiment zeigt Auswirkungen auf menschlichen Körper Problematische Pestizide können über unsere Lebensmittel die menschliche Gesundheit beeinflussen, aber auch in Böden und Grundwasser eindringen und dadurch unsere Umwelt belasten. Aber ist Verlass auf die pestizid-freien Bio-Produkte? Um das zu überprüfen ließ Umwelt- und Konsument/innenschutz-Landesrat Rudi Anschober bei der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 insgesamt 54 biologisch oder konventionell erzeugte Obst- und Gemüse-Produkte von oberösterreichischen Händlern auf Pestizidrückstände untersuchen. Das erfreuliche Ergebnis: 24 der 25 getesteten Bio-Proben enthielten keinerlei nachweisbare Pestizidrückstände, auch konventioneller Häuptelsalat zeigt gute Ergebnisse. Nachdenklich stimmt hingegen: Bei den konventionellen Erzeugnissen ließen sich in allen Produktgruppen Rückstände von Pestiziden nachweisen. LR Anschober: „Das Ergebnis ist ganz eindeutig: Wer zu Bio-Produkten greift, wählt Sicherheit für die eigene Gesundheit! Hingegen: In allen konventionellen Produkten wurden Spuren von Pestiziden gefunden. Das heißt: Bio hält, was es verspricht, mit bio ist man auf der sicheren Seite.“ LR Anschober sieht sich durch das Testergebnis in seinem politischen Ziel bestätigt, Problem-Pestizide aus dem Verkehr zu ziehen, die Bio- Landwirtschaft in Oberösterreich massiv auszubauen und den Einsatz von Pestiziden mittelfristig zu halbieren. Bestätigt sieht Anschober mit diesem Ergebnis aber auch den Trend der oö. Konsument/innen, immer stärker zu Bio zu greifen. Nach einer aktuell präsentierten Analyse im Auftrag des Konsumentenschutzressorts ist der Pressekonferenz 5. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 2 Verkauf von Bio-Lebensmittel in OÖ alleine im vergangenen Jahr um fast 15 Prozent angestiegen. GLOBAL 2000 Obst und Gemüse-Test: Bio 100mal weniger belastet GLOBAL 2000 hat im Auftrag von LR Anschober insgesamt 25 biologisch und 29 konventionell erzeugte Obst und Gemüse-Produkte von oö. Supermärkten, Biomärkten und Ab-Hof-Vermarktern auf Pestizidrückstände untersucht. Das für Bio-Konsument/innen erfreuliche Ergebnis: 24 der 25 getesteten Bio-Proben enthielten keinerlei nachweisbare Pestizidrückstände. Nur im Falle einer zu Unrecht als „Bio“ deklarierten Avocado-Probe aus Peru waren Spuren eines Pestizids zu finden. Bei den konventionellen Erzeugnissen ließen sich hingegen in allen Produktgruppen Rückstände von Pestiziden nachweisen, im Fall einer Probe ungarischer Marillen sogar über dem gesetzlichen Höchstwert. In Summe konnten die Analytiker in den 29 untersuchten konventionellen Erzeugnissen 37 verschiedene Pestizidwirkstoffe finden, darunter auch zehn Pestizide, die im Verdacht stehen, als sogenannte “endokrine Disruptoren“ das Hormonsystem negativ zu beeinflussen. Die meisten Produkte wiesen Mehrfachbelastungen auf. So ließen sich in Äpfeln und Ribiseln bis zu 9 verschiedene Pestizidwirkstoffe in einem Produkt finden. Auffallend war auch, wie sehr die mengenmäßige Belastung durch Pestizide zwischen den verschiedenen Produktgruppen variiert. Negative Spitzenreiter waren importierte Orangen konventionelle mit einer Ribisel aus Österreich durchschnittlichen sowie Pestizid- Gesamtbelastung von je 1,4 mg/kg (Milligramm pro Kilogramm), gefolgt Pressekonferenz 5. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 3 von Zitronen und Birnen (Importware) mit einer Pestizidbelastung von 0,98 mg/kg bzw. 0,92 mg/kg. Erfreulich geringe Belastungen fanden sich hingegen bei österreichischen Gemüse: Die Rückstandsbelastung von Karotten und Häuptelsalat aus konventioneller Produktion lag mit 0,014 mg/kg bzw. weniger als 0,005 mg/kg im Spurenbereich. Über alle Produkte gerechnet ergibt sich für die konventionelle Ware eine mittlere Pestizidbelastung von 0,498 mg/kg. Die entsprechenden BioProdukte weisen hingegen unter Einbeziehung der fälschlich als bio deklarierten peruanischen Avocado-Probe in Summe nur knapp 0,005 mg/kg auf. Helmut Burtscher, Umweltchemiker von GLOBAL 2000: „Die von uns untersuchten Bio-Produkte sind rund 100 mal weniger mit Pestiziden belastet als die konventionellen. Dieses Ergebnis stellt der Qualität von Bio-Waren, die in (Ober-)Österreich angeboten werden ein sehr gutes Zeugnis aus.“ Auch passen die hier erhobenen Daten sehr gut zu dem Gesamtbild, das die seit 2002 in Deutschland jährlich publizierten Ökomonitorings zeichnen. Auch dort bewegten sich die durchschnittliche Pestizidbelastungen von konventionellen Produkten über die Jahre recht konstant zwischen 0,4 mg/kg und 0,6 mg/kg, während biologisches Obst und Gemüse je nach Untersuchungsjahr um das 40- bis 200-fache geringer belastet war. In Österreich werden vergleichbare Untersuchungen bislang von den Lebensmittelbehörden nicht durchgeführt bzw. nicht publiziert. Das ist insofern bedauerlich, als die ökologische Landwirtschaft in Österreich einen hohen Stellenwert und biologische Erzeugnisse bei den Konsument/innen sehr beliebt sind. Exkurs: Hinsichtlich der konventionellen Marille über Grenzwert sowie der fälschlich als Bio bezeichneten Avocado werden nun rechtliche Schritte Pressekonferenz 5. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 4 geprüft, LR Anschober: „Es ist wichtig, hier kein Auge zuzudrücken – die Konsument/innen müssen sich zu 100% auf die Produkte verlassen können!“ Mögliche gesundheitliche Risiken 10 der 37 nachgewiesenen Pestizide stehen im Verdacht sogenannte “Endokrine Disruptoren“ zu sein. Das sind hormonell wirksame Chemikalien, die bereits in sehr geringen Konzentrationen hormonelle Steuerungsprozesse im Organismus beeinträchtigen können und von der Weltgesundheitsorganisation WHO mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Formen von Krebs, Fruchtbarkeitsstörungen, Diabetes, HerzKreislauferkrankungen und anderen Zivilisationskrankheiten in Zusammenhang gebracht werden. „Beunruhigend ist daher, dass 5 der 10 in unserem Test gefundenen hormonell wirksamen Pestizide sich im menschlichen Organismus nachweisen lassen, mittels Blut-, Harn-, Muttermilch- oder Haaranalysen,“ so Burtscher. Positive Nachricht: Eine aktuelle Untersuchung aus Schweden (siehe unten) zeigt, dass die Umstellung auf biologische Ernährung innerhalb von wenigen Tagen zu einem deutlichen Rückgang der Körperbelastung durch Pestizidwirkstoffe bzw. deren Abbauprodukten führt. Alle Ergebnisse des GLOBAL2000-Tests auf www.global2000.at/biotest Pressekonferenz 5. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 5 Schwedische Studie zeigt: Bei Umstellung auf Bio-Ernährung verringert Familie die Pestizid-Konzentration im Körper merklich in nur 2 Wochen Nahrungsmittel sind eine Quelle von Pestiziden, die in den Körper gelangen. Dies gilt vor allem für Kinder, weil sie in Relation zu ihrem Körpergewicht mehr essen als Erwachsene. Biologische Ernährung reduziert die Konzentration diverser Chemikalien, die durch die Nahrung aufgenommen werden, wie die schwedische Studie nun zeigt, und beeinflusst dementsprechend auch die daraus folgenden Langzeit- und Kombinationseffekte. Die Supermarktkette „Coop“ gab beim „IVL Swedish Environmental Research Institute“ eine Untersuchung zum Pestizid-Gehalt im menschlichen Körper in Auftrag. Forschungsfrage war, ob ein Wechsel von konventioneller zu biologischer Ernährung einen messbaren Effekt auf das Ausmaß der im Körper nachweisbaren Pflanzenschutzmittel hat. Es wurde eine Familie mit drei Kindern (40, 39, 12, 10 und 3 Jahre alt) untersucht, die sich normalerweise konventionell ernährt. Sie mussten zuerst eine Woche konventionell weiteressen, dass stellten sie für zwei Wochen um auf ausschließlich Bio. Während des gesamten Untersuchungszeitraums wurden täglich Urinproben genommen, die dann auf Pestizide getestet wurden. Ergebnisse (Video: https://www.youtube.com/watch?v=oB6fUqmyKC8) Einige Pestizide kommen definitiv über die Nahrung in den Körper. Durch die Wahl von Bio-Produkten konnte die Familie die Pestizid-Konzentration im Körper um den Faktor 6,7 reduzieren. Besonders bei Kindern war die Umstellung in dieser Hinsicht sehr erfolgreich. Bei den Erwachsenen ist die Konzentration der meisten, aber nicht aller Pestizide gesunken. Pressekonferenz 5. August 2015 LR Rudi Anschober Seite 6 Wichtig anzumerken: Generell war die gemessene Pestizidkonzentration unter der in der EU-Pestizid-Datenbank angenommenen akzeptablen Tagesdosis (ADI – acceptable daily intake). Trotzdem war der Effekt zwischen konventioneller und biologischer Ernährung klar erkennbar. Noch völlig unklar ist der "Cocktail-Effekt" von verschiedensten PestizidRückständen im menschlichen Körper: Es gibt noch keine zugelassene Methode, um zu überprüfen, welche Wirkung verschiedene Substanzen gemeinsam haben, auch wenn sie alle einzeln unter dem Grenzwert sind. Maßnahmen und weitere Schritte Maßnahmen in Oberösterreich: Oö. Pestizidstrategie: Bewusstseinsbildung, Ausweich- möglichkeiten und Anregungen für Landwirte zur Verringerung des Pestizideinsatzes, um unsere Gewässer – und damit auch unser Trinkwasser – vor dem Eintrag von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen und -metaboliten zu schützen (besteht seit 2011 und wurde 2015 neu aufgelegt) Die Boden.Wasser.Schutz.Beratung Zusammenarbeit mit den Infoveranstaltungen bietet Expert/innen und des zeigt in enger Landes OÖ alternative Unkrautregulierungsstrategien auf. 2013 und 2014 ist es erstmals gelungen, auch den Handel zu diesem Thema umfassend zu sensibilisieren; zahlreiche Informationsveranstaltungen wurden durchgeführt. Broschüre „Garteln ohne Gift“: Versorgt Privatgärtner/innen mit Tipps für einen gesunden Garten [email protected]) Pressekonferenz 5. August 2015 (zu bestellen unter LR Rudi Anschober Seite 7 Projekt „Pestizidfreie und bienenfreundliche Gemeinde“: Einige Pilotgemeinden werden von GLOBAL 2000 auf dem Weg zur Pestizidfreiheit begleitet. Auftaktveranstaltung mit allen interessierten Gemeinden ist am Do, 6.8. ab 11 Uhr im Linzer Landhaus. Weiterführende Initiativen unterstützt von LR Anschober, die das Bewusstsein für gute Produkte, für bio und/oder regional stärken sollen, sind etwa die Schulobstaktion, im Zuge der LR Anshcober eine finanzielle Unterstützung beim Kauf von Bio-Obst und Gemüse gewährt hat. Das Netzwerk „Appetit auf Zukunft“, wo Konsument/innen und regionale (Bio-) Hersteller/innen über Foodcoops vereint und gefördert werden. Forderungen: Die Test-Ergebnisse von Global 2000 beweisen: Bio-Produkte sind der Garant für gesundes, unbelastetes Essen. Wir brauchen daher eine Stärkung und einen weiteren Ausbau der biologischen Landwirtschaft in OÖ – so können wir optimal unsere Gesundheit, aber auch die Güte von Grundwasser und Böden für die nächsten Generationen bewahren. Dass dies zugleich eine wirtschaftliche Chance ist, zeigt eine jüngste Marktstudie: Die Nachfrage nach BioProdukten ist größer als das Angebot. Besonders wichtig ist die Umstellung auf Bio in Schulen, Kindergärten und Horten – bei gleichzeitiger Aufklärung für die Kinder, z.B. mit einem Unterrichtsfach Ernährungsbildung, über Schulgärten, etc., Kinder werden lt. der schwedischen Studie noch deutlich stärker von Pestiziden in Lebensmitteln belastet als Erwachsene. Schrittweise Reduktion des Pestizid-Einsatzes konventionellen Landwirtschaft. Pressekonferenz 5. August 2015 in der LR Rudi Anschober Seite 8 Einführung eines ausgebrachter Pestizidregisters, Pestizide in dem festgehalten die werden Mengen – aus Landwirtschaft, öffentlichem und privatem Bereich. So können Trends nachgezeichnet und Evaluierungen von Gegenmaßnahmen stattfinden. Einführung eines österr. Ökomonitorings nach deutschem Vorbild, in dem Verunreinigungen von Produkten z.B. mit GVO oder Pflanzenschutzmitteln öffentlich dargestellt werden – zur Transparenz für die Konsument/innen. Verstärkung der Forschung: Welche (mittel- und langfristigen) Auswirkungen haben Pestizide im Körper, auch und v.a. dann, wenn sie nicht isoliert, sondern zusammen mit anderen Pestiziden auftreten (sog. Cocktails). Ein Forschungsschwerpunkt in dieser Hinsicht könnte eine große Chance für die neue oö. Medizin-Fakultät sein. TTIP verhindern: In den USA sind etliche Pestizide, die in Europa verboten sind, erlaubt. Wenn TTIP kommt, werden wir uns hier auf Kompromisse einlassen müssen, was LR Anschober jedoch entschieden ablehnt. Es könnten sogar Klagen von Pflanzenschutzmittelkonzernen drohen, wenn Österreich seinen Markt nicht für sie öffnen will. Pressekonferenz 5. August 2015