Publikumsforschung Vorlesung 8: Das interpretierende Publikum I: Cultural Studies 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 1 Gliederung Vorlesung 8 1. Grundgedanken 2. Methoden 3. Beispielstudien 1: Nationwide (Morley) 2. Dallas (Ang) 3. Sportfans in der Bar (Eastmann/Land) 4. Zusammenfassung 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 2 1. Grundgedanken: Publikum als Teilnehmer Grundprobleme: Hegemonie (Marx, Gramsci) Machtdifferenz zwischen Medien und Publikum soziale Lage und Umgang mit den Medien Herkunft: CCCS (Birmingham) Medien: ideologische Staatsapparate Texte (i.w.S.): symbolische Verdichtungen und Produkte sozialer Erfahrung, Erscheinungen von Macht und Ideologie Kultur: Organisationsmuster sozialer Praktiken eigensinnige Produktion nicht Epiphänomen gesellschaftlicher Verhältnisse (vs. simples Basis-Überbau-Schema) 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 3 1. Grundgedanken: Publikum als Teilnehmer verschiedene Kulturbegriffe (Williams) ideale Bestimmung: Zivilisation dokumentarische Bestimmung: Korpus von Werten anthropologische Bestimmung: Lebensweise Kultur: Organisationsmuster sozialer Praktiken eigensinnige Produktion nicht Epiphänomen gesellschaftlicher Verhältnisse (vs. simples Basis-Überbau-Schema) 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 4 1. Grundgedanken: Lesarten von Texten (1) Ausgangspunkt: Poly-/Multisemie von Texten erfordern aktive Interpretationsleistungen ≠ Willkürlichkeit der Bedeutungskonstruktion 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 5 1. Grundgedanken: Lesarten von Texten (2) Stuart Hall: Encoding/Decoding – Modell 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 6 1. Grundgedanken: Lesarten von Texten (3) Rezeption = als Auseinandersetzung mit Texten (Ideologie) (J. Fiske) dominant reading (Decoding = Encoding) negotiated reading (Decoding ≈ Encoding) oppositional reading (Decoding ≠ Encoding) 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 7 1. Grundgedanken: Interpretationsgemeinschaften (1) I. geben den Menschen Interpretationsraster I. teilen gemeinsame Raster und Codes Menschen gehören verschiedenen I. an I. können in subkulturelle Kontexte eingebunden sein Stile: geteilte Besonderheiten der Selbstdarstellung o entstehen durch Bricolage („Basteleien“) 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 8 1. Grundgedanken: Interpretationsgemeinschaften (2) Studienobjekt: Fankulturen Bezug 1. mediale Objekte 2. in den Medien „befindliche“ Objekte 3. Objekte ausserhalb der Medien Fankulturen integrieren ihr Material in alltägliche Praxis benutzen es für individuellen und kollektiven Ausdruck decodieren nicht einfach Texte, sondern benutzen sie spielerisch 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 9 2. Methoden nach McQuail: ethnographische Methoden Einzelfälle, typische Fälle interpretatives Vorgehen (Verstehen vs. Messen) Verallgemeinerungsproblem 1. Repräsentanz/Typizität der Fälle 2. Nachvollzug der Interpretationen 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 10 3. Forschungsbeispiele 1: Nationwide David Morley: Television Audiences & Cultural Studies: London/New York 1992: Routledge (Chapters 4 & 5) Fragestellung: Wovon hängt Decoding ab? Methode Gruppendiskussionen zu 2 Fassung des Informationsmagazins Nationwide 29 Diskussionsgruppen aus allen sozialen Gruppen Hauptergebnisse: Unterschiede zwischen den Gruppen Engagement Akzeptanz des „we“ Interpretation der Sequenzen 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 11 3. Forschungsbeispiele 1: Nationwide 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 12 3. Forschungsbeispiele 2: Dallas Ien Ang: Das Gefühl Dallas. Zur Produktion des Trivialen. Bielefeld 1986: Daedalus Fragestellung: Wie eignen sich (europäische) Zuschauer/innen die Serie an? Methoden: Analyse von 42 Zuschriften an eine Frauenzeitschrift Hauptergebnisse: emotionaler Realismus Spannung zwischen kulturellen Werten 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 13 3. Forschungsbeispiele 3: Sportbars Eastman, Susan T./Land, Arthur M.: The best of both Worlds. Sport Fans find good Seats at the Bar. Journal of Sport & Social Issues, 1995 Fragestellung: Wie sind die Erfahrungen von Fans beim Fernsehen im öffentlichen Raum? Überlegungen zum Sportfan Regeln des Fernsehens im öffentlichen Raum (siehe Krotz 2001) Methoden: teilnehmende Beobachtung in 6 Lokalitäten (95 Besuche mit 210 h Dauer) 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 14 3. Forschungsbeispiele 3: Sportbars Hauptergebnisse Nähe zur Erfahrung des Stadions/der Arena Mittel sozialer Interaktion Legitimation als Fan Zerstreuung und Modelle Regeln und Kontrolle 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 15 4. Zusammenfassung Versuch, Formen und Prozesse der Aneignung zu erfassen begrifflich empirisch tatsächliche Publikumsforschung dieser Art ist selten, zumindest im deutschsprachigen Raum (z.B. eher Jugendkulturen) methodisch nicht unproblematisch Fallstudien & Systematik Interpretationen Aufmerksamkeit für Populärkultur 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 16 Übungsfragen 1. Wie wird in den Ansätzen der „cultural studies“ die Macht/Ohnmacht der Rezipienten gesehen? 2. Finden Sie Beispiele für die verschiedenen „Lesarten“ von Texten nach dem Encoding/Decoding – Modell! 3. Was zeichnet Interpretationsgemeinschaften aus? 4. Warum sind Fans ein geeignetes Studienobjekt für Interpretationsgemeinschaften? 10.06.2009 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler 17