Technische Mechanik I Dr.-Ing. Dr. rer. nat. Jahn Jennifer Peter und Daniela Hermsdorff WS 05/06 Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 4 1.1 Einteilungen der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2 Größen und Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Die Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3.1 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3.2 Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.3.3 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Das zentrale, ebene Kraftsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4.1 Reduktion auf eine Resultierende . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4.2 Kräftegleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.4.3 Kraftzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.5 Das zentrale, räumliche Kraftsystem . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.6 Allgemeine Kräftegruppen in der Ebene . . . . . . . . . . . . . . 15 1.6.1 Das Moment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.6.2 Komponentendarstellung von von MD . . . . . . . . . . . 16 1.6.3 Das Moment zweier Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.6.4 Momentensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.6.5 Das Kräftepaar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Seileckverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.7.1 23 1.4 1.7 Allgemeine Kräftegruppen im Raum . . . . . . . . . . . . 2 Balkenstatik 2.1 Arten der Lagerung 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 25 INHALTSVERZEICHNIS 2.1.1 2 Beispiele für die Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Resultierende von Kräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.2.1 Resultierende einer Gruppe paralleler Kräfte . . . . . . . 27 2.2.2 Resultierende von Linienlasten (Gleichlasten) . . . . . . . 28 2.2.3 Resultierende von Flächenlasten . . . . . . . . . . . . . . 29 Bestimmung von Auflagerreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.3.1 Seileckverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.3.2 Culmannsche Gerade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.4 Schnittgrößen im Balken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.5 Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.6 Häufige Lastfälle aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2 2.3 3 Ebene Fachwerke 37 3.1 Regeln zum Auffinden von Nullstäben . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2 Ermittlung der Stabkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2.1 Knotenpunktverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.2.2 Rittersches Schnittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.2.3 Cremonaplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4 Das PdvV 49 4.1 Der Arbeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.2 Lagerreaktionen und Schnittgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5 Haftung und Reibung 53 5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.2 Experimentelle Ermittlung von µ0 . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5.3 Der Haftungskegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5.4 Seilreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5.4.1 56 Zusammenhänge zwischen S1 und S2 . . . . . . . . . . . Kapitel 1 Grundlagen 1.1 Einteilungen der Mechanik Definition: Lehre von der Beschreibung und Vorherbestimmung der Bewegung von Körpern, sowie der Kräfte, die mit diesen Bewegungen in Zusammenhang stehen. Die Einteilung ist nach verschiedenen Gesichtspunkten möglich. • Nach dem Aggregatzustand der Körper 1. Mechanik fester Körper (Festkörpermechanik) (a) starre Körper (Starrkörperstatik), keine Gestaltänderung unter dem Einfluss von Kräften (b) elastische Körper (Elastostatik), nach der Entlastung geht die Formveränderung zurück (c) plastische Körper (-), nach der Entlastung bleiben Formveränderungen zurück 2. Mechanik flüssiger Körper (a) reibungsfreie Flüssigkeiten (b) viskose Flüssigkeiten 3. Mechanik gasförmiger Körper • in Kinematik und Dynamik Kinematik Geometrische und zeitliche Betrachtung von Bewegungsabläufen ohne die Kräfte dafür zu betrachten. Dynamik Betrachtung der Kräfte der zugehörigen Bewegung. Statik: Betrachtung von Kräften und dem Gleichgewicht (Ruhezustand). Kinetik: Untersucht tatsächliche Bewegungen unter der Wirkung von Kräften. 3 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.2 4 Größen in der Mechanik und deren Einheiten Symbol SI-Einheit weitere Einheiten Länge l m mm, km, µm,.. Zeit t s h, min,. . . Masse m kg g, mg, t,. . . Formel Geschwindigkeit Beschleunigung Kraft l Länge v= = t Zeit l dv(t) a= = v̇(t) = 2 dt t F = m · a = Masse · Beschleunigung SI-Einheit hmi s hmi · s2 ¸ kg · m = 1N s2 Beispiel: Gewicht an einem Pendelstab Gegeben: m = 1kg, a = g = 9.81 m s2 Gesucht: F Lösung: F = m · a = 1kg · 9.81 m = 9.81 N s2 Beispiel: Spannung σ (Sigma) · ¸ Kraft N F Definition: σ = = = A Fläche m2 Gesucht: a = 3cm, b = 4cm, F = 10N Gegeben: σ F 10N N Lösung: σ = = = 0.83 2 A 12cm2 m Merke: • Je kleiner die Fläche, umso größer ist die Spannung bei gleicher Kraft. • Zulässige Spannungen für bestimmte Materialien sind tabellarisiert (Bemessung). KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 5 Beispiel: Dehnung ε (Epsilon) ∆l Längenänderung = l Ausgangslänge Gegeben: l = 5cm, ∆ l = 2m Gesucht: ε ∆l 2m Lösung: ε = = = 0.4 l 5m Definition: ε = 1.3 Die Kraft • nicht direkt sichtbar oder beobachtbar • erkennbar nur an Wirkung, z.B.: – Feder verlängert sich – Steinwurf: Muskelkraft beschleunigt Stein – Schwerkraft: Fallenlassen eines Steines – ... 1.3.1 Eigenschaften von Kräften • bestimmte Größe bzw. Betrag • bestimmte Richtung (sie sind gerichtet) • Existenz eines Angriffpunktes Die letzten beiden Eigenschaften bestimmen die Wirkungslinie. KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.3.2 6 Darstellung von Kräften • zeichnerisch als Vektor • Richtung: Pfeilspitze • Größe: F = |F~ |, bzw. Länge des Pfeiles F~ = Fq ex + Fy ~ey + Fz ~ez x~ ~ |F | = Fx2 + Fy2 + Fz2 • Kraft im Raum: cos α = cos β = 1.3.3 1. Fy F , cos γ = Fz F Fx , F Einteilung von Kräften • Einzelkräfte [N ] · ¸ N • Linienkräfte m · ¸ N • Flächenkräfte m2 · ¸ N • Volumenkräfte m3 2. (a) Eingeprägte Kräfte = Lasten, Belastung z.B.: Winddruck, Wasserdruck auf Behälter, Schneelast auf Dächern,. . . (b) Reaktionskräfte oder Zwangskräfte enstehen durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit (c) Schnittgrößen (innere Kräfte) • wirken zwischen den Teilen des Systems • wirken auf Grund äußerer Kräfte • sichtbar machen durch Schnitte (Schnittprinzip) • jedes Teilsystem ist für sich selbst im Gleichgewicht KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.4 7 Das zentrale, ebene Kraftsystem • alle Wirkungslinien (WL) liegen in einer Ebene (ebenes Kraftsystem) • alle WL schneiden sich in einem Punkt Die drei Grundaufgaben: a) Reduktion mehrerer Kräfte auf eine Resultierende b) Nachweis des Kräftegleichgewichts c) Zerlegung einer Kraft in 2 Richtungen Die Lösung kann sowohl grafisch als auch rechnerisch erfolgen. Für die grafische Lösung immer notwendig ist ein Lageplan: • maßstäbliche Darstellung des betrachteten Systems b • Längenmaßstab (1cm=1m, 1m ) 1cm • Richtung der Kräfte • Angriffspunkt der Kräfte und ein Kräfteplan: • enthält Beträge der Kräfte (Kräftemaßstab 1cm=1kN, b 1kN ) 1cm • Kräfte werden aneinander gefügt, Richtungen sind maßgebend 1.4.1 zu a) Reduktion mehrerer Kräfte auf eine Resultierende Gegeben: Kräftegruppe Gesucht: Resultierende (Größe, Richtung, Wirkungslinie) Bsp: Gegeben: F1 = 2kN, F2 = 4kN KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 8 • Grafische Lösung: Lageplan (1cm = b 1m) Kräfteplan (1cm = b 1kN ) • Rechnerische Lösung: Nebenbetrachtung: Fx = F · cos ϕ F ; F~ = x = Fy = F · sin ϕ Fy F · cos ϕ F · sin ϕ ◦ cos (180 + ϕ) = − cos ϕ sin (180◦ + ϕ) = − sin ϕ Fi ϕ Fix = Fi · cos ϕ Fiy = Fi · sin ϕ −1.44kN −1.44kN F~1 F~2 2kN 180 + 45 = 225 4kN 0◦ ~ R R ϕR 4kN P Rx = Fix 2.947 331.32◦ 2.58kN ◦ ◦ q R= ϕ = arccos Rx2 + Ry2 = ◦ p Ry = 0 P Fiy −1.414kN 2.5862 + (−1.414)2 = 2.497 Rx = arccos (0.877) ⇒ ϕ1 = 28.68◦ , ϕ2 = 360◦ − 28.68◦ = 331.32◦ R KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 9 Beispiel 2: Gegeben: F1 = 2kN , F2 = 3kN , F3 = 5kN Grafische Lösung: Lageplan (1cm = b 1m) Kräfteplan (1kN = b 1cm) Rechnerische Lösung: Fi ϕ ◦ F1 2 180 F2 3 210◦ F3 5 ◦ R 7.962 270 Fix = Fi · cos ϕ Fiy = Fi · sin ϕ −2 0 −2.598 −1.5 0 −5 234.73◦ −4.598 −6.5 p 2 2 R = (−4.598) + (−6.5) = 7.96kN KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.4.2 10 Zu b) Nachweis des Kräftegleichgewichts Gegeben: Kräftegruppe Frage: Stehen diese Kräfte im Gleichgewicht? Gesucht: Weitere Kraft, die zur Resultierenden und damit zur gesamten Kräftegruppe im Gleichgewicht steht. Kräfte stehen im Gleichgewicht, wenn das durch sie entstehende Krafteck geschlossen ist, oder X die Resultierende dieser X Kräfte ”0” ist. Rechnerisch: Rx = Fix = 0; Ry = Fiy = 0 Gegeben: F1 = 2kN, α = 45◦ , F2 = 4kN, β = 0◦ , F3 = 3kN, γ = 60◦ Gesucht: Größe von F4 und Winkel δ, damit die Kräfte im Gleichgewicht stehen. Lageplan (1cm = b 1m) Kräfteplan(1cm = b 1kN ) KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 11 rechnerisch: Fi 1.4.3 45 Fix = Fi · cos ϕ √ 2kN Fiy = Fi · sin ϕ √ 2kN 4kN 0◦ 4kN 0 F~3 3kN 300◦ 1.5kN −2.5181kN ~ R F~4 7.01kN 360◦ − 9.71◦ 6.9142kN −1.1839kN 7.01kN 180◦ − 9.71◦ −6.9142kN 1.1839kN F~1 F~2 2kN ϕ ◦ zu c) Zerlegung einer Kraft in zwei Richtungen Gegeben: F~ = 4kN, ϕ = 45◦ ϕ1 = 30◦ , ϕ2 = 70◦ Gesucht: F~1 und F~2 , deren Größe und Koordinaten Lageplan (1cm = b 1m) Kräfteplan (1cm = b 1kN ) Grafische Lösung: • eindeutig, wenn zwei nicht parallele Richtungen für F1 und F2 • nicht eindeutig, wenn drei Kräfte gegeben sind • unmöglich, wenn die Richtungen von F1 und F2 parallel und F in eine andere Richtung zeigt KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 12 Rechnerische Lösung: Fi ϕ F~ F~1 4 45 F1 =? 30◦ F~2 F2 =? 70◦ Fix = Fi · cos ϕ F1x = F1 cos ϕ1 F2x = F2 cos ϕ2 F1y = F1 sin ϕ1 F2y = F2 sin ϕ2 F1x + F2x = F1 cos ϕ1 + F2 cos ϕ2 Fx = F1x + F2x = F cos ϕ ⇒ F cos ϕ = F1 cos ϕ1 + F2 cos ϕ2 Gleichungssystem: cos ϕ1 sin ϕ1 Fiy = Fi · sin ϕ ◦ F1y + F2y = F1 sin ϕ1 + F2 sin ϕ2 Fy = Fy1 + Fy2 = Fy sin ϕ ⇒ F sin ϕ = F1 sin ϕ1 + F2 sin ϕ2 cos ϕ2 F1 F · cos ϕ · = sin ϕ2 F2 F · sin ϕ cos ϕ2 · sin ϕ − sin ϕ2 · cos ϕ cos ϕ2 · sin ϕ1 − sin ϕ2 · cos ϕ1 cos ϕ1 · sin ϕ − sin ϕ1 · cos ϕ F2 = F · cos ϕ1 · sin ϕ2 − sin ϕ1 · cos ϕ2 F1 = F · Additionstheorem: sin (α − β) = sin α · cos β − cos α · sin β º · F1 = sin (ϕ − ϕ2 ) sin (ϕ − ϕ1 ) · F, F2 = − ·F sin (ϕ1 − ϕ2 ) sin (ϕ1 − ϕ2 ) ¹ ¸ ◦ ◦ ◦ Im Beispiel: (ϕ = 45 , ϕ1 = 30 , ϕ2 = 70 , F = 4kN ) F1 = sin (45◦ − 70◦ ) sin (−25◦ ) · 4kN = · 4kN ⇒ 2.63kN sin (30◦ − 70◦ ) sin (−40◦ ) sin (45◦ − 30◦ ) · 4kN ⇒ 1.61kN F2 = − sin (30◦ − 70◦ ) KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.5 13 Das zentrale, räumliche Kraftsystem Alles analog zum zentralen, ebenen Kraftsystem. F~ = F~x + F~y + F~z = Fx · ex + Fy · ey + Fz · ez 1 0 0 = Fx + F + F y 1 z 0 0 0 F x ~ F = Fy 0 1 Fz I) |F~ | = F = q Fx2 + Fy2 + Fz2 ⇒ F 2 = Fx2 + Fy2 + Fz2 II) Fx = F · cos α, Fy = F · cos β, Fz = F · cos γ I) + II) =⇒ F 2 = (F · cos α)2 + (F · cos β)2 + (F · cos γ)2 | : F 2 1 = cos2 α + cos2 β + cos2 γ d.h, α, β, γ sind voneinander abhängig. Resultierende einer zentralen Kräftegruppe von n Kräften F~i . R x ~ = R = Rx · e~x + Ry · e~y + Rz · e~z R y Rz n n n X X X wobei Rx = Fix , Ry = Fiy , Rz = Fiz i=1 i=1 i=1 analog zum ebenen, zentralen Kraftsystem. Gleichgewicht bedeuted analog; das Krafteck muss geschlossen sein (bzw. die Resultierende verschwindet). n X i=1 Fix = 0, n X i=1 Fiy = 0, n X i=1 Fiz = 0 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.6 14 Allgemeine Kräftegruppen in der Ebene – Das nicht zentrale, ebene Kraftsystem – Merkmal: Die Wirkungslinien (WL) der Kräfte schneiden sich nicht in einem Punkt. 1.6.1 Das Moment Definition: a ... Hebelarm = der Abstand der Wirkungslinie einer Kraft zu einem beliebigen Bezugspunkt. (Abstand = kürzeste Verbindung, Lot) Definition: Moment einer Kraft F bezüglich eines Punktes D. MD = F · a = Kraft · Hebelarm [MD ] = [Kraft · Länge] = [kN · m] KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 15 Ein Moment wird bestimmt durch: • Größe der Kraft F • Länge des Hebelarms a • den Drehsinn 1.6.2 Komponentendarstellung von von MD a = a1 − a2 a2 sin α = x − xD ⇒ a2 = (x − xD ) · sin α a1 cos α = y − yD a1 = cos α · (y − yD ) MD = F · a = F · (a2 − a1 ) MD = F · ((x − xD ) sin α − (y − yD ) cos α) = (x − xD ) · F sin α} −(y − yD ) · F cos α} | · {z | · {z Fy Fy MD = (x − xD ) · Fy − (y − yD ) · Fx Wegen der Linienflüchtigkeit gilt folgender Zusammenhang; F werde auf seiner Wirkungslinie verschoben nach (x, y), dann gilt: MD = (x − xD ) · Fy − (y − yD ) · Fx | {z } | {z } Moment von Fy bzgl. D Moment von Fx bzgl. D KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 16 Eine Kraft kann zwar beliebig auf der Wirkungslinie verschoben werden, aber nicht beliebig parallel, ohne das sich an der Wirkung etwas ändert. 1.6.3 Das Moment zweier Kräfte MD =(x − xD ) · Ry − (y − yD ) · Rx =(x − xD )(F1y + F2y ) − (y − yD )(F1x + F2x ) =(x − xD ) · F1y + (x − xD ) · F2y − [(y − yD ) · F1x + (y − yD ) · F2x ] ,→ d.h. MD = 2 X [(x − xD ) · Fiy − (y − yD ) · Fix ] = i=1 F1 → MD1 X F2 → MD2 1.6.4 2 X MDi i=1 = MD Verallgemeinerung: Momentensatz Das Moment der Resultierenden ist gleich der Summe der Momente der Einzelkräfte für einen gemeinsamen Bezugspunkt (Drehpunkt D). MD = n X i=1 MD = n X i=1 MDi = n X [(xi − xD )Fiy − (yi − yD )Fix ] i=1 xi Fiy − yi Fix mit xi = xi − xD und yi = yi − yD KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.6.5 17 Das Kräftepaar • zwei gleich große, entgegengesetzt gerichtete Kräfte, auf parallelen Wirkungslinien Das Moment eines Kräftepaares: M =F ·a Das Kräftepaar ist statisch äquivalent zu einem Moment: Mehrere Kräftepaare lassen sich durch geeignetes Verschieben zu einem resultierendem Kräftepaar zusammen fassen, dieses erzeugt das resultierende Moment MR . µ ¶ h2 F1 + F2 · · h1 = F1 · h1 + Fs · h2 h1 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN Grundaufgaben analog zum zentralen Kraftsystem: a) Reduktion eines Kraftsystems (Resultierende, Moment) b) Gleichgewicht c) Zerlegung einer Kraft zu a ) Reduktion eines Kraftsystems zeichnerisch: bei mehreren Kräften: 18 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 19 R 1 2 3 R MD = MD + MD + MD MD =R·h n q X ~ = R F~ix R = Rx2 + Ry2 i=1 Rx = n X Fix , Ry = i=1 n X i=1 R Fiy , MD = n X i MD i=1 rechnerisch: (Frage: Bezüglich welchem Punkt verschwindet das Moment MD ?) MD = −Fy · xp + Fx · yp bzw. MP = 0 = MD + Fx · yp − Fy · xp | {z } −MD ⇒ yp = −MD + Fy · xp Fy MD = xp − Fx Fx Fx (Geradengleichung y = mx + b), Fx 6= 0 Gleichung für Zentrallinie m = tan α = Fy F sin α sin α = = = tan α Fx F cos α cos α geg: R = 0, MD = 0 ⇒ Gleichgewicht KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 20 Ermittlung von R bei parallen Kräften. 1. Wählen des Kräftepaares K, (beliebig) das kein Moment erzeugt. 2. Ermitteln des Schnittpunktes der Resultierenden R1 und R2 aus K und F2 und aus K und F1 3. Verschieben der Resultierenden R1 und R2 entlang ihrer WL in den Schnittpunkt. 4. Die Resultierende R aus R1 und R2 ist die Resultierende aus F1 und F2 ⇒Für mehrere Kräfte analog, wird am Ende sehr unübersichtlich. ⇒Seileckkonstruktion 1.7 Das Seileckverfahren zur Bestimmung der Resultierenden Gesucht: Lage, Größe und Ort der Resultierenden. Lageplan (1cm = b 1m) Kräfteplan (1cm = b 1kN ) KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 21 1. im Lageplan die WL der Kräfte zeichnen 2. im Kräfteplan die Kräfte F1 bis F4 addieren 3. beliebigen Pol π festlegen 4. Verbindungstrahlen von S1 bis S5 in den Lageplan verschieben 5. Durch den Schnittpunkt von s1 und s5 verläuft die Resultierende. Beachte: • Bilden die Kräfte Fi eine Gleichgewichtsgruppe (R = 0, M = 0), so fallen 1. und letzter Seilstrahl und 1. und letzter Polstrahl zusammen; s1 = s5 und S1 = S5 . • Sind die Kräfte nur auf ein Kräftepaar reduzierbar (R = 0, M 6= 0), so ist das Krafteck zwar geschlossen, aber 1. und letzter Seilstrahl sind parallel. zu b ) Gleichgewichtsbedingungen Rx = X Fix = 0, Ry = X Rx = 0 Ry = 0 ⇐⇒ Rz = 0 Fiy = 0, MD = X MiD = 0 Gleichgewicht d.h. Körper in Ruhe Gesucht: Wie groß sind A, B und C damit Körper im Gleichgewicht? Lösung: (3 Gleichgewichtsbedingungen) X X x X Fix = 0 : 3 − C = 0 Fiy = 0 : A + B − 5 = 0 M(A) = 0 : 4B − 5 · 2 = 0 ⇒C=3 ⇒A=5−B 10 = 2.5 4 ⇒ A = 5 − 2.5 = 2.5 ⇒B= KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 1.7.1 22 Allgemeine Kräftegruppen im Raum M = ~r × F~ M = (x · ex + y · ey + z · ez ) × (Fx · ex + Fy · ey + Fz · ez ) ⇒ M = (y · Fz − z · Fy )ex + (z · Fz + x · Fz )ey + (x · Fy − y · Fx )ez M = Mx · ex + My · ey + Mz · ez Der Momentenvektor steht senkrecht auf der Ebene, die durch ~r und F~ aufgespannt wird. Sein Betrag entspricht der von ~r und F~ aufgespannten Parallelogrammfläche. Merke: Wirken P mehrere Momente P Mi , so gilt MR = P Mix , MRy = Miy und MRz = Miz . P Mi , wobei MRx = KAPITEL 1. GRUNDLAGEN 23 Gleichgewichtsbedingungen: ' X X X & Fix = 0 Fiy = 0 Fiz = 0 X X X $ Mix = 0 Miy = 0 Miz = 0 % Kapitel 2 Balkenstatik 2.1 Arten der Lagerung Berechnung von Schnittkräften für verschieden gelagerte Balkensysteme. Bezeichnung Lagerreaktion Wertigkeit Mögliche Bewegungen Gleitlager 1 1 Verschiebung, Verdrehung Festlager 2 2 Verdrehung Einspannung 3 3 keine Horizontalführung 2 2 Verschiebung Vertikalführung 2 2 Verschiebung 24 KAPITEL 2. BALKENSTATIK 2.1.1 25 Beispiele für die Lagerung Merke: Zur stabilen Lagerung eines Tragwerkes sind mindestens 3 Auflagerbedingungen nötig. Einspannung unbrauchbar! System in x-Richtung verschieblich Die Auflagerkräfte A, B, C können über Gleichgewichtsbedingungen nicht eindeutig bestimmt werden. ⇒ System statisch unbestimmt X ↑ Fz = 0 : A + B + C − 3 = 0 x X → X M = 0 : 4B + 8C − 4 · 3 = 0 Fx = 0 : 2 − D = 0 ⇒ D = 2kN KAPITEL 2. BALKENSTATIK 2.2 26 Resultierende von Kräften 2.2.1 Resultierende einer Gruppe paralleler Kräfte ↑ X V ⇒R−H =0⇒R=H Ansatz: Bestimmen der Haltekraft H = R , die das System (die Kräftegruppe) im Gleichgewicht hält. Die Resultierende R liegt auf derselben Wirkungslinie wie die Haltekraft H. P P P Weg: System istPim Gleichgewicht, wenn Fix = 0, Fiy = 0, Mi = 0 P P beziehungsweise H = 0, V = 0, M = 0, wobei H = horizontale Kräfte und V = vertikale Kräfte. Lösung: ↓ X R = F1 + F2 + F3 + F4 V = 0 ⇒ F1 + F2 + F3 + F4 − H = 0 =⇒ H = F1 + F2 + F3 + F4 y X M = 0 ⇒ x1 F1 + x2 F2 + x3 F3 + x4 F4 xs H = 0 4 P =⇒ xs = i=1 x i Fi H KAPITEL 2. BALKENSTATIK 27 Der Punkt S im Abstand xs von D heißt Kräftemittelpunkt oder Schwerpunkt. n P i=1 Allgemein: xs = xi Fi R , R= n X Fi i=1 n P xi Fi xs = i=1 n P Fi i=1 2.2.2 Resultierende von Linienlasten (Gleichlasten) ' $ Zl R= q(x) dx 0 Rl xS = x · q(x) dx 0 R & % Dreieckslast: Im Beispiel: q(x) = Zl R= Zl q(x) dx = 0 = · 0 ¸ 2 l q0 x l 2 = 0 q0 l q0 ·x l q0 q0 · x dx = l l µ 2 l −0 2 ¶ = Zl x dx 0 q0 · l 2 q0 · l entspricht dem Flächeninhalt des Lastdreiecks 2 Rl Rl ¡ q0 ¢ (x · q(x)) dx x · l · x dx 2 0 0 xS = = = l q0 ·l R 3 2 KAPITEL 2. BALKENSTATIK 28 Rechtecklast: q(x) = q0 = const. R = q0 · l (Flächeninhalt des Rechtecks.) ¸l · Zl l 1 1 1 2 xS = qo x = x · q(x) dx = R q0 · l 2 2 0 0 2.2.3 Resultierende von Flächenlasten Die Größe der Resultierenden R entspricht der Fläche der Belastung Z A. Die 1 · x dA, Koordinaten des Flächenschwerpunktes ergeben sich zu xS = A A R yS = A1 · y dA. AZ R 1 Sx = · x dA, Sy = A1 · y dA heißen auch Flächenmomente 1. Ordnung A A A bzw. statische Momente. KAPITEL 2. BALKENSTATIK 2.3 2.3.1 29 Bestimmung von Auflagerreaktionen Das Seileckverfahren zur Bestimmung von Auflagerreaktionen : Lageplan(1cm = b 1m) Kräfteplan(1cm=1kN b ) KAPITEL 2. BALKENSTATIK 2.3.2 30 Die Culmannsche Gerade Hilfslinie bei der Konstruktion eines Kraftecks, mit dem das Gleichgewicht von 4 Kräften grafisch beschrieben wird. Beispiel: Leiter an der Wand Lageplan(1cm = b 1m) Kräfteplan(1cm=1kN b ) KAPITEL 2. BALKENSTATIK 2.4 31 Schnittgrößen im Balken Linkes Schnittufer Rechtes Schnittufer • Die Bezugsfaser definiert die Richtung des Koordinatensystems. • In jedem Punkt des Systems können die Schnittgrößen andere Werte annehmen. • Schnittgrößen: N . . . Normalkraft Q . . . Querkraft M . . . Moment (Biegemoment, Schnittmoment) • Jedes Teilsystem, welches durch einen Schnitt vom Gesamtsystem abgeteilt wird, muss im Gleichgewicht stehen. • Der Wert der Schnittgröße wird direkt über der betrachteten Stelle abgetragen. Berechnung von Schnittgrößen zusammengesetzter Balkensysteme 1. Nebenbedingungen Gelenke Name Merkmal Momentengelenk Mg = 0 Querkraftgelenk Qg = 0 Normalkraftgelenk Ng = 0 Beweglichkeit 2. Statische Unbestimmtheit Ein System heißt statisch bestimmt, wenn sich alle Schnittkräfte über Gleichgewichtsbedingungen ermitteln lassen. Andernfalls ist es statisch unbestimmt. Die Formel zur Ermittlung des Gerades der statischen Unbestimmtheit ist: n = a + 3(s − k) − r. a · · · Anzahl der Auflagerkräfte s · · · Anzahl der Stäbe zwischen den Knoten k · · · Anzahl der Knoten r · · · Anzahl der Nebenbedingungen n · · · Grad der statischen Unbestimmtheit 3. Berechnung statisch bestimmter Systeme Schnittprinzip/Freikörperbild KAPITEL 2. BALKENSTATIK 32 Beispiel: Querkraftverlauf Momentenverlauf Merke: Zum Momentenverlauf: • unter konstanter Belastung → quadratischer Momentenverlauf. Parabel ist zur Last hin geöffnet. • Bei Einzellasten → linearer Momentenverlauf (auch Auflager) Regel zur Vorzeichenbestimmung: 1. Momentenverlauf immer auf der Zugseite eintragen. 2. Dann nachsehen; ist Bezugsfaser auf der gleichen Seite wie die Momentenfläche ⇒ ⊕ ansonsten ⇒ ª KAPITEL 2. BALKENSTATIK 33 Merke: Zum Querkraftverlauf: Es gilt: Q(x) = M 0 (x) = d(M (x)) d(x) • Unter konstanter Belastung → linearer Querkraftverlauf • Bei Einzellasten → Querkraft konstant • An der Stelle der Einzellast → Querkraft springt um den Betrag der Einzellast 2.5 Beispiel für häufig auftretende Rahmen Dreigelenkrahmen unterschiedliche Stielhöhen möglich n = 4 + 3(4 − 5) − 1 = 0 ⇐ statisch bestimmt Zweigelenkrahmen n = 4 + 3(3 − 4) − 0 = 1 ⇒ statisch unbestimmt Rahmen mit eingespannten Stielen n = 6 + 3(3 − 4) − 0 = 3 ⇒ 3-fach statisch unbestimmt KAPITEL 2. BALKENSTATIK 2.6 34 Häufige Lastfälle aus der Praxis 1. Eigengewicht Av = B v = 1 g·s 2 l cos α l R=g·s=g· = g0 · l cos α s= Häufig verwendetes Ersatzsystem: 2. Schnee R = pS · l pS · l Av = Bv = 2 KAPITEL 2. BALKENSTATIK 35 3. Wind l cos α Rv = R · cos α = pw · l Rh = R · sin α = pw · l · tan α pw · l Rv = Av = Bv = 2 2 R = pw · s = pw · Kapitel 3 Ebene Fachwerke • Tragwerke, die nur aus geraden Stäben bestehen • verbunden durch sogenannte Knoten • Annahmen: 1. Stäbe sind an den Knoten zentrisch und gelenkig verbunden 2. Äußere Kräfte greifen nur an den Knoten an ⇒ alle Stäbe werden nur auf Zug oder Druck belastet 3. Notwendige Bedingung für die statische Bestimmtheit: n = a + s − 2k = 0 a · · · Anzahl der Auflagerkräfte s · · · Anzahl der Stäbe k · · · Anzahl der Knoten 2k · · · zwei Gleichgewichtsbedingungen pro Knoten n · · · Grad der statischen Unbestimmtheit 36 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 37 n = 0, statisch bestimmt n = 0, verschieblich 3.1 Regeln zum Auffinden von Nullstäben Sind an einem unbelasteten Knoten zwei Stäbe angeschlossen, die nicht in gleicher 1. Richtung liegen, “unbelasteter Zweigschlag”, so sind beide Stäbe Nullstäbe. Sind an einem belasteten Knoten zwei Stäbe angeschlossen und greift die äuße2. re Kraft in Richtung des einen Stabes an, so ist der andere Stab Nullstab. Sind an einem unbelasteten Knoten drei Stäbe angeschlossen, von denen zwei in 3. gleicher Richtung liegen, so ist der dritte Stab Nullstab. 3.2 Verfahren zur Ermittlung der Stabkräfte • 3.2.1 Knotenpunktverfahren • 3.2.2 Rittersches Schnittverfahren (Ritterschnitt) • 3.2.3 Cremonaplan (grafisch) KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 3.2.1 38 Ermittlung der Stabkräfte mit dem Knotenpunktverfahren Idee: • Freischneiden der Knoten und Antragen der Kräfte, Knoten so auswählen, dass maximal 2 unbekannte Stabkräfte auftreten, P P • dann H = 0, V = 0 für jeden Knoten, • Zug und Druckkräfte sind im Stab immer konstant, X X X H = 0 ⇒ U1 = 4 V = 0 ⇒ V1 = −10.5 V = 0 ⇒ V3 = −13.5 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 39 D1 x 3 = →x= D 5 3 5 D1 y 4 = →y= D 5 4 5 X 3 ↓ V ⇒ −10.5 + 6 + D = 0 → D1 = 7.5 5 → X 4 H = 0 ⇒ 4 + O1 + D1 = 0 → O1 = −10 5 X H = 0 ⇒ O2 = −10 X ↓ V = 0 ⇒ V2 = −12 −→ X 4 H = 0 ⇒ 10 − D2 = 0 → D2 = 12.5 5 X √ 3 ↓ V = 0 ⇒ 6 − 13.5 + · 12.5 = 0 5 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 3.2.2 40 Rittersches Schnittverfahren • zur Bestimmung einzelner, ausgewählter Stabkräfte • 3 Stäbe müssen geschnitten werden, die nicht alle zum gleichen Knoten gehören dürfen • dann Momentengleichgewicht um die Schnittpunkte zweier Stäbe x X M(2) = 0 ⇒ −10.5 · 4 − 4 · 3 + 6 · 4 − o1 · 3 = 0 → O1 = −10 x X ↑ 3.2.3 X M(4) = 0 ⇒ −4 · 3 + U1 · 3 = 0 → U1 = 4 3 V = 0 ⇒ −6 + 10.5 − D1 = 0 → D1 = 7.5 5 Cremonaplan • Zeichnerische Bestimmung der Stabkräfte von statisch bestimmten Fachwerken. 1. Fachwerke im geeigneten Maßstab aufzeichnen 2. Auflagerkräfte bestimmen 3. Nullstäbe bestimmen 4. Geeigneten Maßstab für Kräfteplan festlegen 5. Krafteck der äußeren Kräfte zeichnen (Belastung und Stützkräfte, Krafteck muss sich schließen) 6. Umfahrungssinn festlegen, der nun die Reihenfolge der anzutragenen Kräfte im Krafteck bestimmt KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 41 7. Gewöhnlich beginnt man an den Auflagern, da dort meist nur 2 Stabkräfte angreifen. Beginnend mit der am Knoten angreifenden, bekannten Kraft wird im Umfahrungssinn das Krafteck gezeichnet. Pfeilspitzen der Kräfte werden im Kräfteplan nicht eingezeichnet. 8. Die Kraftrichtungen der Stäbe für den betrachteten Knoten werden im Systembild eingezeichnet und auf die benachbarten Knoten übertragen. 9. Von den Nachbarknoten ist gewöhnlich ein Knoten vorhanden, an dem unter Berücksichtigung der zuvor ermittelten Stabkräfte nur zwei unbekannte Kräfte angreifen. 10. Mit den schon bekannten Stabkräften beginnend wird wieder im zuvor festgelegten Umfahrungssinn an das bereits gezeichnete Krafteck ein neues angeschlossen. 11. Beim richtigen Zeichnen des Kraftecks für den letzten Knoten muss sich das Krafteck schließen. KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 42 Schrittweises Konstruieren eines Cremonaplanes 1 ←− − → ↑ AV (10.5), AH (4), F1 (4), ↓ F2 (6), ↓ F3 (12), ↓ F4 (6), ↑ BV (13.5) 2 ←− − → ↑ AV (10.5), AH (4), ↓ V1 , U1 ⇒ V1 = −10.5, U1 = 4 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 43 3 − → ← − ↑ V1 (−10.5), F2 (4), ↓ F2 (6), O1 , & D1 ⇒ O1 = −10, D1 = 7.5 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 44 4 − → ← − O1 (−10), ↓ F3 (12), 02 , ↑ V2 ⇒ O2 = −10, V2 = −12 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 45 5 − → O2 (10), ↓ F4 (6), ↑ V3 , . D2 ⇒ V3 = −13.5, D2 = 12.5 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE 46 6 − → ↓ V3 (−13.5); ↑ BV (13.5), U2 ⇒ U2 = 0 KAPITEL 3. EBENE FACHWERKE Probe: − → ← − % D2 (12.5); U2 (0), U1 (4), - D1 (7.5), ↓ V2 (12) 47 Kapitel 4 Das PdvV 4.1 Der Arbeitsbegriff Wenn ein Körper entsprechend der Abbildung durch eine konstante Kraft F verschoben wird, definiert man: Arbeit der Kraft F auf dem Weg s, als A = F · s [N m] Allgemein: D E ~ · ~s = G ~ · ~s A=G Weitere Verallgemeinerungen: • Weg sei beliebig und zeitabhängig ~s = ~s(t) • Kraft sei abhängig von Ort F = F~ (t) ZxII A= ZxII F~ d~s dA = xI xI Weg wird beschrieben durch die Zeit(t). ~s = ~s(t) d~s d~s = · dt = ~v (t) dt dt d~s , da ~v (t) = . . . Geschwindigkeit dt ZxI I Zt1 ~ Damit gilt: A = F d~s = F~ · ~v (t) dt xI t0 48 ~ · cos α dA = |F~ | · |ds| ~ Skalarprodukt = F~ · ds, KAPITEL 4. DAS PDVV 49 virtuelle Verrückungen: sind gedachte, differentiell kleine Verschiebungen oder Verdrehungen, die mit den Zwangsbedingungen eines Systems vereinbar sind. virtuell: • nur gedacht, nicht real existent • infinitesimal klein • kinematisch zulässig virtuelle Verschiebungen: δs virtuelle Verdrehung: δϕ − → virtuelle Arbeit: δAV = F~ · δ~s, δAϕ = M · δ ϕ ~ Arbeit am Gesamtsystem: − → δA = δAV + δAϕ = F~ · δ~s + M · δϕ −→ ~ = 0 und − Satz: δA = 0, genau dann, wenn R MR = 0, genau dann, wenn Gleichgewicht. ~ = 0 und MR = 0. Beweis: Gleichgewicht heißt R −→ ~ · d~s + − δA = R MR · δ ϕ ~ = 0 · δ~s + 0 · δ ϕ ~=0 − − → ~ · δ~s + MR · δ ϕ ⇒ δA = R ~=0 −−→ ~ für beliebige δ~s und δ ϕ ~ ⇒ R = MR = 0 ¥ KAPITEL 4. DAS PDVV 4.2 50 Ermittlung von Lagerreaktionen und Schnittgrößen mit dem Prinzip der virtuellen Verrückung Das Moment MA ist gesucht. Lösen der Fessel für die gesuchte Größe. ⇒ Einbau eines Momentengelenkes. ⇒ System wird kinematisch. η ⇒ η = δϕ · a a δs2 δs2 η η·c η = b = ⇒ δs1 = , δs2 = b c 2 b 2 δϕ = ⇒ δs1 = δϕ · a δϕ · a · c , δs2 = 2 b Kraft MA q·b P Weg δϕ δs1 δs2 MA · δϕ + q · b · δϕ − P · δs2 = 0 µ ¶ q·b·a a·c P ·cq·b MA = − +P · =a 2 b b 2 KAPITEL 4. DAS PDVV 51 Gesucht: Auflagerreaktion B Verschiebungsfigur δsB δs1 δs2 δs1 (b + c)2 = b = ⇒ δsB = 2δs1 ⇒ δs2 = B b+c b 2 Kraft q·b b P Weg δs1 δsB δs2 q · b · δs1 − B · δsB + P δs2 = 0 B=− q · b · δs1 P · δs1 (b + c)2 q · b P · (b + c) − = + 2δs2 b · 2δs1 2 b Kapitel 5 Haftung und Reibung 5.1 Beispiel Freikörperbild: Ruhe Freikörperbild: Bewegung G = N, F = H H = Haftreibungskraft R = Gleitreibungskraft, versucht die Bewegung des Körpers zu behindern. Haftbedingung: |H| ≤ H0 = µ0 · N µ0 . . . Haftreibungskoeffizient. H0 . . . Grenzzustand, in dem sich der Körper noch in Ruhe befindet. 52 KAPITEL 5. HAFTUNG UND REIBUNG 53 Beispiel:Wie groß muss F sein, um den Körper zu verschieben? Gegeben: µ0 = 0.25, α = 20◦ und G = 20kN X V = 0 ⇒ G − N + F · sin α = 0 X → N = F · sin α + G H = 0 ⇒ F · cos α − H0 = 0 → H0 = F · cos α Freikörperbild à H0 = µ0 · N F cos α = µ0 · (F + sin α) F (cos α − µ0 sin α) = µ0 + G µ0 + G F = cos α − µ0 · sin α 0.25 + 2 F = − 0.25 · sin 20◦ = 0.585 kN cos 20◦ F muss mindestens 0.585 kN betragen, um den Körper zu verschieben. Für welchen Winkel α wird der Körper bei beliebiger Last nicht mehr verschoben? Das heißt, egal wie groß F ist, der Körper soll nicht mehr verschoben werden, also auch für F = ∞ µ0 + G ! =∞ cos α − µ0 · sin α für cos α − µ0 · sin α ½ 0 oder cos α − µ0 · sin α = 0 cos α 1 µ0 = = sin α tan α 1 1 α = arctan = arctan = 75.96◦ µ0 0.25 F = KAPITEL 5. HAFTUNG UND REIBUNG 5.2 54 Experimentelle Ermittlung von µ0 Schiefe Ebene, Körper in Grenzlage Winkel ϕ0 wird langsam erhöht, bis der Körper anfängt, sich zu bewegen. Über ϕ0 kann man Rückschlüsse auf µ0 ziehen. Freikörperbild I) X H = 0 ⇒ G · sin ϕ0 = H0 X II) V = 0 ⇒ G · cos ϕ0 = N H0 H0 in II ⇒ · cos ϕ0 = N sin ϕ0 sin ϕ0 sin ϕ0 · N = tan ϕ0 · N ⇒ H0 = cos ϕ0 G= H0 = µ0 · N mit µ0 = tan ϕ0 5.3 Der Haftungskegel Für den Grenzwinkel ϕ0 gilt: H0 = ϕ0 · N , µ0 = tan ϕ0 KAPITEL 5. HAFTUNG UND REIBUNG 55 Gleichgewicht nur möglich in statischer Ruhelage für ϕ ≤ ϕ0 . Wird ein Körper einer beliebigen Belastung unterworfen, so bleibt er in Ruhe, solange die Reaktionskraft W an der Berührungsfläche innerhalb des Haftungskegels bleibt. Zusammenfassung: • H < µ0 · N , Haftung, Körper in Ruhe • H = µ0 · N , Grenzhaftung, Körper gerade noch in Ruhe, bei Anstoß ⇒ Bewegung wegen µ < µ0 • R = µ0 · N , Reibung, Körper rutscht. Reibungskraft R ist eingeprägte Kraft. 5.4 Seilreibung Beobachtung: |S1 | 6= |S2 | Grund: Reibung 5.4.1 Bestimmung der Zusammenhänge zwischen S1 und S2 Betrachtung am infinitesimal kleinem Element. −→ X dϕ dϕ − (s + ds) · cos H = 0 : dH + s · cos 2 2 dϕ I)ds · cos = dH 2 X ϕ dϕ ↓ V = 0 : II)(s + ds) · sin + s · sin · dN = 0 2 2 Nebenbetrachtung: dϕ → 0 ⇒ cos ds · sin dϕ dϕ dϕ → 1 ⇒ sin = 2 2 2 dϕ sehr klein, von höherer Ordnung 2 ⇒ für I) ds = dH ⇒ für II) s · dϕ = dN 2 Gleichungen, 3 Unbekannte, d.h. nicht eindeutig zu lösen. → Fall der Grenzhaftung betrachten: dH = H0 = µ0 · dN ⇒ dH = µ0 · s dϕ = ds ds µ0 · dϕ = s Zα ZS2 ds Für die gesamte Rolle: µ0 dϕ = s 0 S1 S2 ⇐⇒ µ0 · α = ln S1 und somit: S2 = S1 · eµ0 ·α , S2 > S1 ! Formel der Seilhaftung nach Euler. Beispiel: Radbremse Frage: Wie groß muss F sein, damit die Walze stillsteht? 56 LITERATURVERZEICHNIS I) II) x X x X 57 Freikörperbild MA = 0 : −2r · S1 + l · F = 0 MB = 0 : MD + r · S1 − r · S2 = 0 α = π S2 = S1 · eµ0 ·π II 0 ) ⇒ MD + r · S1 − r · S1 · eµ0 ·π = 0 l·F I 0 ) ⇒ S1 = 2r l · F µ0 ·π l·F 0 0 I + II ) ⇒ MD + − ·e =0 2 2 F = 2 1 · MD · µ0 ·π l e −1 Literaturverzeichnis [1] Dittmar Gross, Werner Hauger, and Walter Schnell und JÃűrg SchrÃűder. Technische Mechanik 1, Statik. Springer, 2006. [2] Werner Hauger and Volker Mannl und Wolfgang Wall. Aufgaben zu Technische Mechanik 1-3. Statik, Elastostatik, Kinetik. Springer, 2006. [3] Oliver Romberg and Nikolaus Hinrichs. Keine Panik vor Mechanik! Vieweg, 2006.