Kriegsfolgen als Kriegsursachen: Grenzverhärtungen und Grenzauflösungen als Mechanismen der Eigendynamik hochgewaltsamer Konflikte Lotta Mayer, M.A. Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg Kontakt: [email protected] Abstract: Seit einigen Jahren richtet sich das Interesse der Konfliktforschung verstärkt auf die Eigendynamiken, die viele innergesellschaftliche kriegerische Konflikte entwickeln und auf die sich ihre lange Dauer zurückführen läßt. Allerdings sind die gängigen Ansätze unbefriedigend, da sie entweder eine enggeführte rationalistische Handlungstheorie zugrundelegen ('Kriegsökonomien') oder aber die Dynamik in systemtheoretischen Begriffen ohne kausalen Erklärungsanspruch modellieren. Dabei könnte die Kriegs- und Konfliktforschung in der Erklärung solcher eigendynamischer Prozesse bereits deutlich weiter sein, hätte sie ihre ureigene Einsicht in die soziale Konstruiertheit von Akteuren konsequent angewendet. Hierzu bieten sich insbesondere symbolischinteraktionistische Ansätze, etwa in der Bewegungsforschung, an. Im Verlauf kriegerischer Konflikte zwischen sozialen Gruppen wandeln sich die involvierten Akteure in vielfältiger Weise teilweise entstehen sie als kollektive Akteure oder Organisationen auch erst durch die Auseinandersetzung. Die Konstituierung und stetige Veränderung der Gewaltakteure im Konflikt bedeutet auch einen ständigen Wandel der durch die Akteure konstruierten Grenzen. In langandauernden Gewaltkonflikten lassen sich, so meine These, zugleich Prozesse der Verhärtung von Grenzen (insbesondere zunehmend antagonistische Identitätskonstruktionen), der immer neuen Grenzziehung (etwa die Zersplitterung von bewaffneten Gruppen in häufig verfeindete Fraktionen) sowie der Auflösung von Grenzen und Unterscheidungen (vor allem zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren) feststellen. Diese Prozesse sind jeweils sowohl Folge der kriegerischen Gewalt als auch - in ihrem Zusammenwirken - Ursache von deren Fortsetzung. Die 'Eigendynamik' innerstaatlicher kriegerischer Konflikte wird also ganz zentral von Prozessen der Grenz(re-/de-)konstruktion getragen. 1 Von 'eigendynamischen' Kriegen und möglichen Erklärungen Seit einigen Jahren richtet sich das Interesse der Konfliktforschung verstärkt auf die Eigendynamiken, die viele innergesellschaftliche kriegerische Konflikte entwickeln und auf die sich ihre lange Dauer zurückführen läßt1. Weitestgehend wird diese Debatte in der Politikwissenschaft geführt; in den wenigen Fällen, in denen die Soziologie sich dieser Phänomene annimmt, werden wohl aufgrund der allgemeinen Vernachlässigung von kollektiver Gewalt und Kriegen in der Soziologie2 - zumeist die entsprechenden politikwissenschaftlichen Erklärungsansätze in rezipiert 3. Allerdings sind ebendiese Ansätze zur Erklärung der konstatierten Eigendynamik unbefriedigend: Den eng miteinander verwobenen Debatten um 'Staatszerfall' oder 'schwache Staatlichkeit' 4, 'Kriegsökonomie'5 und 'Neue Kriege'6 liegt eine enggeführte rationalistische Handlungstheorie zugrunde. Derart aber können eigendynamische Kriege nur als durch Macht- und Gewinnstreben im Rahmen bestimmter Möglichkeitsstrukturen bedingt begriffen werden, das gemäß den Prämissen der Rational-Choice-Theorie auf unveränderliche, stabile Präferenzen zurückzuführen ist. Folglich kann gar nicht gedacht werden, daß die Kriegsführung selbst die Präferenzen und darüber hinaus die Konstitution der Akteure verändert, und zwar derart, daß sie zur Fortsetzung des Krieges motiviert werden7. Andere, genuin soziologische Arbeiten zur Eigendynamik von Kriegen legen luhmannianisch-systemtheoretische Ansätze zugrunde8. So bestechend sich diese Analysen auch lesen mögen, so bleiben sie aufgrund der grundbegrifflich bedingten Abstrahierung von Akteuren und Ursachen, die schon den Versuch einer kausalen Zurechnung verhindert, aus handlungstheoretischer Perspektive unbefriedigend. Dabei könnte die soziologische Kriegs- und Konfliktforschung in der Erforschung und Erklärung eigendynamischer Prozesse in kriegerischen Konflikten bereits deutlich weiter sein, hätte sie ihre 1 Vgl. u.a. Genschel/Schlichte 1997, S. 502. Eigendynamik soll hier, wie bei Genschel/Schlichte 1997, im Sinne von Mayntz/Nedelmann als solche Prozesse, die "sich - einmal in Gang gekommen oder ausgelöst - aus sich selbst heraus und ohne weitere externe Einwirkung weiterbewegen und dadurch ein für sie charakteristisches Muster produzieren und reproduzieren. Formuliert man diesen Sachverhalt in Bezug auf die Träger dieser Prozesse, so ließe sich von eigendynamischen Prozessen dann sprechen, wenn die Akteure die sie antreibenden Motivationen im Prozeßverlauf selbst hervorbringen und verstärken" verstanden werden (Mayntz/Nedelmann 1997, S. 87). 2 Siehe Imbusch 2005, Reemtsma 2008, Joas/Knöbl 2008 sowie Spreen 2008. 3 Bspw. Waldmann 1995 und 1998, Elwert 1997, Genschel/Schlichte 1997. Auch die 'Innovateure der Gewaltforschung', die sich intensiv mit der Eigendynamik von Gewalt befassen, blenden kollektive Gewalt und Kriege weitgehend aus (Imbusch 2005, S. 43f). 4 U.v.a. Holsti 1996. 5 Vgl. u.v.a. Jean/Rufin 1999 und Lock 2002; Georg Elwert (u.a. 1997) hat diesen Ansatz in die Ethnologie und Soziologie eingebracht. 6 Zuerst van Creveld 1998, Kaldor 2000, Münkler 2002. 7 Genschel/Schlichte 1997, S. 503. 8 Messmer 2003 zu Konflikt allgemein, Matuszek 2007 sowie Brücher 2011 zu Krieg. 2 ureigene Einsicht in die soziale Konstruiertheit von Akteuren selbst ernstgenommen und konsequent angewendet. Gerade im Verlauf kriegerischer Konflikte zwischen sozialen Gruppen wandeln sich die involvierten Akteure in vielfältiger Weise – teilweise entstehen sie als kollektive Akteure oder Organisationen auch erst in der und durch die Auseinandersetzung. Diese Einsicht ist bereits bei Georg Simmel angelegt9, wurde von Amitai Etzioni aufgegriffen10 und in Charles Tillys Diktum, daß nicht nur Staaten Kriege machen, sondern auch Kriege Staaten 11, auf den Punkt gebracht. Die symbolisch-interaktionistische Bewegungsforschung in der Tradition von George Herbert Mead, Ralph H. Turner und Herbert Blumer nähert sich diesem Punkt von der anderen Seite. Sie untersucht soziale Bewegungen als ein kollektives Handeln, „in dessen Verlauf sich die Akteure selbst erst zu dem bilden, was sie für die Bewegung darstellen. Bewegungen definieren erst die Probleme, auf die sie sich beziehen; sie erzeugen Motive und Identitäten, formen neue soziale Beziehungen und Gemeinschaften, geben Anlaß zu tiefgreifenden Identitätsveränderungen (Konversion und Regeneration), produzieren affektiv besetzte Symbole und hinterlassen symbolische Bindungen von biographiestrukturierender Kraft."12 Jedoch beschränken diese Untersuchungen sich weitgehend auf solche sozialen Bewegungen, die überwiegend mit friedlichen Mitteln agieren; vielleicht auch deshalb haben ihre Einsichten in die Konstitution(sveränderung) kollektiver Akteure im Verlauf von sozialen Konflikten bisher keinen Eingang in die Kriegsforschung gefunden. Die Einsichten der symbolisch-interaktionistischen Bewegungsforschung bzw. allgemein symbolisch-interaktionistischer Ansätze können aber für die Erklärung der Eigendynamik innerstaatlicher Kriege fruchtbar gemacht werden. Von sozialer Unruhe zu bewaffneten Organisationen Im folgenden möchte ich einen wichtigen Faktor in der Entstehung und Erhaltung der Gewaltdynamik in innerstaatlichen Kriegen herausgreifen und versuchen, diesen mithilfe von Blumers Ansatz zur Analyse sozialer Unruhe begrifflich zu fassen: die Entstehung und 'Abkopplung' 'Paramilitärs' nichtstaatlicher etc.), Wiedervereinigung und oder bewaffneter Organisationen schließlich entweder aber erfolgreichen den deren ('Rebellengruppen', fortdauernde andauernden 'Milizen', Zersplitterung Kampf gegen und diese Auflösungserscheinungen. Diese Entwicklung der Gewaltakteure im und durch den Kriegsaustrag bedeutet auch einen 9 10 11 12 Vgl. seine Ausführungen zur inneren Struktur der Konfliktpartei (Simmel: Der Streit, S. 350ff). Bonacker/Imbusch 2004, S. 198. Tilly 1990, Kap. 3 (betitelt: 'How War Made States and Vice-Versa'). Joas 1992, S. 304. 3 ständigen Wandel der Grenzziehungen durch die Akteure, aber auch die Irritation von Grenzziehungen durch den Beobachter. Es lassen sich also, so meine These, in langandauernden Gewaltkonflikten zugleich Prozesse der Verhärtung von Grenzen (zunehmend antagonistische Identitätskonstruktionen, Entmenschlichung des Gegners und Legitimierung, wenn nicht normative Forderung massiver Gewalt gegen denselben etc.), der Neuziehung von Grenzen (durch die u.a. immer neue Splittergruppen entstehen) sowie der Auflösung von Grenzen und Unterscheidungen (bspw. in staatliche und nichtstaatliche Akteure, Verbündete und Gegner, Kombattanten und Nichtkombattanten) feststellen. Diese Prozesse sind jeweils sowohl Folge der kriegerischen Gewalt als auch (in ihrem Zusammenwirken) Ursache von deren Fortsetzung. Die 'Eigendynamik' innerstaatlicher kriegerischer Konflikte wird also ganz zentral von Prozessen der Grenz(re-/de-)konstruktion getragen. Blumer beschreibt, wie sich soziale Unruhe in "Protest" verwandeln kann. Unter "Protest" versteht er eine Form der sozialen Unruhe, die einen unmittelbaren Angriff auf die herrschende, in den Augen der 'Unruhigen' delegitimierten soziale Ordnung darstellt und jenseits etablierter und allgemein akzeptierter Kanäle verläuft13. Im Verlauf eines dynamischen Interaktionsprozesses wird schrittweise aus behördlicher Indifferenz Repression und aus regelkonform artikulierter sozialer Unruhe Protest, indem erst sporadisch, dann zunehmend und schließlich hauptsächlich unetablierte, gezielt und aggressiv gegen die Behörden gerichtete Aktionsformen angewandt werden. Anders als Unruhe ist Protest ein klarer Machtstreit - der durch die Opposition, die er hervorruft, weiter angespornt wird14. Wenn Unruhe zu Protest wird, ist bereits eine Dynamik der Polarisierung in Gang gesetzt worden. Durch sie entwickelt die Beziehung zwischen Protestierenden und Autoritäten sich hin zu einem immer extremeren Machtkampf: "An increasing sense of opposition between protesters and authorities produces the ingroup-outgroup relationship that is so familiar to sociologists. Each of the two parties is inclined to identify the other as an enemy and thus to form an unfavorable image of it as deceitful, untrustworthy, and evilly intentioned. [...] Each party views its own position as virtuous and its own actions as fully condonable; at the same time each party regards the actions and intentions of the other party as venal and unpardonable. Each party develops a world of its own, a framework of perception and evaluation that is in contrast to that of the other party. It is not surprising, consequently, that understanding and meaningful communication between the two break down. As polarization increases, the two parties move further apart and lose, correspondingly, the ability of each to place itself in the position of the other. Their relation moves from a struggle between adversaries to a contest of power between enemies." 15 13 Blumer 1978, S. 25ff, insbes. 31 und 39. 14 Blumer 1978, S. 31. 15 Blumer 1978, S. 46. 4 Blumer verweist hier auf die zentrale Rolle der sich im Verlauf der Auseinandersetzung wandelnden Selbst- und Fremdbilder, Wahrnehmungsmuster und Wertesysteme, die ihrerseits wieder den Verlauf des Konflikts beeinflussen, indem sie - mit Habermas reformuliert - kommunikatives Handeln unmöglich machen und nur strategisches übriglassen. So bietet Blumer eine Anschlußstelle für Theorien kollektiver Identität16 (und deren Wandel im Verlauf gewaltsamer Gruppenkonflikte), eine Vielzahl von Ansätzen zu Feindbildern, Mißtrauen, Abwertung und Delegitimierung 17 aus der soziologischen, politikwissenschaftlichen und sozialpsychologischen Konflikt- und Kriegsforschung sowie für Ansätze zum Normen- und Wertewandel in (Gewalt-)Konflikten18. Polarisierung und Machtkampf nehmen aufgrund einer Art inhärenter Intensivierungstendenz immer weiter zu19. Am Ende stehen sich die Konfliktparteien voller Feindseligkeit und Frustration in einer "warlike relation"20 gegenüber. Es ist schließlich auf der Seite der Protestierenden nur das Bewußtsein der eigenen Machtlosigkeit und auf der Seite der Behörden die Bindung an Verwaltungsregeln, die von offener Gewaltsamkeit abhält 21. Kommt es in solchen Krisensituationen zu Gewaltakten (die in dieser Phase an akute Krisensituationen gebunden bleiben, relativ spontan und beschränkt sind), bewirken sie eine weitere Intensivierung der Polarisierung22. Die aus der Polarisierung erwachsende Feindseligkeit ist zugleich eine der Ursachen der Entstehung einer sozialen Bewegung - worunter Blumer eine organisierte Bewegung versteht23. Wenn diese Feindseligkeit seitens der Protestierenden mit dem Gefühl, daß der Protest aufgrund der Stärke der behördlichen Opposition und Repression erfolglos ist, zusammenkommt, sind die grundlegenden Bedingungen für die Bildung einer organisierten Bewegung erfüllt24. Nun ist die Planung und Durchführung des Protests (auch) die Aufgabe einer Organisation, in deren Rahmen und gemäß deren Logik er nun stattfindet. So wird u.a. eine stabile, innerhalb der Bewegung legitime Führung institutionalisiert, Mitgliedschaft formalisiert, langfristige Ziele, Strategien und eine explizite Ideologie werden entwickelt25. Der Charakter des Protests wandelt sich dadurch, so Blumer, grundlegend26. 16 Anschlußfähig bspw. Giesen 1999. 17 Bar-Tal 2000. 18 Vgl. Joas 2000, S. 34ff. Diese Aspekte werden auf ihren Beitrag zur Eigendynamik der Gewalt zu untersuchen und in diesen auf Blumer basierenden Ansatz zu integrieren sein. 19 Blumer 1978, S. 46. 20 Blumer 1978, S. 44. 21 Blumer 1978, S. 49. 22 Blumer 1978, S. 45. 23 Blumer 1978, S. 49f. 24 Blumer 1978, S. 50. 25 Blumer 1978, S. 50. 26 Blumer 1978, S. 50 und 41. 5 Allerdings liegt das, was für das vorliegende Paper interessant ist, weit jenseits dieses gerade geschilderten Punktes, über den Blumer nicht hinausgeht: Erstens die Entstehung und Aktivität einer bewaffneten organisierten Gruppe, durch die der bestehende soziale Konflikt nicht mehr in Form der Unruhe oder des Protests, sondern als Krieg ausgetragen wird, und zweitens die Entstehung einer Eigendynamik der Gewalt entweder durch den Zerfall dieser organisierten Gruppe in eine Vielzahl von Splittergruppen oder aber durch den Versuch, dies zu verhindern. Diesen Prozeß möchte ich im folgenden in Weiterführung des Blumerschen Modells darstellen. Den Ausgangspunkt bildet ein hochgradig polarisiertes Protest-Setting, in dem eine organisierte soziale Bewegung unter sporadischem, relativ unorganisiertem und recht geringfügigem Gewalteinsatz in einer verhärteten, feindseligen Konfrontationsbeziehung zu staatlichen Autoritäten und Polizei steht. Allerdings ist die Gewaltanwendung auf Protestiererseite dabei nur eine sporadische, relativ spontane, durch Individuen und allenfalls kleine Sub-Gruppierungen. Von seiten der Behörden ist die Gewaltanwendung auf polizeiliche Repression beschränkt. In diesem Kontext entstehen bewaffnete Organisationen zumeist als 'militärischer Arm' einer sozialen bzw. politischen Bewegung. Zumindest ihr Kern an Gründungs- und Führungsmitgliedern dürfte sich aus dem Kreis der organisierten Protestierenden rekrutieren. Diese Akteure bringen erstens praktisches organisatorisches Wissen sowie die Überzeugung, daß Organisation eine unverzichtbare Ressource in der Auseinandersetzung mit den Behörden ist 27, mit; zweitens eine bejahende Einstellung zu Hierarchie; drittens eine innere Verpflichtung auf die langfristigen Ziele der sozialen Bewegung28 und eine Ideologie, die den Umsturz der bestehenden Ordnung verlangt sowie viertens ein sich aus vielen Konfrontationserlebnissen ergebendes verschärftes Freund-FeindDenken sowie Frustration - kurz: die erforderlichen 'Qualifikationen' und Motivationen zu weiterer oder vielmehr gesteigerter intensiver und organisierter Auseinandersetzung mit den staatlichen Autoritäten. Diese Handlungsbereitschaft und -befähigung wird dann in die Richtung der Etablierung einer bewaffneten Organisation mit dem Zweck der organisierten gewaltsamen Auseinandersetzung gelenkt, wenn in der Wahrnehmung der Trägergruppe die folgenden Bedingungen hinzukommen: Erstens die Erfolglosigkeit des friedlichen organisierten Protests29, zweitens eine hohe Wirksamkeit der bisherigen Gewaltaktionen, drittens vergleichsweise gute Erfolgsaussichten für die Etablierung 27 Dazu Waldmann 1995, S. 354. 28 Vgl. Waldmann 1995, S. 356. 29 Vgl. Waldmann 1995, S. 354 und Blumer 1978, S. 31. 6 einer bewaffneten Organisation und den bewaffneten Kampf selbst - das bedeutet vor allem: ein nicht-intaktes Gewaltmonopol des Staates30. Es ist anzunehmen, daß sich die zunächst tentative, dann systematische Ausübung zunehmend organisierter Gewalt und die Entstehung einer eigenen bewaffneten Organisation schrittweise, dabei sich wechselseitig verstärkend, vollzieht. In diesem Prozeß entwickelt sich auch eine Strategie der organisierten Gewalt, welche wiederum auf die spezifische Organisationsstruktur zurückwirkt und vice versa31. Entsprechend dieser Organisationsstruktur mit ihrem Positionengefüge entwickeln sich im Laufe der Zeit ausdifferenzierte Rollen von 'Kämpfern', 'Führern', 'Strategen' etc. Damit verbunden ist auch ein Wandel der Identität der Individuen, die diese Rollen ausfüllen, und damit neue Motivation. Aber auch die kollektive Identität der Gruppe verändert sich und integriert das Bewußtsein darum, bewaffnet und militant zu sein; sehr wahrscheinlich wächst auch der Antagonismus gegenüber dem Staat und seinen Organen weiter, verschärft und verhärtet sich die Abgrenzung. Damit im Zusammenhang stehend verändert sich auch die 'Ideologie' oder das Wertesystem der Bewaffneten - zum einen nimmt sie diese schärfere Abgrenzung auf, delegimiert den Gegner immer weiter, zum anderen legitimiert sie die eigene massive Gewaltanwendung. Gewalt durch die fragliche Trägergruppe ist nun also intern legitimiert, falls nicht sogar normativ gefordert, wird strategisch geplant und eingesetzt. Gewaltausübung wird damit zum Teil des Organisationszwecks, in konkrete Strategien und verbindliche Handlungspläne umgesetzt und damit institutionalisiert. Folglich bekommt sie eine von Grund auf andere Qualität 32. Wenn Gewalt nicht mehr nur Mittel zu einem jeweils konkreten Ziel mit Bezug zum Konfliktgegenstand ist, sondern Teil des Organisationszwecks, hat sie sich bereits ein Stück weit von der Bindung an die gesetzten Ziele gelöst. Zudem ist sie damit auch partiell gegenüber den Handlungen der Gegenseite verselbständigt, die sie nur mehr als legitimierende 'Provokation' benötigt. Diese partielle Verselbständigung der Gewalt auf der Seite der "unrest group" ist ein erstes Element eines zirkulären Verursachungszusammenhangs. 30 Hier also ist die systematische Position der 'Schwäche' des Staates. Dabei besteht m.E. ein parabelförmiger Zusammenhang: Der Staat muß hinsichtlich seines Gewaltmonopols stark genug sein, um unbewaffneten Protest ins Leere laufen lassen oder unterdrücken zu können, aber zu schwach, um organisierte bewaffnete Gegenwehr im Keim zu ersticken (vgl. Waldmann 1995, S. 354). Dazu kommt eine andere Art von 'Schwäche', die Blumer benennt: Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Staates, eine den Konflikt transzendierende Vermittlerrolle einzunehmen. 31 Vgl. hierzu Simmel: "Die bekannten Wechselwirkungen zwischen despotischer Verfassung und kriegerischen Tendenzen einer Gruppe ruht auf diesem formalen Grunde: der Krieg bedarf der zentralistischen Zuspitzung der Gruppenform, die der Despotismus am ehesten garantiert; und umgekehrt, wenn dieser einmal besteht und jene Form verwirklicht, so streben die auf diese Weise aufgehäuften und aneinandergedrängten Energien sehr leicht zu der natürlichen Entladung, zu einem äußeren Krieg" (Simmel: Der Streit, S. 351). 32 Imbusch spricht hier von kollektiver statt individueller Gewalt, die sich qualitativ von letzterer unterscheidet, indem sie u.a. angepaßtes statt abweichendes Verhalten darstellt (Imbusch 2005, S. 29f). 7 Seitens des Staates wird erkennbaren Ansätzen steigender Militanz in der Regel ein erhöhtes Maß an polizeilicher, vielleicht auch geheimdienstlicher Repression entgegengesetzt; die Reaktion bewegt sich also noch im selben rechtlichen und organisatorischen Rahmen wie zu Zeiten des unorganisierten Protests. Infolge der ersten bewaffneten gewaltsamen Aktionen ändert sich dies zumeist radikal: Zivilverwaltung und Legislative treten - rechtlich durch Notstandsgesetze abgesichert - zugunsten der Exekutive und des Militärs in den Hintergrund. Damit verändert sich die Mittel und die Logik der Konfliktbearbeitung: nicht mehr zivil, sondern militärisch, nicht mehr zumindest der Möglichkeit nach auf Ausgleich oder Kompromiß gerichtet, sondern auf Niederschlagung. Während Gewaltmaßnahmen nur einen kleinen Teil des polizeilichen Handlungsrepertoires ausmachen, obendrein mit eng definiertem Anwendungsbereich, ist die organisierte, systematische und massive Gewaltanwendung der ureigenste Aufgabenbereich und letztlich Organisationszweck des Militärs. Insofern stehen sich nun auf beiden Seiten dezidierte Gewaltorganisationen gegenüber. Sofern nun beide ihre Gewaltpotentiale organisiert und systematisch einsetzen, hat sich die "warlike relation" in einen offenen Krieg verwandelt. Im Krieg wiederum gilt die Logik der Reaktion mit (mehr) Gewalt ('Vergeltung') auf Gewalt, oder auch des 'präventiven' Gewalteinsatzes33. Wenn der Staat (wenn man ihn einmal als einheitlichen Akteur betrachten mag) zuvor wenigstens theoretisch als neutraler Vermittler hätte auftreten können, ist diese Möglichkeit nun doppelt verstellt: Zum einen ist mit der militärischen Eskalation ein solcher Versuch aus der Perspektive der Protestierenden unglaubwürdig geworden, anderen ist diese Position dem Militär selbst fremd, zugunsten dessen sich die Machtverhältnisse zwischen den staatlichen Organen nun verschoben haben und mit steigender Dauer des bewaffneten Konfliktaustrags weiter verschieben. Insbesondere bei längerer Dauer des Krieges besteht verstärkt das Risiko, daß der Sicherheitsapparat sich zunehmend 'verselbständigt' und der rechtsstaatlichen Kontrolle entzieht. Die zunehmende Polarisierung der Konfliktparteien geht auch an der Öffentlichkeit nicht spurlos vorbei. Sie teilt sich entlang der Konfliktlinie in zwei Lager, in die Unterstützer der staatlichen Position auf der einen und die der Protestierenden bzw. Rebellen auf der anderen Seite. Damit aber entsteht eine größere Rekrutierungsbasis sowohl für die "Rebellen" als auch für die Armee und paramilitärische Gruppierungen. 33 Zu Eskalationsdynamiken (in systemtheoretischer Begrifflichkeit) Brücher 2011. 8 Zwei 'Pfade' der Kriegsperpetuierung Ausgehend von der Entstehung einer bewaffneten Organisation auf der Seite der/einer nichtstaatlichen Konfliktpartei sind nun verschiedene Entwicklungspfade der Gewaltorganisation und infolgedessen des Krieges denkbar. Der erste, die baldige Wiederauflösung der bewaffneten Organisation und folglich Deeskalation des Konflikts zurück zu maximal gewaltsamem Protest ist an dieser Stelle nicht von Interesse; relevant sind nur die zweite Option, die Stabilität derselben, oder aber die dritte Möglichkeit, nämlich ihre Zersplitterung in eine Vielzahl bewaffneter Organisationen. Diese Zersplitterung von bewaffneten Gruppen läßt sich bei entsprechender Dauer in so vielen Kriegen beobachten, daß das Nicht-Zersplittern (wie bei der kolumbianischen FARC oder der ugandischen LRA) ebenso erklärungsbedürftig wie der gegenteilige Prozeß ist. (Auch) in bewaffneten Organisationen bestehen eine Vielzahl interner Differenzen auf verschiedenen Ebenen, die zentrifugale Kräfte ausüben können: Beispielsweise organisatorische Differenzierungen in relativ autonom agierende Untereinheiten, in denen sich ein intensiveres Zusammengehörigkeitsgefühl und unmittelbare Solidaritätsbeziehungen herausbilden können34; charismatische und organisatorisch begabte Inhaber unterer Führungspositionen, die als 'Kristallisationspunkte' für unzufriedene Kämpfer dienen; und vor allem ebendiese Unzufriedenheit, sei sie über Führungspersönlichkeiten, das Nichterreichen gesteckter Ziele, die übergreifende Zielsetzung, die militärische oder politische Strategie (insbesondere bei Friedensverhandlungen), die Versorgung oder materielle Gewinne35. Diese Kräfte kommen insbesondere dann zum Tragen, wenn die bewaffnete Organisation sich bereits von ihrer sozialen Basis entfernt hat, sodaß die ursprünglich gesetzten und organisationsweit geteilten Ziele faktisch unwichtig geworden sind 36. Eine solche Abkopplung folgt zumindest teilweise aus der Logik bewaffneter Organisationen, die zu dem tendieren, was Goffman als 'totale Institution' bezeichnet37. Sie versuchen, ihre 'Mitglieder' ganz zu vereinnahmen - Betätigung in anderen sozialen Zusammenhängen wird möglichst eingeschränkt, etwa durch die Kasernierung von Soldaten. Derart wird - und dies ist beabsichtigt - eine eventuell die Organisationszwecke gefährdende Rückbindung an gesellschaftliche Diskussionen und Wertesysteme vermieden, die 34 Die sog. Minimal-Group-Experimente von Turner und Tajfel zeigen, wie erstaunlich leicht auf der Basis völlig arbiträrer Grenzziehungen Gruppen entstehen und sich in ein antagonistisches Verhältnis zueinander begeben (vgl. Turner/Tajfel 1986). 35 Auf interne Differenzen und Streitigkeiten bereits in der unrest group verweist Blumer 1978, S. 28. 36 Siehe dazu Waldmann 1995, S. 357. 37 Vgl. Goffman 1961; mit Turner/Tajfel 1986 lassen sich solche Gruppen als in allen Kontinua am 'antiindividualistischen' Pol situiert beschreiben. 9 gruppenbezogene soziale Identität wird permanent salient 38 und das entsprechende Wertesystem dominant. Gleichzeitig aber befördert der Verlust der Relevanz des Organisationsziels, die sich aus der Rückbindung an den gesellschaftlichen Konflikt speiste, Spaltungstendenzen. Entscheidend für den Zusammenhalt oder die Zersplitterung der Gewaltorganisation dürfte erstens das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer zentralen Führung, die durchsetzungsfähig ist und über so effektive Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten aller Untereinheiten verfügt, daß sie den geschilderten zentrifugalen Kräften entgegenwirken kann, sein (aufgrund häufig mangelnder Ressourcen, schlechter Infrastruktur, teils weiter räumlicher Verteilung und dem Zwang zur Klandestinität dürfte dies eher die Ausnahme als die Regel sein). Zweitens muß es dieser Führung gelingen, andauernd starke übergeordnete Ziele zu definieren, deren fortdauernde Legitimität und beständige Relevanz überzeugend darzulegen, und dieses Ziel auf eine Weise verfolgt, die die Gruppe trotz interner Differenzierungen und Uneinigkeiten zusammenhält und zugleich zur Legitimierung der Vorgehensweise sowie des Zieles beiträgt39. Eine vielversprechende Strategie, die letztgenannten Bedingungen zu erreichen, dürfte ein eskalativ-gewaltsames Vorgehen gegen die feindliche Konfliktpartei sein40, welches als Ziel den endgültigen Sieg über den Gegner propagiert und bei Strafe der eigenen Vernichtung als 'alternativlos' hinstellt. Das daraus fast notwendig folgende Mittel des andauernden gewaltsamen Kampfes unter Aufbietung aller Kräfte beweist wiederum selbst stets von neuem (durch gegnerische Kampfhandlungen und erlittene eigeneVerluste) die unbedingte Bedrohlichkeit des Feindes und folglich die Unumgänglichkeit des bedingungslosen Kampfes41. Die Perpetuierung des Krieges wird so zum Mittel der Organisation, sich selbst zu erhalten. Wenn dies nicht gelingt, können die auseinanderstrebenden Tendenzen derart die Oberhand gewinnen, daß die innerstaatlichen Kriege eine Form annehmen, die auf den ersten Blick dem Hobbes'schen Naturzustand ähnelt: alle gegen alle, und wenn nicht Individuen, dann doch eine unüberschaubare Zahl kleiner und kleinster bewaffneter Gruppen42. Dies gilt umso mehr, als sich in vielen Fällen nicht nur auf der Seite der 'Rebellen' Desintegrationstendenzen zeigen. Das staatliche Gewaltmonopol wird im Kriegsverlauf häufig mißbraucht und so seine Legitimität gefährdet. Zudem akzeptieren oder fördern staatliche Akteure teilweise die Verselbständigung von Armee38 In der Form, in der Frederic Barth dies für ethnische Identitäten beschreibt (Barth 1969, S. 17). 39 Vgl. zur Übertragung der 'Ferienlagerexperimente' auch auf kriegerische Konflikte Wagner/Stellmacher 2004, S. 163ff. 40 Vgl. Wagner/Stellmacher 2004, S. 163ff. 41 Vgl. dazu ansatzweise Waldmann 1995, S. 356. 42 Beispielsweise die Rebellengruppen in der sudanesischen Darfur-Region, deren Zahl in die duzende geht. 10 Einheiten, die sich häufig 'aus dem Land' versorgen (müssen) und deren Aktionen nicht (mehr) auf Anordnungen der Zentralgewalt zurückgeführt werden können43. Im Extremfall ist unklar, ob die Loyalität der Einheiten noch beim Staat liegt oder nicht vielmehr auf der Seite seiner Gegner. Staatliche Eliten dulden oder fördern teilweise auch die Entstehung und Aktivitäten von paramilitärischen Gruppen oder übertragen ihnen bzw. Privatunternehmen hoheitliche Aufgaben44. Auf diese Weise verwischen die Unterschiede zwischen 'staatlichen' und 'nichtstaatlichen' Akteuren bis zur Unkenntlichkeit. In dieser Phase bewegt sich das staatliche Handeln nicht mehr im Rahmen der gesatzten Verfahren; es ist uninstitutionalisiertes Handeln - zumindest vorübergehend, bis sich neue, informelle Regeln und Institutionen herausgebildet haben: eine informelle 'Ordnung der Gewalt'45 auf staatlicher Seite, im Widerspruch zur gesatzen Ordnung. Eine solche Vervielfältigung der Konfliktparteien bedeutet eine deutliche Komplexitätssteigerung der Konfliktstruktur: immer neue Akteure mit Positionen, Forderungen, Befindlichkeiten usw.; immer neue Konfliktgegenstände bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust der ursprünglichen Ziele 46 etc. Daraus folgt eine Unübersichtlichkeit sowohl für die direkt beteiligten Akteure wie auch für eventuelle Vermittler von 'außen', die eine Konfliktlösueng deutlich erschwert. Vor allem aber resultieren daraus immer neue und ständig wechselnde Konstellationen. Die entstehenden Rebellenfraktionen etwa agieren immer wieder auch gegeneinander - teils als Verbündete des Staates oder paramilitärischer Gruppen, die auf der Seite des Staates kämpfen, teils autonom 47. Aus diesen immer komplexeren Konstellationen folgt eine Vervielfältigung der möglichen Kampfhandlungen, eine Bedeutungsverminderung der Befriedung einzelner Konstellationen und eine zunehmende Unwahrscheinlichkeit einer zeitgleichen Lösung aller Antagonismen. Dies gilt umso mehr, als die Konstellationen - sowohl die antagonistischen wie auch Bündnisse oder 'Wiedervereinigungen' - sehr fluide sind. Die veränderte Akteurskonfiguration wirkt aber auch auf die Art des Konfliktaustrags zurück - hier liegt die partielle Berechtigung des Theorems der 'Neuen Kriege'. Erstens sind für die immer kleineren bewaffneten Gruppen 'Entscheidungsschlachten' logistisch und ressourcenmäßig kaum zu bewältigen und auch viel zu riskant. Zweitens kann von 'Entscheidungsschlachten' jenseits von 43 44 45 46 47 Bspw. die Armee der DR Kongo. Bspw. die Paramilitärs in Kolumbien. Von Trotha 1997, S. 16; Neckel/Schwab-Trapp 1999. Zu letzterem Blumer 1978, S. 47. Auf der Seite des Staates z.B. in Darfur (Sudan) die SLM/A-Fraktion unter Minni Minawi (2009-2010) oder in Burundi die CNDD-FDD-Fraktion unter Pierre Nkurunziza (2003). In manchen kriegerischen Konflikten geht dies so weit, daß der Staat schließlich auch als Akteur, als Konfliktpartei, keine Rolle mehr spielt; solche 'nichtstaatlichen' Konflikte sind zumeist direkte oder indirekte Abkömmlinge von Kriegen mit Staatsbeteiligung. 11 solchen zwischen zwei Splittergruppen ohnehin kaum die Rede sein - wie Simmel feststellt, kann "man gegen eine diffuse Menge von Feinden zwar häufiger einzelne Siege erring[en], [gelangt] aber sehr schwer zu entscheidenden, das Verhältnis der Kräfte wirklich feststellenden Aktionen"48. Die Abwesenheit solcher Kämpfe ist also nicht (nur) ein Indiz für die Abwesenheit politischer Ziele49, sondern folgt aus der spezifischen Struktur und Konstellation der Splittergruppen. Drittens macht es die Gruppierungen abhängiger von einer Finanzierung und Versorgung 'aus dem Land heraus', da sie aufgrund ihrer geringen Größe und relativen Kurzlebigkeit häufig nicht über die Beziehungen und Strukturen verfügen, die etwa für eine Finanzierung durch das Ausland oder die Diaspora nötig sind. Es bleiben also der Raubbau an einfach abzubauenden Rohstoffen, die 'Besteuerung' von Hilfslieferungen oder die Plünderung der Zivilbevölkerung. Doch diese ökonomischen Erwägungen sind nicht, wie im Theorem der 'Kriegsökonomie' unterstellt50, die alleinige Ursache für die teils immensen Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung. Vielmehr hängen sie unter anderem eng mit der von Blumer beschriebenen Polarisierung zusammen: In einem polarisierten Freund-Feind-Denken ist auch schon der nur mutmaßliche zivile Unterstützer meines Feindes mein Feind (Neutralität ist un-denkbar). Dies schlägt sich sowohl in der 'klassischen' Aufstandsbekämpfungsstrategie staatlicher Akteure nieder, die eventuelle Unterstützer der Rebellen in der Zivilbevölkerung durch Repression einzuschüchtern versuchen, als auch in den Übergriffen der Rebellen auf Zivilisten. Bei letzteren schwingt eventuell noch das Kalkül mit, die Unfähigkeit des Staates, seine Bevölkerung zu schützen, zu demonstrieren, und damit seine Legitimität zu untergraben; daß sie auch ihre eigene Legitimation untergraben, ist für die bewaffneten Gruppen durch ihre zunehmende Abkopplung von ihrer sozialen Basis sekundär geworden. Selbiges gilt für die staatlichen Sicherheitskräfte, deren Kriegsführung sich zunehmend von ihrer rechtlichen Regulierung löst und damit der der nichtstaatlichen Gewaltakteure annähert. Damit aber löst sich - letztlich infolge der Verschärfung der Grenzziehung zwischen den Konfliktparteien und/oder der Neuziehung von Grenzen zwischen Splittergruppen - die Grenze zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren ebenso auf wie die Unterscheidungen zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, zwischen Verbünden und Gegnern. Entsprechend fraglich werden diese als Analysekategorien. 48 Simmel: Der Streit, S. 353. 49 Münkler 2002, S. 25f. 50 U.a. Lock 2002. 12 Literatur: Bar-Tal, Daniel 2000: Die Kultur der Gewalt, in: ÖSFK (Hrsg.): Konflikt und Gewalt. Ursachen – Entwicklungstendenzen – Perspektiven, Münster: Agenda Verlag, S. 66-81. Barth, Frederic 1969: Introduction, in: Ders. (Hg.): Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference. 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