4. Absolutismus und Aufklärung

Werbung
4. Absolutismus und Aufklärung
4.8. Die Entstehung der USA
„Wir halten diese Wahrheiten für in sich einleuchtend: dass alle Menschen gleich
geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen
Rechten ausgestattet sind, darunter Leben, Freiheit und Streben nach Glück;
dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt
werden, die ihre gerechten Vollmachten von der Einwilligung der Regierten herleiten; dass, wenn immer eine Regierungsform diesen Zielen zum Schaden gereicht, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine
neue Regierung einzusetzen, die sich auf solchen Grundsätzen aufbaut […].
Archiv Ed. Hölzel
Die Boston Tea Party
Als Vertreter des englischen Königs amtierte in jeder der 13 amerikanischen Kolonien ein Gouverneur. Da die Kolonien aber auch
über eigene Volksvertretungen verfügten, war eine weitgehende
Selbstverwaltung dieser Gebiete gewährleistet. Dennoch fühlten
sich die amerikanischen Kolonisten in vielerlei Hinsicht vom englischen König Georg III. (reg.1760–1820) bevormundet; so durften beispielsweise amerikanische Plantagenbesitzer ihren Tabak
ausschließlich nach England exportieren. Der schwelende Konflikt
zwischen Kolonien und Mutterland entzündete sich aber schließlich
an der Frage der Steuerhoheit: Die Mehrheit der amerikanischen
Siedler war der Ansicht, dass man ohne Vertretung im britischen
Abb. 64.1: Nathaniel Currier: Boston Tea Party (1846)
Parlament nicht zur Zahlung von Steuern gezwungen werden könne.
Der 4. Juli, der Independence-Day, gilt in den USA als höchster
Feiertag.
Die
Grand
Union Flag
(1776)
hat
zwar bereits
13 Streifen,
die
jeweils
eine Kolonie
symbolisieren, führt aber noch den britischen Union Jack.
Nur ein Jahr
später jeweils
13 „Stars and
Stripes“
Seit
1960:
50
Sterne
für die aktuellen Bundesstaaten und
13 Streifen
Abb. 64.2: Etappen bei der Entwicklung
des heutigen „Sternenbanners“
64
Als der von der britischen Regierung erlassene Stamp Act eine Besteuerung
von behördlichen Urkunden, aber auch Drucksorten aller Art vorsah, kam
es zum offenen Protest. Zwar wurde die Stempelsteuer bald wieder zurückgezogen, doch im Jahr 1773 erhitzte die Einführung eines Teezolls erneut
die Gemüter. Amerikanische Patrioten enterten daraufhin drei Teeschiffe im
Hafen von Boston und kippten die Ladung über Bord (Boston Tea Party).
Vermutlich um zu dokumentieren, dass sie sich von nun an nicht mehr als
Engländer, sondern als Amerikaner betrachteten, hatten sich die Kolonisten
dabei symbolisch als Indianer verkleidet.
Birth of a Nation
Die britische Reaktion auf die Vorfälle erfolgte prompt: Der Hafen wurde
geschlossen und über die Stadt wurde der Ausnahmezustand verhängt. Daraufhin versammelten sich in Philadelphia Delegierte der 13 Kolonien zum
Ersten Kontinentalkongress (1774). Man beschloss eine Aussetzung des
Handels mit England, solange die britischen Strafsanktionen in Kraft blieben.
Die Drohung fruchtete aber nicht, im Gegenteil: Der Streit eskalierte nun zum
Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–1783). Am Zweiten Kontinentalkongress wurde daher dem Plantagenbesitzer George Washington
der Oberbefehl über die amerikanische Armee übertragen.
Am 4. Juli 1776 erklärten die 13 Kolonien schließlich ihre Unabhängigkeit
vom britischen Mutterland. Dies war die Geburtsstunde der Vereinigten
Staaten von Amerika (USA)! Um diesen Schritt zu rechtfertigen, berief
man sich in der vom späteren US-Präsidenten Thomas Jefferson (reg. 1801–
1809) formulierten Unabhängigkeitserklärung erstmals auf die Menschenrechte und das daraus folgernde Widerstandsrecht gegen unrechtmäßige
Regierungen.
Im Namen und in Vollmacht des guten Volkes dieser Kolonien geben wir feierlich
bekannt und erklären, dass diese Vereinigten Kolonien sind und von Rechts
wegen sein sollen freie und unabhängige Staaten, dass sie von jeder Untertanenpflicht gegen die britische Krone befreit sind und dass jeder politische Zusammenhang zwischen ihnen und dem Staate Großbritannien völlig gelöst ist
und sein soll […].“
zit. nach: Ernst Walter Zeeden, Europa im Umbruch, S. 93ff.
Archiv Ed. Hölzel
Forderung der amerikanischen Kolonisten
n Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg hatte in zweifacher Hinsicht epochale Bedeutung: Zum einen war er „Geburtshelfer“ einer neuen Nation, aus der
in den folgenden 150 Jahren eine Großmacht hervorgehen sollte, zum anderen
realisierte die neu ausgearbeitete Verfassung erstmals die wichtigsten politischen
Forderungen der Aufklärung.
Abb. 65.1: John Trumbull: Die Unterzeichnung
der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
(1787) – Yale University Art Gallery, New Haven
Der Krieg erstreckte sich über mehrere Jahre. Als Revanche für den Verlust
seiner nordamerikanischen Gebiete nach dem Franzosen- und Indianerkrieg
(1754–1763) unterstützte Frankreich die Unabhängigkeitsbewegung in ihrem
Kampf gegen die britische Krone. Nach dem Sieg der amerikanisch-französischen Kontingente bei Yorktown (1781), sah Georg III. schließlich ein,
dass der Krieg nicht zu gewinnen war. Im Frieden von Versailles (1783)
anerkannte er daher die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Kolonien. Kanada
blieb vorerst noch in britischer Hand.
Woraus wird in der Unabhängigkeitserklärung ein Widerstandsrecht
abgeleitet?
Die amerikanische Verfassung
Nur vier Jahre später trat die neu ausgearbeitete Verfassung in Kraft. Ihre einzigartige Bedeutung liegt darin begründet, dass zum ersten Mal elementare
Gedanken der Aufklärung wie die Volkssouveränität – gewährleistet durch
die Einführung des allgemeinen Wahlrechts – und die Gewaltenteilung umgesetzt wurden. Deshalb bekam die amerikanische Verfassung in der ganzen
Welt Vorbildcharakter.
Der Forderung nach Gewaltenteilung wurde dadurch entsprochen, dass die
drei Staatsgewalten A Exekutive, A Legislative und A Judikative von unterschiedlichen Organen ausgeübt werden, die sich zudem wechselseitig kontrollieren (Checks and Balances):
• Der Präsident ist Staatsoberhaupt und zugleich Regierungschef. Er wird
auf vier Jahre durch indirekte Volkswahl1) gewählt. Seine Kompetenzen
sind äußerst umfassend, weshalb die USA als Präsidialrepublik bezeichnet werden kann. So ernennt der US-Präsident die Mitglieder des Obersten
Gerichtshofes, verfügt über ein aufschiebendes Veto gegenüber den Gesetzesentwürfen des Kongresses und ist überdies noch militärischer Oberbefehlshaber. Bei schwerwiegenden Amtsvergehen kann ein Amtsenthebungsverfahren (engl.: Impeachment) gegen den Präsidenten eingeleitet werden.
Erster Präsident der USA war George Washington (reg. 1789–1797).
1)
Indirekte Volkswahl bedeutet, dass die Wahlberechtigten genau genommen nicht den Präsidenten, sondern die 538 Wahlmänner (Elektoren) wählen. Diese Wahlmänner bestimmen dann auf dem Electoral College über den neuen Präsidenten.
auburnxc
„NO TAXATION WITHOUT REPRESENTATION!“ (Keine Steuern ohne [parlamentarische] Repräsentation!)
USA
Aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung:
Abb. 65.2: Um die traditionell guten Beziehungen zu den USA zu unterstreichen,
schenkte Frankreich anlässlich der Hundertjahrfeier der Unabhängigkeitserklärung die Freiheitsstatue.
Archiv Ed. Hölzel
USA
Abb. 65.3: Gilbert Stuart: Porträt von George Washington (ca. 1820) – Sterling and
Francine Clark Art Inst., Williamstown
65
4. Absolutismus und Aufklärung
Abb. 66.1: Der Amtssitz des Präsidenten:
das „Weiße Haus“ in Washington
Bislang gab es erst
zwei Amtsenthebungsverfahren, beide USPräsidenten wurden aber freigesprochen.
Weit folgenschwerer waren die Vorwürfe gegen Richard Nixon (reg. 1969–1974), der im
Zusammenhang mit der Watergate-Affäre1)
im Zentrum der Kritik stand. Er wartete den
Ausgang des Impeachments nicht ab und trat
zurück.
4.9. Die Französische Revolution
• Der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) ist die höchste Rechtsinstanz;
er kontrolliert die Verfassungskonformität aller Gesetze und Verordnungen.
Gegen sein Urteil ist keine Berufung zulässig. Da die neun Mitglieder des
Supreme Court auf Lebenszeit vom Präsidenten ernannt werden, kann dieser somit weit über seine Amtszeit hinaus das politische Klima des Landes
bestimmen.
Ursachen und Vorgeschichte
Außerdem weist die amerikanische Verfassung zahlreiche föderale Aspekte
(A Föderalismus) auf, speziell in der Rechtsprechung. Besonders deutlich wird
dies bei der Frage der Todesstrafe, die nicht in allen Bundesstaaten exekutiert wird.
Judikative
Ernennung der
Bundesrichter
auf Lebenszeit
(Zustimmung
des Senats
notwendig)
Erkläre an Hand der Abb. 66.3.
den Aufbau der amerikanischen Verfassung!
Exekutive
Legislative
Präsident
Ausgabenbewilligungsrecht
Führt mit seinem Kabinett
die Regierungsgeschäfte
Wahl des
Präsidenten für
eine Amtszeit
von 4 Jahren
Oberster Bundesgerichtshof
1
Bundesrichter werden
vom Kongress bestätigt
Gesetze
Entwirft und
verabschiedet die
Gesetze
Kongress
Senat
Repräsentantenhaus
(100 Senatoren) (435 Abgeordnete)
Verfassungsrechtliche
Kontrolle
Ernennung durch
den Präsidenten
Bundesgerichte
2
Aufschiebendes Veto
gegen Gesetze
Wahlmänner
(538)
In den Bundesstaaten gewählt
1 Kein Auflösungsrecht
2 Kein Sturz durch Misstrauensvotum
Wahl auf 6 Jahre,
alle 2 Jahre 1/3;
2 Senatoren je
Bundesstaat
Wahl auf
2 Jahre
Wahlberechtigte Bevölkerung
Abb. 66.3: Die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika
Noclip
Republikaner und Demokraten
Seit über 150 Jahren wird die politische Landschaft der USA von zwei
Parteien geprägt, den konservativen Republikanern und den eher liberalen Demokraten. Ihre unterschiedlichen Positionen werden vor allem
bei ideologisch brisanten Fragen sichtbar (z. B.: Todesstrafe, Abtreibung,
Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, freier Waffenbesitz).
Abb. 66.2: Das Kapitol in Washington beherbergt den Kongress.
Die Verfassungszusätze
(Amendments) bilden die einzige Möglichkeit,
die Verfassung abzuändern. Die Amendments
1–10, besser bekannt als Bill of Rights, enthalten den Grundrechtekatalog. 1951 trat
Amendment 22 in Kraft; es beschränkte die
Regentschaft eines Präsidenten auf maximal
zwei Amtszeiten.
66
1)
Während des Präsidentschaftswahlkampfs 1972, bei dem der Republikaner Richard Nixon
für eine zweite Amtszeit antrat (und auch wiedergewählt wurde), kam es zu einem Einbruch im Watergate-Building. Dabei sollten im dort befindlichen Wahlkampfhauptquartier
der Demokraten Abhörgeräte angebracht werden. Die Hintermänner der Aktion kamen
aus dem Kreis Nixons engster Berater. Nixon selbst wurde vorgeworfen, die laufenden
Ermittlungen der Polizei zu blockieren. Die Watergate-Affäre endete schließlich 1974 mit
dem Rücktritt des Präsidenten.
n Die Französische Revolution brachte das Ende der absolutistischen Herrschaft der Bourbonen mit sich – und führte letztendlich zum Absolutismus eines
Napoleon Bonaparte.
Frankreich war am Vorabend der Revolution ein von großen sozialen Gegensätzen geprägtes Land: Auf der einen Seite König Ludwig XVI. (reg.1774–
1792), der in Versailles residierte und, umgeben von einem gewaltigen
Hofstaat, ein Leben in Luxus führte; auf der anderen Seite die oft erbärmlichen Lebensumstände breiter Bevölkerungsschichten. Deren
spezielles Feindbild war Ludwigs Ehefrau Marie Antoinette (reg.
1774–1792), die jüngste Tochter Maria Theresias, der man besonders
ausgeprägte Verschwendungssucht vorwarf.
Französische Revolution
Archiv Ed. Hölzel
• Der Kongress ist für die Gesetzgebung zuständig und entscheidet u.a. über
Krieg und Frieden, Verträge mit dem Ausland und die Steuerpolitik. Er besteht aus zwei Kammern: dem aus 100 Senatoren bestehenden Senat (zwei
pro Bundesstaat) und dem Repräsentantenhaus (hier entscheidet die Bevölkerungszahl der einzelnen Bundesstaaten über die Zusammensetzung).
„WENN SIE KEIN
BROT HABEN,
SOLLEN SIE DOCH
KUCHEN ESSEN.“
Fälschlicherweise Marie Antoinette zugeschriebene Reaktion auf Hungerrevolten
in Frankreich.
Sprengstoff bargen auch die Gedanken der Aufklärung in sich, die vor
allem das wohlhabende und nach politischer Mitsprache drängende
Bürgertum beeinflussten. Auslösendes Moment für die Revolution waren aber die maroden Staatsfinanzen: Während Klerus (Erster Stand)
und Adel (Zweiter Stand) nicht steuerpflichtig waren, hatte der Dritte Stand (Bürger und Bauern) den Großteil der Steuerlast zu tragen.
Um den Staatshaushalt zu sanieren, war aber ein Ende der ständischen
Privilegien unabdingbar. Zur Durchsetzung dieser Steuerreform berief Abb. 67.1: unbekannter Künstler: Der Sturm auf
Ludwig 1788 die Generalstände ein, eine Versammlung gewählter die Bastille (1789) – Musée national du Château de
Versailles
Repräsentanten aller drei Stände, die zuletzt vor über 175 Jahren getagt hatte.
Gleich zu Beginn entbrannte ein Streit über den Abstimmungsmodus, so dass
man in der Sache selbst nicht weiterkam. Um die Pattstellung zu überwinden,
erklärte sich der Dritte Stand zur Nationalversammlung mit dem Ziel, eine
Verfassung auszuarbeiten.
Die verfassungsgebende Nationalversammlung
(1789–1791)
Ludwig XVI. sah darin eine Gefahr für seinen unumschränkten Herrschaftsanspruch und ließ rund um Paris Soldaten aufmarschieren. Damit goss er
jedoch nur Öl ins Feuer: Aus Protest gegen seine Maßnahme stürmten die
Pariser am 14. Juli 1789 die Bastille, ein Gefängnis, das vielen als Symbol
des verhassten Absolutismus galt. Dies war der Auftakt zur Französischen
Revolution!
Archiv Ed. Hölzel
laura padgett
USA
Der 14. Juli wurde in der
Folge zum französischen Nationalfeiertag.
Die adeligen Anhänger
des A Ancien Régime saßen in der Nationalversammlung auf der rechten Seite, während
die Republikaner (A Republik) links Platz
nahmen. Dazwischen befanden sich die gemäßigten Befürworter der A konstitutionellen
Monarchie. Auf diese Sitzverteilung geht das
auch heute noch übliche Links-Rechts-Schema in der Politik zurück.
Bald griffen die Unruhen auf ganz Frankreich über. In ihrer Wut auf Adel und
Klerus überfielen die Aufständischen Schlösser und Kirchen. In der Folge
kam es zu einer ersten Auswanderungswelle französischer Aristokraten.
Sucht Definitionen für die politischen Begriffe „Links“ und „Rechts“!
Ordnet ihnen politische Ideologien zu!
Wie passt die aktuelle österreichische
Parteienlandschaft in dieses System?
Noch im August verzeichnete die Revolution ihren ersten großen Erfolg: Mit
der Beseitigung des Feudalsystems wurde die Leibeigenschaft abgeschafft
(Bauernbefreiung). Außerdem wurden alle ständischen Privilegien, wie etwa
die Steuerfreiheit, liquidiert. Dem nordamerikanischem Beispiel folgend kam
es zur Verkündung der Menschen- und Bürgerrechte.
„LIBERTÉ, ÉGALITÉ, FRATERNITÉ“
(Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)
Motto der Französischen Revolution
67
4. Absolutismus und Aufklärung
„Art. 1. Die Menschen sind und bleiben
von Geburt frei und gleich an Rechten.
[…]
Art. 2. Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen
und unveräußerlichen Menschenrechte.
Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum,
Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.
Art. 3. Der Ursprung jeder Souveränität
ruht letztlich in der Nation. Keine Körperschaften, kein Individuum können eine
Gewalt ausüben, die nicht ausdrücklich
von ihr ausgeht. […]
Art. 11. Die freie Mitteilung der Gedanken
und Meinungen ist eines der kostbarsten
Menschenrechte. […]“
zit. nach: Ernst Schulin, Die Französische Revolution, S. 75f.
Um die staatliche Finanzkrise in den Griff zu bekommen, wurden die Kirchengüter verstaatlicht und anschließend veräußert. Außerdem sah die 1790
eingeführte Zivilverfassung des Klerus die Aufhebung aller Klöster, die freie
Priesterwahl durch die Gemeinde und eine staatliche Besoldung des Priesterstandes vor. Im Gegenzug mussten die Geistlichen einen Treueeid auf den
Staat ablegen. Vergeblich versuchte Ludwig XVI. dagegen zu opponieren.
Als er erkannte, dass ihm die Ereignisse mehr und mehr entglitten, entschloss
er sich zur Flucht ins Ausland. Der Fluchtversuch der Königsfamilie scheiterte aber: Ludwig wurde in der ostfranzösischen Stadt Varennes entdeckt und
zur Rückkehr in die Hauptstadt gezwungen. Sein Ansehen in der Öffentlichkeit hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Im September 1791 trat schließlich die neue Verfassung in Kraft. Sie machte
aus Frankreich eine A konstitutionelle Monarchie. Die Verfassung basierte
auf dem Prinzip der Gewaltenteilung: Die Legislative oblag einer zu wählenden gesetzgebenden Nationalversammlung, wobei das Wahlrecht an eine
bestimmte Einkommenshöhe gebunden war. Der König hatte die von diesem
Parlament verabschiedeten Gesetze zu exekutieren und verfügte lediglich
über ein aufschiebendes Veto. Die Rechtsprechung wurde in die Hände von
Geschworenengerichte gelegt.
Archiv Ed. Hölzel
Die gesetzgebende Nationalversammlung (1791–1792)
Abb. 68.1: Louis-Léopold Boilly: Porträt
von Robespierre (1791) – Musée des Beaux-Arts, Lille
Während der Revolution
entstand die Tricolore, die französische Nationalfahne, indem man dem Weiß des Bourbonen-Banners die Farben des Pariser Wappens
(Rot und Blau) zufügte. Die Marseillaise, die
französische Nationalhymne, wurde etwa zur
gleichen Zeit komponiert. Sie diente ursprünglich als revolutionäres Kampflied der in den
Krieg gegen Österreich ziehenden Soldaten.
68
Die Jakobiner1) waren die einflussreichste politische Gruppierung in der Nationalversammlung. Sie hatten ihre Basis in der Arbeiterschaft und im Kleinbürgertum. Ihre Führer, darunter Maximilien de Robespierre, „der Unbestechliche“ genannt (1758–1794), und Georges Danton (1759–1794), waren
überzeugte Republikaner, die das Königtum gänzlich stürzen wollten.
Dadurch wurde die Französische Revolution zu einem „internationalen Krisenfall“, denn die europäischen Herrscherhäuser fürchteten zunehmend, dass
auch sie ein ähnliches Schicksal wie die Bourbonen in Frankreich erleiden
könnten. An die Spitze der Gegenrevolution stellten sich Österreich, Preußen
und Großbritannien. Die Folge war eine Reihe von Koalitionskriegen gegen
Frankreich, die das Ziel hatten, das Ancien Régime zu retten und fortan jegliche revolutionäre Betätigung im Keim zu ersticken (siehe Kap. 4.10.).
Ludwig XVI. sah in der Unterstützung durch das Ausland seine einzige Möglichkeit, sich als König zu behaupten. Doch der Großteil der Bevölkerung
betrachtete Ludwig nun als Landesverräter. Es kam zum Sturm auf die
Tuilerien und zur Verhaftung des Königs. Gleichzeitig wurde Jagd auf die
letzten Königstreuen gemacht. In diesem Zusammenhang wurden über 1 000
Gefängnisinsassen, die des A Royalismus verdächtigt wurden, ermordet.
1)
Versammlungsort der Jakobiner war das aufgelassene Kloster Saint-Jacques (= Sankt
Jakob), daher ihr Name.
Französische Revolution
Der Nationalkonvent (1792–1793)
Die erst im Jahr zuvor verabschiedete Verfassung wurde außer Kraft gesetzt
und alle volljährigen Männer wählten einen Nationalkonvent, der die Geschicke des Staates leiten sollte. Seine erste Maßnahme war die Absetzung
Ludwigs XVI. und die Ausrufung der (Ersten) Republik (1792). Ludwig,
von nun als „Bürger Louis Capet“ bezeichnet, wurde der Prozess gemacht.
Die Verhandlung endete mit der Verhängung des Todesurteils, das am 21.
Jänner 1793 mittels Guillotine vollstreckt wurde. Einige Monate später wurde auch Marie Antoinette hingerichtet.
Ludwigs Tod auf dem Schafott hatte Frankreich international isoliert. England, Spanien und die Niederlande traten der Koalition gegen das revolutionäre Frankreich bei. Der Konvent führte daher die allgemeine Wehrpflicht ein.
Die französische Armee wurde dadurch zu einem modernen Volksheer, das
auch Männern aus unteren sozialen Schichten einen beruflichen Aufstieg ermöglichte – ein Umstand, der maßgeblich dazu beitrug, dass das französische
Militär den Söldnertruppen seiner Gegner überlegen war.
Die Schreckensherrschaft der Jakobiner (1793–1794)
In der Folge kam es zu einer immer stärkeren Radikalisierung der Revolution. Die Staatsgeschäfte gingen auf Ausschüsse des Konvents – speziell auf
den Wohlfahrtsausschuss – über. Sein Vorsitzender, Robespierre, regierte
mit der Allmacht eines Diktators und machte den Terror zum Herrschaftsinstrument. Die Gewalt richtete sich nicht nur gegen Gegner der Revolution, sie
wütete auch in den eigenen Reihen. Selbst langjährige revolutionäre Mitstreiter wie Danton wurden Opfer des „Großen Terrors“ und landeten unter der
Guillotine. Insgesamt dürften bis zu 40 000 Menschen auf dem Schafott ihr
Leben gelassen haben.
Schließlich setzten Jacques René Hébert (1757–1794) und seine Anhänger
die Liquidierung des Christentums durch, das einem neu etablierten Kult der
Vernunft weichen musste. Aus diesem Grund wurde auch der christliche Kalender durch einen Revolutionskalender ersetzt. Er setzte den Tag der Ausrufung der Republik, den 21. September 1792, als Beginn der Zeitrechnung
fest. Dieser Atheismus erregte aber das Missfallen Robepierres, weshalb auch
Hébert guillotiniert wurde.
Archiv Ed. Hölzel
Aus den Menschen- und Bürgerrechten (1789):
Diese Beschlüsse verbesserten aber vorerst nicht die Lebensverhältnisse der
Bevölkerung. Als es erneut zu einer Steigerung der Lebensmittelpreise kam,
zog daher ein Demonstrationszug nach Versailles und erzwang die Verlegung des Königshofes nach Paris. Die Königsfamilie bezog die Tuilerien,
das alte Stadtschloss, und war von nun an verstärkt dem Druck der Straße
ausgesetzt.
Abb. 69.1: Ludwigs Hinrichtung auf dem
heutigen Place de la Concorde (frz.: Platz
der Eintracht)
Robespierre vor dem Nationalkonvent
(1792):
„Was mich angeht, so verabscheue ich
die Todesstrafe, und für Ludwig habe
ich weder Hass noch Liebe; nur seine Missetaten hasse ich […]. Aber ein
entthronter König im Schoße einer Revolution, die noch weit davon entfernt
ist, durch gerechte Gesetze verankert
zu sein, ein König, dessen Name allein
schon die Geißel des Krieges auf die
erregte Nation herab beschwört: dessen
Dasein kann weder durch Haft noch Verbannung für das öffentliche Wohl gleichgültig werden. Mit Schmerz spreche ich
die verhängnisvolle Wahrheit aus: Es ist
besser, dass Ludwig stirbt, als dass 100
000 tugendhafte Bürger umkommen.
Ludwig muss sterben, weil das Vaterland
leben muss.“
zit. nach: Ernst Walter Zeeden, Europa
im Umbruch, S. 115f.
Wie begründete Robespierre seinen Antrag auf Todesstrafe?
Als Robespierre dem Konvent mit einer neuen „Säuberungswelle“ drohte,
verschworen sich dessen Mitglieder gegen ihn: Robespierre wurde inhaftiert
und mit der Guillotine enthauptet. Die Herrschaft der Jakobiner war damit
zu Ende.
Direktorium (1795–1799) und Konsulat (1799–1804)
Ein fünfköpfiges Gremium, das Direktorium, übernahm nun die Macht im
Staat. Das Land blieb aber innerlich zerrissen. Sowohl Frühsozialisten als
auch Royalisten probten den Aufstand. Nur mit Mühe konnte sich das Direktorium behaupten – bis schließlich ein junger, aufstrebender Offizier das Direktorium auflöste und sich mittels Staatsstreich zum Ersten Konsul machte.
Sein Name: Napoleon Bonaparte.
Archiv Ed. Hölzel
Französische Revolution
„DIE REVOLUTION
IST WIE SATURN, SIE
FRISST IHRE
EIGENEN KINDER.“
Pierre Vergniaud (1753–1793), Abgeordneter des Nationalkonvents, unmittelbar
vor seiner Hinrichtung
Interpretiert das Vergniaud-Zitat!
69
4. Absolutismus und Aufklärung
4.10. Das Zeitalter Napoleons
Napoleon an der Macht
n Zahlreiche europäische Nationen, allen voran Österreich, Preußen und Großbritannien, versuchten die französische Monarchie zu retten und bildeten eine
Koalition gegen das revolutionäre Frankreich. Zeitgleich zu den sich überstürzenden Ereignissen in Paris musste sich Frankreich daher in mehreren Koalitionskriegen gegen seine äußeren Feinde behaupten. Doch bald schon gingen die
französischen Truppen unter dem Oberbefehl von Napoleon Bonaparte in die Offensive und konnten in den folgenden Jahren weite Teile Europas erobern.
Auch das Ägypten-Desaster konnte nicht am strahlenden Image, das Napoleon in Paris genoss, kratzen. Nach seiner Rückkehr aus dem Orient ergriff er
daher die Macht, indem er das Direktorium stürzte und das Amt eines Ersten
Konsuls einnahm. Ihm zur Seite standen zwei weitere Konsuln, die aber lediglich beratende Funktion hatten. Da seine Amtszeit zunächst auf 10 Jahre
beschränkt war, ließ er sich im Jahr 1802 zum Konsul auf Lebenszeit ernennen. Doch auch das war nur eine Zwischenstation für Napoleon: Nur zwei
Jahre später erfolgte seine Krönung zum Kaiser der Franzosen (Erstes Kaiserreich 1804–1814).
Archiv Ed. Hölzel
Napoleon Bonaparte (reg. 1804–1814/15)
Abb. 70.1: Jacques-Louis David: Porträt
Napoleons (1812) – National Gallery of
Art, Washington
Napoleon wurde 1769 auf der Insel Korsika geboren. Mit seinem Eintritt in eine
Militärakademie war seine soldatische Laufbahn vorgezeichnet. 1793 wurde er
im Alter von nur 24 Jahren zum jüngsten General der Revolutionsarmee. Eine
erste Bewährungsprobe lieferte er bei der Niederschlagung eines Royalistenaufstandes. Dies trug ihm als Belohnung den Oberbefehl über die Italienarmee ein.
Schließlich stürzte er das Direktorium und errichtete als Erster Konsul eine Militärdiktatur. Nach seiner Kaiserkrönung (1804) wollte er eine eigene Dynastie begründen. Allerdings blieb seine Ehe kinderlos, so dass er sich von seiner großen
Liebe Joséphine de Beauharnais scheiden ließ. Da Napoleon nur kleinadeliger
Herkunft war, wollte er sich nun mit einem führenden Herrscherhaus verbinden. Aus diesem Grund heiratete er die österreichische Kaisertochter Marie
Louise, die ihm auch den ersehnten Thronfolger (der freilich niemals an die Macht
kam) schenkte. Das Urteil der Nachwelt über Napoleons politisches Leben ist ein
zwiespältiges: Zwar verankerte er im Code Civil (1804) revolutionäre Prinzipien wie
die Gleichheit vor dem Gesetz, doch führte er andererseits durch seine Krönung
zum Kaiser die Französische Revolution ad absurdum.
Erster Koalitionskrieg (1792–1799) und
Ägypten-Feldzug (1798/99)
Die Koalitionstruppen feierten zunächst militärische Anfangserfolge, wurden
aber schon bald von den Franzosen zurück gedrängt, worauf Preußen aus
dem Krieg austrat. Daraufhin verlor Österreich auf dem italienischen Kriegsschauplatz gegen die Revolutionsarmee unter dem Kommando Napoleons.
Der Friede von Campo Formio (1797) brachte französische Gebietsgewinne
in Italien. Außerdem wurde erstmals der Anspruch Frankreichs auf die westrheinischen Gebiete anerkannt.
Archiv Ed. Hölzel
Um die Herrschaft über die eroberten Gebiete abzusichern, entstand die Praxis, Tochterrepubliken, die unter französischer Kontrolle verblieben, zu etablieren. So wurden in Italien in der Folge u. a. die Cisalpinische Republik,
die Ligurische Republik und die Römische Republik begründet. Die 1798
eroberte Schweiz wurde zur Helvetischen Republik umgewandelt.
Abb. 70.2: Leonardo Guzzardi: Porträt
Lord Nelsons (1799) – National Maritime
Museum, Greenwich
70
Nun wollte das Direktorium gegen Großbritannien vorgehen. Auf Grund der
britischen Hegemonie zur See war aber ein direkter Angriff auf England von
vornherein aussichtslos. Daher wurde Napoleon mit der Eroberung Ägyptens beauftragt, um auf diese Weise die britische Mittelmeerherrschaft, aber
auch die Handelsrouten nach Indien zu gefährden. Die Ägypten-Expedition
scheiterte aber: Zwar blieb Napoleon in der Schlacht bei den Pyramiden
siegreich, doch der britische Admiral Lord Horatio Nelson (1758–1805)
bezwang die französische Flotte in der Seeschlacht bei Abukir.
Napoleon
Der Code Civil wurde in
zahlreichen Ländern übernommen und hatte
großen Einfluss bei der Ausarbeitung Bürgerlicher Gesetzbücher. Auch das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
(ABGB), das 1812 in Kraft getreten, auch heute
noch gültig ist, geht auf den Code Civil zurück.
Napoleon bemühte sich nun um eine Stabilisierung der innenpolitischen
Verhältnisse: Mit dem Code Civil (auch Code Napoleon) sorgte er für eine
Vereinheitlichung des Zivilrechts. Revolutionäre Errungenschaften wie die
Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz oder die Abschaffung des Zunftzwanges wurden in ihm in Gesetzesform gegossen.
Die Verwaltung wurde zentralisiert, indem weisungsgebundene Präfekten an
die Spitze der A Départements gestellt wurden. Außerdem ging Napoleon
dazu über, Familienangehörige als Staatschefs in französischen A Satellitenstaaten einzusetzen. So machte er beispielsweise seinen Bruder Louis Bonaparte (reg. 1806–1810) zum König von Holland.
Zweiter Koalitionskrieg (1799–1802)
Auch im Zweiten Koalitionskrieg blieb Frankreich siegreich. Auf Grund des
Friedens von Lunéville wurde das linke Rheinufer, wie schon 1797 vereinbart, an Frankreich abgetreten.
Das Ende des Heiligen Römischen Reichs (1806)
Der Verlust der westrheinischen Gebiete hatte verheerende Folgen für
das Deutsche Reich. Ein Ausschuss des Reichstages, die Reichsdeputation, tagte nun nämlich, um eine territoriale Neugliederung des Reichs
vorzunehmen. Aus diesem Grund wurde im Reichsdeputationshauptschluss die Auflösung fast aller Kirchengüter beschlossen. Auch der
Großteil der freien Reichsstädte wurde liquidiert. Diese Besitzungen
wurden nun als Entschädigung jenen deutschen Fürsten übertragen,
die Gebiete an Frankreich verloren hatten. Hunderte Kleinstaaten verschwanden damit von der politischen Landkarte. Profiteure waren Staaten
wie Bayern, Württemberg und Preußen, die beträchtliche Gebietszuwächse verzeichneten. Aus Dankbarkeit zu Napoleon traten daraufhin
16 deutsche Staaten aus dem Deutschen Reich aus und gründeten den
unter französischer Oberherrschaft stehenden Rheinbund (1806–1813).
Den Realitäten Rechnung tragend, legte Franz II. (reg. 1792–1806) daraufhin die römisch-deutsche Kaiserkrone zurück. Das Heilige Römische
Reich (962–1806) hatte zu bestehen aufgehört! Der Habsburger führte
aber weiterhin einen Kaisertitel, hatte er sich doch als Reaktion auf
Napoleons Krönung bereits 1804 zum österreichischen Kaiser gemacht.
Als solcher wird er als Franz I. (reg. 1804–1835) geführt.
Archiv Ed. Hölzel
Napoleon
Abb. 71.1: Friedrich von Amerling: Porträt von Franz I./II. (1832) – Schatzkammer, Wien
Der Rücktritt von Franz II. als römischdeutscher Kaiser:
„Wir erklären demnach durch Gegenwärtiges, dass Wir das Band, welches Uns
bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst
ansehen, dass wir das reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung der conföderirten rheinischen
Stände als erloschen und Uns dadurch
von allen übernommenen Pflichten gegen das deutsche Reich losgezählt betrachten und die von wegen desselben
bis jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit
geschieht, niederlegen.“
zit. nach: Ernst Walter Zeeden, Europa
im Umbruch, S. 134.
Erstellt einen Zeitstreifen oder ein
Plakat, auf dem die wesentlichen Ereignisse in der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs enthalten sind!
71
4. Absolutismus und Aufklärung
­­



­


­  



­€
 ­


‚ƒ„


  
‚
­
  €‚


­
­­




Abb. 72.1: Europa zur Zeit Napoleons





 €­­
Dritter Koalitionskrieg (1805)
In der Seeschlacht von Trafalgar erlitt die französische Flotte erneut eine
Niederlage gegen Lord Nelson. Durch
die so genannte Dreikaiserschlacht
bei Austerlitz, bei der ein russischösterreichisches Heer besiegt wurde,
konnten die Franzosen letztlich aber
auch diesen Krieg für sich entscheiden.
Der Friede von Pressburg brachte
empfindliche Gebietsverluste für Österreich; unter anderem mussten Vorarlberg und Tirol an die mit Napoleon verbündeten Bayern abgetreten werden.

Vierter Koalitionskrieg
(1806–1807)
Auch das Bündnis zwischen Preußen,
Russland und Großbritannien konnte
die französischen Truppen nicht stoppen. Das preußische Heer wurde in der
Doppelschlacht von Jena und Auerstedt aufgerieben, Napoleon zog als Triumphator in Berlin ein. Im Frieden von Tilsit musste Preußen die Hälfte seines Territoriums abtreten. Der russische Zar Alexander I. (reg. 1801–1825)
entschloss sich angesichts der französischen Übermacht dazu, ein Waffenstillstandsabkommen mit Frankreich zu unterzeichnen.
 Im Kampf gegen das Vereinigte Königreich änderte Napoleon nun seine Taktik, indem er versuchte, Großbritannien wirtschaftlich in die Knie zu zwingen: Die so genannte Kontinentalsperre untersagte jeglichen Handel zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa. Auch Russland versprach an
diesen Wirtschaftssanktionen teilzunehmen.
Archiv Ed. Hölzel
Fünfter Koalitionskrieg (1809)
Abb. 72.2: Georg Wachter: Andreas Hofer
(um 1840) – Städtisches Museum Braunschweig
Das Andreas-Hofer-Lied
„Zu Mantua in Banden“ ist seit 1948 die Tiroler
Landeshymne.
72
Im Jahr 1808 wollte Napoleon auch in Spanien Fuß fassen, stieß aber auf
erbitterten Widerstand. Die Auseinandersetzung entwickelte sich zu einem
regelrechten Volksaufstand, bei dem die Spanier von einem britischen Expeditionskorps unterstützt wurden. Bis zuletzt konnte Napoleon daher diese
Erhebung nicht niederschlagen.
Nach dem Vorbild der Spanier rebellierten die Tiroler Bauern gegen die
bayerische Fremdherrschaft. Anführer des Tiroler Freiheitskampfes war
Andreas Hofer (1767–1810), der in drei Schlachten auf dem Berg Isel die
bayerisch-französische Armee besiegen konnte. Letztlich konnten aber die
Besatzungstruppen den Aufstand niederwerfen. Andreas Hofer musste fliehen. Da sein Versteck verraten wurde, wurde er gefangen genommen und
nach Mantua (Italien) gebracht, wo er exekutiert wurde.
Auch das „offizielle“ Österreich probte den Aufstand gegen Napoleon. In der
Schlacht bei Aspern (1809) blieben die österreichischen Truppen siegreich,
Napoleon
doch nur sechs Wochen später mussten sie sich in der Schlacht bei Wagram
geschlagen geben. Erneut hatte sich Frankreich gegen Österreich durchgesetzt. Franz I. suchte nun eine Aussöhnung mit Napoleon und gab ihm aus
diesem Grund seine Tochter Marie Louise zur Frau.
Der Russland-Feldzug (1812)
Da Zar Alexander I. die Kontinentalsperre aufhob und den Handel mit Großbritannien wieder zuließ, entschloss sich Napoleon mit der aus 600 000 Mann
bestehenden „Großen Armee“ in Russland einzumarschieren. Die Franzosen konnten rasch vordringen, da sich die russischen Truppen keinen größeren Gefechten stellten. Vielmehr lockte man durch sukzessive Rückzüge den
Feind immer weiter ostwärts. Nach zwei Monaten erreichten die Franzosen
Moskau, das weitgehend verlassen vor ihnen lag. Napoleon wollte hier Winterquartier beziehen, doch eine Feuersbrunst zerstörte große Teile der Stadt.
(Wer den Brand gelegt hat, ist bis heute nicht geklärt.) In dieser heiklen Situation trat Napoleon den Rückzug an. Krankheit, Erschöpfung und der einsetzende Winter führten nun zur Katastrophe. Nur wenige tausend Mann überlebten den Marsch zurück.
Tagebucheintrag des württembergischen Offiziers Christian von Martens
(7. November 1812):
„Schlecht gekleidet, meist ohne gute Fußbekleidung, ohne Nahrung und ohne stärkende Getränke, zog alles stumm über die weite Schneefläche hin; wir kamen am
Schlachtfeld des heiligen Tals vorbei, aber tiefer Schnee deckte schon die Tausenden
zu, welche hier gefallen waren. Die unerhörten Leiden mussten endlich alle kriegerische Haltung brechen, welche das Heer noch behauptet hatte; niemand befahl, niemand gehorchte mehr, selbst der stolze Napoleon streckte nun seine Hand aus, nicht
zum Befehl, sondern sie zu erwärmen.“
zit. nach: Ernst Walter Zeeden, Europa im Umbruch, S. 162.
Die Befreiungskriege (1813–1815)
Österreich, Preußen, Russland und England schlossen nun erneut ein Bündnis
gegen Napoleon. Es kam zur Völkerschlacht bei Leipzig, bei der die Koalitionstruppen siegreich blieben. Die Tage des Französischen Kaiserreiches
waren damit gezählt. Die Alliierten marschierten in Paris ein und zwangen
Napoleon zum Rücktritt. Ludwig XVIII. (reg. 1814–1824)1) nahm seinen
Platz ein. Erneut waren damit die Bourbonen an der Macht. Napoleon indes
wurde auf die Mittelmeerinsel Elba verbannt.
Nach den Napoleonischen Kriegen, die fast ein Vierteljahrhundert angedauert hatten, war eine Neuordnung Europas notwendig. Deshalb versammelten sich die führenden Monarchen zum Wiener Kongress (siehe Kap. 5.4.).
Doch noch ein letztes Mal versetzte Napoleon Europa in Aufregung, als er
überraschend nach Frankreich zurückkehrte. Innerhalb kürzester Zeit liefen
tausende Soldaten zu ihm über. Seine Herrschaft der Hundert Tage fand
jedoch in der Schlacht bei Waterloo ihr Ende. Erneut musste Napoleon ins
Exil, diesmal auf die abgelegene Atlantikinsel St. Helena. Hier starb er 1821.
1)
Der zweite Sohn Ludwigs XVI. starb als Knabe während der Französischen Revolution.
Obwohl niemals König von Frankreich, wird er als Ludwig XVII. geführt.
Archiv Ed. Hölzel
Napoleon
Abb. 73.1: Illarion Pryanishnikov: Der
Rückzug der „Großen Armee“ (1812) –
Tretyakov Galerie, Moskau
Versetze dich in die Lage eines
Soldaten der „Großen Armee“ und
schreibe einen Brief an die Daheimgebliebenen!
Das „Journal de Paris“ über die Ereignisse des Dezember 1812:
„Die […] von der großen Armee erhaltenen Nachrichten können nur den
Ruhm […] vermehren, welche die heroische Standhaftigkeit und das mächtige Genie Sr. M. des Kaisers einflößen.
[…] Vielleicht ist nie ein auffallenderes
Schauspiel gewesen, als das Schauspiel
der französischen Armee, die mitten in
einem feindlichen Lande ihrer Artillerie,
ihrer Transportmittel und beinahe ihrer
gesamten Kavallerie durch die Heftigkeit
des Frostes beraubt wurde. In dieser unglücklichen Lage belebt das Genie des
Souveräns alles, sieht alles voraus und
schafft unerwartete Hilfsmittel. […] Der
Marsch der französischen Armee, der
durch keine Schwierigkeit aufgehalten
wird, ist eine Reihe von Triumphen, und
die Operationen endigten sich mit einem
eklatanten Siege, der alle Besorgnisse
zerstreut.“
zit. nach: Ernst Walter Zeeden, Europa
im Umbruch, S. 163.
Wählt ein Ereignis aus der Zeit Napoleons! Formuliert nach dem Beispiel
der beiden Zitate subjektive Stellungnahmen der beiden Kriegsparteien!
73
4. Absolutismus und Aufklärung
Zeittafel
Österreich/
HRR1)
1620–1688: Friedrich
Wilhelm I.
Frankreich
Russland
1589–1610: Heinrich IV.
1610–1643: Ludwig XIII.
1661–1715: Ludwig XIV.
1701: Friedrich I. wird
König in Preußen
1711–1740: Karl VI.
1740–1780:
Maria Theresia
1740–1748: Österreichischer Erbfolgekrieg
1740–1786: Friedrich II.
(Preußen)
1740–1763: Schlesischer
Krieg
1682–1725: Peter I.
1628: Petition of Rights
1629–1649: Bürgerkrieg
1649–1660: England ist
Republik
1679: Habeas-Corpus Akte
1688: Glorreiche Revolution
1689: Bill of Rights
1700–1721: Zweiter
Nordischer Krieg
Briefmarke zum 300.
Jahrestag der MayflowerLandung (1920)
1. Welche beiden Bedeutungen besitzt der Begriff
„Naturrecht“?
2. Woher leiteten die absoluten Monarchen ihren
Herrschaftsanspruch ab?
3. Welche beiden Staatstheoretiker begründeten den
Absolutismus?
4. Was versteht man unter Merkantilismus, wodurch
ist er gekennzeichnet?
Unterschied zwischen ihnen und nenne Vertreter
beider Richtungen!
2. Nenne französische Vertreter der Aufklärung und
fasse ihre Ideen zusammen!
3. Beschreibe einige wissenschaftliche und technische Errungenschaften der Aufklärung und ihre
Bedeutung!
1. Entwerft Plakate, in denen ihr für Ideen der Aufklärung werbt!
2. Gestalte unter dem Titel „Große Erfinder und Wissenschaftler“ eine kleine Ausstellung mit Lebensläufen und Bildern (oder Modellen) berühmter Erfindungen!
Aufgaben zu Kap. 4.4.:
Aufgaben zu Kap. 4.2.:
Wilhelm III. v. Oranien
(reg. 1689–1702)
1774–1792: Ludwig XVI.
1760–1820: Georg III.
1773: Boston Tea Party
1762–1796: Katharina II.
1775–1783: Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg
1776: Unabhängigkeitserklärung
1787: Verabschiedung der
Verfassung
1789–1797: George
Washington
1780–1790: Joseph II.
14. Juli 1789: Sturm auf
die Bastille
1792: Ausrufung der
Republik
1793: Hinrichtung von
Ludwig XVI.
1793/94: „Großer Terror“
1799: Staatsstreich
Napoleon Bonapartes
1804–1814:
Erstes Kaiserreich
1809: Tiroler Freiheitskampf
1809: Schlacht bei Aspern, Schlacht bei Wagram
1812: Russland-Feldzug
1813: Völkerschlacht bei Leipzig
1815: Schlacht bei Waterloo
74
1620: Landung der
Mayflower
1. Informiere dich über Manufakturen heute (z. B. die
Porzellanmanufaktur Augarten) und ihre Betriebsgeschichte!
Ludwig XVI.
1)
Workshop
Aufgaben zu Kap. 4.1.:
1701–1714: Spanischer Erbfolgekrieg
Joseph II.
1804: Österreich wird
Kaiserreich
1806: Rücktritt von
Franz II. als römischdeutscher Kaiser
USA
1584:Gründung von Virginia
1658–1705: Leopold I.
1683: Belagerung Wiens
durch die Osmanen
England
HRR: Heiliges Römisches Reich (Deutscher Nation)
Katharina II.
1801–1825: Alexander I.
1. Welche Maßnahmen setzte Kardinal Richelieu, um
in Frankreich den Absolutismus zu etablieren?
2. Welche Schritte setzte Ludwig XIV., um seine
Herrschaft zu festigen?
3. Weshalb wollte der Herrscher den Adel entmachten
und kontrollieren?
4. Beschreibe die Außenpolitk Ludwigs XIV. und ihre
Folgen!
1. Informiert euch über den Bau des Schlosses Versailles und gestaltet anhand von Bildern einen virtuellen Rundgang durch das Schloss!
2. Sammelt Informationen und untersucht in Gruppen, welche Wirkung der Lebensstil Ludwigs XIV.
in Baukunst, Esskultur, Kleidung, Zeremoniell,
Hoffest, u.s.w. auf andere Herrscher Europas hatte.
3. Diskutiert darüber, wie heute Prominente ihre Auftritte inszenieren und welcher Mittel sie sich bedienen!
Georg III.
1798: Seeschlacht bei
Abukir
1805: Seeschlacht bei
Trafalgar
Thomas Jefferson (reg.
1801–1809) war Verfasser der Unabhängigkeitserklärung und dritter
Präsident der USA.
Aufgaben zu Kap. 4.3.:
1. Welche beiden großen Geistesströmungen entstanden im Zeitalter der Aufklärung? Beschreibe den
1. Nenne wichtige Personen und Schauplätze des
Krieges gegen die Osmanen unter der Regierung
Leopolds I.! Welche Gebiete wurden im Frieden
von Karlowitz Österreich zugesprochen?
2. Was war der Anlass für den Spanischen Erbfolgekrieg? Wie war der Ausgang?
3. Wer war Prinz Eugen von Savoyen?
4. Was versteht man unter der „Pragmatischen Sanktion?“
5. Nenne Merkmale des Aufgeklärten Absolutismus!
6. Skizziere außenpolitisch wichtige Ereignisse der
Regierungszeit Maria Theresias!
7. Beschreibe wichtige Reformen Maria Theresias!
8. Welche ihrer Reformen entsprechen Ideen und Forderungen der Aufklärung?
9. Nenne die wichtigsten Reformen Josephs II.!
10. Was versteht man unter „Kameralismus“?
1. Sammelt Informationen über Maria Theresia und
Joseph II. und erstellt Biographien! Wie sahen ihre
Zeitgenossen diese beiden Herrscher und wie werden sie aus heutiger Sicht beurteilt!
2. Stelle dir vor, du könntest Reformen durchführen?
Stelle deine Reformvorschläge im Plenum vor und
diskutiert darüber!
Alle Fotos: Archiv Ed. Hölzel
75
4. Absolutismus und Aufklärung
Workshop
Aufgaben zu Kap. 4.5.:
Aufgaben zu Kap. 4.8.:
1. Beschreibe die Phasen, die zum Aufstieg Preußens
zur Großmacht führten!
2. Worauf stützte sich die Macht des Königreichs
Preußen vor allem?
3. Was waren die Fortschritte des Preußischen Landrechts gegenüber anderen Gesetzeswerken?
4. Welche Kriege führte Friedrich II.?
1. Nenne die Motive der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung!
2. Erkläre die folgenden Begriffe: Boston Tea Party / Checks and Balances / Föderalismus / Impeachment / Amendment.
3. Worin liegt die Bedeutung der amerikanischen Verfassung? Skizziere sie in den Grundzügen!
1. Informiert euch im Internet über die Geschichte
Polens. Welche Auswirkungen hatte die Teilung?
Inwieweit beeinträchtigte sie die späteren Beziehungen zwischen Polen und Deutschland bzw. Polen und Russland oder Polen und Österreich?
1. Erstelle Kurzbiografien der folgenden Präsidenten:
George Washington / Thomas Jefferson / Abraham
Lincoln.
Aufgaben zu Kap. 4.6.:
Aufgaben zu Kap. 4.9.:
1. Nenne die Reformen, die Peter I. durchführte!
2. Welche Schritte setzte Katharina II., um Russlands
Macht zu erweitern?
1. Was waren die Ursachen für den Ausbruch der Revolution?
2. Nenne die Phasen der Revolution!
3. Erkläre die Zivilverfassung des Klerus!
4. Wieso kam es zu den Koalitionskriegen?
5. Beschreibe die Schreckensherrschaft der Jakobiner
und ihr Ende!
1. Stelle dir vor, du bist Zar Peter I. auf seiner Reise durch Europa. Beschreibe in einem Brief deine
Eindrücke von der Reise!
Aufgaben zu Kap. 4.7.:
1. Skizziere die Etappen auf dem Weg zur konstitutionellen Monarchie!
1. Seit 1642 ist britischen Monarchen der Zutritt zum
Unterhaus, dem House of Commons, verwehrt. Recherchiere warum!
2. In welchen europäischen Staaten gibt es noch heute konstitutionelle Monarchien?
3. Diskutiert: Was haltet ihr von der Staatsform der
konstitutionellen Monarchie? Nennt Vor- und
Nachteile!
76
Workshop
2. Porträtiere die Republikanische und die Demokratische Partei!
1. Stellt den Prozess gegen Ludwig XVI. nach! Ein
Team von „Verteidigern“ bereitet Argumente zur
Entlastung des Monarchen vor, die „Ankläger“ erarbeiten Gründe für dessen Verurteilung. Der Rest
der Klasse fungiert als Geschworene.
2. Porträtiere eine der folgenden Personen: Maximilien de Robespierre / Georges Danton / Jean-Paul
Marat / Jaques René Hébert.
Aufgaben zu Kap. 4.10.:
1. Beschreibe das napoleonische Herrschaftssystem!
2. Nenne die wichtigsten Schlachten der napoleonischen Kriege und erkläre ihre Bedeutung!
3. Warum trat Franz II. als römisch-deutscher Kaiser
zurück?
4. Erkläre die folgenden Begriffe: Tochterrepublik / Code Civil / Reichsdeputationshauptschluss / Rheinbund / Kontinentalsperre / Herrschaft
der Hundert Tage.
1. Während des Ägypten-Feldzugs ließ Napoleon
zahlreiche Kunstschätze nach Paris bringen. Forsche nach anderen Beispielen von Beutekunst!
2. Der Code Civil leitete die Trennung von Kirche
und Staat (Laizismus) ein, die auch heute noch die
französische Gesellschaft prägt. Präsentiere dieses
Staatsmodell!
3. Mit der Kontinentalsperre wollte Napoleon die britische Wirtschaft ruinieren. Gegen welche Staaten
werden heute Wirtschaftssanktionen verhängt und
warum?
4. In Spanien wandten die Aufständischen eine Guerillataktik gegen die französische Besatzungsmacht
an. Was bedeutet das? Nenne zeitgenössische Beispiele!
5. Napoleon wurde zweimal verbannt. Stelle andere
bekannte politische Exilanten der Geschichte vor
und erkläre die Hintergründe!
Mediencorner
Quellen:
Barudio Günter: Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung 1648–1779, Frankfurt am Main 1981
Boesch Joseph, Weltgeschichte vom Beginn des 18. Jahrhunderts
bis 1914, Erlenbach-Zürich 1980.
Burke, Peter, Ludwig XIV. – Die Inszenierung des Sonnenkönigs,
Berlin 2001.
Dippel Horst, Geschichte der USA, München 2003.
In der Maur Wolf, Die Französische Revolution, Wien 1988.
Kant Immanuel, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung, in:
Berlinische Monatsschriften, Bd. 4, 1784.
Lautemann Wolfgang und Schlenke Manfred, Geschichte in Quellen, Bd. 3, München 1966.
Maurer Michael, Geschichte Englands, Stuttgart 2000.
Meyer-Tasch Peter Cornelius (Hrsg.), Leviathan oder Wesen, Form
und Gewalt des bürgerlichen und kirchlichen Staates, Reinbek bei
Hamburg, 1965.
Roma Luigi, Napoleon, Klagenfurt 1987.
Rothenberg Gunther, Die Napoleonischen Kriege, Berlin 2000.
Sachslehner Johannes, Barock und Aufklärung – Geschichte
Österreichs, Wien 2003.
Schulin Ernst, Die Französische Revolution, München 1988.
Schwesig Bernd-Rüdiger, Ludwig XIV., Reinbek bei Hamburg
2001.
Sieburg Heinz-Otto, Grundzüge der französischen Geschichte,
Darmstadt 1984.
Soboul Albert, Kurze Geschichte der Französischen Revolution,
Berlin 1996.
Steilberg Hays A., Flemming Thomas, Chronik Handbuch Amerika, Gütersloh/München 1998.
Vocelka Karl, Glanz und Untergang der Höfischen Welt, in: Österreichische Geschichte 1699–1805, Wien, 2001.
Witz Cornelia, England-PLOETZ – Geschichte von Großbritannien
und Irland zum Nachschlagen, Freiburg/Würzburg 1991.
Zeeden Ernst Walter, Europa im Zeitalter des Absolutismus und der
Aufklärung, Stuttgart 1981.
Zeeden Ernst Walter, Europa im Umbruch – Von 1776 bis zum Wiener Kongress, Stuttgart 1982.
Zöllner Erich und Schüssel Therese, Das Werden Österreichs, Wien
1985.
Filmtipp zu Kap. 4.2.:
Die Machtergreifung Ludwigs XIV. (Frankreich 1966)
Darsteller: Jean-Marie Patte, Raymond Jourdan
Regie: Roberto Rossellini
Historienfilm
Filmtipp zu Kap. 4.7.:
Cromwell (Großbritannien 1969)
Darsteller: Richard Harris, Alec Guiness, Timothy Dalton
Regie: Ken Hughes
Historienspektakel mit tollen Schauspielern!
Filmtipps zu Kap. 4.9.:
Danton (1983)
Darsteller: Gérard Depardieu, Wojciech Pszoniak
Regie: Andrzej Wajda
Ausgezeichneter Film über den französischen Revolutionär
Die Flucht nach Varennes (1982)
Darsteller: Jean-Louis Barrault, Marcello Mastroianni
Regie: Ettore Scola
Der gescheiterte Fluchtversuch der Königsfamilie – großartige
Besetzung!
77
4. Absolutismus und Aufklärung
5. Restauration und Revolution
Im Zeitfenster zu Gast
‰
ˆ „‡ † …­
Archiv Ed. Hölzel
  ‚ ­€

†




…

„†



‡
‚


„…


ƒ‚  ‚ 
 ‚  …ƒƒ
Ž


­€ 

­
† 


­€‚

­ 
ƒ­

‡ƒƒ
ƒ­

Œ

†ƒƒ




„ƒƒ

ƒ


­
†­ 

‡­
­
‹   €
­


ƒ

­

­
­
Š
­
­€
Beatrix Patzak

78
Dr. Beatrix Patzak, geb.1965, 1993
Promotion an der Universität Wien,
Medizin. Seit 1993 Direktorin
des pathologisch anatomischen
Bundesmuseums, seit 1996 niedergelassene Ärztin für Allgemeinmedizin, Arbeitsmedizinerin.

Auf die Frage, warum ein vielbeschäftigter Mann wie der
Kaiser sich persönlich um die Versorgung von Geisteskranken gekümmert hat, glauben Historiker seit einiger
Zeit eine Antwort gefunden zu haben. Sie gehen davon
aus, dass Joseph II. Mitglied des Geheimordens der Rosenkreuzer war, dessen Zahlenmystik auf einem alchemi-
Danach sollte der Narrenturm eigentlich abgerissen werden, blieb jedoch erhalten und stand lange leer, bis er 1920
als Wohnheim für Krankenschwestern adaptiert wurde. Seit
1971 ist in dem Gebäude das Pathologisch-anatomische
Bundesmuseum untergebracht.
Bald nach dem Tod des Kaisers wurde eine Mauer um den
Narrenturm errichtet, damit schaulustige Wiener die Insassen nicht stören konnten. Die meisten Patienten litten laut
Aufnahmediagnose an „Gemüthsstörungen mit Ekstasis“
oder Verstandesstörungen wie „Exaltation“ (Paranoia),
Depression und Mania, am häufigsten jedoch an Delirium
tremens (Alkoholdelirium).
Wahnsinnige lebten entweder im Familienverband, in
kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen oder – im 18. Jahrhundert zunehmend – neben Verbrechern in Zucht- und
Tollhäusern. Ab Montag, den 19. April 1784 wurden sie
laut kaiserlicher Anweisung im „Irrenthurm“ behandelt:
„Daher sind 66 Kranke aus St. Marx und 43 aus dem spanischen Spitale jeweils 2 in einer Zelle, immer Männer zu
Männer und Frauen zu Frauen, in bestimmte Zimmer in
bestimmten Stockwerken unterzubringen. Die zwei unteren Stockwerke bleiben leer, sie sind reserviert für die
Militärirren oder den anderen Zuwachs.“
‚­ 
In den ersten Jahren gab es in den Zellen der Anstalt keine
Türen; friedliche Kranke konnten sich frei im Turm bewegen, die Tobenden wurden angekettet. Später setzte man
auch Mittel wie Bettgurte oder Zwangsjacken zur Ruhigstellung der Kranken ein.
1852 wurde die neue psychiatrische Anstalt am Bründlfeld
in Betrieb genommen, die fortan die meisten Psychiatriepatienten aufnahm. Im Narrenturm landeten mehr und mehr
die unheilbaren, hoffnungslosen Fälle – bis das Gebäude
1869 als Anstalt geschlossen wurde.
€
­





 

­€
€

­
€
‚€
ƒ
…

„
 
… „…
Nun ist 66 in der arabischen Tradition die Zahl Gottes,
während 28 in der Kabbala die Bedeutung „Gott, der du die
Kranken heilst“ trägt und zudem die Zahl des Mondmonats
ist. Das gesamte Gebäude könnte also ein Mondkalender
sein …
Beim heutigen Narrenturm, der 1784 fertig gestellt wurde,
handelte es sich um die erste Anstalt in Europa, die ausschließlich zur Behandlung Geisteskranker errichtet wurde. Zur Zeit Josephs II. galt das „Irresein“ noch als heilbar,
und die Ärzte unterschieden zwischen Krankheitsformen
wie Melancholie, Tollheit, Unsinnigkeit und Wahnwitz.
Heilungsversuche unternahmen sie mittels Schröpfen,
Aderlass, Brech- oder Abführmitteln, um die „Säfte“ des
Körpers wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
­
 ‚
­

‚

€
‚ „
Joseph II. war von 1765 bis 1790 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Nachdem er in Frankreich soziale Einrichtungen besichtigt hatte, gestaltete der
Reformer ab 1781 das Wiener Sanitätswesen von Grund
auf neu. Das Invalidenhaus am Alsergrund sollte umgebaut
und zum größten und modernsten Krankenhaus Europas
werden. Dieses Allgemeine Krankenhaus war für die Führung dreier öffentlicher Anstalten zuständig: die eigentliche
Krankenanstalt, eine Gebäranstalt und eine Irrenanstalt.
Den „Irrenthurm“ machte Joseph II. allerdings bald zu seinem Privatprojekt, das er aus eigenen Mitteln finanzierte.
Š
‚­ 
stischen Denkschema beruht. Der Narrenturm folgt dieser
Mystik mit erstaunlicher Konsequenz: Der Rundbau ist 5
Stockwerke hoch und hat einen Umfang von 66 „Wiener
Klaftern“. In jedem Stockwerk gehen 28 Zimmer an die
Außenfront. Und auf dem Dach des Quertrakts befand
sich ein Oktogon, eine achteckige Holzkonstruktion, die
Joseph II. mehrmals pro Woche besucht haben soll.
Im 13. Hof des heutigen Uni-Campus, auf dem Areal des
ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses, steht ein auffälliger Rundbau in „Gugelhupf“-Form. Es ist der Narrenturm – ein bedeutendes Denkmal zur Geschichte der
Krankenversorgung und der Medizin im ausgehenden 18.
Jahrhundert (siehe Abb. 60.2).
Beatrix Patzak
„Schröpfen und Aderlass“ – Der Wiener Narrenturm im Wandel der Zeit

Abb. 79.1: Europa im 19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert war weniger von zwischenstaatlichen Konflikten als von gewaltigen innenpolitischen, gesellschaftlichen, kulturellen,
wirtschaftlichen und technischen Umwälzungen
geprägt.
Dabei bildeten folgende Ereignisse massive Einschnitte in den Verlauf des Jahrhunderts:
• Die Industrielle Revolution, welche ab der
Jahrhundertwende die wirtschaftlichen und technischen Produktionsweisen nachhaltig veränderte und dabei große Umwälzungen innerhalb
der europäischen Gesellschaft in Gang setze.
• Der Wiener Kongress von 1814/15, bei dem die
Wiederherstellung der Machtverhältnisse in Europa nach der Napoleonischen Ära beschlossen
wurde (Restauration).
• Das Revolutionsjahr 1848, das die Ideen des
Liberalismus und des Nationalismus in die
Praxis umsetzen wollte. Jedoch wurden die politischen Verhältnisse in Europa kaum beeinflusst,
da nationalstaatliche Bewegungen wie in Italien (Risorgimento) und demokratische Bestrebungen niedergeschlagen wurden.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914, der
den Untergang von vier Monarchien nach sich
zog, war der Schlusspunkt dieser Entwicklung.
79
Herunterladen