1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase

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1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
131
o
Versuch 22. Nachweis des Luftdruckes (Bild 1.144). Eine einseitig zugeschmolzene, etwa
80 cm lange Glasröhre wird ganz mit Quecksilber gefüllt. Man verschließt sie dann mit
dem Finger und taucht sie umgekehrt in eine Schale mit Quecksilber. Jetzt gibt man die
Öffnung frei . Es fließt nur wenig Quecksilber aus. In der Röhre bleibt eine Säule von über
70 cm Höhe stehen. Die senkrechte Höbe h der Säule ändert sich auch bei Neigung des
Rohres nicht, solange dessen geschlos enes Ende hoch genug gehalten wird. 0
Offenbar hält der auf den unteren Quecksilberspiegel wirkende Luftdruck dem Schweredruck
der Quecksilbersäule von der Höhe h das Gleichgewicht Der Raum über der Quecksilbersäule
heißt das Torricellische Vakuum. Er ist bis auf Quecksilberdampfmit einem Druck von etwa
10- 3 h Pa leer. Mit einem solchen Versuch gelangTe rricell i im Jahre 1643 zum ersten Mal
die Messung des Luftdruckes, dessen Kraftwirkung von Ot t 0 von G u erick e (1602 bis
1686) etwa zur gleichen Zeit mit den "Magdeburger Halbkugeln" demonstriert wurde.
Anwendungen. Die Abhängigkeit der Dichte vom Druck benutzt man bei PreßgasOaschen, die Gase
bis zu einem Druck von etwa 300 bar enthalten. Das in einer 40-Liter-Flasche enthaltene Gas nimmt
z. B. bei einem Druck von 1 bar 12000 Liter ein.
Der Schweredruck in Luft erzeugt eine (statische) AuItriebskraft. Man nutzt sie z. B. für Ballons aus.
Außerdem ist sie für den "Zug" in Öfen verantwortlich (erwärmte Luft hat eine geringere Dichte!). Bei
genauen Wägungen in Luft muß der Auftrieb berücksichtigt werden.
Die Abhängigkeit des Luftdruckes von der Höhe benutzt man in barometrischen Höhenmessern. Das
sind Druckmesser, deren Skala gleich in Metern geeicht ist. Wegen der wetterbedingten Luftdruckschwankungen muß ihr Nullpunkt ständig kontrolliert werden.
Der Luftdruck kann nur Wassersäulen von etwa 10 m Höhe das Gleichgewicht halten. Daher können
Saugpumpen nicht aus größerer Tiefe fördern.
Aufgaben zu Abschn. 1.6.2
1. Zwei gleich große Preßluftnaschen haben den Druckunterschied 1,5 bar. Verbindet man sie
miteinander, teUt sich der gemeinsame Druck 4,5 bar ein. Wie groß sind beide Anfangsdrücke?
2. Einer PreßluftJlasche von 40 Liter Inhalt mit dem Druck 50 bar wird 1 m 3 Luft mit einem Druck
von 1 bar entnommen. Auf welchen Betrag sinkt der Druck in der Flasche?
3. Die Dichte von Rauchgasen ist bei einer mittleren Temperatur von 150 C im lnnern eines
Schornsteins 0,84 ko m 3 , die Dichte der kalten Luft 129 kgfm 3 . Welcher Druckunter chied folgt
daraus für einen 30 m hohen Schornstein?
4. Wie groß ist der mittlere Luftdruck in München (540 m über Meereshöhe) und auf der Zugspitze
(2963 m über Meereshöhe)? (Luftdruck in Meereshöhe 1,01 bar.)
5. Ein mit Wa ser toff gefüllter Wetterbeobaehtungs-Ballon hat am Erdboden (Po = 1,0 I bar) die
Tragkraft (Auftriebskraft minus Gewichtskraft der Gasfüllung) 19,62 .
a) Wie ändert sich seine Tragkraft beim Aufstieg in große Höhen, wenn seine Hülle am Erdboden so
schlapp und faltig ist, daß das Volumen des eingeschlos enen Gases beliebig zunehmen kann?
b) Bis in welche Höhe kann der Ballon steigen , wenn der Radius seiner kugelförmigen Hülle maximal
auf 2 m anwachsen kann?
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
Die Gesetzmäßigkeiten strömender Gase können zusammen mit denen der Flüssigkeiten
behandelt werden, wenn wir die Gase ebenfalls als praktisch inkompressibel betrachten.
Diese Annahme ist erlaubt, wenn wir für Gase nur Strömungsgeschwindigkeiten bis etwa
50 m/s und HöhendilTerenzen bis etwa 100 m zulassen, wie wir unten noch sehen werden.
132
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
Unter dem Begriff der Flüssigkeit sollen daher im folgenden auch die
Gase ve rs ta n d en werden.
1.6.3.1 Ideale oder reibungsfreie stationäre Strömung
Die bei einer trömenden Flüssigkeit vorkommenden Erscheinungen sind für den
Ingenieur immer dann interessant, wenn Flüssigkeiten an festen Körpern entlang strömen.
Da i t der Fall bei einer Strömung durch Rohre oder um ein Hindernis, z. B. um die
TragOügel eines Flugzeuges.
Delinition : VernacWä sigt man die an den Grenzflächen von Körpern und Flüssigkeit
zwi chen einzelnen Flüssigkeitsschichten auftretenden Reibungskräfte, so spricht man
von reibung freier oder idealer Strömung.
Da ich viele wichtige Erscheinungen mit den Gesetzmäßigkeiten der idealen Strömung
hinreichend be chreiben lassen, wollen wir zunächst nur diese behandeln. Wir nehmen
zusätzlich an, die Strömung sei s tat ion ä r.
Delinition: Eine Strömung ist stationär, wenn alle Strömungsgrößen (Drücke,
Strömungsgeschwindigkeiten usw.) nur vom Ort und nicht von der Zeit abhängen.
Zum Beispiel bleiben die in Bild 1.145 gezeichneten Geschwindigkeiten Vb V2 und V3 an
den Punkten PI> P 2 und P 3 bei einer stationären Strömung durch ein Rohr unverändert
erhalten.
2 3
1.J45 Zur Definition einer tationären Strömung
1.146
trömung apparat
Strombahnen und Stromlinien. Zur Veranschaulichung diene der folgende
o
Ver uch23. Bild 1.146 zeigt einen sog. Strömungsapparat. Dieser besteht im
we entlichen au zwei senkrecht im Ab tand von etwa 1 mm stehenden an den Rändern
dichten Glasplatten 1 zwi chen die von oben durch eine Reihe von Löchern, die
abwech elnd dem vorderen oder hinteren Vorrat behälter 2 und 3 zugeordnet sind, klares
und gefärbtes Was er Oießen kann. Dadurch kann man die Bahnen nebeneinander
eintretender Flü igkeit teilchen verfolgen.
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
133
Die in der trö mung vo n einem Flüssigkeitsteilchen durchlaufene Bahn nennt man
eine Strombahn (o ft a uch " Bahnlinie").
Eine Kurve, deren Ta ngente injedem Kurvenpunkt die dort vorhandene Geschwindigkeitsrichtung angibt, heißt Stromlinie.
Bei einer tationä ren Strömung timmen Stromlinien und Strombahnen überein.
Wenn die Flüssigkeit nicht zu chnell trömt, beobachtet man, daß die Strom bahnen sich
zwar bei der Querschnittsverengung vor der Ausf]ußöfTnung zusammendrängen, sich
jedoch nicht vermi chen oder kreuzen. D
Eine Strömung mit sich nicht kreuzenden Strom bahnen heißt laminare Strömung.
[deale stationäre Strömung bei wechselndem Querschnitt. Da wir annehmen, die
Flüssigkeit sei nicht zusammendrückbar, muß durch jeden Querschnitt eines Rohres
(Bild 1.147) in der gleichen Zeit M das gleiche Volumen il V hindurchtreten.
Das ist nur möglich, wenn die Flüssigkeit
im kleinen Querschnitt schneller strömt
als im größeren. An der Stelle 1 in
Bild 1.147 ist ilV = Al ils l = Al vl M,
und an der Stelle 2 ist il V = A 2 ils 2
= A2v2 M. Aus Al Ul M = A 2v2 M folgt
nach Kürzen durch M die
1.147 Zur Kontinuitätsgleichung
Kontinuitätsgleichung
oder
(1.47)
Strömt eine ideale Flüssigkeit durch ein Rohr, so verhalten sich die Strömungsgeschwindigkeiten umgekehrt wie die Rohrquerschnitte.
Zum Beschleunigen der Flüssigkeit von der kleinen Geschwindigkeit im großen
auf die große Geschwindigkeit im kleinen Querschnitt ist eine Kraft erforderlich.
Diese muß durch einen Druckunterschied im Inneren der Flüssigkeit, also einen
Unterschied der statischen Drücke, entstanden sein. Dabei ist der Druck P2 an
der Engstelle kleiner als der Druck Pl im großen Querschnitt. Berücksichtigt man
noch, daß sich bei Quer chnittsverkleinerung die Strom bahnen zusammendrängen,
so erhält man eine für das grundsätzliche Verständnis vieler Erscheinungen sehr
nützliche
Regel: Zusammengedrängte Strom bahnen bedeuten niedrigen, auseinandergerückte
hohen statischen Druck.
134
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
Berechnung des statiscben Druckes in Abhängigkeit von der Strömung ge chwindigkeit. Um
die Betrachtung möglichst allgemein anzustellen, führen wir sie für ein Rohr gemäß
Bild 1.148 durch, bei welchem das Rohrstück mit dem kleineren Querschnitt A 2 in einer
größeren Höhe h 2 als dasjenige mit dem größeren Querschnitt A I liegen soll; diese liege in
einer Höhe h1 über einem willkürlich gewählten Bezugsniveau. Im weiten Rohr seien die
Strömungsgeschwindigkeit VI und der statische Druck Pt. im engen Rohr die enl prechenden Größen V2 und P2'
In einem Zeitintervall !J.t verschiebt die von
link kommende Strömung, die z. B. von
pz
einer Pumpe vorwärtsgedrückt wird, wie
ein Kolben den Quer chnitt A I um das
Wegstückchen .1s 1 = VI .1t. Dabei verrichtet sie gegen die dort wirkende Druckkraft
FI=PlA I die Arbeit .1W I =F l .1S 1
= PI A 1 .1s l ·
1.148 Zur Herleilung der Bernoullischen Gleichung
In der zwischen AI und A 2 befindlichen Flüssigkeit entsprechen der Arbeit .1W l die
folgenden Arbeitsanteile:
1. Der Querschnitt A 2 wird gegen die Druckkraft F 2 = P2A2 um das Stück
.1s 2 = V2 !J.t nach rechts verschoben. Dabei wird die Arbeit .1 W 2 = F 2 .1s 2 = P2A2 .1s 2
verrichtet.
2. Die Flüssigkeitsmenge mit dem Volumen .1 V = AI .1s 1 und der Masse.1m = {! .1 V wird
aus der Höhe h l in die Höhe h2 gehoben. (Was unten wegströmt, kommt oben hinzu; daher
gilt auch .1 V = A 2 .1s 2). Dazu ist die Hubarbeit
erforderlich.
3. Die gleiche Flüssigkeitsmenge .1 V wird von der Geschwindigkeit VI auf die Geschwindigkeit V2 beschleunigt. Die dazu nötige Beschleunigungsarbeit ist
.1Wn =
1
1
1
2
1
2
"2 .1mv 22 - "2 .1mv 2l = "2 (} .1VV2 - "2 (! .1VVl
Da wir eine ideale Strömung betrachten, können wir von der Reibungskraft absehen. Es
gil t daher .1 W 1 = .1 W 2 + .1 WH + .1 W ß und nach Einsetzen
Da .1 V
=
Al .1s 1 = A 2 .1s 2 ist (s.o.), können wir durch .1 V kürzen und erhalten
PI
= P2 + (}g(h 2 -
hl )
1
2
+ "2 {!V2
-
"21 {!Vl2
135
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und G ase
Wir ordnen noch nach lnd ize und erhalten so die
Bernoullische ' ) Gleich ung
PI
oder
+ {lgh t +
P+
{lg h
+
1
'2
1
'2
z
{lV I
(lv
2
1
= pz + (lg h z + '2
Z
(1.48)
(l Vz
= const
(1.49)
Diese Gleichung gilt nicht nur für Strömungen in Rohren, sondern auch bei Strömungen
um Hindernis e, ola nge sich die Stromlinien nicht kreuzen. Denn die Bewegung der
Flüs igkeitsteilchen in einem Bündel von Strom bahnen, einem sog. Stromfaden, kann
man ja als Strömung in einem dünnen Rohr auffassen.
Diskussion d e r Bernoulli s chen Gleichung. 1. Ruht die Flüssigkeit (Vi = Vz = 0),
so wird Pi = pz + (lg(h 2 - h 1)' d. h. der statische Druck Pi ist gleich dem statischen Druck
P2, vermehrt um den Schweredruck der (hz - h d hohen F lüssigkeitssäule. Das ist in
Übereinstimmung mit Abschn. 1.6.1.3.
2. Sind die Höhen h 1 und h2 nur wenig voneinander verschieden, so wird
vernachlässigbar. Die Bernoullische Gleichung vereinfacht sich dann zu
Pi
+
1
'2
z
{lV 1
1
2
= P2 + '2 {lV2
oder
1
P + '2
(l v
2
= const
(lg(h 2 -
hd
(1.50)
In dieser Form läßt sich z. B. auch der statische Druckunterschied Pi - P2 in Luft, die aus
der Ruhe (v 1 = 0) auf die eingangs genannte Geschwindigkeit V2 = 50 mls gebracht wird ,
berechnen. Dieser ist
1
1
Pi - P2 = '2 (lV~ = '2'1,29 kg/m 3 . 2500 m 2/ s 2 = 1613 N /m 2 = 1,61 ' 10 -
2
bar
Demnach ändert sich a uch die Dichte der Luft nur um weniger als 2% . Von der gleichen
geringen Größenordnung ist die Dichteänderung der Luft in Erdbodennähe bei etwa
100 m Höhendifferenz. Unsere Annahme konstanter Dichte ist also berechtigt.
Statischer Druck, Staudruck und Gesamtdruck. Der s tat i s c he Druck ist der Druck in der
ruh en den Flüssigkeit. In einer Strömung mißt man ihn daher mit einem Manometer,
das mit dem strömenden Stoffmitbewegt wird , oder dessen Öffnungsnormale se n krec h t
auf den S tr 0 mb ahn e n steht. Denn in dieser Richtung ist ja die Strömungsgeschwindigkeit stets gleich Null (Bild 1.149).
Hält man dagegen die Manometeröffnung ge ge n die Strombahnen, so s tau t man dort
die Strömung (Bild 1.150). Die Geschwindigkeit sinkt von VI auf den Wert V2 = O. D as
Manometer zeigt jetzt den Wert P2 = PI + (1/2) (lvi an. Er ist um den Betrag (1 / 2) (lvi
I) D. Bernoulli (1700 bis 1782).
136
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
/P,
~
--
/.;,. ~
:'>
.
V2"O
PZ " P,
j
. ......
1.150 Mes ung des Gesa mtdruckes
t.149 Messung des statischen Druckes
größer als der statische Druck PI in der ungestörten Strömung. Diesen zu ätzlichen Anteil
nennt man den hydrodynamischen Druck oder Staudruck.
P2 ist dann die Summe aus statischem Druck und Staudruck. Er heißt Gesamtdruck.
Mit diesen Begriffen kann man die Bernoulljsche Gleichung auch so formulieren:
Längs einer Stromlinie ist, bei Vernachlässigung von Höhenunterschieden, die
Summe aus statischem Druck P und Staudruck (1/ 2) ev 2 , der Gesamtdruck
2
PGcs = P + (1/2) ev , konstant.
Anwendungen
Venturidüse l ) 0 Versuch 24 (Bild 1.151 a). Wir messen mit zwei Was ermanometern die statischen
Drücke PI und P2 in einer von Luft durchströmten Röhre mit den Querschnüten A I und A 2 . Wie zu
erwarten, ist PI größer als P2- Ein einziges Wassermanometer (Bild 1.151 b) zeigt direkt den
Differenzdruck tlp = PI - P2 an. 0
Bei Kenntnis der Querschnitte A I und A 2 und der Dichte
Strömungsgeschwindigkeit v I schließen.
{!
können wir aus tlp auf die
Denn es gilt nach GI. (1.50)
tlp = (1 /2) (Jv~ - (1 /2) {!V~ = (1 /2) (J(v~ - vi)
Wegen der Kontinuitätsgleichung Alv l = A 2 v2 ist aber
V2
= vIAI / A z. Damit wird
und
Ein einfaches Rohr mit verschiedenen Querschnitten (Bild 1.151 b), eine og. Vcnturidüse, erlaubt es also, ohne bewegte Teile durch Dirrerenzdruckmessung Strömungsge chwindigkeiten
und damit sog. Volumen ströme (s. u.) zu bestimmen. Das ist z. B. in der Verfahrenstechnik sehr
wichtig.
I)
ach G. B. Ve n t u r i (1746 bis] 822).
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
1.151. (a) Statischer Druck bei verschiedenen Querschnitten
(b) Venturidüse
137
1.152 Prandtlsches Staurohr
P2 - PI = (l t2) ev~
Prandtlsches l ) Staurohr 0 Versuch 25. Man kann den Staudruck in einer Strömung direkt messen, wenn
man mit einem Differenzdruckmesser gleichzeitig den Gesamtdruck und den statischen Druck erfaßt. D as
geschieht mit einem in Bild 1.152 im Schnitt gezeichneten P ra n d t Isc he n S ta u ro h r. An der Öffnung 2,
dem S tau p unk t, mißt man den Gesamtdruck P2' an den Öffnungen 1 den statischen Druck PI' 0
Dann gilt t:..p
= P2 - PI = (1 /2) gvr
Daraus ergibt sich die Geschwindigkeit der freien Strömung zu
V J = V2 t:..p/g. Das Staurohr benutzt man deshalb ebenfalls schr häufig zur Mess ung von
Ström u ngsgesch wind igkei ten.
Ausfluß aus einer Gefäßöffnung. In der Höhe h unter dem Flüssigkeitsspiegel 1 cincs Gefäßes
(Bild 1.153) befindet sich eine Ausflußöffnung 2. Der statische Druck ist am Spiegel und an der
AusflußöfTnungglcich dem äußeren Luftdruck PL' Wenn die AusOußöffnung sehr klein gegenüber dem
Gefäßquerschnitt ist, sinkt der Spiegel fast nicht; d. h. VI ~ O. Dann wird (gemäß Bild 1.153)
PL
1
2
+ ggh l = Pl + ggh 2 + '2 gV2
Daraus ergibt sich
V2
= V2g(h l
-
h 2) =
~.
Die Flüssigkeit tritt mit einer solchen Geschwindigkeit aus, als ob sie die Höhe h frei durchfallcn
hätte. (Theorem von Torricelli).
Ein entsprechendes Ergebnis erhält man für eine Öffnung am Boden (Bild 1.154).
Oft interessiert der og. Volumenstrom.
Definition:
Austretendes FI üssigkei tsvol urnen
Volumenstrom = ----=---,----=---,---Zeit, in der es austritt
dV
Q= -
dt
A ds
= -
dl
= Av
Dabei ist Ader wir k sam e Querschnitt der AusOußöffnung und vdie AusOußgeschwindigkeit. Der
wirksame Querschnitt hängt von der Flüssigkeit und der Formgebung der Öffnung ab (Bild 1.155).
I) Nach L. Pr an d tl (1875 bis 1953).
11_ _
138
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
~
v,-O
:t%~;h
- --~,
--____
.c::N 2 ~
~.\
-- -
•
~ v-12gii'
,~
1.154 Ausfluß aus einer BodenöfTn ung
,,~
1.155
Wirksamer Querschnitt A für Ausfluß von Wasser bei ver chiedenen Formen
der Au trittsöfTnung. Der geometrische Querschnitt A o ist in allen drei Fällen
gleich groß
~F
1.153 Ausfluß aus einer seitlichen
ÖfTnung
Saugwirkungen einer Strömung
a) Hydrodynamisches Paradoxon
o Versuch 26 (Bild 1.156). Luft strömt aus der Mitte der beiden lose aneinandergehängten Platten
1 und 2 zu den Rändern, wo sich der Strömungsquerschnitt erweitert. Da hier Atmosphärendruck
herrscht muß zwischen den Platten Unterdruck herrschen. Die lose Platte wird "angesaugt". Sie
unterbri~ht den Luftstrom, fällt ab, wird wieder angesaugt usw. (Durch ähnliche Bewegungen des
Gaumensegels entsteht das Schnarchen). 0
b) Zerstäuber (Bild 1.157). Der Querschnitt des Luftstromes 1 wird an der Stelle 2 verkleinert.
Durch den entstehenden Unterdruck wird die Flüssigkeit 3 "hochgesaugt" und mitgerissen.
1.156 Hydrodynamisches Paradoxon
1.157 Zerstä uber
c) Wasserstrahlpumpe (Bild 1.158). Der Querschnitt des aus der engen Düse 1 tretenden
Wasserstrahles 2 vergrößert sich erheblich, bis zum Austritt in die Luft 3. Da hier Atmosphärendruck
herrscht, muß bei I und damit in einem angeschlossenen Gefäß ein niedrigerer Druck herrschen, vgi.
Aufgabe 1. (Der Restdruck ist der Dampfdruck des Wassers -:::::,27 h Pa bei Zimmertemperatur,
s. Abschn. 2.4.2.3.)
d) 0 re h mo men t auf eine schräg zu r Strö m u n g ste he n de PI a tte (Bild 1.159). An den in
Bild 1.159 gezeichneten Stellen A an der Platte 1 rücken die Stromlinien zusammen, an den Stellen
B auseinander. Demnach ist bei A Unter-, bei B Überdruck. Das entstehende Drehmoment stellt die
Platte senkrecht zur Strömung. Man denke z. B. an ein zu Boden fallende Blatt.
e) Auftrieb von Flugzeugen. Er wird unten in Abschn . 1.6.3.3 behandelt.
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
139
~
----=.:=----
1.158 Wasserstrahlpumpe
1.159 Drehm oment aur eine schräg zur Strömung
stehende Platte
Aufgaben zu Abschn. 1.6.3.1
1. Aus der unteren Öffnung einer Wasserstrahlpumpe mit dem Querschnitt 0,75 cm 2 strömt das
Wasser mit der Geschwindigkeit 2 m/s. Der statische Druck ist hier der Luftdruck. Wie groß müssen
die Geschwindigkeit des Wassers an der engen Düse und deren Quer chnitt sein, damit dort der
Druck Null herrscht? (Der Dampfdruck werde vernachlässigt.)
2. Aus einem Loch mit dem Durchmesser 10 mm am Boden eines 1 m hoch gefüllten geschlossenen
Behälters mit 1 m Durchmesser tritt Wasser aus. Wie groß ist die AusOußge chwindigkeit, wenn über
dem Wasserspiegel der Überdruck 0,1 bar herrscht ?
3. Wie groß darf die Strömungsgeschwindigkeit an den Enden einer dicht unter der WasseroberOäche
rotierenden SchiITsschraube höchstens sein, damit der Dampfdruck des Wa ers von 27 h Pa nicht
unterschritten wird und Kavitation (s. Ab chn. 1.6.1.5) eintritt? (Luftdruck über dem Wa er 1,01 bar).
4. Eine Wasserturbine hat den Eintrittsquerschnitt 0,03 m 2 und den Austritt querschnitt 0,06 m 2 .
Welche Eintrittsgeschwindigkeit hat da Wasser bei der Leistung 300 kW?
5. Welches Querschnittsverhältnis hat eine Venturidüse, die bei einer Luftströmung mit der
Geschwindigkeit 4,6 m/s den DilTererlZdruck J96 Pa ergibt?
1.6.3.2 Innere Reibung. Reale Strömung
Im vorigen Abschnitt hatten wir angenommen, die einzelnen Flü sigkeit schichten eien
reibungsfrei gegeneinander verschiebbar, und e wirkten keine Adhäsionskräfte zwischen
der Flüssigkeit l ) und den umströmten Körpern. Diese Idealisierung ist auch in vielen
Fällen brauchbar (s. Z. B. die obigen Aufgaben). Eine Fülle von Er cheinungen läßt sich
jedoch nur verstehen, wenn man berücksichtigt, daß zwischen gegeneinander bewegten
Flüssigkeitsschichten Reibungskräfte wirken. Da diese im Inneren der Flüssigkeit
auftreten, spricht man von in n e re r Rei b u n g im Gegensatz zur äußeren Reibung an den
Außenflächen von Festkörpern (s. Abschn. 1.3.3.2). Zur Ermittlung der Gesetzmäßigkeiten der inneren Reibung diene der folgende
o
Versuch 27 (Bild 1.160). In einem zylindrischen Gefäß 1 mit 102 mm Durchme ser
befindet sich, leicht drehbar gelagert, ein zweiter Zylinder 2 mit 100 mm Durchmesser.
') Flüssigkeit sei hier wieder, wie im vorigen Abschnitt, der SammelbegriITfür wirkliche Flü igkeiten
und Gase.
140
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Ga e
Zwischen beiden Zylindern befindet sich eine Flü sigkeit mit der Höhe h, die bei bei den
Zylindern etwa die gl.~ic?e ?berf1äche A bed ec~~. Die e Oberf1üche A kann durch
verschieden hohen Flusslgkeltsstand meßbar va w ert werden. m obe ren Rand des
Zylinders 2 ist eine dünne Schnur 3 aufgewickelt, mi t deren H ilfe er über die Rolle 4 durch
die Kraft F so gedreht wird, daß die Umfang ge chwindigkeit v kon tant bleibt. Man stellt
fest: Die zur Kompensation einer Reibungskraft vo m gleichen Betrag dienende Kraft Fist
proportional der Fläche A und der Geschwindigkei t u. Au ßerdem hä ngt ie bei gleichem
A und v noch von der Art der Flüssigkeit (z. B. Wa ser oder Glyze rin) ab. Wiederholt man
die Versuche mit einem anderen Innenzylinder, so daß die Flü sigkei t chichtdicke x nur
noch halb so groß ist, so sind bei gleichem A und v in der gleichen F lüs igkeit die
entsprechenden Kräfte doppelt so groß. D
1.160 Versuch zur Bestimmung der inneren Reibung
1.161 Ge chwi nd igkeitsvenei lung verschiedener
F Iüssigkeitsschich ten
Wir deuten den Versuch folgendermaßen: An beiden die Flüs igkeit begrenzenden
Flächen bewirken die Adhäsionskräfte festes Anhaften einer dünnen Schicht, die jeweils
die Bewegung der zugehörigen Fläche mitmacht. Dazwischen gleiten Schichten mit von
außen nach innen wachsenden Geschwindigkeiten aneinander vo rbei (wie die Seiten
eines Buches, das man zwischen zwei Händen "schert") (Bild 1.161). Sie übertragen alle
in Strömungsrichtung auf die Nachbarschicht die Kraft F. Da bei ist F ~ Av/x. Den
Quotienten v/x können wir gemäß Bild 1.161 auch durch das G esc hwindigkeitsge fä I I e dv/dx unmi ttel bar an der bewegten Platte ersetzen. D ann beschränkt sich
unsere Aussage nicht nur auf ein lineares "Geschwindigkeitsprofil", wie wir hier
annehmen. Mit Verwendung des Proportionalitätsfaktors YJ könn en wir zusammenfassen:
Die innere Reibungskraft F zwischen zwei Flüssigkeits chichten mit der Berührungsfläche A, die im Abstand dx mit dem Geschwindigkeitsunter chied dv aneinander
entlanggleiten, ist
dv
dx'
F="'A- '
"
Newtonseher Reibungsansatz
(1.51)
I'f ist der Koeffizient der inneren Reibung. Man nennt ihn auch dyn amische Zähigkeit
(kurz: Zähigkeit) oder Viskosität. 1] hängt vom Stoff, von der Tempera tur und vom
Druck ab (s. Tafel 1.162).
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
141
Einheit der dynamischen Zähigkeit. Da 1'/ = (F/A) dx /dv ist, ergibt sich als Einheit
Ns
1 - 2 =1 Pas
m
Tafel 1.162 Zähigkeiten verschiedener Stolle in Nsj m 2 bei 1,01 bar
Wasser bei 0 e
Wasser bei 20 e
Wasser bei 50 e
Wasser bei 100 e
Äther bei 20 e
Alkohol bei 20 e
1,79 . 10 - 3
1,01,10 - 3
0,55,10 - 3
0,28' 10 - 3
0,25.10 - 3
1,2 .10 - 3
Quecksilber bei 0 e
Glyzerin bei 20 e
Luft bei 0 e
Luft bei 20 e
Schmieröl bei 20 e
Schmieröl bei 80 e
1,7 ' 10 - ]
\,5
1,7 ' 10 - 5
1,8 . 10 - 5
0,16 ··· 1,2
0,02 ··· 0,25
Zähigkeiten von Schmierölen werden häufig in einer Skala der Society of Automotive Engineers
(USA) angegeben. Ein Öl mit SAE 10 hat bei 55 oe eine Viskosität zwischen
(160 und 220) . 10 - 3 Pa s, eines mi t SA E 20 zwischen (230 und 300) . 10 - 3 Pa sund ei nes mi t SA E 30
zwischen (360 und 430) .10 - 3 Pas.
Aus der dynamischen Zähigkeit ergeben sich die Größen Fluidität und kinematische Zähigkeit.
Definitionen:
1
Fluidität = - - -- - -- dynamische Zähigkeit
1
cp = -
Y/
dynamische Zähigkeit
Kinematische Zähigkeit = - - - - - - - - Dichte
1'/
v ={!
Einheit der kinematischen Zähigkeit. Wegen v = 1'/ /(1 ist die Einheit
U n te r s chi e d z w i sc h e n ä u ß e r e run d in ne re r Re i b u n g. Vergleicht man beide, 0
stelJt man fest: Die ä u ße re Reibung hängt nicht von dem Betrag der Berührungsnäche
und nicht von der Geschwindigkeit, dafür aber von der ormalkraft ab. Die in ne re
142
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gasc
Reibung hängt nicht von der Normalkraft, dafür aber vom Betrag der Berührung fläche
und der Ge chwindigkeit ab. D as Sc h m i e re n z. B. on Lagern bc\\ irk t einen \' eilgehenden Ersatz der äußeren durch die viel kleinere innere Reibung in der
hmierflü igkeil.
Reale laminare Strömung
Jede reale Strömung, die irgendwo Grenzflücben be itzl, i t bei kleiner tr··mung geschwindigkeit laminar, d. b. ihre Strombahnen kreuzen ich ni ht. on einer be timmten Geschwindigkeit an beginnen jedoch die trombahnen ich zu ermi chen und
teilwei e sogar sog. Wir bel zu bilden. Eine olche lrömung heißt tu rb u I e n l. Im
folgenden behandeln wir vorerst nur Strömungen im laminaren Bereich.
Begriff der Grenzschicht bei laminarer Strömung
Zieht man eine dünne Platte mit kon tanter Ge ch\ indigkeit l' durch eine lü igkeit 0
fällt wegen de Gleitens der Flüssigkeitsschichten gegeneinander die trämung ge chwindigkeit mit wachsender Entfernung von der Platte immer mehr ab, um chließlich vor den
weit entfernten Gefäßwänden Null zu werden (Bild 1.163a). Die Platte bewegt nur eine
bestimmte Flüssigkeitsschicht, die sog. G re n zsch i ch t , nennen wert mit. ihre Dicke, die
Grenz c hichtdicke D, läßt sich folgendermaßen ab chützen. Man nimmt, stark
vereinfachend, an, die Geschwindigkei t, welche die einzelnen Flü igkeit chichten haben,
nehme von der Geschwindigkeit v der Platte innerhalb der Grenz chichtdicke D linear
bi auf Null ab (Bild 1.163 b).
~oA~~
v
•
1\\\\\\\\\\\\\\\ S1
•
bl
cl
1.163 Grenzschicht bei laminarer Strömung
Bewe~.t sich d.ie Platte um ihre Länge I vorwärts, so erteilt die
au~ge.ubt~ Rel?ungskraft FR = YJAv/D de halb nicht der ganzen
on ihr auf die Flüssigkeit
an ihrer eite befind Iicben
FI~.I ~gke~t .mlt d~m Volumen AD die Geschwindigkeit v. Vielmehr erfährt die erfaßte
Flusslgkelt Im Mlt~el nur die ?e chwind.igkeit .v/2. Sie erhält dabei die Impulsä nderung
mv/2 = eA Dv/2. DIese lmpulsa nd erung Ist gleich dem Kraft toß F Rl = IJAvt / D. Es gi lt
also
YJAvt/D = eA Dv/2
Berücks!ch~igt .man, d.aß t die Zeit ist die die Platte benötigt, um ich mit der
Ge ch.~tn~ l gkelt v um Ihre Länge I fortzubewegen , so gilt vt = I. Auf die e Wei e erhält
man fur dIe Grenzschichtdicke
D = V2171/ev.
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
143
Da diese Betrachtung auf willkürlichen Vereinfachungen beruht, vereinbaren wir die
folgende
Definition : Die Dicke der Flüssigkeitsschicht, die von einem mit der Geschwindigkeit
u bewegten Körper mit der Länge 1 nennenswert mit bewegt wird, die Grenzschicht-
dicke, ist
D= fhii= ~
~Qv
(1.52)
~-;;
Reale laminare Strömung durch ein enges Rohr. Um eine reale Flüssigkeit laminar mit
zeitlich konstanter Geschwindigkeit durch ein enges Rohr mit der Länge I, dessen Radius
kleiner als die Grenzschichtdicke ist, strömen zu lassen, ist zur Überwindung der
Reibungskraft eine äußere Druckkraft erforderlich. Die Reibungskraft hängt nach
GI. (1.51) von der Zähigkeit der Flüssigkeit, den Berührungsflächen zwischen den
Flüssigkeitsschichten und dem Geschwindigkeitsgefälle ab. Letzteres hängt in einem Rohr
vom Radius ab. Denn an der Rohrwandung haftet die Flüssigkeit an, ist also in Ruhe; in
der Rohrachse strömt die Flüssigkeit am schnellsten. Wir benötigen daher die Geschwindigkeitsverteilung koaxialer Schichten. Dazu denken wir uns die
Flüssigkeit im Innern eines kleinen Zylinders mit dem Radius r (Bild 1.164) durch einen
festen Zylinder ersetzt, der sich mit der zwischen rund r + dr vorhandenen Geschwindigkeit Ur bewegt. Wegen des festen Anhaftens der unmittelbar an den Zylinder grenzenden
Flüssigkeitsschicht ändert sich dadurch an der übrigen Strömung nichts!
Die Reibungskraft auf diesen Zylinder ist
nach GI. (1.51)
du
du
FR = '1A - = 17 2nrl dr
dr
1.164
Reale laminare Strömung durch ein Rohr
Pz
Diese muß dem Betrage nach gleich der auf ihn wirkenden Druckkraft F = r 2 n(Pi - P2)
und dieser entgegengesetzt gerichtet sein. Demnach ist (Pi - pz) r dr = - '121 du. Unter
Berücksichtigung der Randbedingung, daß bei r = R die Geschwindigkeit u = 0 sein muß,
0
R
ergibt die Integration
J(p
1 -
pz) r dr = -
J172/ du schließlich
u,
(1.53)
144
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
E
·bt sich also die in Bild 1.165 gezeichnete paraboli chc Ge chwindigke its-
setrg~ILlng. Mit ihr berechnen wir das gesamte Volumen V der in der Zei t
ver
el das Rh
..
d en FI··USSlg
· kel
· t.
durch
0
r stromen
t
1.166 Ge chwindigkeit verteilung in einem turbulent
durchströmten Rohr (zum Vergleich mit
Bild 1.165); siehe auch Abschn. 1.6.3.3.
1.165 Gescbwindigkeitsverteilung in einem laminar
durchströmten Rohr
Durch den Bohlzylinder zwischen I" und r
+ dr strömt Flüs
dQ = 2nr drv r = 2nl" dr(Pl - P2) (R
2
-
igkeit mit dem Volumenstrom
r 2)/(4/7 /)
durch das ganze Rohr also
R
Q
=
R
J dQ = , =J0 [2n(Pl , =0
p2)/(4111)] (R 2
-
r 2 ) r dr
Man erhält schließlich das
Gesetz von Hagen-Poiseuille J) für die reale laminare Strömung durch ein Rohr
Q
=
n(p 1
P2) R4
811 1
-
(1.54)
Man beachte: Q ist der Druckdifferenz (Pt - P2) direkt und der Rohrlänge 1 umgekehrt,
aber der vierten Potenz des Radius proportional!
Die gesamte Druckkraft auf die Flüssigkeit ist F = R 2 n(Pl - P2). Diese ist dem Betrage
nach gleich der Reibungskraft FR. Aus GI. (1.54) erhalten wir demnach FR = 8111Q/ R2 oder
mit Einführung der mi ttleren Geschwindigkeit ü = Q/(R 2 n) schließlich die
Reibungskraft auf ein Rohr
FR
=
(1.55)
8n1'flü
Aus GI. (1.54) entnimmt man noch ein experimentell leicht nachprüfbares Ergebnis. Bei
konstantem Volumenstrom, Q = const, ergibt sich:
Der Druckabfall in einem Rohr mit konstantem Querschnitt ist proportional zur
Rohrlänge (Bild 1.167)
,1.Pv = (Pt - P2) = const I
bei
Q = const
') G. H. L. Hagen (1797 bis 1884); J. L. M. Poiseuille (1799 bi s 1869).
145
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
Bernoullische Gleichung bei innerer Reibung.
Man kann den Druckabfall durch innere Reibung t1pv> in der Bernoullischen Gleichung mit
berücksichtigen. Aus GI. (1.48) wird dann
-- -.-- --- :
-
.......
..
1.167 Druckabfall in einem Rohr mÜ konsta ntem
Querschnitt
PI
I
1
2
+ eghl + "2 eVI =
P2
2
+ egh2 + "2 eV2 + t1pv
Häufig teilt man diese Gleichung durch eg und erhält mit der Bezeichnung hv = t1pv/(eg) die
Bernoullische Gleichung bei innerer Reibung
-PI + hl + -~
eg
P2
2g
= -
eg
+ h 2 + -~ + h v
2g
pj(eg) ist die sog. Druckhöhe, h die Ortshöhe, v2 j(2g) die Geschwindigkeitshöhe und hv die
Verlusthöhe.
In h v gehen außer den Reibungsverlusten auch Verluste durch Rohrkrümmungen, Verzweigungen
und dgl. ein (zu ihrer Berechnung vgl. die Spezialliteratur).
Reibungskraft auf eine Kugel. Bewegt sich eine Kugel mit dem Radius r mit konstanter
Geschwindigkeit v durch eine Flüssigkeit mit der Zähigkeit 11 so hindurch, daß die
Umsträmung der Kugel laminar bleibt (vgl. Abschn. 1.6.3.3), so wirkt auf die Kugel eine
Reibungskraft FR- Für diese fand G. G. Stokes (1819 bis 1903) durch ähnliche
Überlegungen, wie wir sie oben für das Rohr anstellten,
I das Stokessche Gesetz
FR
= 61tYJrv
(156)
I
Erfolgt die Bewegung in einem Rohr mit dem Radius R, so muß die GI. (1.56) durch den
Ladenburgschen 1) Korrekturfaktor ergänzt werden. Es gilt dann
FR = 61tYJrv
(1 + 2,1 ;)
(1.57)
Messung der Zähigkeit. Sowohl das Hagen-Poiseuillesche als auch das Stokessche Gesetz
kann man zur Messung der Zähigkeit benutzen. Das erstere verwendet man im sog.
Englerschen Viskosimeter. Bei ihm dient die Zeit für das Durchfließen einer
bestimmten Flüssigkeitsmenge durch ein Rohr als das Maß für die Zähigkeit. Nach Gl.
(1.54) sind ja beide einander proportional, wenn man berücksichtigt, daß Q = V/t ist.
Diese Meßmethode und die darauf beruhende Einheit, das sog. Englergrad 2), verlieren
I) A. Ladenburg (1842 bis 1911).
2) C. Eng I e r (1842 bis 1925).
146
1.6 Mechanjk der Flüssigkeiten und Ga e
jedoch immer mehr an Bedeutung. Man benutzt heute immer häufiger da sog.
Fallkugelviskosimeter welches auf dem Stoke chen Ge etz ( I. (1.57)) beruht.
Nicht-newtonsche Stoffe. Viele Stoffe gehorchen nicht dem in die em Ab chnitt allen
Gesetzmäßigkeiten zugrunde gelegten Newtonschen Reibungsan atz. Man nennt sie
deshalb "nicht-newtonsche" Stoffe. Zu ihnen gehören die meisten Disper ionen, Kolloide,
Suspensionen, polymere Lösungen und Schmelzen owie pla ti che Stoffe wie Pasten,
Teige und dergl. Die Behandlung des Fließverhalten olcher Stoffe geht jedoch über den
Rahmen dieses Buches hinaus. Hierzu ei auf die Literatur zur og. Rh e 0 10 gie
(Fließkunde) z. B. [38], verwiesen.
1.6.3.3 Turbulente Strömung
Jede reale Strömung geht bei einer bestimmten Geschwindigkeit, der sog. kritischen
Gesch w i n d igkei t Vkri', aus dem laminaren in den turbulenten Zu tand über. Wie schon
oben erwähnt, kreuzen und mischen sich bei der turbulenten Strömung die Strom bahnen,
und es entstehen Wirbel. Die kritische Geschwindigkeit bestimmt man experimentell
(s. u.).
Entstehung der Wirbel
Bild 1.168 a zeigt einen Körper 1, der von links nach rechts umströmt wird. Wir nehmen
zunächst an, die Strömung sei laminar (gestrichelt gezeichnet). Dann entsteht an den
Stellen 2 ein hoher statischer Druck (Ph), an den Stellen 3 ein niedriger statischer
Druck (Pn)'
1.168
a) Entstehung der Wirbel
b) Wirbelstraße
In einer idealen Strömung würden auch die unmittelbar am Körper befindlichen
Flü sigkeits chichten reibungsfrei an diesem entlanggleiten.lhre in den Punkten 3 gewonnene Bewegungsenergie würde genau ausreichen, um gegen das Druckgefälle Ph - Pn
anzulaufen. In einer realen Strömung jedoch muß die in der Grenzschicht strömende
Flüs igkeit Reibungsarbeit leisten. Sie kommt nicht mehr gegen das Druckgefälle an,
sondern wird unter Umständen sogar von diesem in Richtung auf die Stellen niedrigeren
Druckes in Bewegung gesetzt. Die Flüssigkeit gerät in kreisende Bewegung, es entstehen
Wir bel. D iese lösen sich abwechselnd ab, da die in ihnen entstehende hohe Strömungsge chwindigkeit wegen der Reibung unmittelbar am Körper nicht möglich ist, es bilden
sich neue Wirbel, und so entsteht schließlich die ganze in Bild 1.168 b gezeichnete
Wir bel s t ra ß e.
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
147
Da die Gegenströmung in der rückwärtigen Grenzschicht Reibungsarbeit leisten muß,
gilt:
Wirbel entstehen erst bei genügend großem Druckgefälle am umströmten Körper und
damit erst ab einer bestimmten Geschwindigkeit, der kritischen Geschwindigkeit (s. u.).
Man beachte, daß die Wirbel sich nur an der Rückseite des umströmten Körpers bilden.
Denn an der Vorderseite haben ja die ursprüngliche Strömung und die durch das
Druckgefälle in der Grenzschicht entstehende Strömung die gleiche Richtung.
Strömungswiderstand. In Abschn. 1.6.3.2 lernten wir bereits die Reibungskraft FR kennen,
die durch die innere Reibung auf laminar umströmte Körper ausgeübt wird. Wenn sich
nach Überschreiten der kritischen Geschwindigkeit Wirbel bilden, entsteht dadurch noch
eine zusätzliche Kraft, die sog. Druckwiderstandskraft.
Wir machen uns ihre Entstehung anhand von Bild 1.168 klar. Auf der Rückseite des
umströmten Körpers kreisen die Flüssigkeitsteilchen in den Wirbeln mit großer Geschwindigkeit. Diese bedeutet aber gemäß der Bernoullischen Gleichung GI. (1.48)
kleineren statischen Druck als an der Vorderseite des Körpers. Durch die Druckdifferenz
entsteht eine der S ti r n fI äch e A proportionale, in Strömungsrichtung zeigende Kraft F o.
Bei Bewegung des Körpers durch eine ruhende Flüssigkeit wirkt diese Kraft entgegen der
Bewegungsrichtung. Daher stammt die Bezeichnung Druckwiderstandskraft. Druckdifferenzen sind nach GI. (1.48) dem Staudruck (1/ 2) Qv 2 proportional, wobei der dimensionslose Proportionalitätsfaktor von den Geschwindigkeiten vor dem Körper und in den
Wirbeln und damit von der Körperform abhängt. Man nennt ihn den D ru c k w i derstandsbeiwert co. Mit ihm wird die
Druckwiderstandskraft
Fo
=
1
?
Co "2 Qv-A
Die Druckwiderstandskraft F 0 und die meist viel kleinere Reibungskraft FR addieren sich
zum sog. S t r ö m u n g s w i der s ta n d F w. Der Einfachheit halber etzt man auch letzteren
dem Staudruck proportional und erhält dann mit dem sog. Widerstandsbeiwert Cw
Strömungswiderstand
Fw
= F o + FR
Fw
= cW"2
1
2
QV
= Druckwiderstandskraft + Reibung kraft
A
Der Widerstandsbeiwert Cw wird durch Me sung des Strömungswiderstandes gemäß
Bild 1.169 experimentell bestimmt. Er hängt im allgemeinen von der Ge chwindigkeit t'
ab. Nur wenn die Reibungskraft vemachlässigbar klein gegenüber der Druckwider ta nd kraft
148
1.6 Mechanik der Flü igkeilen und Gase
1.170
1.169 Messung des Slrömungswider la ndes
lromlinient-orpcr
ist (d. h. bei hohen Geschwindigkeiten), kann man c~ al kon tant an ehen. fn dem
entgegengesetzten Grenzfall rein laminarer Strömung i t F 0 = O. Da FR nur prop rtional mit
der Ge chwindigkeit v wäch t, muß Cw sich hier proportional 1 L' ändern. Den kleinsten
cw- Wert besitzt ein Stromlinienkörper (Bild 1.170). Da liegt daran. daß bei ihm der
Druckunterschied zwischen den Stellen 3 und 2 ich auf eine 0 lange tre ke erteilt, daß er
keine Gegenströmung in der Grenz chicht und damit keine Wirbel hervorrufen kann.
Tafel 1.171 zeigt einige typische Werte für Cw·
Ta [ei 1.171 Widerstandsbeiwerte
FRR vernachlässigt)
Cw
(dimension 10 , bei hohen Ge chwindigkeiten:
Stromlinienkörper
0,056
Stromlinig verkleidete Strebe 0,12 ···0,20
Flugzeugrumpf
0,15···0,20
Rennauto
0,25· ·· 0,35
Kugel
0,25· ·· 0,43
Personenauto
0,29···0,5
Lasta uto
Zylindri che Strebe
Ebene Krei platte
Halbkugel (Öffnung vorn)
Halbkugel (Öffnung hinten)
0,6··· 1,2
0,6··· 1,0
1,1 ... 1,3
1,33
0,34
Widerstandskraft bei Kraftfahrzeugen. Bei Kraftfahrzeugen etzt ich die ge amte
Wider tandskraft aus dem Strömungswiderstand F w • den man in die em Falle im
allgemeinen Luftwiderstand zu nennen pflegt, und dem Rollv ider tand FRR (vgl.
Abschn. 1.3.3.2) der Räder zusammen. Wie Bild 1.172 zeigt, überwiegt bei kleinen
Geschwindigkeiten der Rollwiderstand, während er bei zunehmender Ge chwindigkeit
gegenüber dem Luftwiderstand eine immer kleinere Rolle pielt.
Luftwiderstand +
Rollwiderstand
= 50 km/h
Luftwiderstand
< Rollwiderstand
Geschwindigkeit
:
Luftwiderstand
:
> Rollwiderstand
1.1 72
Lufl- und Rollwidersland bei einem Kraflfahrzeug
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
149
Dynamische Querkraft. Auftriebskraft. Durch geeignete Formgebung des umströmten
Körpers läßt sich erreichen, daß dieser eine Kraft q u e r zur Strömung, die sog.
dyn am ische Q u erk raft , erfährt. Diese nutzt man z. B. beim Tragflügel (Bild 1.173) als
dyn amis c h e Auf tri e b s kr aft aus.
Sie entsteht folgendermaßen: Jeder Tragflügel lenkt die Luft, welche mit der Relativgeschwindigkeit Vo anströmt, um einen bestimmten Winkel ({J schräg nach unten um, so daß
sie hinter ihm in der neuen Richtung Vi strömt. Bei Vernachlässigung von Reibungsverlusten bleibt hierbei der Betrag der mittleren Geschwindigkeit erhalten, V1 = VO. - Es
leuchtet ohne weiteres ein, daß die Luft an der Unterseite des Tragflügels eine
Impulsänderung schräg nach unten erfährt. Daß dies auch an der Oberfläche der Fall ist,
kann man sich folgendermaßen klarmachen: Folgte die Luft nicht dem Profilverlauf,
bildete sich an der Tragflügel-Oberfläche ein Bereich geringer Dichte, in welchen die Luft
sofort wieder hineingedrückt würde. Bei einer "gesunden" Strömung schmiegt sich daher
die Luft auch an die obere Tragflügelfläche an. (Gelegentlich bilden sich hier jedoch
Wirbel, die Strömung "reißt ab". Diesen Fall betrachten wir hier nicht.)
Wir nehmen vereinfachend nun an,
die strömende Luft würde etwa in
einer Gesamtschichtdicke H (Bild
1.173) mit der mittleren Geschwindigkeit Uo umgelenkt, und die Richtungsänderung erfolge auf einem
Kreisbogenstück mit dem mittleren
Radius r. Eine Kreisbewegung erfordert aber eine auf die Luft wirkende
Zentripetalkraft. Die Gegenkraft
wirkt auf den Tragflügel. Sie ist identisch mit der dynamischen
Q u e r k raft FA' Wir berechnen jetzt
ihren Betrag: Gemäß Abschnitt
1.5.1.1 gilt
FA
V6
= ~m­
r
1.173
Zur Herleitung der dynamischen Querkraft;
rechts der "Anfahrwirbel"
Für
~m
~m
setzen wir gemäß Bild 1.173 (JlsH oder mit der sog. Tragfläche AT = Is
= (JATH. Damit ergibt sich
v6
FA = (JATH -
(1.58)
r
Es ist üblich, den Staudruck
1
"2 QV6
einzuführen. Also wird FA
=
H 1 2
2 - - QvoAT . Den
r
2
150
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten LInd Ga e
dimensionslosen Faktor 2H Ir setzt man gleich dem og.
erhält schließlich für die
dynamische Quer- oder Auftrieb kraft
u fl r 1e b bei \\ er I c und
1
>
F = c, 2 el'öA,
= 2Hlr läßt sich im allgemeinen nicht berechnen, ondern nur e perimentell ermitteln.
Man sieht jedoch sofort, daß mit r -+ 00 CA -+ 0 geht (z. B. bei einer pa ra 11 el zu 1'0 liegenden
dünnen Platte. Andererseits wächst CA mit tärkerer mlenkung der Luft. al 0 mit
kleinerem r. Das ist der Fall bei einem größeren.. n tellwinkel" ~ ( . Bild 1.177).
Zu Beginn der Strömung bildet sich an der Flügelhinterkante einmalig der og.
An fa h rw i r bel, der sich schnell ablöst. (Man kann ihn im Rauchkanal gut beobachten.)
Seine Entstehung führt auf eine weitere intere ante Be chreibung der dynami chen
Querkraft:
Zweifellos strömt wegen des größeren Radius die Luft an der Flügelober eite chneller al
an der Unterseite!). Dadurch herrscht wegen der Gültigkeit der Bernoulli hen Gleichung
an der Oberseite ein kleinerer statischer Druck als an der nter eite. Man denkt ich jetzt
diesen Geschwindigkeitsunterschied als Überlagerung einer Strömung mit oben und
unten gleicher Geschwindigkeit Vo und einer og. Z ir ku I a t ion s t r ö m u n g mit der
Ge chwindigkeit Vz um den Tragflügel herum (in Bild 1.173) punktiert}. Der zu dieser
gehörende Drehimpuls wird durch einen entgegenge etzt gerichteten Drehimpuls von
gleichem Betrage kompensiert, der im Anfahrwirbel steckt. Die e Modell führt auf eine
häufig benutzte Formel, die wir jetzt herleiten wollen.
Wenn sich der Strömung mit der Geschwindigkeit Vo die Zirkulations trömung mit der
Geschwindigkeit Vz überlagert, so ist die Geschwindigkeit Vo + V.l im Ab tand I" + HI2 um
CA
da Verhältnis r + HI2 größer als im Abstand r; also gilt
r
Vz = vo Hl2r, umgestellt
erhalten mit AT = ls
FA
=
Vo
+ Vz =
(1 +
H) Vo oder
21"
= vz 2r/H. Wir setzen dieses Ergebni in GI. (1.58) ein und
Vo
vole vz2s
Für die Berechnung dynamischer Querkräfte ist es jetzt nützlich, eine neue Größe, die
Z i r ku la t ion , einzuführen. Für diese gilt die
Definition: Die Zirkulation um einen umströmten Körper i t
r =<ji vz · ds
Bildet man dieses Integral für einen Tragflügel gemäß Bild 1.173, so tragen die beiden
Wegstücke an der Vorder- und Hinterkante wegen ihrer gegen s sehr kleinen Beträge
praktisch nichts bei, und es bleibt
r = <ji Vz . cis = vzs + (- vz ) ( -
s)
= 2v z s
I) Da war bei unserer obigen Betrachtung nicht wichtig.
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
151
Damit erhält man den
Satz von Kutta-Jukowsky
FA = vol{2r
Diese Gleichung gilt, wie hier nicht gezeigt werden kann, ganz allgemein für alle Körper
mit der Spannweite E, um die herum sich bei Anströmung mit der Geschwindigkeit
va die Zirkulation r ausgebildet hat.
Ein besonders leicht zu berechnendes Beispiel bietet der sog. Mag nu s- Effe k t 1). Dieser ist auch
technisch, insbesondere bei Ball-Sportarten, interessant. Läßt man einen Zylinder, wie in Bild 1.174
gezeichnet, um seine Längsachse rotieren, so nimmt er die unmittelbar benachbarte Luftschicht, die
Grenzschjcht nach Abschn. 1.6.3.2, mit, versetzt sie also ebenfalls in Rotation mit der Geschwindigkeit V z = w R. Hierbei hat Vz überall die gleiche Richtung wie dS: Dadurch ergibt sich für die
Zirkulation r = 2rrRv z = 2rrRwR.
In einer laminaren Luftströmung mit der Geschwindigkeit Vo erfährt der Zylinder dann die Querkraft
FA = volQ2rrwR 2 .
Dieser Effekt bewirkt beim " Anschneiden" von Fußbällen oder Tennisbällen ein seitliches Abweichen
von der normalen Flugbahn.
Va
1.174 Magnu effekt
1.175 Randwirbel und Wirbelzöpfe beim Tragflügel
Widerstandskraft auf einen Tragflügel. Wegen seiner gestreckten Form oll te ein Tragflügel
eigentlich an der Rückseite keine Wirbel bilden und dadurch keine nennenswerte
Druckwiderstandskraft erfahren. Bei einem unendlich langen Flügel wäre das auch der
Fall. An einem wirklichen Tragflügel bilden sich jedoch wegen des Druckunterschieds
zwischen oben und unten an den sei tl ich e n Enden die in Bild 1.175 gezeichneten
Wirbel. Diese lösen sich ab und erzeugen zwei "Wirbelzöpfe". Die in ihnen steckende
Rotationsenergie muß von der Antriebskraft des Flugzeuges aufgebracht werden. Die
Gegenkraft zu dieser Antriebskraft ist die Druckwiderstandskraft F o.
Insgesamt setzt sich die Widerstandskraft aus drei Anteilen zusammen. Der erste ist die
Druckwiderstandskraft. Der zweite Anteil ist die in Richtung von VA wirksame Komponente der dynamischen Querkraft. Denn wie man aus dem vorigen Abschnitt und
Bild 1.173 entnimmt, wird die ausströmende Luft schräg nach unten abgelenkt. Das
bedeutet aber, daß, genau genommen, die dynamische Querkraft nicht genau senkrecht
auf der Tragfläche steht, sondern vielmehr etwas nach hinten gerichtet angreift. - Dies
1) H. G. Magnus (1802 bis 1870).
lJL
1.0
IVII;CUClIlIJ\. U'CI
I
IU-..r... ·C · ·~- -
hatten wir für die Auftrieb kraft,.wie in d r Tc hn!k üblich, im \ ori 'cn Ab hnill einrach
durch den experimentell zu be tl m"?enden . uflncb ~I\\l:rt 'rfaßt.
ie nach hinten
gerichtete Komponente verur acht ell1en Tell der \\ Id rtanch"-rafl. in dntter nteil ist
wie bei jedem Körper in einer realen trömung, die R cibung~"rart.
'
Man setzt die Summe aller An.teile ~~:ieder dem taudruck proporti nal. wählt aber bel
Tragflügeln nicht die StIrn flache. ' o nd c rn die ragfHichc a l " Bezug .
fläche.
Wider tandskraft auf einen Tragfl ügel
Fw = Cw
1
2" {2v
2
AT
AT ist die Tragflä he.
Auftriebskraft und Widerstandskraft kann man getrennt mit der Z\\ ei-Komponenten.
waage (Bild 1.176) messen. Ihre vektorieUe umme heißt Luft "- r a ft FL = Fw + F
Bild 1.177 zeigt in einem sog. P o I ard i ag r a m m die bhängigkeit der B iwerte c, und
Cw vom Anstellwinkel (J. für einen be timmten Tragflügel.
b)
c) t:::::===::V
1.176 a) Zweikomponenlenwaage b) Luftkraft
F,
1.177 Polardiagm mm
Ähnliche Strömungen. Reynoldssche Zahl
Bei der Untersuchung des Strömungsverhalten von Flugzeugen, chiJTen oder Kraftfahrzeugen verwendet man häufig maßstabsgerechte Modelle. Die trömung um diese
Modelle muß derjenigen um das wirkliche Fahrzeug phy ikali ch ä h n l i ch ein.
Definition : Zwei Strömungen sind ei nander phy ikali ch ähn lich, wenn ich phy ikalische Größen in beliebigen Punkten der einen Strömung zueinander 0 verhalten, wie
die entsprechenden Größen in geometrisch äb nlk h gelegene n Punkten der anderen
Strömung.
Besonders anschaulich ist diese Definition für die G e s c h w i n d i g k e i t ver t eil u ng. In
Bild 1.178 z. B. ist V'dVl = V2/V2'
1.0 ..) ,mOmetJoe
rlUS~lgKellell
uuu vase
IJJ
Man überlegt sich leicht, daß diese Forderung für reibungsfreie laminare Strömungen stets
erfüllt ist. Denn verkleinert man z. B. die Durchmesser eines verschieden weiten Rohres
um einen bestimmten Faktor, so bleibt das Verhältnis entsprechender Querschnitte und
damit wegen der Kontinuitätsgleichung das Verhältnis der zugehörigen Geschwindigkeiten konstant.
Bei Strömungen mit innerer Reibung bedeutet die obengenannte Bedingung, daß sich die
in Abschn. 1.6.3.2 angegebene Grenzschichtdicke D = V2111/(ev) um den gleichen Maßstabsfaktor wie alle anderen linearen Abmessungen der umströmten Körper ändern
muß (Bild 1.178). Es muß also gelten
21'/1 l 1e2 V2
2el Vl1'/2 l 2
oder
1.178
Ähnliche Strömungen
Quadriert man und ordnet nach Indizes, so erhält man schließlich als Bedingung für
ähnliche Strömungen
Vl l le t!1'/1 = V2 l 2e2/"Y/2
Man nennt den Ausdruck v1e/11 nach dem Entdecker dieser Ähn]jchkeitssätze,
O. Reynolds (1842 bis 1912), die
Reynoldssche Zahl
vle
Re= "Y/
Iv
v
=-
Damit ergibt sich eine andere Formulierung der obigen Definition:
Zwei Strömungen sind einander ähnlich, wenn in beiden die Reynold che Zahl Re den
gleichen Betrag hat.
Erstaunlicherweise müssen demnach im gleichen Medium (I'/ /e = v = const) die Längenabmessungen I und die Geschwindigkeit v für Re = const einander um g e k ehr t
pro p 0 r t ion al sein. Das ist z. B. der Grund dafür, warum Windkanäle 0 groß sind. Bei
zu kleinen Modellabmessungen müßte sonst die Strömungsgeschwindigkeit so groß
gemacht werden, daß man die Luft nicht mehr als inkompres ibel ansehen kann.
Durch einen Trick kann man allerdings auch noch mit kleineren Modellabmessungen
Versuche durchführen. Dazu spritzt man in einem sog. "Kryo-Windkanal " l1üssigen
Stickstoff mit [) = -196 oe in die strömende Luft ein und verringert dadurch die
kinematische Viskosität bis auf den 5,5ten Teil ihres Wertes bei o
Wie man sich leicht
überlegt, gilt nämlich für
ce.
Re = const V2 / VJ = (11 / /2) (11 t!1'/2)
154 1.6 Mechanjk der Flüssigkeiten und G ase
Bei (r1 /17 ) ~ 1/55 darf also bei gleichem Verh ältni vo n ~ode\lgc chwindigkeit V2 zur
l
realen G:schwindigkeit VI das Maßstabsverhältni /1 //2 bl zum 5,5fachen größer ein.
E sei noch vermerkt, daß in ähnl i ch e n St römungen nicht nur cnt ' prechcn d e
GSe schwindigkeiten einander v e r.h ~ ltni sgleich in.d, s..on~ern z.~. auch ent prechende Kräfte. Wir zeigen das am Beispiel zweier geometrisch ahnItcher kom cher Rohre I und
2 (Bild 1.179).
1.1 79
Bet rachtung einander ent prechender Kräfte in ähnlichen Strömungen
Die auf die schraffierte Flüssigkeitsschicht wirkende Dru c kkr a ft F o i t gleich A Ap. Die
DruckdilTerenz ergibt sich nach Bernoulli (GI. (1.48)) zu
Ap=
~(lV2 [(A +AAAY
-1J
Quadriert man den Bruch aus und vernachlässigt (AA)2, so erhält ma n chließlich für die Druckkraft
Fo = A Ap = (lVI AA, und wegen AA = 27tr Ar
F o = (lvI21tr Ar
Die Reibungskraft FR ist (mit der Grenzschjchtdicke D) FR
= I121tl' Asv/D.
BildetmanfürbeideRohredasVerhältnis von Druckkraft z u R ei bun gsk r a f t, so ergibt sich
F Ol
FR t
=
(ll vi21trl ArlD t
'1t21tr1 AS1 V l
und
F oz
(l2v~21t"2 Ar Z D2
F RZ
'/ z27trz D.szvz
Da aber wegen der geometrischen Ähnlichkeit Art /Ast = Arz/As z ist, gilt
(l tv tDt /l/L = (l zvzDI/I1 z
un ist in ähnlichen Strömungen aber auch Dd D z
Fot
F Rt
=
= rt /rz (s.o.). Also folgt schließlich
F oz = Re
F Rz
Kritische Reynoldssche Zahl Rekrit. Erfahrungsgemäß ist jede reale Strömung bei sehr
kleinen Geschwindigkeiten laminar. Steigert man die Strömung geschwindigkeit über
einen bestimmten kritischen Wert Vkril> so wird der laminare Zusta nd insta bil, und es
entsteht Turbulenz. Dabei ändern sich sprungartig der Strömungswiderstand und die
Ge chwindigkeitsverteilung (vgl. z. B. die Bilder 1.165 und 1.166).
Es i t anschaulich verständlich, daß die Turbulenz bei geometri ch ä hnlichen Körpern
einsetzt, wenn auch die Geschwindigkeitsverteilungen in dem oben beschriebenen Sinn
1.6.3 Strömende Flüssigkeiten und Gase
155
einander entsprechen, d. h. bei gleichen Re-Werten. Da Re proportional der Strömungsgeschwindigkeit v ist, gibt es eine größte Reynoldssche Zahl Rekrih bei der die laminare
Strömung gerade noch stabil ist. Rekritläßt sich nur experimentell bestimmen, wobei man
für die Länge I willkürlich eine leicht meßbare Strecke des um- oder
durchströmten Körpers wählt (z. B. den Radius eines Rohres). Die Angabe einer
kritischen Reynoldsschen Zahl ohne Kennzeichnung der Bezugslänge
ist si n n los.
Bei Überschreiten der kritischen Reynoldsschen Zahl Rekrit mit der kritischen
Geschwindigkeit Vkrit = 11 RekriJ(e1) = I' RekriJl setzt Turbulenz mit deutlicher Änderung des Strömungswiderstandes ein.
schwankt auch bei ähnlichen Körpern sehr stark. Zum Beispiellindet man in der Literatur für
Durchlluß durch ein Rohr mit dem Rad i us R meist den Wert Rekrit = RVkrit / V = I 160. In Wirklichkeit
schwankt der Wert von etwa 1100 bis 20000 je nach Rohrwandung und Einströmbedingungen.
Für eine umströmte Kugel mit dem Durchmesser d sowie für einen senkrecht zu seiner Symmetrieachse umströmten Kreiszylinder mit dem Durchmesser d wurde
Rekrit
ermittelt (Siehe auch Aufgabe 8).
Anwendungen. Wegen des Hagen-Poiseuilleschen Gesetzes erhöht unser Organismu bei vermehrtem
Blutbedarf nicht etwa den Blutdruck, sondern vergrößert geringfügig den Durchmesser der Adern.
Der Treibstoffverbrauch von Autos dient bei hoher Geschwindigkeit praktisch nur zum Aufbringen
der Bewegungsenergie der erzeugten Luftwirbel. Deshalb sind eine kleine Stirnfläche und ein kleiner
Widerstandsbeiwert sehr wichtig. Ein Fallschirm hingegen hat durch seine Form einen hohen
Strömungswiderstand. Landeklappen bei Flugzeugen erzeugen hohen Luftwiderstand bei großem
Auftrieb.
In der Steuer- und Regelungstechnik verwendet man sog. "Fluidische Bauelemente". Als Beispiel zeigt
Bild 1.180 eine bistabile "Flip-Flop"-Stufe, die, stark vereinfacht, folgendermaßen arbeitet : Steigert man
die Geschwindigkeit der bei E eintretenden Strömung langsam von ull aus, so ist die Strömung zunäch t
laminar und teilt sich auf beide Ausgänge AI und A z gleichmäßig auf. Bei einer bestimmten
Geschwindigkeit Vkrit wird die Strömungjedoch turbulent. Dadurch wird die Dicke der an den Wänden
anhaftenden Grenzschicht verschieden groß. Bei geeigneter Formgebung des Bauelementes liegt dann die
eine Auslaßöffnung völlig in der dickeren Grenzschicht, so daß die ganze Strömung aus der anderen
Öffnung austritt. Welchen Ausgang die Strömung bevorzugt, hängt zunächst von zufalligen Asymmetrien
in der Strömung ab. Diese kann man jedoch auch erzwingen, indem man in eine der Steuerleitungen St I
oder St 2 einen kurzen Strömungsimpuls injiziert.
Dadurch kann man die Strömung wahlweise auf
Al
A
2
AI oder A z schalten. Ein solches bistabiles
Bauelement ist der Grundbaustein für fluid ische
Rechner, die zwar langsamer als elektronische sind,
dafür aber auch noch bei sehr hohen oder sehr
tiefen Temperaturen und unter Einwirkung radioStl
St 2
aktiver Strahlung arbeiten können.
1.180
Fluidisches Flip-Flop
156
1.6 Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
Aufgaben zu Abschn. 1.6.3.2 und 1.6.3.3
1. Eine Kugel mit dem Radius 1 cm und der Masse 5 g si nkt in einem weiten mit Flüssigkeit gefüllten
Rohr mit der konstanten Geschwindigkeit 2,7 cm/ s zu Boden. Die Flü sigkeit hat die Dichte
1,1 kg/dm 3 . Wie groß i t ihre Zähigkeit?
2. Eine im Tal verlegte waagerechte Rohrleitung von 10 km Länge und dem Radius 10 mm ist an
einen Wasserbehälter angeschlossen, dessen Wasserspiegel 2,5 m höher liegt. a) Wie groß ist der
Volumenstrom? b) Wie hoch müßte der Wasserspiegel liegen, damit bei R ekril = 1150 Turbulenz
ei ntritt (beides bei 20 °C)?
3. Den Winddruck auf einen Schornstein bei Windstärke 12 (v ~ 50 m/ s) nimmt man zu 1080 Pa an.
Mit welchem Widerstandsbeiwert rechnet man dabei (Luftdichte 1,25 kg/ m 3 )?
4. Welche Sinkgeschwindigkeit hat ein Fallschirm mit der Stirnfläche 50 m 2 und dem Widerstandsbeiwert 1,35, an dem ein Körper mit der Masse 80 kg hängt, kurz vor der Landung und in 5,5 km
Höhe (halber Luftdruck)?
5. Welche Motorleistungen braucht ein Auto mit 3 m 2 StirnJläche und Cw = 1, um mit den
kon tanten Geschwindigkeiten 72 km/ h und 144 kmJh zu fahren? (Rollreibung vernachlässigt)
6. Es ist zu untersuchen, ob die Strömungen im Blutkreislauf des Menschen noch laminar erfolgen,
d. h. ob Re = Reu/11 < Rekri' = 1150 ist (Q = 10 3 kgJm 3 ; 1'/ = 4.10 - 3 Ns/ m 2 ). In den Kapillaren ist
bei R = 4 . 10 - 6 m U = 5 . 10 - 3 m/ s, in der Aorta ist bei R = 10 mm U = 0,3 m /s.
7. Das Flugzeug Boeing 747 (Jumbo Jet) hat folgende Daten: Tragfläche AT = 511 m 2 ; Start masse
3,2 ' 10 5 kg; Reisefluggesehwindigkeit 958 km/ h; Abhebegeschwindigkeit 234 km / ho Wie groß sind
die Auftriebsbeiwerte beim Reiseflug in 11 km Höhe (Luftdichte 0,365 kg/ m 3 ) und beim Abheben
(Luftdichte 1,29 kgJm 3 ) mit ausgefahrenen Klappen?
8. Um den Gegner zu verwirren, können geschickte Volleyballspieler den Ball so schlagen, daß sich
eine Flugbahn überraschend ändert. Die physikalische Ursache ist hierbei der unvermittelte
Übergang von turbulenter in laminare Strömung. Welche Geschwindigkeit muß der Ball (d = 21 cm)
hierfür haben? (Am Anfang sollte diese ca. 10% größer als Vkril sein).
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