Fehlerfalle „Operativer Held“ Über die typisch menschlichen Entscheidungsreflexe in krisenhaften Situationen und wie man sie unterbinden kann. Wir alle sind mehr gefährdet denn je, in unsere individuellen Denkfallen zu geraten, denn wir werden immer häufiger mit komplexen und Fehler begünstigenden Situationen konfrontiert. Komplexe Situationen wiederum beeinflussen die Güte der Entscheidungen, die davon abhängt, inwieweit Vernetztheiten, Abhängigkeiten und Eigendynamik der problembestimmenden Merkmale einer Situation berücksichtigt werden. Die Güte der Entscheidung hängt auch ab von der Fähigkeit und dem Mut, mit kreativen Ideen den Nebel von Unwägbarkeiten zu lichten, den Panzer von Traditionen zu durchbrechen und gerade in unübersichtlichen Situationen etwas völlig Neues auszuprobieren. Wie wenig diese Kreativität uns gegeben ist, zeigte die relative Verunsicherung von Managern und Entscheidern eines Dienstleisters, als auf Marketingaktionen die erwartete Nachfrage nicht einsetzte und einige bis dahin zuverlässig bestellende Kunden gar zum Wettbewerber abwanderten. Wie ein aufgescheuchter Haufen von Hornissen schwirrten alle Verantwortlichen hochroten Kopfes aus, rechneten Break-Even-Zahlen und drehten an der Preisschraube. Sicherlich lässt sich mit einem Preisdumping Nachfrage erzeugen. Welche mittel- und langfristigen Konsequenzen für das Image, Qualitätsbewusstsein und langfristige Kaufverhalten der Kunden die Folgen sein werden, wurde wenig debattiert. Die Hierarchen mutierten zu operativen Helden, die selbst in schwierigen Situationen auf vermeintliche Rezepte setzten, anstatt erst einmal die Situation gründlich zu analysieren. Schnelle Reaktionen sind blinkende Sterne auf dem Imagerevers des Machers. In der Regel verursachen sie aber teuere Nachbesserungen, Korrekturen, versenkte Kosten und Demotivation der Beteiligten. Was war geschehen? Ein bundesweit gut aufgestellter Dienstleister mit den Zielkunden Krankenhäuser hatte im Zuge der Budgetunsicherheiten und Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen erhebliche Schwierigkeiten, sein Produkt und die dazu gehörenden Dienstleistungen – beides auf hohem Niveau – im Markt zu halten. Die Rufe nach drastischen Preissenkungen, um den Absatz anzukurbeln, wurden immer lauter und die eingebrochenen Umsatzstatistiken ließen die Verantwortlichen sofort handeln. Die Preise wurden um fast 50 % für Sonderaktionen reduziert. Es dauerte auch nicht lange und die Nachfrage zog an. Die Verantwortlichen atmeten auf und waren mit ihrer Entscheidung zufrieden. Was allerdings auch anzog, war das Image eines Billigheimers. Innerhalb kürzester Zeit war der Dienstleister in einem qualitätssensitiven Teil des Krankenhausmarktes völlig ausgegrenzt und im ruinösen Massenmarkt einer von vielen nicht mehr unterscheidbaren Anbietern. Was waren die entscheidenden Fehler im Management? Methodismus Der feste Glaube, Preisabsenkung erhöht Absatz, weil das schließlich auch in früheren Jahren schon zur Umsatzgenerierung taugte, vernebelte den Blick auf die komplexen Interaktionen und Abhängigkeiten von Preis, Qualität und Image. Aktionismus Der Irrglaube, Manager müssen sofort handeln, führte zur Vernachlässigung einer gründlichen Analyse der Abhängigkeiten sowie der Neben- und Fernwirkungen. Das Nächstliegende, der Preis, wurde als Problem betrachtet und isoliert behandelt. Der typische Fehler der dritten Art, wonach wir hervorragend Probleme lösen können, aber meistens die falschen. Kompetenzschutz Das Gefühl, etwas zu tun, unterdrückt das Gefühl der Hilflosigkeit und führt zur Zufriedenheit mit sich und seiner Entscheidung – man tut ja was. Rigorismus Einmal gefasste Meinungen über Wirkungszusammenhänge sind in der Regel unverrückbar und vernebeln den Blick auf andere Optionen. Lineares Denken Wenn-Dann-Denken wird komplexen Situationen nicht gerecht. Angemessener als kausallineares Denken wären das Debattieren von Kreisläufen und mehreren Wirkrichtungen. Etwa die Debatte, was bewirken niedrige Preise in unserem Haus außerdem, welche Auswirkungen haben diese wiederum auf ...? Etc. So reihen sich in komplexen Situationen kleine Fehler an kleine Fehler, bis hin zum großen bitteren Ende. Wenn wir weniger dramatisch Scheitern möchten, sollten wir daher Gewohnheiten durch Reflexion des eigenen Denkens und durch den Gebrauch des gesunden Menschenverstandes aufbrechen, in systemischen Zusammenhängen denken und handeln, sensibel für auftretende Frühwarnsignale sein, Entscheidungen und Handlungen hinsichtlich ihrer Vielfalt an möglichen Effekten durchspielen und grundsätzlich mehrere Handlungsszenarien simulieren.