Entwicklung der Quantenmechanik Daniel Hägele AG Spektroskopie der kondensierten Materie Gebäude der grundlegenden physikalischen Theorien über die Natur Quantenmechanik heute • Erfolgreichste Theorie der Wissenschaftsgeschichte. • Relative Genauigkeit des Wasserstoffspektrums besser 10-10 (60er Jahre). • Magnetismus, Lasertheorie, spontane Emission • Erklärung der Supraleitung (1955). • Quantenkryptographie (Anfang 80er) • Quantenchromodynamik, Stringtheorie sind Quantentheorien. • 30% des Weltmarktes beruhen auf Produkten, die ohne Quantenmechanik nicht entwickelt worden wären. Ein paar Zitate R.P Feynman: „I think I can safely say that nobody understands Quantum Mechanics.“ C.F. v. Weizsäcker: „… Seitdem wünschte ich Physik zu studieren, um die Quantentheorie zu verstehen. Aber je länger ich Physiker war, desto klarer wurde mir, dass ich die Theorie noch nicht verstand.“ E. Schrödinger (Sept. 1926):“Wenn es doch bei dieser verdammten Quantenspringerei bleiben soll, so bedaure ich, mich überhaupt jemals mit der Quantentheorie abgegeben zu haben.“ Schrödinger nimmt nicht mehr an der Weiterentwicklung der Quantentheorie teil. Inhalt Das Fundament der alten Physik trägt nicht weiter zwischen 1900 und 1924 • Plancks Konstante • Bohrs Atommodell • „ungeheuer mystisch“ (W. Pauli) – das Verhalten der Atome „Erster Schritt auf festen Boden“ (C.F. v. Weizsäcker) 1925 und 1926 • Heisenbergs Matrizenmechanik • Schrödingers Wellenmechanik Noch mystischer • Schrödingers Katze • Everetts Vielweltentheorie Das Fundament der alten Physik trägt nicht mehr Rätselhafte Hohlraumstrahlung Die Farbverteilung von Licht bei einer bestimmten Temperatur (z.B. Sonnenlicht, kosmische Hintergrundstrahlung) ist nicht mit der klassischen Physik zu verstehen. Plancks Lösung: Bei fester Farbe (Frequenz f) des Lichtes kann die Energie nicht beliebige Werte annehmen, sondern tritt in Energiequanten von h*f auf. (Nobelpreis 1918) Eine Lampe die immer dunkler wird, fängt an zu flackern (Optisches Schrotrauschen). Planck‘sches Wirkungsquantum h (1900) Max Planck suchte vergeblich nach einer Rechtfertigung von h aus der klassischen Physik (Newton‘sche Mechanik, Elektrodynamik von Maxwell und Thermodynamik von Clausius). Er hielt nicht das Licht oder die Atome für quantisiert, sondern versuchte in der Wechselwirkung den Grund für die Quasiquantisierung zu finden. Verschloss sich Einsteins Lichtquantenhypothese (Erklärung des Photoeffekts 1905). Warum sind Atome stabil? Planet und Sonne Elektron und Atomkern Seit Rutherford: Positiv geladener Atomkern und äußere Elektronen. Klassische Physik: Elektron ist geladen und müsste Licht emittieren bis es in den Atomkern stürzt; Erfahrung: Wasserstoffatome sind stabil Emissionsspektrum zeigt scharfe Linie. Niels Bohr (1885 – 1962) Magier der frühen Atomtheorie 1913 Bohr‘sches Atommodell, Nobelpreis 1922 Bohrs quantisierten Elektronenbahnen a) Kreisbahnen der Elektronen müssen Quantenbedingung erfüllen. Planck-Konstante tritt auf !! b) Ändert das Elektron die Bahn, wird eine diskrete Energiemenge abgegeben. Der Übergang ist sprunghaft. Elektronenbahn bei n=1 ist stabil. Nobelpreis 1922 Atomphysik in Versen Auf Keplerschen Ellipsen hetzen gemäß den Keplerschen Gesetzen die Elektronen froh und gern wohl um den positiven Kern. Das h ist hierbei, ihm sei Dank, das Wirkungsquantum des Herrn Planck. In Joulesekunden fand als h sich 6,6 mal zehn hoch minus 34. Doch sind hierbei, wie Bohr behaupt, diskrete Bahnen nur erlaubt. Beschränken wir uns klug und weise zunächst einmal auf simple Kreise, Schwingt's Elektron auf solchem Kreis, es nimmermehr von Strahlung weiß. so sind nur solche Bahnen richtig, deren Impulsmoment (wie wichtig) gleich n mal h durch 2 mal pi. Und deren Radien, wissen Sie, verhalten sich dann allemal wie das Quadrat der Quantenzahl. Am liebsten weilt es nah am Kern, und dünkt ihm mal ein Weg zu fern, dann - schwuppdiwupp und mit Elan – springt's rasch in eine tiefere Bahn. Dabei wird Energie entbehrlich; die setzt uns Einstein klug und herrlich gleich h mal ν - ein stolzes Wort – und schickt als Strahlungsquant es fort. Aus: Cremer, H., Carmina Mathematica, S.42, 3. Auflage, Verlag Mayer Aachen 1965 Heisenberg zu Pauli über Bohr (um 1921): „… . Aber er hat einen untrüglichen Instinkt dafür, wie man mit diesen unhaltbaren Annahmen zu Bildern vom atomaren Geschehen kommt, die doch einen entscheidenden Teil Wahrheit enthalten.“ Vor 1925 Bohrs Quantentheorie Ansammlung von Daumenregeln ohne festen Unterbau. Wasserstoffatom grob verstanden. Keine Klarheit bei Mehrelektronensystemen und Spin. Sprunghafte Änderung (Quantensprung) nicht verstanden. W. Pauli über spontane Emission von Atomen: „ungeheuer mystisch“ Werner Heisenberg gelingt 1925 der Durchbruch mit der Formulierung der Quantenmechanik Er ist 23 Jahre alt. Heisenberg 1901-1976 • Nach 1918 „[Es gab unter jungen Leuten eine] Unabhängigkeit der Meinung, die sich ein eigenes Urteil auch dort zutraute, wo dafür die Grundlagen noch fehlen mussten.“ • Als Schüler klassisch belesen, Pianist • Allg. Relativitätstheorie von Hermann Weyl • Wunsch Mathematik zu studieren Heisenberg, S. 25 • • • • • 1920-22 Physik bei A. Sommerfeld in München Freundschaft mit W. Pauli Bohrs Quantentheorie heiß diskutiert 1922 Niels Bohr in Göttingen „Bohrfestspiele“ (Sommerfeld: „Würden Sie Bohr gerne persönlich kennenlernen?“) 1923 Verpatztes Promotionskolloquium 1923 bei Bohr in Kopenhagen Heisenberg und Bohr Kultur des gemeinsamen Denkens: Wanderungen, private Einladungen, Stipendien. C.F. v. Weizsäcker über Bohr: „An ihm habe ich gelernt, wie Sokrates auf seine Schüler gewirkt haben muss.“ Heisenberg auf Helgoland (1925) Seit Juli 1924 Assistent in Göttingen Kontrollrechnung 3 Uhr morgens beendet: „Ich hatte das Gefühl, durch die Oberfläche der atomaren Erscheinungen hindurch auf einen tief darunter liegenden Grund von merkwürdiger innerer Schönheit zu schauen, die die Natur dort unten für mich ausgebreitet hatte.“ aus Heisenberg „Der Teil und das Ganze“ Heisenbergs Veröffentlichung 1925 Heisenberg gibt Bahn als Begriff auf. Beobachtbar sind Frequenz und Amplitude des emittierten Lichts. Jede Größe (z.B. Energie, Mittlerer Ort, Ortsverteilung, …) kann durch die Amplituden und Frequenzen, die das Atom realisieren kann, dargestellt werden. Heisenbergs Rechenregeln stellen sich kurze Zeit später als Matrixmultiplikationen heraus. Max Born 1882 – 1970 Pascual Jordan 1902 - 1980 An die Stelle einer Zahl q (für den Ort) tritt die Matrix q. Matrizenmechanik Einstein: „Hexeneinmaleins“ • Heisenberg berechnet den harmonischen und anharmonischen Oszillator (findet Nullpunktsenergie) • Wolfgang Pauli (1900-1958) berechnet das Wasserstoffatom. • Elektronenspin lässt sich in Theorie integrieren. Experiment am Doppelspalt Schrödingers Wellenmechanik (1926) • Elektron am Einzelspalt erzeugt Interferenzmuster • Ähnliches Verhalten wie Wasserwellen • de Broglie findet kurze Wellenlänge für schnelle Elektronen langsam schnell 1892-1987 Schrödingers Wellenmechanik Ein pendelndes Teilchen hat Wellenfunktionen mit gequantelter Energie Wellenfunktion und dazugehörige Energie folgen aus der Schrödingergleichung. n=20 Pauli und Schrödinger zeigen, dass Heisenbergs und Schrödingers Theorie äquivalent sind. n=10 Wellenfunktion ψ(x) n=0 Ortsunschärfe notwendig, um kinetische Energie klein zu halten. dx dp = h/(4 π) Wasserstoff-Wellenfunktionen 1s 2s 2px |Wellenfunktion|2 auf Oberfläche Michael Crommie (heute UC Berkeley) Aufnahme mit STM (scanning tunneling microscope) Klassische Mechanik vs Wellenmechanik 1 dimensional Ort und Geschwindigkeit -> 2 Zahlen Wellenfunktion ψ(x) -> 100 Zahlen 2 dimensional 2 Ortskoordinaten 2 Geschwindigkeitskoordinaten -> 4 Zahlen Wellenfunktion ψ(x1,x2) -> 10 000 Zahlen 3 dimensional -> 6 Zahlen Wellenfunktion ψ(x1,x2, x3) -> 1 000 000 Zahlen 2 Teilchen 6 Ortskoordinaten 6 Geschwindigkeitskoordinaten -> 12 Zahlen Wellenfunktion ψ(x1,x2, x3, y1,y2, y3) -> 1 000 000 000 000 Zahlen Quantencomputer macht dieses Speicherpotential teilweise nutzbar Wellenfunktion ψ • |ψ|2 ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons (M. Born). (Bei Ortsmessung wird das Elektron nur an einem Ort gefunden. Nachfolgende Impulsmessung wird zwangsläufig ungenauer.) • Elektron ist nicht in kleinere Bestandteile zerteilt (keine Wasserwelle!) • Es gibt keine elektrostatische Wechselwirkung des Elektrons mit sich selbst. Schrödinger hoffte, dass mit der kontinuierlichen Veränderung der Wellenfunktion die Quantensprünge entbehrlich werden. Sommerfeld (August 1928): „Der ursprüngliche Schrödingersche Standpunkt, dass Übergänge nur zwischen koexistierenden Zuständen stattfinden sollen, ist offenbar zu eng und tut den Tatsachen unnötig Zwang an.“ A. Sommerfeld: „Wellenmechanischer Ergänzungsband“ zu Atombau und Spektrallinien Solvay Konferenz 1927 Solvay Konferenz Einstein zu Born: „Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der Alte nicht würfelt.“ Einsteins Bedenken gegen die Unbestimmtheitsrelation. Er glaubte, dass mit Tricks Ort und Impuls gemeinsam beliebig genau bestimmt werden können. Überlagerungen in der Quantenmechanik Wellenfunktionen eines Elektrons überlagern sich ungestört Interferenz tritt auf. Schrödingers Katze Schrödinger: Überlagerung von toter und lebendiger Katze ist für Schrödinger absurd. Erlebniswelt des Forschers beinhaltet nur tote oder lebendige Katzen – keine Überlagerungen (in Einklang mit unserer Alltagserfahrung). Quantenmechanik sagt aus, dass es Überlagerungen der Wellenfunktionen von glücklichen und tragischen Handlungsabläufen gibt. Statistische Interpretation (Kopenhagener Deutung) der QM schlüpft in die Rolle des Forschers (oder Messgerätes) und sagt, dass die Katze zufällig tot oder lebendig ist und errechnet Wahrscheinlichkeiten aus der Quantenmechanik. Kollaps der Wellenfunktion, nur ein Zweig bleibt bestehen. In der Viel-Welteninterpretation bleiben beide Zweige bestehen (H. Everett, D. Deutsch). Im ursprünglichen Gedankenexperiment wurde die Katze vergiftet. Konsequenzen der Quantenmechanik Für den Beobachter (Forscher im vorherigen Beispiel) existiert echter Zufall, obwohl die zeitliche Veränderung der Wellenfunktion (des Gesamtgeschehens) deterministisch ist. Gleich durchgeführte Experimente können unterschiedliche Ergebnisse liefern (unmöglich in der klassischen Mechanik). Für einen Beobachter existiert kein strenger Determinismus. => Quantenrauschen ist allgegenwärtig (z.B. Überlagerung von verschiedenen Photonenzahlen in einem Laserpuls führt zu Rauschen im Detektor) Einwände gegen die QM Elektron durchläuft Interferometer. Interferometer so justiert, dass es den rechten Ausgang (nicht den oberen) benutzt. Einwände gegen die QM E. Kant (Grete Hermann): Alles muss kausal sein. Verborgener Grund muss Elektron in oberen oder unteren Arm des Interferometers bringen. => Elektron verläßt Interferometer oben oder rechts. nach Bericht von Heisenberg in „Der Teil und das Ganze“. Im Widerspruch zu Experiment und QM: Elektron verlässt Interferometer immer rechts. Messung nach erstem Strahlteiler Die Interferenz der vier Situationen am Ausgang des Interferometers wird vom Forscher zerstört, da nur perfekt gleiche Situationen interferieren können. Die 4 Zweige bleiben bestehen. Erscheinen des Elektrons an Ausgängen 50:50. Alle 4 Zweige bleiben. „Welcher Weg“-Information zerstört Interferenz am Strahlteiler (Experimente von H. Walther, M. Scully) Raffiniertere Tests der QM: die Bell‘sche Ungleichung (1964) John Bell sagte für ein 2 Photonenexperiment (komplexer als das vorherige) das Verhalten von Photonen voraus, wenn die Theorie lokal und real ist. Polarisation der Teilchen muss bestimmt sein. Wechselwirkung nur lokal möglich. Verborgene Parameter sind erlaubt. Er findet eine Ungleichung für die Detektionswahrscheinlichkeiten von Photonen an verschiedenen Detektoren. Die QM und das Experiment (Alan Aspect, 1982) verletzen die Gleichung. => Die QM ist entweder nicht lokal oder nicht real. John S. Bell (1928-1990 in Belfast) Quantencomputer David Deutsch *1953 Peter Shor *1959 Gleichzeitige Berechnung von 2n Resultaten (n=30; >1 000 000 000 Resultate). Es lassen sich zwar nicht die Resultate gemeinsam auslesen. Aber Eigenschaften von der Gesamtheit der Resultate (z.B. Periodizität) sind ablesbar. P. Shor: Schnelle Faktorisierung großer Zahlen (1994). Mathematik ist nicht mehr an klassische Rechenmaschinen gebunden Nicht-klassisch Rechnungen können andere Komplexität haben als klassische. Zusammenfassung Theorie der Quantenmechanik ist bestens bewährt und bestätigt. Herausforderungen: Quantencomputer (Implementierung, weitere Algorithmen).