3 Magnetfelder 3.1 Magnetostatik 3.1.1 Magnetische Dipole Elektrostatik: Es gibt einzelne elektrische Ladungen, die aufeinander Kräfte ausüben. Sie können isoliert auftreten. Ladungen können positiv oder negativ sein. Magnetostatik: Es gibt "magnetische Ladungen", die ebenfalls unterschiedliche Vorzeichen haben, aber nie isoliert vorkommen, sondern nur als Dipole (magnetische Dipole). S N Stabmagnet Ladungen Südpol und Nordpol Magnetisches Dipolmoment: Beobachtungen: 1. Magnetische Dipole erzeugen ein magnetisches Feld B analog zum elektrischen Feld E , das von elektrischen Dipolen hervorgerufen wird. 2. Äußere magnetische Felder üben auf einen magnetischen Dipol ein Drehmoment D aus. 3.1.2 Das Kraftgesetz Untersuchungen dazu um 1820 von Biot, Savart, Ampère In der Elektrostatik wurde das elektrische Feld durch die messbare Kraft F q E auf eine Probeladung q definiert. Analog dazu definieren wir das Magnetfeld Br durch messbare Kräfte auf Ströme. Betrachten: dünner, stromdurchflossener Leiter; der Draht ruht, der Strom I ist konstant. Bei Anwesenheit anderer stromdurchflossener Leiter stellt man fest, dass auf den Draht Kräfte wirken. Auf ein kleines Wegelement dl des Drahtes wirkt eine Kraft dF , für die gilt: dF I , dF dl , dF dl . Die Kraft dF kann daher in folgender Form geschrieben werden: I dF r dl Br . c 1. Ampèresches Gesetz 41 (3.1) Das ist auch die Definition des Vektorfeldes Br als Messgröße. Die Definition enthält noch eine Konstante (c). Diese Konstante ist die Lichtgeschwindigkeit. c 3 10 8 m s Die Dimension der Konstanten impliziert, dass E und B in gleichen Einheiten gemessen werden, denn I dl c q ; die Größe der Konstanten impliziert, dass E und B in einer elektromagnetischen Welle gleichgroße Amplituden haben (später). Das durch (3.1) definierte Feld Br wird - magnetische Induktion - magnetische Flussdichte genannt. Eigentlich wäre magnetische Feldstärke sinnvoll wegen Vergleichbarkeit mit E , aber wir werden später bei der Behandlung von Materie sehen, dass die magnetische Feldstärke H B 4M mit der Magnetisierung M ist. Nachdem B als Messgröße festgelegt ist, soll bestimmt werden, welches Magnetfeld durch einen stromdurchflossenen Leiter hervorgerufen wird. I dl Draht dB r' r r' z I dl y r B x Das Stromelement I dl am Ort r' erzeugt am Ort r einen Beitrag dB zum Magnetfeld, der senkrecht zu dl und zu r r' ist. Summiert man alle Beiträge für einen unendlich langen, geraden Draht, dann ergeben sich Kreise als Feldlinien. Also: Drahtstück dl am Ort r' ist von Strom I durchflossen ruft am Ort r Beitrag dB hervor, für den gilt: dB I dl , dB dl , 2 dB 1 r r' , dB r r' dB sin dl , r r ' Lässt sich zusammenfassen zu 42 I dBr dl c r r' 3. r r' Biot-Savart-Gesetz in differentieller Form (3.2) Für kontinuierlich verteilte Ströme gilt: dl I I dl d l f jd l f j d l f f I d l j dV df (3.3) (3.4) Einsetzen von (3.1) in (3.2) ergibt unter summieren aller Beiträge (integrieren): 1 B r j r c r r' 3 dV ' . r r' Biot-Savart-Gesetz in integraler Form (3.5) Aus einer gegebenen stationären Stromverteilung kann so das Magnetfeld berechnet werden. Beachte: Analogie zu E r ρr r r r r 3 dV aus der Elektrostatik V Beispiele zur Anwendung Kraft auf Punktladung Die Kraftdichte, die ein Magnetfeld B auf eine Stromverteilung ausübt, ist dF I dl 1 f r Br j r Br . dV c dV c (3.6) Für die Stromdichte j r q v r r0 (3.7) einer bewegten Punktladung ergibt dies die Kraftdichte f r F r r0 mit v F q Br c Lorentzkraft (3.8) Dies ist die Kraft F auf eine Punktladung bei r0 , die sich mit der Geschwindigkeit v r0 bewegt. Zeigt v in x- und B in y-Richtung, dann wirkt die Kraft F in z-Richtung. (Entspricht der Kraft F qE aus Elektrostatik.) 43 In einem homogenen Feld entsteht eine Kreis- oder Spiralbewegung. dv q m vB dt c v dv m d 2 q mv v v v B =0 dt 2 dt c v 2 konst. , d.h. Betrag der Geschwindigkeit bleibt konstant. v0 B Es gilt für t 0: Wegen d v B gilt somit v B auch im weiteren Zeitverlauf. hier: F q v B mv 2 c R R m v2 c m v c q Bv qB ( Zentrifugalkraft) wegen v konst. R konst. , d.h. Kreisbewegung. Magnetfeld eines ∞ langen Leiters im Abstand R l R r l 2 R2 r 2 dl I d l r B c r 3 Aus Symmetriegründen kann B nur vom Abstand R abhängen. B entlang des Leiters ist überall gleich. Wir berechnen B an der Stelle l im Abstand R. ; d l r sin I B B c r3 44 r sin R I R B c ; I R B c R3 1 l 2 R 2 B 3 dl R 1 l 2 R 2 I B cR l 2 R 2 3 / 2 dl I 1 B cR dl 3 ; l Rx I x 3 cR 2 1 x 1 x 2 dx 2 I cR (3.9) von oben l er . e r 2 I 2 I er Feldlinien sind konzentrische Kreise. Vektorform: B e cR cR B (3.10) Kraft zwischen zwei parallelen Leitern Berechnen Kraft zwischen zwei parallelen, unendlich langen, geraden Drähten im Abstand d. Betrachten ein Wegelement dl1 des ersten Drahtes. Die anderen Wegelemente desselben Drahtes bewirken kein Feld an dieser Stelle, da sie parallel zu dl1 sind. Also wirkt nur das 2I Feld des anderen Drahtes, das den Betrag B2 2 hat und senkrecht zum Draht steht. cd 45 I2 I1 I dF12 1 d l1 B2 c dl 1 dF12 B2 (3.11) Anziehungskraft, wenn Ströme parallel gerichtet. Abstoßungskraft, wenn antiparallel. d ) Da B2 d l1 , gilt dF12 I 2I I1dl1 B2 dl1 1 2 c cd c Kraft pro Längeneinheit dl1 von Leiter 1 dF12 2 I1 I 2 dF1 dF2 2 dl1 dl 2 c d dl1 (3.12) Falls beide Leiter lang: Gesamtkraft . 3.2 Feldgleichungen der Magnetostatik 3.2.1 Das 2. Ampèresche Gesetz Es galt Gleichung (3.5) 1 j r r r B r dB 3 dV cV r r Für die weitere Umformung benötigen wir die Beziehung 1 r r 1 grad , r r 3 r r r r (3.13) 46 wobei der Nabla-Operator nur auf r wirkt. Damit können wir das B-Feld wie folgt schreiben: 1 Br c 1 j r ' dV r r V (3.14) Wir benutzen aus der Vektoranalysis die Beziehung rot a u a u a rot u grad a u sowie die Eigenschaft div j 0 . Damit folgt: 1 j r B r rot dV . cV r r (3.15) Die Divergenz einer Rotation verschwindet stets, so dass aus (3.15) folgt: div Br 0 . (3.16) (Im Gegensatz zur Elektrostatik, wo gilt div E 4πρ .) Für einen langen geraden Leiter hatten wir abgeleitet: B 2 I cR dr 4π I B 2πR c ) Spezialfall von B dr 4πI c (Linienintegral) 2. Ampèresches Gesetz in integraler Form Die Allgemeingültigkeit soll hier nicht bewiesen werden (folgt direkt aus (3.15)). Für kontinuierlich verteilte Ströme gilt: 47 (3.17) I j r df dr f 4π B dr c C j r df f f Umformung mithilfe des Stokesschen Satzes: 4π rot B df j r ' df ' c f f und somit 4π j rot B c 2. Ampèresches Gesetz in differentieller Form (3.18) Gegenüberstellung der Grundgleichungen der Elektrostatik und der Magnetostatik: ES : MS : ES : div E 4πρ div B 0 E df 4πρ f MS : B df 0 f rot E 0 4π j rot B c E dr 0 C 4π I B dr c C 3.2.2 Das Vektorpotential 1 j r Es galt (3.15): Br rot dV c V r r B kann dargestellt werden als Rotation eines Vektorfeldes: B rot A A : Vektorpotential (3.19) In Analogie zum elektrischen Potential φ : E grad φ 48 Kennt man φ , läßt sich E berechnen: φ V ρr dV r r φ ist nur bis auf eine additive Konstante bestimmt. Ähnlich für das magnetische Potential. Da allgemein rot grad ψ 0 gilt, folgt A A grad ψ B rot A rot A (3.20) A ist also nur bis auf den Gradienten eines skalaren Potentials festgelegt. Um Eindeutigkeit zu erzielen, kann an A eine zusätzliche Bedingung gestellt werden. Eine Möglichkeit ist 0 und damit div A 0 . Das ist die sogenannte Coulomb-Eichung. Wegen: 4π rot B j c erhält man 4π rot rot A j c rot rot A grad div A A 0 4π A j c (3.21) Das ist die Bestimmungsgleichung für A (analog zu φ 4πρ in der Elektrostatik). Weiter vorn hatten wir (3.15): 1 j r dV B rot c V r r 49 Mit Definition B rot A folgt demnach für das Vektorpotenzial 1 j r dV A . cV r r (3.22) Man kann zeigen, dass div A 0 erfüllt ist. 3.2.3 Magnetischer Fluss Die homogene Feldgleichung der Magnetostatik lautet: div Br 0 . Wir suchen nun die integrale Formulierung dieser Feldgleichung. Dazu nutzen wir die Definition des magnetischen Flusses Φm durch eine Fläche f: Φm B df (3.23) f Wegen B Φm f heißt B ja auch magnetische Flussdichte. Aus der Feldgleichung div Br 0 folgt, dass der magnetische Fluss durch eine geschlossene Fläche f verschwindet: B d f div B dV 0 . f (3.24) V V ist das von f eingeschlossene Volumen. Anschaulich: Es gehen ebensoviel Feldlinien in V hinein, wie wieder hinausgehen. Da das für beliebige Volumina gilt, müssen die Feldlinien geschlossen sein. Es gibt keine magnetischen Ladungen, die Ursprung von Feldlinien sind. 3.3 Magnetischer Dipol Wir betrachten eine lokalisierte Stromverteilung: beliebig, r ' R0 j r ' r ' R0 0 , r r' r' Gesucht: Feld außerhalb der Verteilung 50 Ar ? r r R0 Im Bereich r R0 kann das Vektorpotential A nach Potenzen von R0 r entwickelt werden. (vgl. Multipolentwicklung des elektrischen Potentials früher) Hier: Beschränkung auf den niedrigsten Term: magnetischer Dipol Entwicklung von: 1 1 r 'r 1 3 1 r r' 3 xi ' r r' r i 1 xi r r r Einsetzen in den Ausdruck (3.22) für das Vektorpotential: 1 j r dV 1 1 Ar j r dV r r ' j r dV cV r r c r V c r3 V In einer begrenzten Stromverteilung gibt es in jeder Richtung gleich viele positive und negative Beiträge. Daher gilt: j r dV 0 also: der erste Term entfällt, es gibt keinen magnetischen Monopol! V Behandlung des zweiten Terms: Wegen div j 0 folgt n xi j n ji n Beweis: 3 3 xi jn n 1 xn n xi jn n 1 xi j1 xi j2 xi j3 x2 x3 x1 x j x x j j i j1 xi 1 i j2 xi 2 i j3 xi 3 x3 x2 x3 x1 x1 x2 j j xi x x j j1 i j2 i j3 xi 1 2 3 x1 x2 x3 x1 x2 x3 divj 0 51 xi 1 xi ji bleibt xi 0 x j Daher gilt: 3 p.I. x j r dV x x j r dV xi j k r dV k i k n i n n 1V V V' p.I.: u' v uv uv' 0 uv' weil j = 0 für V Wir multiplizieren beide Seiten mit x k ' , summieren über k, gehen zur Vektorschreibweise über und vertauschen r' r : xk ji r dV xi jk r dV V xk ' V xk ji r xk ' dV xi jk r xk ' dV r r ' j r dV r j r r 'dV r ' r V V V , Vektorschreibweise k V r r ' j r ' dV ' r ' j r ' r dV ' V' V' Noch ein Trick: A B A 1 A A 1 A B 2 2 Damit formen wir den zweiten Term der Dipolentwicklung um: r r ' j r ' dV ' 2 r r ' j r ' r ' j r ' r dV ' 1 V' V' allg. gilt: a b c b a c c a b 1 r r ' j r 'dV ' 2 V' r r ' j r 'dV ' 2 V' Die Größe 1 r j r dV 2c V (3.25) 52 bezeichnen wir als magnetisches Dipolmoment der Stromverteilung. Einsetzen ins Vektorpotential (Entwicklung): r Ar 3 r für r R0 (3.26) Das dazugehörige Magnetfeld hat die gleiche Struktur wie das elektrische Dipolfeld: 3r r r 2 Br rot A r5 (3.27) Beispiele für Systeme mit magnetischem Dipolmoment: Erde stromdurchflossene Drahtschleife oder Spule Kompassnadel Elementarteilchen Folgerungen: Drehmoment Beobachtungen: 1. Magnetische Dipole erzeugen ein magnetisches Feld B analog zum elektrischen Feld E , das von elektrischen Dipolen hervorgerufen wird. 3er p er p E : Elektrostatik r3 . B r 3er er r3 S r er = _ r N 2. Äußere magnetische Felder üben auf einen magnetischen Dipol ein Drehmoment D aus. Elektrischer Dipol: D r F F : Kraft 53 p p qa a D D D r F r F r qE r qE r r qE qa E D pE Drehmoment Analog gilt in der Magnetostatik: D B für magnetische Dipole. (3.28) D 0 für B Die Dipole werden in Feldrichtung gedreht. B Das magnetische Moment einer Leiterschleife Elektrischer Dipol p E In einem homogenen Feld E wird p in Feldrichtung gedreht. Drehmoment: D p E (hatten wir hergeleitet). Definition: D B für ein magnetisches Dipolmoment. 54 Leiterschleife: a I von oben . b x I zu uns , I von uns weg Wir betrachten verschiedene Platzierungen der Leiterschleife in einem homogenen Feld B . 1 dF I d l B c 1. Ampèresches Gesetz (3.29) F3 Die Kräfte F3 und F4 versuchen, den Leiter F4 zusammenzudrücken. Aus ihnen resultiert keine Drehbewegung. B 2. 1. x . F1 F2 B B F2 . x F1 4. 3. . F2 x F1 B B F2 x F1 55 . 5. Offenbar ist die Gleichgewichtslage F2 . B x F1 . I μ μ x Berechnung des Drehmomentes: y . 0 D B ; D 0 D z D D z B x sin μ r2 x r1 π 2 (z-Achse zeigt zu uns.) x D r1 F1 r2 F2 r1 r2 ; F1 F2 D 2 r1 F1 Erinnerung: Vektorprodukt c a b : I dF d l B c c x a y bz a z b y c y a z bx a x bz c a b a b y x z x y 56 0 Bx 0 bI I F b 0 0 Bx c c 0 1 0 2bI D 2 r1 F1 c a2 cos 0 a sin B x 2 0 0 0 2bI a D 0 ; Dz cos B x 2 c D z Dz I π a b B x cos ; φ c 2 Dz I a b B x sinφ c I a b I f Aus Vergleich folgt: = c c (3.30) f: Die von der Leiterschleife umschlossene Fläche. Gerichtete Fläche: f f (Schraubensinn) I f c f (3.31) Diese Formel gilt allgemein für eine beliebig geformte Leiterschleife (falls diese in einer Ebene liegt). 57 Beispiel: Magnetisches Moment einer einzelnen Ladung, die sich auf einer Kreisbahn bewegt. ( v konst. , z. B. Elektron) Drehimpuls: L r p 1. L f L 2. In der Mechanik hatten wir abgeleitet 1 df df konst. L dt dt 2 f 1 1 L T , Umlaufzeit T ; f L T ; me: Masse des umlaufenden Teilchens. 2 me 2 me I f I 1 L T c c 2me mit I q T q L 2me c (3.32) Diese Beziehung ist von grundlegender Bedeutung in der Quantenmechanik. Dort gilt: L n ; q n 2mc ; h 2π B q 2mc Bohrsches Magneton 58