Spezielle Themen Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Hans Reinecker Übersicht Einleitung Klassisches Konditionieren Operantes Konditionieren Kognitive Aspekte beim Lernen 177 178 183 187 Einleitung Zentral für Prozesse des Lernens ist auch die Annahme ihrer Allgemeinheit: Auch wenn wir verschiedene Ebe- Die Grundlage jeder Form von wissenschaftlicher Psy- nen menschlichen Verhaltens sehen, sind diese durch chotherapie besteht in Prozessen des Lernens: Das be- Prozesse des Lernens entstanden und können durch deutet eine Veränderung von Verhalten im weitesten entsprechende Gesetzmäßigkeiten in ihrem Auftreten Sinne des Wortes und umschließt konkrete beobacht- verändert werden. Dieses Prinzip wird auch als „Konti- bare Reaktionen ebenso wie Gewohnheiten, Einstel- nuitätsannahme“ bezeichnet. Im Wesentlichen werden lungen, kognitive Schemata und Muster sowie Über- folgende grundlegende Prozesse des Lernens ange- zeugungen und Beliefs. In vielen früheren Charakteri- nommen: sierungen von Verhaltenstherapie etwa in den 50er- 1. Klassisches Konditionieren nach dem Prinzip Jahren des vergangenen Jahrhunderts ging die Auffassung so weit, dass „Verhaltenstherapie als angewandte der Kontiguität 2. Operantes Konditionieren nach dem Prinzip des Effekts Lernpsychologie“ aufgefasst worden war, wobei Ver- 3. Prozesse der kognitiven Vermittlung einer halten damals noch in einem sehr engen Sinne ver- Veränderung standen worden war. Unbestritten ist, dass die kognitive Verhaltenstherapie Die folgende Darstellung orientiert sich an den Grund- seit jeher ein besonders enges Verhältnis zu Theorien prinzipien dieser Einteilung. Dabei soll bereits hier da- des Lernens aufweist; dabei ist völlig klar, dass auch rauf verwiesen werden, dass eine strikte Trennung die- andere Konzepte der Psychologie ihre Bedeutung für ser Prozesse bei genauer Betrachtung weder möglich die Psychotherapie besitzen, z. B. Aspekte der Motiva- noch sinnvoll ist: In der Praxis greifen diese Prozesse tion, der Emotionstheorien, von kognitiven Theorien, vielmehr ineinander und es ist oft nicht einfach, etwa der Entwicklungspsychologie usw. Etwas vereinfacht bei pathologischen Mustern genau diejenigen Lernpro- ausgedrückt könnte man festhalten: „Normale“ ebenso zesse zu benennen, die in ätiologischer Hinsicht für wie pathologische Verhaltensweisen sind auf der deren Ausformung ausschlaggebend waren. Grundlage von fehlgeleiteten Lernprozessen entstanden – in der Therapie kommt es darauf an, dass durch konkretes Lernen diese pathologischen Muster wieder rückgängig gemacht werden. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0030-1248394 ê VNR 2760512010047430142 177 178 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Zu beachten ist, dass der NS bzw. CS zunächst lediglich Glossar eine Orientierungsreaktion (OR) hervorruft und dass er + C: Konsequenz (C Darbietung positiver Reize, − seinen Hinweis- bzw. Signalcharakter erst durch mehr- C/ Entfernung positiver Reize; C Darbietung fache Koppelung mit einem (emotional bedeutsamen) aversiver Reize, C/− Entfernung aversiver Reize) Reiz (UCS) erhält. + CER: konditionierte emotionale Reaktion CS: konditionierter Hinweisreiz Damit der konditionierende Hinweis (CS) seine Sig- NS: neutraler Stimulus nalfunktion erwerben kann ist eine spezielle Form OR: Orientierungsreaktion der Koppelung von CS und relevantem Stimulus er- R: Verhalten forderlich, was Prinzip der Kontiguität genannt S: Situation wird. Sd: Hinweisreiz UCR: unkonditionierte Reaktion UCS: für den Organismus relevanter Hinweisreiz Kontiguität meint eine räumlich-zeitliche Koppelung der beiden Reize; diese stellt die Voraussetzung dafür dar, dass einer der beiden Stimuli (CS) Hinweischarakter auf den anderen, in der Regel biologisch relevanten Stimulus (UCS) erlangen kann (Abb. 2). Klassisches Konditionieren Für das Leben und Überleben des Individuums und der Ganz allgemein meint klassisches Konditionieren einen Art ist dieses grundlegende Lernprinzip von höchster Lernvorgang, bei dem ein zunächst neutraler Stimulus Bedeutung: Lernen nach dem Prinzip des klassischen (NS) durch mehrfache Koppelung mit einem für den Konditionierens meint eine Fähigkeit des Organismus, Organismus relevanten Stimulus (UCS) zu einem kon- sich in der Umgebung zu orientieren und zu lernen, ditionierten Hinweisreiz (CS) für eben diesen UCS bzw. welche Merkmale wichtige Hinweise auf positive (CS+) für eine unkonditionierte Reaktion (UCR) wird (Abb. 1). bzw. aversive (CS−) Ereignisse geben. In einem grundlegenden Beitrag zu dieser Thematik hat R. Rescorla [1] verdeutlicht, dass diese Fähigkeit zum einen universell UCS UCR (z. B. lauter Knall) (z.B. Erschrecken/ Angst) für Organismen ist und dass sie im Humanbereich alles andere als einen einfachen oder passiven Prozess darstellt. Koppelung Kontiguität und Kontingenz NS (z. B. Lichtsignal) In älteren Untersuchungen zum klassischen Konditionieren galt Kontiguität zwischen Reizen als unabdingCS CR ehem. NS (Lichtsignal) Abb. 1 (Erschrecken/ Angst) Prinzipien der klassischen Konditionierung. bare Voraussetzung: Untersuchungen zum Inter-Stimulus-Intervall zeigten recht deutlich, dass Lernen bei sehr kurzen Intervallen in optimaler Weise erfolgen kann, während dies bei längeren (bereits mehrere Sekunden) Intervallen nicht mehr möglich ist. Vereinfacht gesagt kann der CS bei längeren Intervallen nicht zeitlicher Verlauf mehr die Funktion eines Hinweisreizes übernehmen, weil in der Zwischenzeit bereits andere Reize aufgetre- UCS ten sind, die im Prinzip ebenso gut geeignet wären, als Hinweisreize zu dienen. CS1 simultane Konditionierung Bereits in den 60er-Jahren des vergangenen JahrhunCS2 Spurenkonditionierung derts gelang Garcia und Mitarbeitern der Hinweis, dass Lernen auch dann erfolgen kann, wenn CS und UCR CS3 Abb. 2 Rückwärtskonditionierung sind: Garcia verabreichte Ratten Wasser mit Sacharingeschmack (CS) und bestrahlte die Tiere anschließend Prinzip der Kontiguität am Beispiel dreier Varianten. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 nicht unmittelbar gekoppelt, sondern zeitlich verzögert ê 2010 Spezielle Themen Lernen Grundlegende Prinzipien █ sprochene Patientin lernt etwa zu differenzieren, in welchen Situationen (z. B. hinsichtlich der Uhrzeit) Generalisierung: Dieses Prinzip meint, dass nach ei- ein Einkauf im Supermarkt mit Angst (CR) verbun- nem Lernvorgang nicht nur ein spezifischer Stimulus (CS), sondern auch ähnliche Hinweisreize die Funk- den sein könnte und in welchen dies nicht der Fall tion eines Auslösers für eine unkonditionierte (UCS) bzw. konditionierte (CS) Reaktion bekommen können. Zum Beispiel: Für eine Agoraphobikerin werden viele unterschiedliche Reize zu Auslösern für ihre Angstreaktion, obwohl der ursprüngliche Auslöser vielleicht mit einem überfüllten Bus (CS) und einer damit erfolgten ersten Angstattacke (UCR) gekoppelt war. █ Diskrimination: Damit Lernen nicht übergeneralisiert, stellt die Diskrimination gewissermaßen den gegenteiligen Prozess zur Generalisierung dar: Organismen lernen zu differenzieren, welche CS Hinweise auf UCS bzw. UCR darstellen. Die oben ange- mit Röntgenstrahlen (UCS). Die zeitlich stark verzöger- █ ist. Löschung: Die mehrfache Darbietung eines CS ohne den UCS führt zu einer Abnahme der konditionierten Reaktion (CR). Auch hier handelt es sich um einen aktiven Lernprozess: Der Organismus lernt, dass der CS seine Funktion als Prädiktor für einen UCS verliert. Prozesse der Löschung von Vermeidungsverhalten spielen bei vielen therapeutischen Strategien eine zentrale Rolle, etwa bei der Anwendung von Konfrontationsverfahren: Dort macht der Patient die konkrete Erfahrung, dass ein CS (z. B. ein Besuch im Kino) nicht mehr mit dem Auftreten einer Panikreaktion (UCR) verbunden ist. Prozesse des Lernens te unkonditionierte Reaktion UCR (Übelkeit und Erbrechen) führte dazu, dass die Ratten bei zukünftigen Ver- Lernen meint im Prinzip eine Veränderung des Verhal- suchsdurchgängen vermieden von dem Wasser zu tens im Repertoire des Organismus. Damit dies passie- trinken. Die Tiere hatten offenbar gelernt, dass der Ge- ren kann, müssen mehrere grundlegende Prinzipien schmack des Wassers einen relevanten Hinweisreiz auf zusammenspielen (s. o.). die (z. T. 30 Minuten) verzögerte aversive Reaktion darstellt. Da die beiden Reize aus derselben Modalität stammten (Geschmack bzw. Übelkeit), konnte eine Wichtige Variablen des Lernens Koppelung auch über lange Zeiträume hinweg erfolgen; der CS besitzt in diesem Falle offenbar relevanten Lernen nach dem Prinzip des klassischen Konditionie- Informationsgehalt. Mit anderen Worten: Die Tiere rens beinhaltet eine Koppelung von Reizen, wobei einer hatten gelernt, „… was zu was führt!“ der Reize (CS) Hinweischarakter für einen weiteren relevanten Reiz (UCS) erlangt. In der Regel sind für einen Beim klassischen Konditionieren werden nicht nur solchen Lernprozess mehrere Durchgänge erforderlich. Assoziationen zwischen einem CS und einem UCS, In einigen wenigen Fällen, z. B. bei massiven Traumata, sondern auch Verknüpfungen mit Kontextbedingungen reicht eine einmalige Koppelung, damit ein CS verläss- geschaffen. lichen Hinweischarakter auf eine konditionierte Reaktion bekommt. Man spricht in diesem Falle von „One- Stimuli, die mit dem Erwerb neuen Verhaltens ver- Trial Learning“, das in der Regel auch ausgesprochen bunden sind, werden später zu Auslösern konditio- löschungsresistent ist. nierter Reaktionen, auch wenn der ursprüngliche CS oder UCS nicht vorhanden ist. Ob ein Reiz sich eignet, zu einem CS für einen UCS bzw. für eine UCR zu werden, hängt auch davon ab, welche Besonders deutliche Befunde dazu gibt es aus der For- vorherige Erfahrung der Organismus mit diesem Reiz schung zur Drogenabhängigkeit [2]. Wenn man abhän- hatte. gigen Personen die Droge nicht zugänglich macht, dann lösen Merkmale des Kontextes (z. B. Hantieren mit dem Wenn ein spezifischer Reiz bereits vor der Koppe- Besteck; olfaktorische Stimuli) ihrerseits eine – wenn lung mit dem UCS häufig dargeboten wurde, dann auch schwächere – konditionierte Reaktion aus. eignet er sich kaum noch als CS für einen spezifischen UCS – man spricht in diesem Falle von latenter Hemmung. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 179 180 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Rückwärtskonditionieren. Seit den ersten Versuchen █ Merkmale des Erwerbs von Phobien (z. B. „one-trial █ Irrationalität von Phobien (das Wissen um die Unge- zur klassischen Konditionierung ist umstritten, ob ein Lernprozess auch erfolgen kann, wenn der CS nach dem learning“), UCS erfolgt. Dieser Prozess wird als Rückwärtskondi- fährlichkeit beeinflusst den Prozess der Konditionie- tionieren bezeichnet. Einige Hinweise aus Studien bei Patienten mit Panikstörungen bzw. bei generalisierter rung nicht), █ Angst deuten auf die Relevanz dieses Prozesses hin: Das Grübeln über die Relevanz des UCS bzw. der UCR (z. B. Aspekte der Zusammengehörigkeit von CS und UCS (speziell hinsichtlich derselben Modalität) und █ die besondere Löschungsresistenz von Phobien. einer Panikattacke oder eines befürchteten schlimmen Ereignisses die eigene Familie betreffend) kann zu ei- Die Theorie der Preparedness stellt aus heutiger Sicht nem Prozess der Stabilisierung der Angst führen: Die eine wichtige Bereicherung der Theorie des Erwerbs Betroffenen schließen aus ihren physiologischen Reak- von Ängsten im Wege über klassisches Konditionieren tionen ebenso wie aus ihren Gedanken auf eine mögli- dar, auch wenn damit verschiedene Probleme durchaus che Gefährdung, wodurch die Angstreaktion stabilisiert offen bleiben [5], speziell die Thematik der empirischen wird („ex consequentia reasoning“). Fundierung evolutionärer Hypothesen. Evaluatives Konditionieren. Durch mehrfache Koppelung mit einer angstauslösenden Situation kann ein Genetische und Persönlichkeitsvariablen vorher neutraler Reiz selbst die Funktion einer emotional bedeutsamen Qualität bekommen. Dies spielt be- Ähnliche Überlegungen wie für evolutionär relevante sonders bei Patienten mit posttraumatischen Belas- Variablen gelten auch für individuelle Unterschiede tungsreaktionen eine wichtige Rolle: Stimuli, die im- beim klassischen Konditionieren: Bereits I. P. Pawlow plizit mit der traumatischen Situation verknüpft waren hatte für diese Unterschiede die spezifische Balance (z. B. Gerüche) werden für die Betroffenen zu Auslösern zwischen Erregungs- und Hemmungsprozessen gel- konditionierter Reaktionen. Diese sind offenbar beson- tend gemacht. H. J. Eysenck hat dies aufgegriffen und ders löschungsresistent, auch wenn die ursprüngliche die Merkmale der Introversion sowie der Labilität für traumatische Reaktion bereits gelöscht wurde [3]. Fehlkonditionierungen verantwortlich gemacht: Eine wichtige Rolle spielt dabei das Konstrukt des Neurotizismus, d. h. einer hohen Reaktivität des autonomen Evolutionäre Aspekte des Lernens Nervensystems auf äußere Reize. Dafür wird eine physiologische Grundlage im limbischen System ange- Speziell in der Theorie der Ätiologie von Phobien wur- nommen, wo Informationen aus der Umgebung emo- den einige wichtige Annahmen des klassischen Kondi- tional konnotiert werden. tionierens infrage gestellt. Das betrifft zum einen die sog. Äquipotenzannahme, d. h. die Tatsache, dass alle Erhöhte Konditionierbarkeit als genetisches oder neutralen Stimuli gleichermaßen geeignet wären, als Persönlichkeitsmerkmal stellt einen wichtigen Fak- CS Phobien auszulösen. Zum anderen wurde die Selek- tor hinsichtlich der Entwicklung einer Angststö- tivität von Phobien betont: Phobien sind keineswegs rung dar. auf alle Situationen gleich verteilt. Während Ängste vor Schlangen, Spinnen, Dunkelheit etc. sehr häufig sind, Eine spezielle Rolle spielen Faktoren der persönlichen gibt es kaum Phobien vor Türklinken, Bügeleisen oder Disposition etwa bei der Entstehung bzw. Bewältigung anderen elektrischen Geräten, obzwar gerade letztere von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD): objektiv durchaus gefährlich sein können. Hier wird immer wieder beobachtet, dass unterschiedliche Personen trotz gleicher Traumatisierung (z. B. Zur Lösung der genannten Probleme wurde u. a. die bei einem Erdbeben) in unterschiedlichem Maße eine Theorie der Preparedness formuliert: Gemeint ist damit PTSD ausbilden. Dafür sind nicht so sehr Merkmale des die Tatsache, dass Lernen vor einem biologisch-evolu- Traumas, sondern eben prädisponierende Merkmale tionären Hintergrund zu sehen ist. So war es für den der Konditionierbarkeit als relevant anzuführen. prätechnologischen Menschen ausgesprochen sinnvoll, Zusammenhänge zwischen evolutionär bedeutsamen Störungen spielen aber nicht nur im Kontext der leich- Situationen als UCS und relevanten Hinweisreizen ten Konditionierbarkeit eine Rolle: Viele psychische möglichst rasch und stabil zu erlernen [4]. Spezielle Probleme und Störungen kommen offenbar auch da- Charakteristika der Theorie der Preparedness sind durch zustande, dass extravertierte und besonders la- Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Spezielle Themen bile Personen bestimmte relevante Zusammenhänge 100% nicht erlernen. Hier sorgen kortikale Hemmungspro- Auftretenswahrscheinlichkeit konditionierten Verhaltens zesse dafür, dass effizientes Lernen – also die Bildung von Verknüpfungen – unterbleibt. Speziell der letztgenannte Bereich ist im Kontext von menschlichen Interaktionen von großer Bedeutung, etwa im Bereich von sogenannten „antisozialen Persönlichkeiten“, bei denen Lernprozesse, etwa im Bereich von Empathie, nur sehr schwer auszuformen sind. zeitlicher Verlauf (bzw. Versuchsdurchgänge ohne Verstärkung) Löschung und Löschungstheorien Abb. 3 Das Prinzip der Löschung beschreibt denjenigen Pro- █ Prinzip der Löschung / Wegfall des Verstärkers. Frustrationstheorie: Hier werden motivationale As- zess, bei dem die alleinige Darbietung eines CS ohne pekte benannt. Durch das Ausbleiben des Verstärkers den UCS zu einer Abnahme einer vorher erlernten (UCS bzw. UCR) kommt es demnach zu einer Frus- konditionierten Reaktion (CR) führt. tration und zur Abnahme der ursprünglichen konditionierten Reaktion. In der Regel handelt es sich bei der Löschung um █ Erwartungstheorie: Lernen besteht in der Bildung einen sehr langsamen Prozess, der viele Versuchs- von Erwartungen über Zusammenhänge zwischen durchgänge erforderlich machen kann. Stimuli (CS und UCS). Im Prozess der Löschung erfolgt durch den Wegfall von UCS eine Voraussetzung Im Kontext der therapeutischen Praxis bedeutet das, für die Bildung neuer Erwartungen – nämlich der dass Patienten viele Übungen (in der natürlichen Situa- (begründeten) Vermutung, dass die Darbietung von tion) benötigen bis sie lernen, dass der CS seine Funk- oder Konfrontation mit einem CS nicht zu einem UCS tion als Prädiktor für einen UCS bzw. CR verloren hat: bzw. einer CR führt (s. a. unten: Erwartungstheorie Wenn ein Patient mit klaustrophobischen Ängsten des Lernens). durch mehrfache Übungen erlebt hat, dass die Fahrt im Aufzug oder im überfüllten Bus nicht zu Angst und In der Forschung zum Prozess der Löschung wurde Panik (CR) führt, kann sie dies zunächst auf „Glück“ vielfach darüber diskutiert, ob Löschung einfach eine oder „Zufall“ attribuieren. Erst vielfache Übungen füh- Umkehrung des Lernprozesses darstellt: Während ren deshalb zu stabilem Lernen, das man dann als beim Lernen Verknüpfungen geschaffen werden, er- Löschung bezeichnet (Abb. 3). folgt bei der Löschung eine Abschwächung bzw. Unterbleiben dieser Verknüpfungen. Neuere Überlegungen Zur Erklärung der Abschwächung der konditionierten [3] sprechen dafür, dass Löschung nicht bloß eine Um- Reaktion kann man verschiedene Theorien heranzie- kehrung des Lernens, sondern einen eigenständigen hen [6]: █ Theorie der Hemmung: Hier wird angenommen, dass Prozess darstellt. Für diese Position sprechen: █ die konditionierte (Angst-)Reaktion durch eine anta- █ █ der sog. Erneuerungseffekt: Löschung scheint demnach stark kontextabhängig zu sein, d. h. in einem gonistische Reaktion (z. B. Entspannung) gehemmt neuen Kontext tritt die „gelöschte“ Reaktion wiede- wird. rum auf. Abnahme der Generalisierung: Im Lernprozess hatte █ Spontanerholung: Löschung ist dann rückgängig zu die Person ihre Ängste auf immer mehr Situationen machen, wenn die CS in einem veränderten zeitli- generalisiert, durch Löschung erfolgt eine Einengung chen Kontext wieder auftritt. Löschung ist damit of- auf spezifischere Stimuli (Diskrimination). fenbar nicht nur hinsichtlich der Situation, sondern Theorie der Interferenz: Durch den CS werden nicht auch zeitlich abhängig. nur zugehörige CRs, sondern auch alternative Reaktionen ausgelöst. Diese interferieren mit der ur- Diese Phänomene entsprechen vielfach auch therapeu- sprünglichen Angstreaktion. In der therapeutischen tischer Erfahrung: Patienten berichten oft in neuen Si- Praxis ist dies relevant für den Aufbau von angstin- tuationen oder nach langer Zeit von einem neuerlichen kompatiblen Alternativen (z. B. Selbstsicherheit). Auftreten ihrer Problematik. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 181 182 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Durch therapeutische Konfrontationsübungen ist hen oder Spinnen). Als Argument wird vielfach ange- eine pathologische Angstreaktion keineswegs ein führt, dass sich Betroffene nicht an einschlägiges Ler- für allemal gelöscht, d. h. aus dem Repertoire der nen erinnern können. Craske verweist darauf, dass Person „verschwunden“, sondern es bedarf weiter- manche Ängste (z. B. vor Fremden, lauten Geräuschen, hin einschlägiger Übungen, um die Angstreaktion bestimmten Tieren etc.) so weit verbreitet sind, dass zu bewältigen. man in entwicklungspsychologischer Hinsicht durchaus von angeborenen Ängsten sprechen kann. In klinischer Hinsicht betreffen diese Ängste allerdings nur Offene Fragen und neuere Entwicklungen eine Minorität hinsichtlich des Behandlungsbedarfs. Die zentrale Schlussfolgerung liegt darin, in nicht asso- Es wurde bereits mehrfach darauf verwiesen, dass es ziativen Merkmalen eine Art Vulnerabilität für die ra- sich bei klassischem Konditionieren um einen sehr sche Ausbildung von Ängsten im Falle der Konfronta- komplexen und auf mehreren Ebenen ablaufenden tion mit einschlägigen Stimuli unter Stressbedingun- Prozess handelt. Lernen setzt ein plastisches Nerven- gen zu sehen. system voraus, in dem neue Verknüpfungen gebildet und alte Muster überformt werden können. Beim Ler- Interozeptives Konditionieren. Beim klassischen nen emotional relevanten Verhaltens ist von einer Be- Konditionieren können nicht nur externe Reize die teiligung des kortikalen Erregungs- und Hemmsystems Funktion eines CS übernehmen; vielfach fungieren auszugehen [7] ebenso wie von Veränderungen der auch interne Reize als Stimuli für einen erwarteten Repräsentation im Gedächtnissystem inklusive ein- UCS. Ein spezielles Beispiel bilden Panikstörungen: schlägiger neurobiologischer Systeme (z. B. im Erre- Hier ist das Fehlen externer Auslöser ein entscheiden- gungssystem durch Glutamatrezeptoren bzw. im des Kriterium der Problematik, d. h. Patienten können Hemmsystem durch Glukokortikoide). für ihre Panikattacken keine Auslöser benennen und sie fühlen sich gerade deshalb besonders belastet (keine In diesem Abschnitt sollen schlaglichtartig einige Möglichkeit der Vermeidung). In neueren Modellen zur wenige neuere Entwicklungen und offene Fragen an- Panik [9] wird internen Reizen die Funktion eines Aus- gesprochen werden, die sich bei der Betrachtung des lösers einer speziellen Bewertung und einer Aufschau- klassischen Konditionierens auftun. kelung von Angst und Panik zugeschrieben („Teufelskreis der Angst“). Die Wahrnehmung des eigenen Hierarchische Struktur des Lernens. Klassisches Kon- Herzschlags etwa dient hier als CS für den Beginn des ditionieren beinhaltet das aktive Lernen von Beziehun- Kreislaufes – und hinsichtlich der erlebten Verknüp- gen zwischen Ereignissen. Der Organismus nimmt eine fung mit einer Panikattacke (UCR bzw. CR). Die thera- Diskrepanz zwischen einem Zustand der Umgebung peutische Implikation besteht in der Konfrontation mit und der internen Repräsentation dieses Zustandes internen Reizen ebenso wie die Vermittlung von Stra- wahr – und er reagiert in entsprechender Weise darauf tegien einer realistischen Bewertung eigener körperli- [1]. Speziell in der Hypothesentheorie des Lernens wird cher Reaktionen. Dass es sich hierbei möglicherweise betont, dass es sich hier auch um eine Konditionierung um eine Art Rückwärtskonditionierung handelt (d. h. höherer Ordnung handelt. Eine besondere Rolle spielt die Patienten im Nachhinein in der Herzrate einen Prä- dabei die Sprache als „zweites Signalsystem“: Begriffe diktor für ihre Panik suchen und finden) spielt dabei bekommen durch die Assoziation mit emotional be- anscheinend keine Rolle. Auch bei Musikern stellt die deutsamen Situationen (UCS) oder Reaktionen (UCR) Herzrate in der Phase der Erregung nachträglich einen selbst eine emotionale Bedeutung. So lösen nicht nur CS für ihre Angst dar und sie hält diese langfristig auf- eine konkrete Spinne oder das Bild einer Spinne, son- recht („Lampenfieber“ bzw. Auftrittsängste gelten des- dern bereits das Wort „Spinne“ bei Phobikern ein- halb als besonders resistent). schlägige emotionale und physiologische Reaktionen Rückkehr von Angst. Von großer Relevanz ist aller- (CRs) aus. dings die Annahme einer „Rückkehr von Angst“ [10] Nicht assoziative Faktoren des Lernens. Speziell in bzw. das Phänomen der Rekonsilidierung (spez. unter der Forschung zu Angststörungen wird vielfach geltend Stressbedingungen). Rekonsilidierung [11] meint, dass gemacht, dass es möglicherweise Ängste gibt, die nicht es zu einer nachträglichen Stabilisierung von Angstre- durch Lernen entstanden sind [8]. Verwiesen wird da- aktionen (speziell bei posttraumatischen Belastungs- bei auf angeborene Ängste, z. B. Trennungsangst (z. T. störungen, aber auch bei komplexen Phobien) kommt, auch Ängste von Kleinkindern vor Wasser, großen Hö- wenn Personen unter Stressbedingungen erneut mit Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Spezielle Themen Klassisches Konditionieren [1] █ gibt uns Hinweise auf Prozesse der Veränderung durch Erfahrung ganz allgemein. Obwohl klassisches █ Bereich der Wahrnehmungs- und Gedächtnispsy- Die genaue Analyse des klassischen Konditionierens chologie. Konditionieren natürlich nur einen von verschiede- Klassisches Konditionieren hat ganz praktische Implikationen: Dabei springen die Anwendungen im nen Lernprozessen ausmacht, bildet seine Analyse Bereich der Verhaltenstherapie als erstes ins Auge eine Art Muster für unser Verständnis der Interak- (etwa Ansätze der Gegenkonditionierung oder von tion von Organismus und Umwelt. Klassisches Konditionieren wird neuerdings auch Konfrontationsverfahren). Aber auch die Reaktionen von Kognitions- und Neurowissenschaftern aufge- Phänomen der stressbezogenen Analgesie oder die griffen, z. B. im Zusammenhang mit konnektionis- Immunsuppression durch Lernprozesse sind hier zu tischen oder parallelen Verarbeitungsmodellen im nennen. █ des Organismus auf die Drogenwirksamkeit, das ehemals traumatischen Stimuli konfrontiert werden. Darbietung Entfernung positiver Stimulus (C+) positive Verstärkung Folge: R Bestrafung/Löschung Folge: R¯ aversiver Stimulus (C) Bestrafung Folge: R¯ negative Verstärkung Folge: R Hier scheint eine Interaktion mit Stresshormonen ebenso relevant wie eine Konditionierung und möglicherweise auch kognitive Aspekte im Sinne einer nachträglichen Information über die Gefährlichkeit der Situation. Abb. 4 Skinner-Schema. Operantes Konditionieren ten und Konsequenzen, entscheidend ist allein, ob eine Die wichtigsten Untersuchungen zum operanten Kon- Verhaltenskonsequenz die Fähigkeit besitzt, die zu- ditionieren stammen von B. F. Skinner [12], obgleich künftige Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhalten zu es bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wichtige beeinflussen. Vorarbeiten u. a. von Thorndike oder Tolman gab. Zentral für diese Lernform ist das „Law of Effect“, d. h. das Therapeutisch gesehen ist es wichtig, eine Lernum- Prinzip, dass Verhaltensweisen durch ihre Konsequen- gebung zu schaffen, die es dem Individuum erleich- zen gesteuert werden. tert, Hinweise auf Verstärkung (bzw. auch auf Bestrafung) zu erkennen. Positive Konsequenzen erhöhen, negative Konsequenzen senken die Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhalten. Relevanz für die therapeutische Praxis Nach Skinner ist ein positiver Verstärker ein Reiz, der Aus der Perspektive der therapeutischen Praxis geht es die zukünftige Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhal- darum ten derselben operanten Klasse erhöht, wenn er kon- █ wird. Die Möglichkeiten von Verhaltenskonsequenzen Verhalten im Repertoire eines Individuums erst auszuformen / aufzubauen tingent auf das entsprechende Verhalten dargeboten █ Verhalten in seiner Häufigkeit zu reduzieren bzw. zu eliminieren (z. B. aggressives Verhalten) in dem von Skinner entworfenen Schema sind in Abb. 4 Verhalten zu stabilisieren dargestellt. █ Wichtig ist es festzuhalten, dass positive wie negative Eine besondere Rolle spielt dabei die übergeordnete (!) Verstärkung zu einer Erhöhung, Bestrafung bzw. Strategie des Kontingenzmanagements: Das meint die Löschung zu einer Senkung der Verhaltensrate führen. systematische Darbietung von positiven Reizen (C+) Die Beziehung zwischen dem Verhalten (R) einerseits bzw. die Entfernung von aversiven Reizen (C/−) für er- und den Konsequenzen (C) andererseits ist bei Skinner wünschtes Verhalten oder die Entfernung von positi- in der Art einer funktionalen Verknüpfung zu sehen: Er ven Reizen (C/+) bzw. die Darbietung von aversiven Rei- macht dabei keinerlei Aussagen über den inhaltlichen zen (C−) für unerwünschtes Verhalten. Welches Verhal- (oder gar kausalen) Zusammenhang zwischen Verhal- ten dabei als „erwünscht“ bzw. „unerwünscht“ anzu- Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 183 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Variablen der Verstärkung █ Kontingenzen: Damit sind die Beziehungen zwischen █ █ Verstärkerpläne: Wenn dem Verhalten in jedem Falle eine bestimmte Konsequenz folgt, spricht man von dem Verhalten und seinen Konsequenzen gemeint. Die Konsequenzen sollten dem Verhalten unmittelbar folgen, damit der Organismus den Zusammen- kontinuierlicher Verstärkung. Sie ist besonders effizient beim Aufbau von Verhalten. Intermittierende hang zwischen R und C erkennen kann [13]. Dieses Verstärkung meint eine Prozedur, bei der nicht je- Prinzip der Unmittelbarkeit von Konsequenzen auf dem Verhalten, sondern nur gelegentlich (nach das Verhalten hat vermutlich auch biologisch-evolu- Quote oder nach Zeit) eine Konsequenz folgt. Ver- tionäre Relevanz. Beim Aufbau von Verhalten in der halten, das nach einem flexiblen Verstärkungsplan Therapie muss dies unbedingt berücksichtigt wer- aufrechterhalten wird, erweist sich als besonders den. Primäre und sekundäre Verstärker: Reize (C) die ohne █ löschungsresistent. Diskriminationslernen: Verstärkung findet immer un- einen vorherigen Lernprozess ihre Wirkung auf das ter bestimmten Reizbedingungen statt. Organismen Verhalten zeigen nennt man primäre Verstärker lernen in der Regel sehr rasch, welche Stimuli mit (z. B. Nahrung), Reize, die ihre Wirksamkeit erst durch einen Prozess der Koppelung mit einem pri- Stimuli aversive Konsequenzen folgen (SΔ). Verstärkung verknüpft sind (SD) bzw. auf welche mären Verstärker ihre Wirksamkeit zeigen, werden als sekundäre Verstärker bezeichnet (z. B. Lob). sehen ist ergibt sich nicht aus einer bloßen Beobach- 100% tung des Verhaltens selbst, sondern erfordert eine präzise Analyse von Zielen unter Berücksichtigung normativer Aspekte. Lernkurven und das Erlernen von Kontingenzen Der Verlauf des Lernens wird in besonders anschauli- Wahrscheinlichkeit korrekter Verhaltensweisen 184 cher Form in sog. Lernkurven beschrieben. Dabei könzeitlicher Verlauf bzw. Versuchsdurchgänge nen Häufigkeit und Verlauf von einzelnen Verhaltensweisen im zeitlichen Verlauf beschrieben werden. Abb. 5 [14]. Asymptotische Lernkurve bei operanter Konditionierung Ein besonders interessantes Phänomen bildet der Verlauf von operantem Verhalten, das kontinuierlich oder C+ auch intermittierend verstärkt wird (Abb. 5). C C+ C+ C Organismen lernen demnach ein bestimmtes Verhalten durchaus bis hin zu einem stabilen Niveau – allerdings C nicht zu 100 %: Dies ist nach allgemeiner Ansicht [14] bilität von Verhalten. Organismen zeigen trotz der Verstärkung andere (problemlösende) Verhaltensweisen, C C+ eine wichtige Voraussetzung für die zukünftige Flexi- C+ R1 C die möglicherweise auch (höhere) Verstärkung erfahren könnten. C+ C C C+ C Ein weiterer wichtiger Umstand betrifft die Tatsache, dass einem spezifischen Verhalten in der Regel nicht nur eine einzelne Konsequenz nachfolgt, sondern dass das Verhalten in eine breite Palette von natürlichen Kontingenzen eingebettet ist (Abb. 6). Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Rn C natürliche Kontingenzen Abb. 6 Lernen von Kontingenzen, d. h. von Beziehungen zwischen Reaktionen und Umweltbedingungen [13]. Spezielle Themen Operantes Lernen ist deshalb als ein sehr komplexer Tritt bei einer Person etwa hinsichtlich der zweiten Be- und auch aktiver Prozess zu sehen, bei dem sich das dingung ein aktueller Verstärkerverlust – etwa durch Individuum in der Umgebung orientiert: Die Ausfor- den Tod eines Partners – auf, so ist für die Person eine mung von Verhalten erfolgt danach, welches Muster Art Vakuum an sonst vorhandenen Verstärkern gege- an Kontingenzen in Relation zu einem spezifischen ben. Das führt zu einer Reduktion an aktueller Verstär- Verhalten für den Organismus ein Optimum ergibt [13]. kung für bisherige Verhaltensweisen durch den Prozess der operanten Löschung (s. u.). Operantes Lernen in der Ätiologietheorie Die Theorie des Verstärkerverlustes hat eine Fülle an empirischen Studien ebenso ausgelöst wie auch ver- Speziell zur Erklärung der Aufrechterhaltung von (pa- schiedene Ergänzungen und Differenzierungen erfah- thologischem) Verhalten spielt die Analyse von Konse- ren. Eine der wichtigsten war die Theorie der erlernten quenzen des Verhaltens eine wichtige Rolle. Hilflosigkeit [16], wonach depressives Verhalten in erster Linie durch aversive Konsequenzen aufrechter- Viele Verhaltensmuster des Alltags ebenso wie z. T. halten wird, die unabhängig vom Verhalten der Person bizarre Verhaltensweisen werden durch ihre un- – also unkontrollierbar sind. mittelbaren Konsequenzen aufrechterhalten. Neben den vielen Studien erwies sich die Theorie auch Dazu zählen der Konsum von psychotropen Substanzen als ausgesprochen fruchtbar für die Therapie der De- ebenso wie delinquentes Verhalten, aber auch Essstö- pression: Zentral ist demnach die Vermittlung von so- rungen oder Ängste, bei denen die Konsequenzen der zialen Fertigkeiten um in den Genuss von Verstärkern natürlichen Umgebung zumindest mit zur Aufrechter- zu gelangen, sowie die schrittweise Vermittlung von haltung beitragen. subjektiver Kontrolle über Kontingenzen des Verhaltens. Beispiel: Unabhängig von Faktoren der Entstehung einer agoraphobischen Problematik eines Patienten werden das Schonverhalten, das Klagen über Be- Operante Löschung schwerden und der soziale Rückzug durch die Unterstützung der Umgebung mitstabilisiert – im Sinne von + − positiver (C ) oder negativer (C/ ) Verstärkung. Das Prinzip der Löschung spielt bei der operanten Konditionierung ebenso eine Rolle wie im klassischen Konditionieren. Die Begrifflichkeit ist dabei durchaus Verstärkerverlusthypothese der Depression. Ein be- verwirrend. Im klassischen Konditionieren meint die sonders augenfälliges Beispiel für die Erklärung patho- Löschung den Wegfall eines Verstärkers (CS→UC/S), logischen Verhaltens durch operante Faktoren bildet während im operanten Konditionieren der Wegfall des die Verstärkerverlusthypothese der Depression [15]. Verstärkers ein Ausbleiben von C+ meint (R→C/+). In bei- Depressives Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, den Fällen kommt es zu einer Reduktion der Verhal- dass es spezifische Unterschiede in der Häufigkeit ein- tensrate. Als Spezialfall bei der operanten Löschung ist zelner Verhaltensmuster im Kontrast zu gesunden Per- zu beachten, dass die Löschungskurve (Abb. 3) abhän- sonen gibt: Aktives Verhalten, berufliche Initiativen, gig von der vorherigen Lerngeschichte zu sehen ist. soziale Interaktionen sind bei Depressiven reduziert, Während kontinuierlich verstärktes Verhalten sehr während Rückzug, Klageverhalten etc. häufig auftreten. rasch zu löschen ist, benötigt intermittierend verstärk- Lewinsohn nahm nun an, dass das Auftreten „depressi- tes Verhalten z. T. mehrere 100 Versuchsdurchgänge bis ver“ Verhaltensweisen durch eine Kombination folgen- es zu einer stabilen Reduktion der Verhaltensrate der Bedingungen zustande kommt und aufrechterhal- kommt (s. dazu auch die Ausführungen zu Spezialpro- ten wird durch: blemen bei Löschung). Zur Erklärung kann man auf die █ prinzipiell vorhandene bzw. zugängliche Verstärker – Erwartungstheorie der Löschung verweisen: Bei inter- im Wesentlichen abhängig auch von der individuel- mittierend verstärktem Verhalten erwartet der Orga- len Lerngeschichte, nismus nicht in jedem Falle eine Verstärkung, sodass █ aktuell zugängliche Verstärker und das Verhalten auch beim mehrfachen Ausbleiben von █ Fähigkeiten der Person, in den Genuss der Verstärker C+ immer wieder gezeigt wird. zu gelangen (z. B. soziale Fertigkeiten). Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 185 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie tuation steigen zunächst Angst und Unruhe unmittelbar an. Da es sich dabei um eine für den Patienten be- Erwartung des Klienten: kontinuierlicher Anstieg, extrem hohe Angst Subjektives Ausmaß der Angst 186 sonders unangenehme Situation handelt, versucht er diese bald zu vermeiden (R→C/−) mit der Konsequenz, dass die Angst und Unruhe unmittelbar absinken (negative Verstärkung!), das Vermeidungsverhalten aber dadurch stabil aufrechterhalten wird. Im Grunde kann tatsächlicher Verlauf: Angst sinkt nach gewisser Zeit er nie die konkrete Erfahrung machen, dass es zu dem von ihm erwarteten Anstieg von Angst und Unruhe (→ C−) gar nicht kommt, wenn er in der Situation verbleibt. Die einzige Möglichkeit diese Erfahrung zu ma- Vermeidung: Angst sinkt unmittelbar ab chen besteht in dem Prinzip der Konfrontation (mit der aversiven Situation) und der Reaktionsverhinderung (des Vermeidungsverhaltens). Beginn der Konfrontation Abb. 7 zeitlicher Verlauf Anstieg und Abfall der Angst bei Konfrontation mit Reaktionsverhinderung. CS UCS (= Stimulus) (=Verstärker) Unterschiede von klassischem und operantem Konditionieren Die Unterscheidung von klassischem und operantem Konditionieren spielte in frühen Untersuchungen zu den Lerntheorien eine wichtige Rolle. Vertreter der jeweiligen Richtung versuchten das klassische bzw. das R C+ (= Reaktion) (=Verstärker) zeitlicher Verlauf klassische operante Konditionierung operante Konditionieren als das grundlegende Prinzip zu sehen. Dabei gibt es inzwischen gute Argumente für die Trennung der beiden Lernprozesse auf der Grundlage theoretischer Überlegungen oder betroffener Organsysteme. In der Praxis ist es allerdings kaum möglich, mit einem der beiden Modelle allein auszukommen [17]. Auch bei klassisch konditionierten Reaktio- Abb. 8 Differenzierung zwischen klassischer und operanter Konditionierung. nen erfolgt eine Konsequenz der Umwelt (C) und auch eine operante Reaktion erfolgt immer in einer Situation Löschung von Vermeidungsverhalten. Vermeidungs- (S). Aus heutiger Sicht ist eine Differenzierung ange- verhalten (z. B. bei phobischen oder zwanghaften Stö- bracht, wie sie in Abb. 8 verdeutlicht wird. rungen) ist dadurch gekennzeichnet, dass es durch das Ausbleiben einer (erwarteten) aversiven Konsequenz Die entscheidende und für die Praxis relevante Diffe- aufrechterhalten wird (R→C/−). Das Verhalten ist in der renzierung zwischen den beiden Lernformen besteht Regel äußerst stabil im Repertoire des Patienten, weil darin, dass der Organismus im klassischen Konditio- er nie die konkrete Erfahrung machen kann, dass die nieren eine Verknüpfung zwischen Stimuli herstellt aversive Konsequenz auch ausbleibt, wenn er in der (CS→UCS), während er im operanten Konditionieren Situation bleibt bzw. wenn er auf das Vermeidungsri- eine Verknüpfung zwischen dem eigenen Verhalten tual verzichtet. In therapeutischer Hinsicht hat dies und spezifischen Konsequenzen leistet (R→C). Zu be- die Konsequenz, dass der Patient nur durch die Kon- achten ist auch die jeweilige zeitliche Relation: Im frontation mit der (vermeintlich aversiven) Situation klassischen Konditionieren erfolgt der Verstärker vor, und durch Unterlassen des Vermeidungsrituals die im operanten Konditionieren nach der Reaktion des konkrete Erfahrung machen, dass die von ihm erwar- Organismus. Die „doppelte“ Verwendung für den Be- teten Konsequenzen auch bei der Bewältigung der griff „Verstärker“ mag zunächst verwirrend sein: Im Situation ausbleiben (Abb. 7). klassischen Konditionieren handelt es sich um den UCS, im operanten Konditionieren um eine Konsequenz des Die Abszisse in Abb. 7 kennzeichnet den zeitlichen Ver- Verhaltens in Form von C+. Es ist deshalb durchaus lauf, die Ordinate den Anstieg von Angst und Unruhe konsequent, von klassischem Konditionieren als S-S- einerseits und die Tendenz zur Vermeidung anderer- Lernen, bei operantem Konditionieren hingegen von seits. Bei der Konfrontation mit einer gefürchteten Si- R-S-Lernen zu sprechen. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Spezielle Themen 2-Faktoren-Theorie des Lernens UCS zusammenwirken, wird am Beispiel der 2-FaktorenTheorie besonders deutlich [18]. In der Darstellung des klassischen Konditionierens wurde bereits darauf hin- UCR (=Verstärker) Wie eng klassisches und operantes Konditionieren 1. Faktor: klassische Konditionierung (z. B. Angst) NS (z. B. Autofahren) gewiesen, dass wir uns die Entstehung von Angst als CS Koppelung von Stimuli vorstellen können (CS→UCS): CR (Autofahren) (Angst) Dabei erwirbt ein vorher neutraler Stimulus die Funktion eines Auslösers für eine Furcht- oder Schmerzreaktion (UCR bzw. CR) – dies bildet den ersten Faktor im Modell (Abb. 9). Diese konditionierte Reaktion würde nach dem Prinzip der Löschung sehr rasch wieder rückgebildet, da in der Regel nicht mehrere Koppelun- SD (Angst) `R (Vermeidung) gen von CS und UCS erfolgen. Da Angststörungen aber sehr stabil sind, muss für die CER (diskriminativer Hinweisreiz) 2. Faktor: operante Konditionierung Abb. 9 2-Faktoren-Theorie des Lernens [16]. Aufrechterhaltung ein 2. Faktor ins Spiel kommen: Der CS wird zum diskriminativen Hinweisreiz (SΔ) für die Personen aber auch von Gegenständen sein. Patienten, aversive Situation (UCS) und ebenso aversive Reaktion die unter agoraphobischen Ängsten leiden, berichten (CR) – in der Regel eine konditionierte emotionale Re- etwa, dass sie sich deutlich sicherer fühlen, wenn sie aktion, deshalb CER. Der Hinweisreiz löst unmittelbar die Medikamente bei der Autofahrt im Handschuhfach Flucht- und Vermeidungsverhalten aus und diese Re- mitführen oder wenn sie das Mobiltelefon mit der Not- aktion wird unmittelbar negativ verstärkt (C/−), weil die rufnummer griffbereit haben. erwartete aversive Reaktion ausbleibt. Durch die Vermeidung kann der Organismus nicht mehr die konkrete Erfahrung machen, dass das Vermeidungsverhalten die Kognitive Aspekte beim Lernen Funktion von „abergläubischem Verhalten“ besitzt, weil es durch den Wegfall einer (niemals überprüften) Lernen wird zu Recht als aktiver Prozess auf unter- aversiven Situation aufrechterhalten wird. schiedlichen Ebenen betrachtet. Veränderungen auf neurologischer und neurobiologischer Ebene sind da- Für Angststörungen ist nun besonders zu beachten, bei ebenso zu berücksichtigen wie Veränderungen von dass nicht nur externe Stimuli (z. B. Höhen, Menschen- einfachen bis hin zu komplexen Verhaltensmustern ansammlungen) die Funktion von konditionierten und kognitiven Ereignissen, Prozessen und Strukturen. Auslösern für Vermeidung übernehmen können. Kon- Bereits in den frühen klassischen Lerntheorien (z. B. bei ditionierte emotionale Reaktionen beinhalten immer Tolman) wurde auf das Konstrukt der Erwartungen als eine Reihe von körperlichen Aspekten, die ihrerseits wichtige Erklärung für den Prozess des Lernens ver- zu diskriminativen Hinweisreizen für die Vermeidung wiesen. werden können (z. B. erhöhter Herzschlag, Schwitzen). Im Rahmen kognitiver Theorien in der Psychologie Vielfach kann der Betroffene auslösende Stimuli gar ganz allgemein gewinnen auch kognitive Modelle zur nicht explizit benennen, im Sinne einer Automati- Erklärung von Lernprozessen besondere Bedeutung. sierung lösen sie jedoch das Vermeidungsverhalten Im Folgenden werden einige zentrale Aspekte näher ganz stabil aus. betrachtet. Eine wichtige Ergänzung des 2-Faktoren-Modells bildet die Theorie der Sicherheitssignale [10]. Patienten lernen Modelllernen nicht nur, welche Stimuli ein aversives Ereignis (UCS oder CR) vorhersagen, sondern auch, in welchen Situa- Ob Modelllernen ein eigenständiges Lernprinzip dar- tionen die Angst ausbleibt oder reduziert wird. Stimuli, stellt, ist nach wie vor umstritten. Ebenso diskutiert die mit dem Wegfall von Angst assoziiert sind, erwer- wird die Frage, ob das Modelllernen eher in den Bereich ben den Charakter von Sicherheitssignalen. Dies kön- der klassischen oder der kognitiven Lerntheorien ein- nen zufällige Stimuli wie die Anwesenheit anderer zuordnen sei. Unbestritten ist allerdings, dass viele Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 C (negative Verstärkung) 187 188 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Modelllernen Wichtige grundlegende Prozesse █ zelne Elemente verändert und ggf. neu kombiniert werden können. Prozesse der Aufmerksamkeit: Ein Beobachter muss ein Modell bzw. relevante Merkmale desselben wahrnehmen und diese Verhaltensmuster in Rela- █ weisen auch selbst motorisch umzusetzen (z. B. tion zu eigenen Lernerfahrungen setzen. █ Merkmale gespeichert werden. █ komplizierte Bewegungen im Sport). Voraussetzung ist ferner ein Prozess des Behaltens bzw. der Speicherung von Information: Hier handelt es sich um einen aktiven Prozess, bei dem relevante Prozesse der symbolischen Codierung setzen eine Art Motorische Reproduktionsprozesse beinhalten die Fähigkeit des Individuums, beobachtete Verhaltens- █ Aspekte der Motivation spielen beim Modelllernen insofern eine wichtige Rolle, als die Selektion der jeweiligen Beobachtung und Reproduktion entsprechend motivationaler Bedingungen erfolgt. Transformation der Information voraus, wobei ein- Personen zeigen in einer Situation spezifische ErwarSituation Verhalten Ergebnis tungen darüber, welches Verhalten sich als wirksam hinsichtlich eines Zieles herausstellen könnte (spezifisches Diskriminationslernen). Zusätzlich bilden sich Erwartung der Selbsteffizienz Erwartung der Verhaltenseffektivität Erwartungen hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen das neue Verhalten (im Sinne einer Rückkoppelung) auf die Situation und die neue Steuerung des Abb. 10 Prinzip der Self-Efficacy [19]. Verhaltens haben kann. komplexe Verhaltensweisen gewissermaßen „direkt“ Prozesse des Modelllernens sind als Grundlagen der durch Beobachtung nachgeahmt bzw. übernommen Verhaltenstherapie in zweierlei Hinsicht bedeutsam: werden – und dafür wurde der Begriff geprägt. 1. Zur Erklärung der Entstehung von Störungen: Pathologische Muster werden teilweise „direkt“ im Wege Unter Modelllernen versteht man ganz allgemein des Modelllernens übernommen. Viele Belege dazu die Tatsache, dass Personen ihr eigenes Verhalten gibt es für aggressives Verhalten (s. Rolle der Mas- als Folge der Beobachtung des Verhaltens einer an- senmedien), aber auch für Alkoholkonsum, Essver- deren Person (= Modell) in Richtung dieses beob- halten oder suizidales Verhalten (s. z. B.: „Werther“). 2. Zur Klärung des Merkmals der therapeutischen Be- achteten Verhaltens ändert. ziehung: Therapeuten sind für Patienten in jedem Mit „Beobachtung des Verhaltens“ meint man nicht nur Falle auch Modelle für sozial-kompetentes Verhalten. die direkte Beobachtung in der Realität, sondern auch Auch konkrete Hilfestellung für die Bewältigung Beschreibungen, verbale oder symbolische Darstellun- psychischer Probleme erfolgt vor dem Hintergrund gen. Ein entscheidendes Argument für Modelllernen der Modellfunktion des Therapeuten. als eigenständiges Prinzip bildet die Differenzierung von Aneignung und Durchführung („learning vs. per- Ganz allgemein spielen Ansätze des Modelllernens bei formance“): Viele Verhaltensweisen werden durch Be- einer ganzen Reihe therapeutischer Methoden in der obachtung erworben, aber nicht unmittelbar auch in Verhaltenstherapie eine wichtige Rolle: Zu nennen sind die Realität umgesetzt. beispielsweise Strategien von Trainings in Selbstsicherheit und sozialer Kompetenz, bei denen Betroffene im Zur Erklärung der Prozesse beim Modelllernen wird Wege über Modelllernen von Therapeuten einerseits in besonderer Weise auf sozial-kognitive Lerntheorien und von Mitgliedern der Gruppe andererseits effiziente verwiesen – dies obwohl viele Untersuchungen auf Strategien zur Bewältigung komplexer sozialer Interak- Modelllernen auch im infrahumanen Bereich (z. B. bei tionssituationen erlernen können. Primaten) hinweisen. Im Rahmen dieser Theorien wird auf die oben angesprochenen Prozesse Bezug genommen. Sehr deutlich wird dies an der Theorie der SelfEfficacy von A. Bandura [19] (Abb. 10). Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Spezielle Themen Konflikt und Konfliktmodelle M Überlegungen zur Relevanz von Konflikten für die EntStärke der Verhaltenstendenz t en di ra -G en eid stehung psychischer Störungen gehen z. T. bereits auf I. P. Pawlow zurück: Neben der Darbietung massiver aversiver Reize als ätiologische Faktoren (im Sinne der klassischen Konditionierung) verwies er auf die Relevanz von Konflikten als Nährboden „neurotischer“ Entwicklungen: Er ließ seine Versuchstiere in Lernexperimenten eine Diskrimination zwischen positiven (Hinweis auf C+, Futter) und aversiven Reizen (Hinweis auf Konfliktsituation (meist anhaltend, chronisch) Auf suc hen - Gra die nt C−, elektrischer Schlag) erlernen. Die Tiere erlernten diese Differenzierung sehr rasch anhand von Hinweisreizen (SD, heller Kreis) bzw. (SΔ, helle Ellipse). Wenn ¬ Nähe zum Ziel die beiden Hinweisreize einander angenähert wurden, konnten die Tiere die Differenzierung (ab einem Ach- Abb. 11 Konflikte als Grundlage für die klassische Konditionierung. senverhältnis der Ellipse von 8 : 9) nicht mehr leisten – und sie gerieten in einen für sie nicht mehr lösbaren Konflikt. levanz von Konfliktmodellen für die Grundlagen der Verhaltenstherapie: █ Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Theorien Eine Ausdifferenzierung und theoretische Fundierung zur Entstehung psychischer Störungen explizit Bezug von Konfliktmodellen erfolgte später durch K. Lewin. Er auf Konflikttheorien nehmen: Eine lange andauern- kennzeichnete einen Konflikt „… als eine Situation, in de, belastende Konfliktsituation stellt einen vielfach der gleichzeitig entgegengerichtete, dabei aber annä- prädisponierenden Faktor für die Entwicklung von hernd gleich starke Kräfte auf das Individuum einwir- Ängsten, depressivem Rückzug oder somatoformen ken“ [20]. Lewin hat in der Folge verschiedene Arten von Konflikten unterschieden, wobei der „Annähe- Beschwerden dar. █ Für den Prozess der Therapie selbst sind Konflikte rungs-Vermeidungs-Konflikt“ eine besondere Bedeu- von besonderer Relevanz: Der Patient steht bereits tung besitzt (Abb. 11). vor Beginn der Therapie vor der Frage, ob er sich auf den therapeutischen Prozess mit durchaus angeneh- Beim Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt zeigt eine men Perspektiven (z. B. Bewältigung der Alkoholpro- Person eine starke Annäherung an eine Situation, mit blematik) einlassen sollte. Im Verlauf der Therapie der Zeit bildet sich auch eine gewisse Vermeidungs- ist er ständig mit dem Konflikt zwischen alten, ge- tendenz aus, weil das Ziel bei näherer Betrachtung wohnten (aber problematischen) Verhaltensmustern durchaus auch unangenehme Komponenten besitzt. und dem Aufwand des Erlernens von Alternativen Im Kreuzungsbereich von Annäherungs- und Vermeidungstendenz ist die Situation für die Person nicht lös- konfrontiert. █ In der Theorie der Selbstregulation und -kontrolle bar. Diese Konfliktsituation muss man sich für den Hu- spielt der Aspekt von Konflikten eine wichtige Rolle: manbereich als zumeist chronisch und dynamisch vor- Selbstkontrolle ist dadurch gekennzeichnet, dass sich stellen: Der Konflikt in einer belastenden Partnerschaft die Person in einem Konflikt zwischen kurz- und zu verbleiben (z. B. der Kinder wegen) oder sich zu langfristigen Konsequenzen befindet, wobei diese trennen ist zumeist mit massiven emotionalen Belas- Konsequenzen jeweils unterschiedliche Attraktivität tungen verknüpft. besitzen. Diese Belastungen und die Konflikthaftigkeit beinhalten in der Regel mehrere Ebenen (kognitiv, Netzwerktheorien emotional, Verhalten) und bilden vielfach den Nährboden für pathologische Reaktionsmuster. Lernen bedeutet nicht nur eine Veränderung konkreter Verhaltensweisen und -muster, sondern auch Gerade Konflikttheorien verdeutlichen, dass eine strik- eine Prüfung und ggf. Veränderung interner Reprä- te Trennung in behaviorale und kognitive Modelle we- sentationen. nig sinnvoll ist. Sehr deutlich wird das auch an der Re- Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 189 190 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Konfliktmodelle Einschränkungen und Besonderheiten █ Es wäre deshalb verfehlt, Konflikte als rein kognitives Geschehen aufzufassen. Auf die Problematik des dynamischen Verlaufs von Annäherungs- und Vermeidungstendenz wurde bereits verwiesen. Konflikte im menschlichen Bereich █ In allen theoretischen Erörterungen zu Prozessen sind keineswegs als so linear und klar verlaufend zu des Lernens wurde die aktive Rolle von Personen be- sehen wie dies in Abb. 6 suggeriert werden könnte. █ Letztlich sind Konflikte und Belastungen immer auch in Relation zu Prozessen der Bewältigung zu sehen: tont. Personen sind nicht nur passiver „Spielball“ von Konflikte beinhalten immer mehrere Ebenen: Von besonderer Relevanz ist sicher die emotional-moti- Konfliktsituationen, sie versuchen vielmehr eine aktive Lösung der Problematik – auch wenn diese Lö- vationale Ebene, die darüber hinaus durch ihre Dau- sungsversuche vielfach in eine weitere Verstrickung er (Chronizität) eine besondere Belastung darstellt. führen (z. B. durch Vermeidung). Nach neueren Vorstellungen sind diese propositional dauerhafter Wirksamkeit sein, wenn sich der Patient repräsentiert und in Netzwerken organisiert [21, 22] auf den emotionalen Aspekt seiner Befürchtungen ein- (s. a. Abb. 12). lässt („emotional processing“). Darüber hinaus erfordert eine stabile Veränderung auch eine Intervention Implikationen des Netzwerkmodells von Kognitionen auf der Ebene der netzwerkartigen Struktur, in der pa- und Emotionen bestehen darin, im Verlauf der Therapie thologische Informationen über Bewertungen, Stimuli nicht nur eine stabile Veränderung von Verhaltens- und Reaktionen gespeichert sind. mustern anzustreben, sondern auch den internen Repräsentationen entsprechende Beachtung zu schenken. Langfristig wirksame Veränderung pathologischer Muster erfolgt demnach nicht allein durch eine Um- Vermittlung von Information / Plausible Modelle strukturierung des Verhaltens (d. h. auf behavioraler Ebene), sondern auch durch eine Veränderung kogni- Aus heutiger Sicht kann man sich die Entstehung psy- tiver / emotionaler Muster („emotional processing“ im chischer Störungen (z. B. von pathologischer Angst als Sinne von Foa und Kozak [23]). Resultat des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren vorstellen, nämlich Praktisch gesehen erfordert dies ein therapeutisches █ Vorgehen auf unterschiedlichen Ebenen: Zum einen kann der Patient eine Veränderung seiner Befürchtun- tion (klassisches Konditionieren), █ gen und Bewertungen am besten durch einen Test in der Realität vornehmen (z. B. im Rahmen eines Kon- durch pathologisches Lernen im Sinne von Assoziadurch Lernen anhand von Konsequenzen des Verhaltens (operantes Konditionieren), █ frontationsverfahrens). Dieses wird aber nur dann von durch Modelllernen, gewissermaßen im Sinne einer direkten Übernahme von Mustern, █ durch direkte Vermittlung von Information (z. B.: Schlangen sind gefährlich! An Angst kann man Informationen über Stimuli Beine Spinne giftig sterben!). Speziell der letztgenannte Aspekt wird zu Recht als Er- haarig kriecht klärung für Ängste herangezogen, bei denen die Person weder selbst noch im Wege über das stellvertretende Lernen Kontakt oder Erfahrung mit der entsprechen- Informationen über Reaktionen Hilfe! Flucht vermeiden den Situation hatte. Lernen aber ist und bleibt ein aktiver Prozess auf meh- weglaufen reren Ebenen, wobei immer auch kognitive Aspekte (auch im Sinne von sekundären „beliefs“) mit zur Auf- Informationen über Bedeutungen Abb. 12 rechterhaltung der Problematik beitragen. Gerade die Angst Gefahr Ekel Entwicklung „kognitiver Theorien“ und ihre nachgewiesene Wirksamkeit zur Behandlung eines inzwischen breiten Spektrums an psychischen Störungen Netzwerkmodell. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Spezielle Themen Netzwerkmodell Unterscheidung verschiedener Ebenen █ oder auch durch bloße Information haben Situatio- im Laufe der Erfahrung, dass bestimmte Reize mit emotionalen Bedeutungen verbunden sind. Diese nen und Worte eine spezifische Bedeutung erhalten, sind relativ stabil gespeichert und können bei Kon- █ Wege über klassisches Konditionieren (Assoziation) Informationen über Bedeutungen: Menschen lernen █ die ebenfalls im Netzwerk verankert ist. Information über Reaktionen: Dies ist als prädispo- frontation mit einem internen oder externen Reiz nierende Struktur für Verhaltensprogramme anzu- sehr rasch abgerufen werden (z. B.: Wahrnehmung sehen, die bei relevanten Stimuli sehr rasch aktiviert des eigenen Herzschlages→Gefahr→Tod). Informationen über Situationen: Situationen werden werden (z. B. Flucht- und Vermeidungsprogramme). symbolisch (verbal / propositional) gespeichert. Im verdeutlicht, dass kognitive Aspekte in der Therapie nicht nur als „Beiwerk“ gesehen werden dürfen, son- Selbstbeobachtung (Ist-Zustand) dern dass man ihnen ganz gezielt Rechnung tragen Rückkoppelung sollte. In der kognitiven Verhaltenstherapie bietet sich dies in folgenden Bereichen an. Selbstbewertung (Standards, SollZustand) Rückkoppelung Selbstregulation und Selbstkontrolle Selbstverstärkung (anhand des Ist « Soll-Vergleichs) Im Modell der Selbstregulation wird explizit davon ausgegangen, dass Menschen in der Lage sind, eigenes Verhalten selbst zu beobachten, dieses Abb. 13 Modell der Selbstregulation nach Kanfer. Verhalten in Relation zu eigenen Standards zu setzen und sich selbst Konsequenzen für das Erreichen über eine sog. O-Variable. Mittlerweile ist klar, dass oder Nichterreichen der Standards zu verabreichen nicht nur somatische Bedingungen große Bedeutung (Abb. 13). für den Ablauf des Verhaltens haben, sondern auch die Lerngeschichte, inkl. kognitiver Muster, Annahmen, Im funktionalen Modell des menschlichen Verhaltens Standards usw. Aufgabe der funktionalen Analyse ist wurde bereits von Skinner die Variable des Organismus es deshalb, diese Muster ebenfalls zu erfassen, weil sie eingeführt: Situationen lösen nicht direkt spezifische nicht selten die entscheidende Ebene einer Problema- Reaktionen aus, sondern es erfolgt eine Vermittlung tik ausmachen. Kognitive Aspekte in der Therapie █ Direkte Vermittlung von korrekter Information [10]: Hintergrund unseres theoretischen Wissens einer- Die Vermittlung von fachlich korrekter Information, z. B. auch über aktuelle Gefahren oder über die seits und der individuellen Lernbedingungen der Funktion von körperlichen Prozessen kann einen ten bietet diese Form der Intervention bereits eine erster Schritt zur Bewältigung darstellen, oder auch erste Erleichterung und motiviert zu einer weiteren Person andererseits zu vermitteln. Für viele Patien- Informationen im Zusammenhang mit Erkrankun█ gen. Vermittlung von plausiblen Modellen über Entste- █ Bewältigung der Problematik. Kognitive Therapie im engeren Sinne: Diese Strategie geht weit über die im ersten Punkt angesprochene hung und ggf. Veränderung einer Problematik: Pa- Vermittlung von Information hinaus. Verschiedene tienten sind zu Beginn der Therapie zunächst beson- Modelle kognitiver Therapien haben unterschiedli- ders daran interessiert, wie man sich die Entstehung einer Problematik erklären kann („Warum habe ich che Schwerpunkte. Gemeinsam ist ihnen der Aspekt, dass kognitive Einstellungen, Bewertungen, Verzer- diese Ängste?“). Hier ist es Aufgabe des Therapeu- rungen direkt zum Gegenstand der Intervention ten, dem Patienten eine plausible Information über die mögliche Entstehung der Problematik vor dem werden (z. B. durch die Strategie der Disputation, des sokratischen Dialogs usw.). Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 191 192 Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie Reaktion Selbstkontrolle I (Widerstehen einer Versuchung) kurzfristige Konsequenz Selbstkontrolle II (heldenhaftes Verhalten) C+ C+ C R1 Abb. 14 scheiden [24]. chung“) geht es darum, dass sich eine Person dagegen entscheidet, eine Verhaltensweise mit prinzipiell hoher C+ Wahrscheinlichkeit und unmittelbarer positiver Ver- C C+ C Im erstgenannten Konflikt („Widerstehen einer Versu- C Konflikt II R0 fliktsituation gegen aktuelle Kontingenzen zu ent- C Konflikt I R0 des Individuums voraus, sich anhand einer Kon- C+ C+ R1 Das Prinzip der Selbstkontrolle setzt die Fähigkeit langfristige Konsequenz C stärkung zu realisieren – zugunsten eines Verhaltens, das erst langfristig positive Konsequenzen nach sich zieht. Im 2. Fall („Heldenhaftes Verhalten“) entscheidet sich die Person für Verhalten trotz aktueller kurzfristiger negativer Konsequenz – zugunsten eines Verhaltens, das auch erst langfristig positive Konsequenzen Das Prinzip der Selbstkontrolle. zur Folge hat. Beispiel: Bei einer depressiven Patientin bedürfen die In der Forschung wurde zu Recht auf das „Paradoxon Muster des sozialen Rückzugs, das Weinen, Klagen, der Selbstkontrolle“ verwiesen: Rein lerntheoretisch Suizidtendenzen etc. einer genauen Erfassung. Dane- betrachtet ist es durchaus als paradox anzusehen, dass ben ist es aber ausschlaggebend, die kognitiven Muster und warum sich Menschen für den Verzicht auf kurz- und Schemata der Patientin zu erheben (z. B. „Ich bin fristige positive und für das Ertragen einer kurzfristig nichts wert!“; „Ich darf meine Wünsche und Bedürf- aversiven Konsequenz entscheiden. nisse nicht äußern!“). Gerade in der therapeutischen Praxis ist es notwendig, Einen Sonderfall der Selbstregulation nimmt das Kon- diese Prinzipien der Selbstkontrolle zu kennen und in strukt der Selbstkontrolle ein: Selbstkontrolle ist im Verhaltensanalyse, Therapieplanung und Umsetzung Kontrast zur Selbstregulation dadurch gekennzeichnet, zu berücksichtigen (z. B. hinsichtlich der Motivation für dass sich die Person mit ihren Handlungstendenzen in die Abstinenz bei einem drogenabhängigen Jugendli- einem Konflikt befindet. Dabei werden zumeist folgen- chen). de beiden Typen von Konflikten angeführt (Abb. 14). █ Widerstehen einer Versuchung █ heldenhaftes Verhalten Kernaussagen Lernen bedeutet ganz allgemein einen Prozess der Veränderung von Verhalten im Verlauf der Entwicklung █ Verhaltens durch gedankliche Muster, im Speziellen eines Organismus. Verhaltenstherapie beinhaltet eine durch Bewertungen, Wahrnehmung und Speiche- Veränderung pathologischen Verhaltens in Richtung therapeutischer Ziele, deshalb bilden die einzelnen Kognitive Lernprozesse beinhalten eine Steuerung des █ rung von Inhalten. Zentral für kognitive Verhaltenstherapie ist insbe- Prinzipien des Lernens eine zentrale Grundlage. Im sondere eine funktionale Betrachtungsweise, wonach Einzelnen meint dies: Klassisches Konditionieren: Hier erwirbt ein vorher eine präzise Beschreibung des Verhaltens und seiner █ █ vorausgehenden, begleitenden und nachfolgenden neutraler Stimulus die Funktion eines Auslösers für Bedingungen entscheidend für eine Veränderung einen vorherigen UCS (Prinzip der Stimulussubstitu- ist. In der Verhaltenstherapie geht es demnach da- tion). rum, diese Bedingungen zu beeinflussen, um damit auch das (pathologische) Verhalten zu verändern. Operantes Konditionieren: Nach dem Gesetz des Effekts werden zukünftige Verhaltensweisen durch die aktuellen Kontingenzen gesteuert. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 4 ê 2010 Spezielle Themen Über den Autor 8 Craske M. Origins of Phobias and Anxiety Disorders: Why more women than men? Amsterdam: Elsevier, 2003 9 Margraf J, Schneider S. Panik. Angstanfälle und ihre Behand- Hans Reinecker lung. Berlin: Springer, 1990 10 Rachman SJ. Fear and courage. 2nd ed. New York: W. H. Free- Prof. Dr. phil. Hans Reinecker. Jahrgang 1947. 1967–1973 Studium der Psychologie in Salzburg. Promotion 1973. Habilitation 1980. Seit 1982 Lehrstuhl Klinische Psychologie / Psychotherapie an der Universität in Bamberg. Aufbau und Leitung der Psychotherapeutischen Ambulanz für Forschung und Lehre. Leitung des Ausbildungsinstitutes CIP Bamberg. man, 1990 11 LeDoux JE. Emotion, memory, and the brain. Scientific American 2002; 12: 62–71 12 Skinner BF. Science and human behavior. 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Jeweils eine Antwort ist richtig. Die Vergabe von CME-Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple-Choice-Fragen gebunden. 1 Was meint man mit Kontinuitätsan- A nahme des Lernens? Normales ebenso wie pathologisches Verhalten sind auf der Grundlage derselben Lernprinzipien entstanden. B Verhalten muss kontinuierlich aufgebaut werden. C Beim Lernen ist von einem Kontinuum von klassischem und operantem Konditionieren auszugehen. D Einmal gelerntes Verhalten bleibt im Repertoire kontinuierlich bestehen. E Normales und pathologisches Verhalten sind im Organismus kontinuierlich verteilt. Was meint das Prinzip der Kontigui- A CS und UCS stammen aus derselben Modalität. tät im klassischen Konditionieren? B Der CS übernimmt die Funktion des UCS. C Raum-zeitliche Koppelung von CS und UCS. D Für Lernen muss zwischen CR und UCR eine Kontingenz bestehen. E Kontiguität und Kontingenz meinen dasselbe Prinzip. Was bedeutet das Prinzip der Lö- A CS und CR werden gemeinsam dargeboten. schung im klassischen Konditionie- B CR und UCR werden unabhängig dargeboten. ren? C Löschung bedeutet die Tendenz zur Spontanremission bei Phobien. D Löschung heißt pathologische Reaktionen rückgängig zu machen. E CS ohne Darbietung des UCS. Was bedeutet das Prinzip der Pre- A Prinzipien des Lernens sind universell. paredness im klassischen Konditio- B Lernen ist vor einem biologisch-evolutionären Hintergrund zu sehen. nieren? C Der Organismus muss auf das Lernen vorbereitet sein. D Evolution ist unabhängig von Lernprozessen zu sehen. E Lernen verläuft im infrahumanen Bereich analog zum Humanbereich. Was meint interozeptives Konditio- A Somatische Reize können die Funktion eines CS übernehmen. nieren? B Interne Reize werden durch Lernprozesse verknüpft. C Psychosomatische Erkrankungen sind durch Lernen veränderbar. D Die Wahrnehmung körperlicher Reize ist die Voraussetzung für die Verknüpfung von CS und UCS. E Internale Reize sind den Prozessen des Lernens nicht unterworfen. Was meint das Gesetz des Effekts im A Verhalten ist nur wirksam, wenn positive Verstärker folgen. operanten Konditionieren? B Effektives Verhalten wird immer verstärkt. C Verhaltensweisen werden durch ihre Konsequenzen gesteuert. D Langzeiteffekte des Verhaltens sind nicht wirksam. E Strategien auf der Grundlage von Lernprinzipien gelten als effektiv. 2 3 4 5 6 CME 3/2010 | | Psychiatrie und Psychotherapie up2date CME-Fragen Lerntheoretische Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie 7 Was meint das Prinzip der negativen A erhöht die zukünftige Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhalten Verstärkung? B ist mit Bestrafung gleichzusetzen C sollte im Bereich von Psychotherapie immer unterbleiben D ist wirkungslos E senkt die zukünftige Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhalten Was ist die Theorie des Verstärker- A erklärt die Entstehung von Angststörungen verlusts? B bildet eine Erklärung für die Löschung von Vermeidungsverhalten C erklärt die Auftrittshäufigkeit von Verhalten D gilt heute als nicht mehr aktuell E bildet eine Erklärung zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen Wofür kann Modelllernen eine A für das Zusammenwirken von klassischem und operantem Konditionieren Erklärung bieten? B für die direkte Übernahme komplexer (pathologischer) Verhaltensmuster C für die Tatsache, dass Menschen ohne direkte Instruktion lernen können D für die Häufigkeit aggressiven Verhaltens bei Jugendlichen E für die differenzielle Ausformung pathologischen Verhaltens Was ist für Selbstkontrolle kenn- A Dass Selbstregulation begrenzt ist. zeichnend? B Dass Personen „Willensstärke“ besitzen. C Dass Personen in der Lage sind, eigenes Verhalten zu steuern. D Das Vorliegen eines Konfliktes zwischen kurz- und langfristigen Konsequenzen des Verhaltens. E Dass kurzfristige Konsequenzen bedeutsamer sind als langfristige. 8 9 10 CME 195