KAPITEL 3 DISKRETE ZUFALLSVARIABLEN UND VERTEILUNGEN

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KAPITEL 3
DISKRETE ZUFALLSVARIABLEN UND
VERTEILUNGEN
WS 2016/2017
Hans-Peter Hafner
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Gliederung
18.01.
Was sind Zufallsvariablen?
Charakteristika einer Zufallsvariablen: Verteilung, Erwartungswert und Varianz
Ausgewählte diskrete Verteilungen:
• Binomial- und Multinomialverteilung
24.01.
• Geometrische Verteilung
• Negative Binomialverteilung
• Poissonverteilung
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Einführung
Zufallsvariablen sind Funktionen auf Wahrscheinlichkeitsräumen.
Sie fassen Informationen über den Ausgang eines Zufallsexperimentes zusammen.
Beispiele:
Lottoziehung: Anzahl der Treffer auf Lottoschein
Zwei Würfel: Augensumme
Kinder: Anzahl der Kinder in einer Familie
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R
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Zufallsvariable
Sei (Ω, P) ein Wahrscheinlichkeitsraum. Eine Abbildung X: Ω -> ℝ heißt Zufallsvariable (auf Ω).
Hat X höchstens abzählbar viele Werte, so nennen wir sie diskret, andernfalls stetig.
Zunächst betrachten wir nur diskrete Zufallsvariablen auf endlichen Wahrscheinlichkeitsräumen!
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Schreibweisen und Bemerkungen
1) Für das Ereignis, dass X den Wert k annimmt, schreiben wir kurz:
X=k
Dies ist die abkürzende Schreibweise für
{X = k} := {ω ∈ Ω : X(ω) = k}
2) Der Wertebereich von X ist X(Ω) := {X(ω) : ω ∈ Ω}
3) Sind X und Y Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum Ω, so sind auch X + Y, X – Y, X * Y,
max(X, Y) und min(X, Y) Zufallsvariablen auf Ω. Ebenso ist für jede reelle Konstante a das Produkt
a * X eine Zufallsvariable auf Ω.
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Verteilung einer Zufallsvariablen
Die Verteilung einer Zufallsvariablen X gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der X einen bestimmten Wert
annimmt.
Formal: P(X = x) := P({ω ∈ Ω : X(ω) = x})
Liegt der Wert von X im Intervall [a, b], so schreiben wir:
P(a ≤X ≤ b) := P({a ≤ X ≤ b})
Liegt der Wert von X in der Menge B, so schreiben wir:
P(B) := ∑ ∈ P( )
Da wir momentan nur Zufallsvariablen auf endlichen W-Räumen betrachten, ist X(Ω) eine endliche Menge
und für jedes xk, das nicht in X(Ω) enthalten ist, gilt: P(X = xk) = 0.
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Verteilungsfunktion
Die Verteilungsfunktion F einer Zufallsvariablen X gibt die kumulierte Wahrscheinlichkeit an, dass X
einen Wert kleiner oder gleich einem Wert x annimmt.
=
≤
=∑
( =
)
Beispiel: X Augenzahl beim Werfen eines Würfels
F(1) = 1/6 F(5) = 5/6
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Erwartungswert einer Zufallsvariablen 1
Der Begriff Erwartungwert (engl.: expectation) geht auf Christiaan Huygens
(1629–1695) zurück, der in seiner Abhandlung Van rekeningh in spelen van
geluck (1656) den erwarteten Wert eines Spieles mit ”Das ist mir soviel wert“
umschreibt. Huygens’ Arbeit wurde 1657 von Frans van Schooten (um
1615 – 1660) ins Lateinische übersetzt, welcher hier zur Verdeutlichung das
Wort expectatio einführt.
Diese Übersetzung diente Jakob Bernoulli als Grundlage für seine Ars
conjectandi, in der dieser den Begriff valor expectationis benutzt.
Der Erwartungswert einer Zufallsvariablen ist der Wert, der auf lange Sicht
im Durchschnitt zu erwarten ist. Er ist das Analogon zum arithmetischen
Mittel in der Statistik.
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Erwartungswert einer Zufallsvariablen 2
Für eine Zufallsvariable X : Ω → IR auf einem endlichen W–Raum (Ω,P ) heißt die Zahl
E(X) := ∑x ∈X(Ω) xi * P(X = xi)
i
der Erwartungswert (engl.: expectation, expected value) von X.
Bezeichnung: Oft schreibt man statt E(X) einfach EX.
Beispiel: X Augenzahl beim Würfeln
E(X) = 1 * 1/6 + 2 * 1/6 + 3 * 1/6 + 4 * 1/6 + 5 * 1/6 + 6 * 1/6
= 21 / 6 = 3.5
Sind X und Y Zufallsvariablen auf Ω und ist a eine reelle Konstante, so gilt:
(a) E (X + Y) = E(X) + E(Y)
(b) E(aX) = a * E(X)
Im allgemeinen gilt nicht: E(X * Y) = E(X) * E(Y)
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Varianz einer Zufallsvariablen
Die Varianz einer Zufallsvariablen ist ein Maß dafür, wie stark die Werte um den Erwartungswert
streuen.
Für eine Zufallsvariable X : Ω → IR auf einem endlichen W-Raum (Ω,P ) heißt
V (X) := E(X − EX)2
die Varianz (engl.: variance) von X.
Die mit σ(X) :=
( )bezeichnete Wurzel aus V (X) heißt Standardabweichung (engl.: standard
deviation) von X.
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Umformung der Formel für die Varianz
Seien x1, ··· , xk die Werte der Zufallsvariablen X. Dann lässt sich die Varianz auch wie folgt schreiben:
V(X) = ∑
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(xi - EX)2 * P(X = xi )
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Binomialverteilung 1
Bernoulli – Versuche sind Zufallsexperimente, die
• wiederholt durchgeführt werden
• unabhängig vom Ergebnis des vorherigen Versuchs sind
• zwei mögliche Ausgänge haben: „Erfolg“ (Treffer) mit Wahrscheinlichkeit p,
„Misserfolg“ (kein Treffer) mit Wahrscheinlichkeit q, wobei p + q = 1
Beispiele
Münzwurf: Wappen / Zahl
Los: Gewinn / Niete
Klausur: bestanden / nicht bestanden
Qualitätskontrolle: fehlerfrei / mangelhaft
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Binomialverteilung 2
Eine Folge von n nacheinander durchgeführten identischen Bernoulli-Experimenten nennen wir
Bernoulli-Kette der Länge n.
Meist interessiert nur die Anzahl der Erfolge.
Es gilt: Bei einer Bernoulli-Kette der Länge n mit Erfolgswahrscheinlichkeit p ist die Wahrscheinlichkeit für
k Treffer (0 ≤ k ≤ n):
* pk * qn-k
b(k; n, p) =
Beweis:
1) Es gibt
verschiedene Möglichkeiten für die Anordnung der Erfolge in n Versuchen.
2) Für jede dieser möglichen Ausgänge beträgt die Wahrscheinlichkeit für k Erfolge pk und die
Wahrscheinlichkeit für n-k Misserfolge ist qn-k .
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Binomialverteilung 3
Eine Zufallsvariable X besitzt eine Binomialverteilung mit Parametern n und p, falls gilt:
P(X = k) =
* pk * qn-k
Wir schreiben: X ~ Bin(n, p)
Für die Wahrscheinlichkeit P(X = k) schreiben wir in diesem Fall oft Bin(k; n, p).
Die Binomialverteilung hat den Erwartungswert n * p.
Dies sind man am einfachsten so:
Schreibe X = X1 + X2 + ∙∙∙ + Xn mit Xi = 1, falls Erfolg in Versuch i und 0 sonst.
Klar: Jedes Xi hat Erwartungswert p.
Wegen E(X1 + X2 + ∙∙∙ + Xn ) = E(X1) + E(X2) + ∙∙∙ + E(Xn ) folgt die Behauptung.
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Binomialverteilung 4
Die Binomialverteilung hat die Varianz n * p * q.
Setze wieder X = X1 + X2 + ∙∙∙ + Xn mit Xi = 1, falls Erfolg in Versuch i und 0 sonst.
V(Xi) = (1 – p)2 * p + (0 – p)2 * (1 – p)
= (1 – p) * ((1 – p) * p + p2)
= (1 – p) * p = p * q
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Binomialverteilung 5
Bin(k; 10, 0.25)
Bin(k; 10, 0.5)
Bin(k; 10, 0.8)
Quelle: Behrens
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Übung 6
1) 10% der Ersatzteile, die ein Computerhersteller produziert, sind defekt. Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit für genau 3 defekte Teile bei einer Stichprobe von 10?
2) Ein Examen besteht aus 10 Multiple Choice – Fragen mit je 4 Antwortmöglichkeiten (jeweils ist
genau eine Antwort richtig). Ein Kandidat rät zufällig. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er
mindestens 7 Fragen richtig beantwortet?
3) Fabian und Florian spielen Tennis. Fabian gewinnt erfahrungsgemäß 80% der Spiele.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass
a) Florian bei 4 Spielen öfters als einmal gewinnt?
b) Fabian bei 4 Spielen immer gewinnt?
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Übung 6/1
10% der Ersatzteile, die ein Computerhersteller produziert, sind defekt.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für genau 3 defekte Teile bei einer
Stichprobe von 10?
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Übung 6/2
Ein Examen besteht aus 10 Multiple Choice – Fragen
mit je 4 Antwortmöglichkeiten (jeweils ist genau eine Antwort richtig).
Ein Kandidat rät zufällig.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mindestens
7 Fragen richtig beantwortet?
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Übung 6/3
Fabian und Florian spielen Tennis. Fabian gewinnt
erfahrungsgemäß 80% der Spiele.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass
a) Florian bei 4 Spielen öfters als einmal gewinnt?
b) Fabian bei 4 Spielen immer gewinnt?
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Multinomialverteilung 1
Die Multinomialverteilung ist die Verallgemeinerung der Binomialverteilung für den Fall, dass ein
Experiment r ≥ 2 Ausgänge haben kann.
Beispiele:
Würfel: 6 Ausgänge
Bälle mit r Farben (ohne Zurücklegen)
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Multinomialverteilung 2
Modellannahmen:
Experimentausgang k Treffer k-ter Art mit Wahrscheinlichkeit pk
p1 + p2 + ∙∙∙ + pr = 1
Ω := {(a1,a2, . . . ,an) : ai ∈ {1,2, . . . ,r} für i = 1, . . . ,n}
aj = k: Im j-ten Experiment tritt ein Treffer k-ter Art auf.
Sei nk , k = 1, . . . ,r die Anzahl der Treffer k-ter Art in einem n-Tupel.
Es gibt
!
n1 ! ∗ n2 ! ∗ ··· ∗ nr
Möglichkeiten für diese Trefferanzahlen (s. Permutationen ohne Whd. Spezialfall)
!
Die Wahrscheinlichkeit für diese Trefferverteilung ist (p1n1 ) * (p2 n2) * ∙∙∙ * (pr nr ).
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Multinomialverteilung 3
Der Zufallsvektor (X1, . . . ,Xr) besitzt eine Multinomialverteilung (engl.: multinomial distribution) mit
Parametern n und p1, . . . ,pr (r ≥ 2, n ≥ 1, p1 ≥ 0, . . . ,pr ≥ 0, p1 + p2 + ··· + pr = 1), falls für nk , k = 1, . . . ,r mit
nk ≥ 0 und n1 + . . . + nr = n
P(X1 = n1, . . . ,Xr = nr) =
!
n1 ! ∗n2 ! ∗··· ∗nr
!
* (p1n1 ) * (p2 n2) * ∙∙∙*(pr nr )
Wir schreiben: (X1, . . . ,Xr) ~ Mult(n; p1, . . . ,pr).
Für die Wahrscheinlichkeit P(X1 = n1, . . . ,Xr = nr) schreiben wir Mult (n1 , . . . , nr; n; p1, . . . ,pr)
Es gilt: Xk ~ Bin(n, pk) für k = 1, . . . ,r.
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Übung 7
Im Tierheim gibt es 80 Katzen, 60 Hunde, 20 Meerschweinchen, 10 Hamster und 30 Kaninchen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass unter 20 zufällig ausgewählten Tieren
a) genau 8 Katzen, 4 Hunde, 2 Meerschweinchen, 2 Kaninchen und 4 Hamster sind?
b) kein Hamster ist?
c) nur Katzen sind?
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Literatur
Henze Kapitel 3, 6.3, 12, 18, 20
Behrens 5.1
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