Arzt-Patienten-Beziehung Einsatz von Anibiotika Bielefeld, 23. Februar 2016 Dr. Jan Helfrich | Abteilungsleiter ambulante Leistungen & Vertragsmanagement 1 Wann geht ein Patient mit Infektion zum Arzt Wenn er muß, weil 2 er sich ungewöhnlich krank fühlt es einfach von selbst nicht besser wird er schnell gesund werden „muß“ das Kind betroffen ist und er nicht mehr weiter weiß 2 3 2 Problemfelder: Ärzte und Patienten Es gibt zwei Ursachen für die in Deutschland herrschende Über- und Fehlversorgung mit Antibiotika: Ursache 1 • Viele Ärzte verordnen nicht kritisch genug. • Ärzte unterstellen eine Erwartungshaltung 4 Ursache 2 • Die Patienten verhalten sich falsch begründet durch ein Informationsdefizit. Problem 1: Fehl- und Überversorgung Hohe Verordnungsquoten 44% Frauen nehmen Antibiotika 36% Arzneimitteldaten von Versicherten der DAKGesundheit Männer nehmen Antibiotika Besonders häufig bekommen junge DAK-Versicherte unter 15 Jahren Antibiotika verordnet (45 Prozent in 2013). Im Erwachsenenalter sinkt die Quote – mit dem Alter steigt sie wieder an: 44 Prozent der 85- bis 90-Jährigen nahmen 2013 Antibiotika ein. 5 Problem 1: Fehl- und Überversorgung West-Ost-Gefälle 6 Problem 1: Fehl- und Überversorgung Zu viele fragwürdige Verordnungen Noch immer werden Antibiotika häufig bei Infektionen der oberen Atemwege (Husten, Bronchitis, Halsentzündung) oder bei Mittelohrentzündungen verschrieben – was nicht den Behandlungsleitlinien entspricht. Eine Studie zu Otitis media zeigt, dass die Rezidivquoten bei früh mit Antibiotika behandelten Kindern innerhalb von 3,5 Jahren höher ist als bei Kindern, die keine Antibiotika bekommen haben (63 zu 43 Prozent). 7 Antibiose bei 30% 25% 25% 20% 20% 15% 15% 10% 5% 0% Bronchitis 8 Erkältung Husten Problem 1: Fehl- und Überversorgung Breitband-Antibiotika – immer häufiger verordnet Die am häufigsten verordneten Wirkstoffe in 2013 waren Amoxicillin, Ciprofloxacin und Cefuroxim – alle drei sind Breitbandantibiotika. Problem: Wirkstoffe greifen Darmflora an, weil sie viele nützliche Keime abtöten. Das begünstigt die Vermehrung resistenter Bakterien. Deshalb ist der häufige Einsatz von Breitband-Antibiotika kritisch zu sehen, zumal beispielsweise Cefuroxim in keiner Leitlinie Mittel der ersten Wahl ist. 9 Quelle:RKI 10 Problem 1: Fehl- und Überversorgung Umgang mit Reserveantibiotika Der Umgang mit Reserveantibiotika ist etwas kritischer geworden. Im Vergleich zum Jahr 2010 wurden 2013 zwei Prozent weniger Fluorchinolone oder Cephalosporine der 3. und 4. Generation verordnet. Alarmierend: Fast ein Viertel aller Antibiotika-Verordnungen für DAK-Versicherte über 60 plus entfallen auf Fluorchinolone – Wirkstoffe, die nur dann zum Einsatz kommen sollten, wenn herkömmliche Antibiotika nicht mehr helfen. 11 Forderung an die Mediziner: Rationaler verordnen • Antibiotika sind keine Universalmittel! Es muss ein Bewusstseinswandel in der Ärzteschaft stattfinden. • Entscheidend dafür ist Versorgungsforschung – die sollte noch intensiviert werden. Denn damit wird Medizinern ein Bild der Realität gespiegelt, das dabei hilft, konkrete Probleme besser zu erkennen. • Die Ergebnisse der Versorgungsforschung müssen anschließend in eine praxisnahe Leitlinie zum Einsatz von Antibiotika einfließen. Die kann dazu beitragen, dass unnötige Verordnungen vermieden werden. 12 Problem 2: Informationsdefizite in der Bevölkerung Antibiotika bei Erkältungen Antibiotika sind für viele Befragte Mittel der Wahl bei Erkältungen: 13 14 15 Problem 2: Informationsdefizite in der Bevölkerung Wissen über Einsatzgebiete Eine wichtige Aufgabe von Ärzten ist außerdem die Aufklärung und Information der Patienten: Denn die kommen oft mit falschen Vorstellungen und einer entsprechenden Erwartungshaltung an den behandelnden Arzt in die Praxen. Antibiotika-Report der DAK-Gesundheit zeigt: Es gibt Informationsbedarf! DAK-Studie belegt: Je niedriger der Schulabschluss, desto weniger Wissen über Einsatzgebiete, Nebenwirkungen und Resistenzrisiken. Umso wichtiger ist die verständliche Information der Verbraucher und Patienten. 16 Problem 2: Informationsdefizite in der Bevölkerung Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln Nicht immer folgt das entsprechende Handeln: Das Wissen über mögliche negative Folgen der Antibiotika-Einnahme wie das Entstehen resistenter Keime, Neben- oder Wechselwirkungen ist generell gut. 14% heben Reste auf, um sie bei ähnlichen Beschwerden wieder nehmen zu können oder andere Haushaltsmitglieder damit zu versorgen – bei den jungen Erwachsenen sind es fast 40% je 11% hören selbstständig mit der Antibiotika-Einnahme auf oder reduzieren die Dosis, wenn sie sich besser fühlen – bei den jungen Erwachsenen sogar 20% Aufklärung und Information sind entscheidend für die Therapietreue – auch bei vermeintlich gut informierten jüngeren Patienten! 17 Problem 2: Informationsdefizite in der Bevölkerung Arztgespräch hat Priorität Das größte Potenzial für die Verbesserung der Therapietreue und den Behandlungserfolg birgt das persönliche Gespräch mit dem Arzt oder Apotheker. 72% holen sich alle wichtigen Fakten über Antibiotika im Arztgespräch nur jeder Vierte fragt in der Apotheke nach Chancen zur Information der Patienten verstreichen zu oft ungenutzt. 18 Patientenerwartung und Zufriedenheit Forsa DAK-G 19 Bedarfsrezept als Teil des verantwortlicheren Umganges ? 20 Fazit Ärzte sind nicht besonders leitlinientreu • Ärzte müssen die Leitlinien verinnerlichen um diese glaubwürdig zu kommunizieren • Transparenz über Leitlinientreue sollte hergestellt werden Die Information durch den Arzt ist neben dem Beipackzettel, die wichtigste Informationsquelle • Arzt sollte sich Zeit zur Information nehmen Patienten wissen relativ wenig über die Indikation und richtige Durchführung einer Antibiotikatherapie. • Aufklärung der Versicherten ist wünschenswert. Einbezug in die Therapie über Bedarfsrezepte ist erfolgversprechend Ein Teil der Ärzte unterstellt eine hohe Erwartungshaltung der Patienten. Die Anspruchshaltung der Patienten ist nicht sehr ausgeprägt • Aufklärung der Ärzte hierüber ist wünschenswert 21 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 22 23