Biochemie I für Studierende in den Bachelorstudiengängen Biologie und Molekulare Biotechnologie “Anything found to be true of E. coli must also be true of elephants” (Jaques Monod) 1 Themen Biochemie I (SoSe 2017) Themen Datum Lehrbuch Seiten 6.4*/13.4. 1-69 13.4./20.4./27.4. 75-89/96-102 4.5./11.5. 115-151 18.5./1.6./15.6. 189-205/214-223/226-232 5. Kohlenhydrate 22.6./29.6. 243-268 6. Lipide und Biomembranen 6.7./13.7*. 357-377, 385-399 13.7.* 281-290, 297-306 1. Biologische, chemische und physikalische Grundlagen der Biochemie 2. Aminosäuren und Proteine 3. Strukturen und Faltung von Proteinen 4. Enzyme 7. Nukleinsäuren * Ersatztermin wird noch bekannt gegeben Strukturen und Eigenschaften biologischer Makromoleküle und Membranen Proteine (Struktur, Faltung, Katalyse) 2 Themen Biochemie II (WiSe 2016/17) Prinzipien des Stoffwechsels (Metabolismus) Stoffwechselwege der Kohlenhydrate, Fette, Aminosäuren und Nukleinsäuren 3 Lehrbuch Lehninger - Principles of Biochemistry Nelson & Cox, 6th edition, Freeman, 2013 ISBN-13: 978-1-4641-0962-1 4 Was müssen Sie tun? Regelmäßige, aktive Teilnahme an der Vorlesung - Stellen und Beantworten von Verständnisfragen Regelmäßiges aktives Lesen des Lehrbuchs - Abgleich mit den Volesungsunterlagen - kritisches Hinterfragen des eigenen Verständnisses Regelmäßige aktive Teilnahme am wöchentlichen Tutorium: Ulrike Vogel und Lukas Strobel 5 Wie unterstütze ich Sie? Alle Folien und Vorlesungsunterlagen zeitnah im Netz http://www.bcube-dresden.de/research-groups/kroeger/teaching/ Gesprächszeiten direkt nach der VL oder nach Vereinbarung Kontakt: [email protected] Fragestunde in Plenum 1-2 Wochen vor Klausur 6 1. Biologische, chemische und physikalische Grundlagen der Biochemie 7 1.1. Biologische Grundlagen Es gibt nur 2 strukturelle Typen biologischer Zellen prokaryontisch eukaryontisch 1 Genom (zyklisch) 1 Genom (linear) +1-2 Genome (zyklisch) keine Organellen Organellen obligate Einzeller Einzeller (Protisten) + Vielzeller Es gibt 3 evolutionäre Typen von Organismen: Bakterien, Archeen und Eukaryonten Endiosymbiontentheorie (ET): erklärt Entstehung von Mitochondrien und Plastiden Befunde, welche die ET stützen: Mitochondrien und Plastide haben bakterielle - Genome (zyklisch) - Membranben (Cardiolipin) - Ribosomen (70S) Noch unklar: wie ist der erste Organelll-freie Ur-Eukaryont entstanden 8 Die Struktur prokaryontischer Zellen 9 Die Struktur eukaryontischer Zellen 10 Funktionen zellulärer Kompartimente Zellkern DNA Synthese und Speicherung; RNA Synthese; Synthese der ribosomalen Untereinheiten Mitochondrium Synthese von ATP; Citrat-Zyklus, β-Oxidation der Fettsäuren; Synthese von Fe-S Enzymen Endoplasmatisches Retikulum Synthese von Transmembranproteinen und sekretorischen Proteinen; Lipidsynthese Golgi Apparat Bildung sekreorischer Vesikel; Glykosylierung von Proteinen Lysosom (nur bei Tieren) Hydrolyse von Proteinen, Nukleinsauren, Polysacchariden, und Lipiden Vakuole (nur bei Pflanzen) Speicher für Proteine, organische und anorganische Ionen, Pigmente; Abbau von Biomakromolekülen (vgl. Lysosom) Peroxisom Oxidativer Abbau von langkettigen und verzweigten Lipiden, und anderen kleinen organischen Molekülen Chloroplast/Plastid (nur bei Pflanzen) Synthese von Monosacchariden aus CO2 und H2O durch Photosynthese 11 Der Stammbaum des Lebens Alle existierenden and ausgestorbenen Organisms gehören zu einer der 3 Domänen des Lebens: Bacteria, Archea, Eukarya common ancestor of all extant organisms common ancestor of Archea and Eukarya 12 Die Endosymbionten Theorie 13 1.2. Chemische Grundlagen 14 1.2. Chemische Grundlagen Die Hauptgruppen von Biomolekülen und Herkunft ihrer atomaren Bestandteile: SO4 Aminosäuren (C, H, O, N, S) 2- CO2 N2 O2 H2O aromatische Basen (C, H, O, N) Monosaccharide (C, H, O) Fettsäuren und Glycerin (C, H, O) PO43- Nukleotide Proteine Nukleinsäuren Polysaccharide Phospholipide Triacylglyceride Lipide 15 Funktionelle Gruppen von Biomolekülen (I) (amino group) (ammonium group) 16 Funktionelle Gruppen von Biomolekülen (II) 17 1.2.1. Wichtigste Typen Chemischer Reaktionen von Biomolekülen Säure-Base Reaktionen: B A Base konjugierte Base _ I _ I Säure _ I H-A + H B + konjugierte Säure Beispiele: Reduktions-Oxidationsreaktionen (Redox): Reduktionsmittel B A Oxidationsmittel Oxidationsmittel + H B _ I + _ I H A _ Reduktionsmittel Beispiel: 18 Eliminierungs-Additionsreaktionen: I I + A B I X Y II I X Y A B Beispiele: Substitutionsreaktionen: A Y + H X I H Y I + I I A X Beispiel: 19 1.2.2. Säure-Base Gleichgewicht und pH-Wert Definition: pH = - lg[H3O+] - In reinem H2O ist [H+] = [OH-] = 10-7 M (M = mol/l = moll-1) - Säuren erhöhen [H3O+] → pH Wert der Lösung < 7 - Basen erniedrigen [H3O+] → pH Wert der Lösung > 7 verkürzte Schreibweise: X X HA _ + H3O _ _ _ (z.B. HCl, HNO3): H-X + H2O _ _ I Definition: starke Säuren dissoziieren vollständig in wäßriger Lösung + H → pH = -lg[HX] Definition: schwache Säuren dissoziieren unvollständig in wäßriger Lösung A _ _ _ H-A + H2O _ + H3O _ _ I (z.B. Essigsäure, H2PO4-, NH4+): A HA + H Die schwache Säure ist umso starker je höher das Ausmaß ihrer Dissoziation _ _ im Gleichgewicht ist, da dann mehr H vorhanden ist 20 Wie kann man die Stärken von schwachen Säuren quantitativ miteinander vergleichen? Definition: Dissoziationskonstante schwacher Säuren [H+][A-] Ks = [X] : Konzentration der Substanz X im Gleichgewicht (in M) [HA] Nach mathematische Umformung (mit Definition: –lgKs = pKs) folgt: -lg[H+] = pH = pKs + lg [A-] [HA] Henderson-Hasselbalch Gleichung (“Puffergleichung”) Lösungen schwacher Säuren (und schwacher Basen) wirken als pH Puffer, d.h. die Zugabe einer starken Säure oder Base führt nur zur geringen Änderung des pH Wertes der Lösung. Grund: Der pH Puffer wandelt die zugegebene starke Säure/Base in eine schwache Säure/Base um. 21 _ H + A _ I H-A _ I Wie funktionieren pH Puffer? +B + H-X H-B + A _ dissoziiert nicht, da starke Base; Verbrauch von HA zur Neutralisation der starken Base (Störung des HA H++A- Gleichgewichts) führt zu verstärkter Reaktion H++A- → HA, aber neu gebildetes HA dissoziiert wieder teilweise → nur geringfügige Verringerung der H+ Konzentration I _ _ Zugabe starker Säure I Zugabe starker Base H-A + X _ dissoziiert nicht vollständig, da schwache Säure → nur geringfügige Erhöhung der H+ Konzentration 22 Beispiele: (a) Änderung des pH Werts von reinem H2O (pH7), nach der Zugabe von 10 mM HCl (Endkonzentration; Volumenänderung ist vernachlässigbar): pH = -lg[HCl] = -lg(10-3) = -(-3) = 3 → der pH Wert verringert sich um 4 Einheiten (104 = 10 000-fach saurer!) (b) Änderung des pH Werts einer Lösung mit 100 mM Phosphatpuffer pH 7 (60 mM Na2HPO4 + 40 mM NaH2PO4) nach Zugabe von 10 mM HCl (Endkonzentrationen ; Volumenänderung ist vernachlässigbar): - pH Wert des Phosphatpuffers: pH = pKs+ lg [HPO42-] [H2PO4-] = 6,82 + lg [0,06] [0,04] = 6,996 = 7 - nach Zugabe der HCl fällt [HPO42-] auf 50 mM und [H2PO4-] steigt auf 50 mM an der neue pH Wert beträgt somit pH = 6,82 + lg [0,05] [0,05] = 6,82 → der pH Wert verringert sich um 0,18 Einheiten (nur 101,8 = 1,5-fach saurer!) 23 Säure-Base Gleichgewichte (I) 24 Säure-Base Gleichgewichte (II) 25 Säure-Base Gleichgewichte (III) + 26 1.3. Physikalische Grundlagen 27 1.3.1. Thermodynamik Lehre vom Energieumsatz bei Prozessen Es können nur solche Prozesse freiwillig ablaufen, bei denen die freie Enthalpe G (engl. Gibbs free energy) abnimmt: GEnde – GAnfang = DG < 0 Für Prozessen, die bei konstantem Druck und konstanter Temperatur stattfinden (z. B. chemische Reaktionen) gilt: DG = DH - TDS DH: Änderung der Enthalpie = Wärmeaustausch zwischen Reaktionsansatz und Umgebung DH < 0, wenn Reaktionsansatz Wärme an die Umgebung abgibt DS: Änderung der Entropie = Änderung des Ordnungsgrades im Reaktionsansatz DS > 0, wenn Ordnungsgradim Reaktionssansatz abnimmt T: absolute Temperatur in Kelvin (absoluter Nullpunkt: 0 K = -273,15 °C) Prozesse mit DG = 0 sind im thermodynamischen Gleichgewicht, d.h. es existiert keine thermodynamische Triebkraft für den Ablauf des Prozesses 28 Thermodynamik 29 1.3.1. Thermodynamik Bei chemischen Reaktionen gibt die Gleichgewichtskostante K an in welchem Verhältnis Edukte und Produkte vorliegen nachdem die Reaktion zum Stillstand gekommen ist (d.h. nachdem thermodynamisches Gleichgewicht erreicht wurde) aA + bB [A]a [B]b K= [Y]y [Z]z yY + zZ [A] : Konzentration der Substanz A (in M) im Gleichgewicht a, b, y, z: stöchiometrische Koeffizienten Die Gleichgewichtskostante einer chemischen Reaktion ist umso größer, je größer die thermodynamische Triebkraft für die Reaktion ist. Es gilt: DG = DG°’ + RTlnK DG°’: freie Enthalpie der Reaktion unter Standardbedingungen, d.h. alle Reaktanden liegen am Beginn der Reaktion in einer Konzentration for 1 M vor (Ausnahme: [H+] = 10-7 M) und die Reraktion finndet bei 298,15 K und 1 bar statt; R: Gaskonstante 8,314 JK-1mol-1 30 Im Gleichgewicht gilt: DG = 0 = DG°’ + RTlnK → DG°’ = - RTlnK -DG°’ → K = e RT Der methematische Zusammenghang zwischen DG°’ und K ermöglicht quantitative Vorhersagen über die Ausbeuten chemischer Reaktionen: A B bei 310,15 K (37 oC) DGo‘ (kJ/mol) Verhältnis [B] : [A] -30 113 202 -20 2 340 -10 48 -5 7 0 1 +5 0,14 +10 0,02 +20 0,0004 +30 0,000009 31 1.3.2. Nicht-kovalente Bindungen sind 5-100-fach schwächer als kovalente Bindungen: 32 Molekulare Dipole (Partialladungen) entstehen durch Ungleichverteilung der Bindungselektronen innerhalb der Moleküls aufgrund unterschiedlicher Elektronegativitäten der an der Bindung beteiligten Atome H<P<C<S<N<O Elektronegativität des Atoms Typische molekulare Dipole in Biomolekülen: -O-H C-O- C=O N-H C-N C=N- -S-H C-S- C=S _ d_ d_ _ d_ d_ _ d_ d_ 33 Wechselwirkung von permanentem Dipol mit permanentem Dipol permantetem Dipol mit induziertem Dipol induziertem Dipol mit induziertem Dipol (London Dispersionswechselwirkungen) 34 Wasserstoffbrückenbindung: besonders starke Dipol-Dipol Wechselwirkung zwischen funktionellen Gruppen, die H-Atome enthalten 1,20 Å 1,52 Å H 1,77 Å O 2,72 Å 0,96 Å Van-der-Waals Radius: Abstand gemessen vom Zentrum eines Atoms, bis zu dem sich dieses Atom einem anderen Atom nähern kann, ohne dass sich die Elektronenorbitale durchdringen → Wasserstoffbrückenbindung sind partiell kovalent, da sich die Elektronenorbitale von H und O (bzw. N oder S) teilweise durchdringen 35 Wassersoffbrückenbindung (I) Eiswasser flüssiges Wasser 36 Wassersoffbrückenbindung (II) zwischen Wasser und anderen Molekülen alkoholische OH Gruppen Aldehyde/Ketone AmmoniumGruppen Carboxylate 37 Hydrophobe Interaktion/ Hydrophober Effekt Die Wasserstruktur an der Oberfläche des Öltropfen ist geordnet Durch die Aggregation der Öltropfchen wird Gesamtzahl der Wassermoleküle an der Öltropfenoberflache reduziert Zunahme der Entropie (DS > 0) 38 2. Aminosäuren und Proteine 39 2.1. Strukturen und Eigenschaften der Aminosäuren a-Aminocarbonsäuren = Grundbausteine (Monomere) der Proteine (Polymere) zwitterionische “Kopfgruppe” Seitenkette Nicht existente Protonierungsform unter Protonierungsform physiologischen pH-Bedingungen In allen proteinogenen Aminosäuren ist (AA) außer Glycin ist das a-C Atom chiral (4 verschiedene Substituenten) und liegt in der L-Form vor 40 Chiralität Die Spiegelbilder von Molekülen mit einem asymmetrischen (chiralen) Zentrum sind nicht deckungsgleich → Stereoisomere Stereoisomere mit entgegengesetzter Chiralität an allen asymmetischen Zentren heißen Enantiomere. Tetraederstruktur Projektion auf “Kettenstruktur” 41 Optische Aktivität Enantiomere haben identische physikalische und chemische Eigenschaften Ausnahme : Interaktion mit polarisiertem Licht → Die beiden Enantiomere eines Moleküls lenken die Ebene des polarisierten Lichts um den gleichen Betrag ab, aber in entgegengesetzte Richtungen 42 Proteinogene Aminosäuren (I) unpolare Seitenketten 43 Proteinogene Aminosäuren (II) unpolare Seitenketten 44 Proteinogene Aminosäuren (III) polare, ungeladene Seitenketten 45 Proteinogene Aminosäuren (IV) polare, geladene Seitenketten 46 Spezielle Eigenschaften von Prolin: - Seitenkette R ist mit a-Aminogruppe kovalent verbunden → Rotationsbewegung der Seitenkette is stark eingeschränkt → a-Aminogruppe ist sekundäres Amin _ _ H2 R Spezielle Eigenschaft von Cystein: - reversible Redoxreaktionen unter physiologischen Bedingungen 0.5 O2 R-S••H H••S-R H2O R-S••S-R X2 2 X••H 47 Spezielle Eigenschaft von Tryptophan, Tyrosin und Phenylalanin: - aromatische Ringsysteme absorbieren Licht im langwelligen UV-Bereich (UV: l = 10-380 nm, Sichtbarer Bereich: l = 380-780 nm) Wavelength l (nm) 48 Prinzip von Lichtabsorptionsmessungen: d Io(l) I(l) S (e) monochromatisches Lösung der licht- Licht mit Intensität Io absorbierenden Substanz S Intensität I des durchgelassenen Lichts bei der Wellenläge l bei der Wellenläge l mit Extinktionskoeffizient e bei der Wellenläge l in einer Küvette der Dicke d - Definition der Lichtabsorption A eines Stoffes bei der Wellenlänge l: A (l)= lg Io(l) I(l) 49 - Lambert-Beer Gesetz: beschreibt den Zusammenhang der Absorption von monochromatischem Licht durch die Lösung der Substanz S. A (l) = es(l) cs d Extinktionskoeffizient Konzentration der der Substanz S Substanz S bei der Wellenläge l In der Lösung - Absorption ist additiv: für eine Lösung, die verschiedene absorbierende Moleküle (A, B, C) enthält oder für ein Molekül, das verschiedene absorbierende Gruppen (A, B, C) enthält, gilt A = (eA cA + eA cA + eA cA) d 50