Mitschrieb zur Vorlesung: Physik der Atomkerne, Kernmaterie

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Mitschrieb zur Vorlesung:
Physik der Atomkerne, Kernmaterie
Prof. Dr. Jahn
Vorlesung Wintersemester 2004/2005
Letzte Aktualisierung und Verbesserung: 26. April 2008
Mitschrieb der Vorlesung Physik der Atomkerne, Kernmaterie
von Herrn Prof. Dr. Jahn im Wintersemester 2004/2005
von Marco Schreck.
Dieser Mitschrieb erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Korrektheit.
Kommentare, Fehler und Vorschläge und konstruktive Kritik bitte an [email protected].
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Einführung
2.1 Was wir vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Streuexperimente mit Kernen . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Punktförmige Kerne . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Ausgedehnte Kerne und Formfaktor . . . .
2.2.3 Spezialfall: Punktförmige Kerne . . . . . . .
2.2.4 Dichteverteilungsfunktion von Atomkernen
2.3 Empirische Massenformel . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Regel von Mattauch . . . . . . . . . . . .
2.3.2 Regel von Aston . . . . . . . . . . . . . . .
5
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7
7
7
8
12
14
19
21
24
25
3 Kernspaltung
3.1 Verformung des Atomkerns bei der Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
37
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3
Kapitel 1
Vorwort
Die Vorlesung Kernmaterie“ behandelt die Atomkerne als winzig kleine Stücke aus einem einheitlichen Stoff,
”
der Kernmaterie. Der Eigenschaften dieser Materie, wie Dichte und Ladungsverteilung, sowie Energiedichte
werden zum Teil in Analogie zur makroskopischen Materie betrachtet. Insbesondere wird das Problem behandelt, wie es durch die Zusammenbindung der Nukleonen in den Atomkernen überhaupt zu einer einheitlichen
stabilen Dichte kommen kann und wie die Rolle ist, welche die Kernkräfte dabei spielen. Schließlich werden
auch die Kräfte berechnet, die von der Kernmaterie auf die einzelnen Nukleonen in und außerhalb des Kerns
ausgeübt werden.
Wir werden uns zunächst eine Einführung und einen Überblick zur Thematik der Kernmaterie verschaffen, mit
dem wir hier beginnen wollen. Die Vorlesung Kernmaterie“ kann gedacht werden als erster Teil eines drei mal
”
zweistündigen Vorlesungskurses, der in eine erste vertiefende Beurteilung der Physik der Atomkerne einführen
soll und als Wahlfachkurs für das Wahlfach Kernphysik genommen werden kann. Diesen Wahlfachkurs haben
wir insgesamt als ganzes Physik der Atomkerne“ genannt und es hat sich für ihn eine Unterteilung in drei
”
zweistündige Vorlesungen ergeben, die der Struktur des Stoffes am meisten angemessen erscheint.
5
KAPITEL 1. VORWORT
6
Kapitel 2
Einführung
2.1
Was wir vorhaben
1.) Kernmaterie:
a.) Dichte- und Ladungsverteilung im Kern
b.) Energieinhalt der Kerne
c.) Stabilität und Instabilität der Kerne
d.) Radioaktiver Zerfall
e.) Kernspaltung
f.) Fermigasmodell der Kerne
g.) Sättigungsverhalten der Kerne und Kernkräfte
Wir untersuchen also die Frage des Zusammenhaltes der Kerne in ihren Grundzuständen.
2.) Kernmodelle:
a.) Erklärung der Spektren aus der inneren Struktur der Atomkerne
b.) Kernspektroskopie
Also die angeregten Zustände der Kerne und ihre Beschreibung
3.) Kernreaktionen
2.2
Streuexperimente mit Kernen
Unser Thema in diesem Semester ist nun also die Kernmaterie. Zu Beginn des Semesters möchten wir uns
einen Überblick über den Stoff der Vorlesung verschaffen. Das Konzept der Kernmaterie besteht darin, dass
man die verschiedenen Atomkerne als verschiedene Stücke einer einheitlichen Materie auffasst, so wie es in
makroskopischen Dimensionen verschiedene Stücke ein und desselben Stoffes geben kann. Soll eine solche Auffassung einen Sinn haben, so muss die aus den Nukleonen in den Atomkernen gebildete Materie tatsächlich eine
gewisse Einheitlichkeit aufweisen, die unabhängig davon sein muss, in welchen Atomkernen sich diese Materie
befindet. Die Atomkerne müssten dann nur verschieden große Stücke ein und derselben Materie sein. Eine der
Eigenschaften, von welcher wie die Einheitlichkeit fordern, wäre beispielsweise die Dichte. In makroskopischen
Dimensionen haben ja auch verschiedene Stücke ein- und desselben Materials unter sonst gleichen Bedingungen
dieselbe Dichte ebenso wie verschiedene Tröpfchen ein- und derselben Flüssigkeit unter sonst gleichen Bedingungen. Die Dichte hängt beispielsweise nicht davon ab, wie groß das Stück Materie ist, das heißt, wieviel der
betrachteten Materie in dem Stück enthalten ist. Dies wäre immerhin denkbar, denn die betrachteten Stücke
Materie werden ja zusammengehalten durch anziehende Kräfte, welche zwischen den Nukleonen wirken. Durch
eine Vermehrung der Zahl der einander anziehenden Nukleonen könnte auch eine Ausweitung des gesamten
anziehenden Potentials zustande kommen, so dass auf diese Weise mit zunehmender Anzahl der Nukleonen
und damit zunehmender Materiemenge die Materie immer dichter werden könnte. Sofern dies nicht der Fall ist,
sondern die Dichte unabhängig von der Menge der Materie bleibt, spricht man von einem Sättigungsphänomen,
das offenbar dadurch zustande kommt, dass sich mit zunehmender Dichte abstoßende Kräfte immer stärker
7
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
auswirken, so dass sich ein Gleichgewichtszustand einstellt, der eine von der Materiemenge unabhängige
einheitliche Dichte zur Folge hat.
Um festzustellen, ob auch die Kernmaterie in den Kernen eine solche vom jeweiligen Kern unabhängige einheitliche Dichte aufweist, bediente Hofstadter sich der Elektronenstreuexperimente an Kernen, die es gestatteten, die räumliche Ausdehnung und damit das Volumen der Kerne zu messen, woraus sich ja die Dichte ergibt,
wenn man die aus dem Atomgewicht bekannte Nukleonenzahl A durch das Volumen V dividiert, gemäß % = VA .
Wir beginnen also unsere Vorlesung mit den Elektronenstreumessungen, also der Bestimmung der Dichte von
Kernen nach Hofstadter und erschließen daraus das Radiengesetz der Atomkerne und untersuchen darüber
hinaus, ob wir diese Ergebnisse als Sättigungsphänomen der Kernmaterie interpretieren kann, aus dem wir
das Tröpfchenmodell und die empirische Massenformel herleiten sowie einige Konsequenzen für die Stärke der
Kernkräfte ziehen werden.
Danach fragen wir nach der Ursache des Sättigungsphänomens und versuchen, diese Frage im Rahmen bestimmter mathematischer Modelle zu beantworten. Als ein solches Modell betrachten wir beispielsweise das
Fermigasmodell des Atomkern, das sehr wichtig ist und an dem sich die Problematik sehr gut darlegen lässt.
Darüber hinaus müssen wir noch die Korrelationen etwa von Brückner, Bethe-Goldstone oder Gomez
und Weisskopf berücksichtigen, was wir in den Grundzügen skizzieren wollen. Dabei spielt das Problem
der Nukleon-Nukleon-Potentiale eine wichtige Rolle und zwar ist dabei ganz besonders das repulsive eine der
Nukleon-Nukleon-Potentiale wesentlich. Zur Erklärung des Sättigungsphänomens werden wir also bei dieser
Gelegenheit auf die Nukleon-Nukleon-Potentiale eingehen.
2.2.1
Punktförmige Kerne
Messungen lassen sich in der Kernphysik nur mit geladenen Teilchen durchführen. Wir beginnen also zunächst
mit den Messungen der Kernradien und Dichteverteilung der Kernmaterie mittels der Elektron-Streumessungen
durch Hofstadter. Zu diesem Zweck betrachten wir das folgende Experiment:
Ein Elektronenstrahl treffe auf ein sogenanntes Target, das aus den jeweiligen Kernen besteht, die man untersuchen will. Die Dichte der Kernmaterie sei %2 . Mit dem Detektor misst man die Zahl der um ϑ abgelenkten
Elektronen dn = %1 · v1 · %2 dQ. Die Menge der abgelenkten Teilchen wird ausgedrückt durch den sogenannten
Wirkungsquerschnitt dQ für die Streuung um den Winkel ϑ, nämlich dQ = a da dϕ, wobei ϕ der AzimuthWinkel sei.
Besonders leicht geht dies für den Fall, dass die Masse des gestoßenen Teilchens so groß ist, dass man dessen
Rückstoß vernachlässigen kann, was bei der Elektronenstreuung an Kernen in den verwendeten Energiebereichen gewöhnlich den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Dann hat nämlich das gestreute Teilchen vor
und nach dem Stoß die gleiche Energie und auch den gleichen Impulsbetrag, also:
2
q
p
p02
p(0)
=
bzw. E (0) = (c · p(0) )2 + (m0 · c2 )2 = (c · p0 )2 + (m0 · c2 )2 = E 0
2m
2m
Es gilt also |p(0) | = |p0 und damit erhalten wir für die Impulsänderung während des Streuprozesses:
q
q
p
p(0) =p0
∆p = (p(0) − p0 )2 = (p(0) )2 + p02 − 2p(0) p0 cos ϑ = p(0) · 2(1 − cos ϑ)
Aus dem Additionstheorem des Kosinus
cos(ϑ1 + ϑ2 ) = cos(ϑ1 ) cos(ϑ2 ) − sin(ϑ1 ) sin(ϑ2 ) und cos(ϑ) = cos2
µ ¶
µ ¶
ϑ
ϑ
− sin2
2
2
folgt
µ ¶
µ ¶
ϑ
ϑ
2
cos(ϑ) = 1 − 2 · sin
, 1 − cos(ϑ) = 2 · sin
2
2
2
8
2.2. STREUEXPERIMENTE MIT KERNEN
und damit können wir die Formel für die Impulsänderung umschreiben:
µ ¶
ϑ
∆p = 2p(0) · sin
2
Wir berechnen nun den Impulsanteil, den ein geladenes Teilchen auf ein anderes ebenfalls elektrisch geladenes
Teilchen überträgt, wenn das erste Teilchen an dem zunächst ruhenden zweiten Teilchen im Abstand a vorbeifliegt. Der Impulsübertrag kommt dann dadurch zustande, dass das vorbeifliegende Teilchen auf das ruhende
Teilchen eine Kraft durch dessen elektrisches Feld ausübt. Von der Feldstärke wirkt sich nur die y-Komponente
aus, wenn wir das Koordinatensystem so legen, dass das einfallende Teilchen längs der x-Achse vorbeifliegt
und das zweite Teilchen im Punkt a auf der y-Achse ruht:
O sei das Ruhesystem des Atomkerns, der sich in diesem System im Punkt (0, a, 0) befindet. Das Ruhesystem
des sich auf der x-Achse bewegenden Elektrons wollen wir mit O0 bezeichnen. In O0 ruht das Elektron im
Ursprung und der Atomkern besitzt die zeitabhängigen Koordinaten (−v · t0 , a, 0). Zwischen den Raum-ZeitKoordinaten der Systeme O und O0 besteht eine Verbindung in Form einer Lorentz-Transformation in xRichtung. Diese Transformation kann durch folgende Lorentz-Matrix beschrieben werden:


γ
−γ · vc 0 0
−γ · v
γ
0 0
c

L=
 0
0
1 0
0
0
0 1
¢
    ¡
 0

ct
γ · ct
− v·x
ct
γ
−γ · vc 0 0
c2 ¢
¡
v
v·t
  

 x0 

γ
0 0
 ·  x  = −γ · c − x 
 0  = x0 = L · x = −γ · c





y 
 0
y
0
1 0
y
0
z
0
0
0 1
z
z
An der Stelle, wo sich der Atomkern befindet, also bei x = 0, gilt dann im System O0 für die Zeit t0 = γ · t.
Das Potential der bewegten Ladung in deren Ruhesystem ist gegeben durch:
ϕ=
e
e
=p
02
|~r0 |
x + y 02 + z 02
Das elektrische Feld ergibt sich durch Bildung des Gradienten:
 0


x
−v · t0
e
e
e
~ = −∇ϕ
~ = −∇
~p
y 0  =
 a 
E
=
3 ·
3 ·
02
02
02
2
x02 + y 02 + z 02
(x + y + z )
(v 2 · t02 + a2 ) 2
z0
0
Dies ist also das elektrische Feld am Ort des Atomkerns im Ruhesystem des bewegten Teilchens O0 . Das
~ 0 im Ruhesystem O des Atomkerns ergibt sich durch folgende Transformationen:
elektrische Feld E
¶
µ
~v
~0
Ex = Ex0 , Ey = γ · Ey0 − × B
c
~ x und E
~ y transformieren sich also unterschiedDie Komponenten parallel und senkrecht zur Bewegung, also E
lich. Der während des Streuvorganges übertragene Impuls rührt nur von Ey her, da der Beitrag von Ex wegen
~ 0 = ~o
der Antisymmetrie des Integranden verschwindet. Außerdem gibt es kein äußeres Magnetfeld, so dass B
0
ist. Die elektrische Feldstärke, die auf den Atomkern ausgeübt wird, beträgt damit mit t = γ · t:
Ex = −γ ·
e·v·t
(γ 2
·
v2
·
t2
+
3
a2 ) 2
1
= −q
1−
v2
c2
e·v·t
·µ
¶ 32
v 2 ·t2
2
a + v2
1− c2
9
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
e·a
Ey = γ ·
(γ 2 · v 2 · t2 + a2 )
3
2
1
=q
1−
v2
c2
e·a
·µ
¶ 32
2 2
a2 + v ·tv2
1− c2
Der auf das anfangs ruhende Teilchen während des gesamten Streuvorganges vermöge der Kraft Z · e · E
übertragene Impuls beträgt dann:
+∞
+∞
+∞
Z
Z
Z
~
~
∆~
p=
F (t) dt = Ze ·
E(t) dt = Ze ·
~ny · Ey dt
−∞
−∞
−∞
Der Betrag des insgesamt übertragenen Impulses ist dann:
!− 32
+∞
+∞Ã
Z
Z
2
2
Ze2 · a
v
·
t
Ze2 · a
q
Ey dt = q
a2 +
∆p = Ze ·
·
dt
≡
·I
2
2
2
1 − vc2
1 − vc2 −∞
1 − vc2
−∞
Wir berechnen dieses Integral durch folgende Substitution:
v2
¡
a2 · 1 −
v2
c2
¢ · t2 = u2 , u =
v
q
a·
1−
v2
c2
q
· t, du =
a·
v
1−
v2
c2
dt
Damit ergibt sich:
1
I= 2·
a
Z Ã
1+
v2
¡
a2 · 1 −
!− 32
v2
c2
¢ ·t
2
1 a
= 3· ·
a v
r
v2
1− 2 ·
c
Z
¡
¢− 3
1 + u2 2 du ≡
1
·
2
a ·v
r
1−
Zur Berechnung von I 0 ist nun eine weitere Substitution hilfreich, nämlich 1 + u2 = v 2 , du =
Z
Z
Z
¡
¢ 3
v
1
0
2 −2
2 − 23
√
I =
1+u
dv =
dv
du = (v ) · √
2
2
v −1
v · v2 − 1
v2 0
·I
c2
v
u
dv:
Zu guter letzt kommen wir hier mittels der Ersetzung v = cosh(x), dv = sinh(x) dx weiter:
Z
Z
Z
1
1
1
√
dv =
·
sinh(x)
dx
=
dx = tanh(x)
cosh2 (x) · sinh(x)
cosh2 (x)
v2 · v2 − 1
Nun müssen wir wieder rücksubstituieren
√
sinh(x)
v2 − 1
u
tanh(x) =
=
=√
cosh(x)
v
1 + u2
und die Grenzen einsetzen:
r
r
r
¯+∞
2
2
¯
2
1
v2
u
v
Ze
·
a
2
v2
2Z · e2
¯
= 2
I= 2
· 1− 2 · √
· 1 − 2 ⇒ ∆p = q
· 2
· 1− 2 =
¯
2
a ·v
c
a ·v
c
c
a·v
1 + u2 −∞
1 − vc2 a · v
Man erhält dieses Ergebnis ganz gleich, ob man relativistisch rechnet oder nicht. Der Faktor γ hebt¡ sich
¢ bei der
Integration nämlich heraus, wie wir gesehen haben. Da wir andererseits soeben ∆p = 2p(0) · sin ϑ2 erhalten
hatten, folgt:
µ
a2 =
Z · e2
v · p(0)
¶2
·
sin
1
¡ϑ¢
2
2
und somit:
µ
dQ = a da dϕ =
Z · e2
v · p(0)
¶2
¡ ¡ ¢¢
d sin ϑ2
¡ ¢ dϕ
·
sin3 ϑ2
10
2.2. STREUEXPERIMENTE MIT KERNEN
Weiterhin gilt
µ µ ¶¶
µ ¶
µ ¶
ϑ
1
ϑ
ϑ
sin(ϑ)
¡ ¢
d sin
= · cos
dϑ und cos
=
2
2
2
2
2 sin ϑ2
so dass wir erhalten:
µ
¶
µ 2 ¶2
sin(ϑ) dϑ
1
Z · e2
sin(ϑ) dϑ
1
Ze
¡ϑ¢ = ·
¡ ¢
·
a da = ·
·
4
2
(0)
4
4
mv
v·p
sin 2
sin4 ϑ2
Damit wird der Wirkungsquerschnitt:
dQ = a da dϕ =
1
·
4
µ
Ze2
mv 2
¶2
·
dΩ
¡ ¢
sin4 ϑ2
Dabei ist dΩ das Raumwinkelelement sin ϑ dϑ dϕ. Im nichtrelativistischen Fall wird mv 2 = m0 v 2 = 2E (0)
und somit:
µ 2 ¶2
1
Ze
sin(ϑ) dϑ dϕ
dQ
(Ze2 )2
1
¡
¢
¡ ¢
·
=
dQ =
·
⇒
·
4
4
ϑ
2
(0)
16
dΩ
16 · E sin ϑ2
E
sin 2
Dabei handelt es sich um die Rutherfordsche Streuformel. Im relativistischen Fall gilt mv 2 = mc2 = E (0)
und somit:
µ 2 ¶2
1
Ze
sin(ϑ) dϑ dϕ
¡ ¢
dQ = ·
·
(0)
4
E
sin4 ϑ2
Zusammenfassung:
In den ersten beiden Vorlesungsstunden hatten wir zuletzt den Impulsanteil berechnet, den ein geladenes
Teilchen auf ein anderes ebenfalls elektrisch geladenes Teilchen überträgt, wenn das erste Teilchen an dem
zunächst ruhenden zweiten Teilchen im Abstand a vorbeifliegt. Der Impulsübertrag kommt dann dadurch
zustande, dass das vorbeifliegende Teilchen auf das ruhende Teilchen eine Kraft durch dessen elektrisches Feld
ausübt. Von der Feldstärke wirkt sich nur die y-Komponente aus, wenn wir das Koordinatensystem so legen,
dass das einfallende Teilchen längs der x-Achse vorbeifliegt und das zweite Teilchen im Punkt a auf der y-Achse
ruht. Dann erhält man den Impulsübertrag durch den Kraftstoß, den das vorbeifliegende Teilchen aufgrund
seines elektrischen Feldes auf das ruhende Teilchen ausübt, durch:
+∞
Z
2Z · e2
1
∆p = e ·
Ey dt =
mit Ey = q
v·a
1−
−∞
v2
c2
e·a
·µ
¶ 32
2 2
a2 + v ·tv2
1− c2
Dies hatten wir berechnet, wobei mit v die Geschwindigkeit des einfallenden Teilchens und mit Z die Anzahl der Elementarladungen des ruhenden Teilchens bezeichnet wurden. Dieses Ergebnis gilt sowohl für den
nichtrelativistischen Fall vc ¿ 1 als auch für den relativistischen Fall v ≈ c, was davon herrührt, dass sich die
2
Faktoren q 1 v2 und 1 − vc2 bei der Integration herausheben.
1− c2
Andererseits hatten wir in den vorherigen Stunden für den Fall der Vernachlässigung des Rückstoßes des
gestoßenen Teilchens als Impulsänderung des vorbeifliegenden Teilchens
µ ¶
ϑ
(0)
∆p = 2p · sin
2
wobei ϑ der Ablenkwinkel und p(0) der Impuls des vorbeifliegenden Teilchens vor der Streuung sind. Durch
Gleichsetzen der beiden Beziehungen für ∆p erhalten wir dann:
a=
Z · e2
¡ ¢
v · p(0) · sin ϑ2
Hierzu ist zu bemerken, dass wir bei der Berechnung der Impulsänderung ∆p aus der elektrischen Kraft, die
das vorbeifliegende Teilchen auf das zu stoßende Teilchen ausübt, die Bahn des vorbeifliegenden Teilchens
11
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
als eine Gerade behandelt und die Ablenkung um den Winkel ϑ nicht berücksichtigt haben. Tatsächlich ist es
einleuchtend, dass dies für nicht sehr große Ablenkwinkel zulässig sein sollte, das heißt, für solche Ablenkwinkel,
für die der auf der x-Achse zurückgelegte Weg rvx ·t 2 und sein Beitrag in der Wurzel im Integranden groß ist
v
1− cx
2
gegen den zusätzlichen nur zeitabhängigen Beitrag, der durch die Ablenkung zustande kommt.
Es ist klar, dass in dieser Näherung die bei den Definitionen des Stoßparameters a einmal als kleinster Abstand der Bahn des einfallenden Teilchens vom Streuzentrum zum anderen als Abstand der Asymptoten der
Teilchenbahn dieses Teilchens zum Streuzentrum miteinander zusammenfallen.
Wir wir schon ausführten, bekommen wir den Wirkungsquerschnitt als Fläche, die das zu stoßende Teilchen
dem einfallenden Teilchenstrom entgegenhält, wobei diese Fläche den jeweiligen Stoßparameter a als Radius
hat, also ist dQ = a da dϕ. Aus
µ
a2 =
Z · e2
v · p(0)
2.2.2
¶2
·
1
¡ ¢
sin2 ϑ2
Ausgedehnte Kerne und Formfaktor
Die vorstehende Herleitung dieser Formeln war nur für den Fall durchgeführt wurden, dass beide Teilchen als
punktförmig angenommen worden waren. Wir müssten dieselbe Herleitung nochmal für den Fall durchführen,
dass das anfangs ruhende Teilchen ein ausgedehnter Kern ist. Sehen wir uns jedoch die Messergebnisse für
den Fall des ausgedehnten Kerns an, so sieht man eigentümliche Beugungsminima, die für ganze Vielfache von
∆p · R auftreten, wenn R der Radius des betreffenden Kerns ist. Dieses Phänomen deutet auf den Wellencharakter des gestreuten Teilchens hin, durch den diese Minima als Beugungsminima hervorgerufen werden,
h
wenn man dem übertragenden Impuls ∆p die Materiewellenlänge λ = ∆p
zuordnet. Wir können also den Fall
des ausgedehnten Kerns nur mit Hilfe der Quantenmechanik berücksichtigen. Zu diesem Zweck nehmen
wir einfach die entsprechende Formel aus der quantenmechanischen Streutheorie vorweg und holen ihre Herleitung später nach. Es handelt sich um die Formel für den Wirkungsquerschnitt in der Bornschen Näherung
(nichtrelativistisch), welche lautet:
¯2 ³
¯Z
¯2
¸
·
³ m ´2 ¯¯Z
h
i
¯
¯
dσ
i 0
m ´2 ¯¯
0
~
~
¯
¯
=
· ¯ exp (~
p − p~) · ~r · V (~r) dr¯ =
· ¯ exp i(k − k) · ~r · V (~r) dr¯¯
dΩ
2π~
~
2π~
~k ist der Impuls des einfallenden und ~k 0 der Impuls des gestreuten Teilchen, die sich nur durch den Streuwinkel
unterscheiden, während die Beträge gleich sind, also |~k 0 | = |~k|. Das Integral
Z
exp[i(~k 0 − ~k) · ~r]V (~r) dr
ist nicht weiter als die Fourier-Transformierte des Potentials V (~r). Im Falle des Coulomb-Potentials einer
2
Punktquelle V (r) = Z·e
ist diese Fourier-Transformierte:
r
Z
4π · Ze2
exp[i(~k 0 − ~k) · ~r]V (~r) dr =
|~k 0 − ~k|2
Damit wird der differentielle Wirkungsquerschnitt:
dσ
=
dΩ
Ã
2 · M · Ze2
|~k 0 − ~k|2
!2
mit |~k 0 − ~k|2 = 4k 2 · sin2
¡ϑ¢
2
wird daraus:
Z 2 · e4
1
dσ
¡ ¢
=
·
dΩ
16 · E 2 sin4 ϑ2
2
2
·k
ist die Energie des einfallenden Teilchens. Diese Formel beschreibt den Wirkungsquerschnitt im
E = ~2M
Falle eines punktförmigen Streuzentrum. Für den Fall des ausgedehnten Streuzentrums bedienen wir uns der
Poisson-Gleichung
4V (r) =
1 d2
(r · V (r)) = 4π · Ze2 · %(r)
r dr2
12
2.2. STREUEXPERIMENTE MIT KERNEN
Für die Punktquelle gilt %(r) = c · δ(r). Ferner ist:
Z
I=
Zπ Z∞
³ h
i´
h
i
0
~
~
exp i (k − k) · r · V (~r) dr = −2π ·
exp i|~k 0 − ~k|r cos ϑ · V (r) · r2 dr d(cos ϑ) =
0
= −2π ·
=
1
0
~
i|k − ~k|r
4π
|~k 0 − ~k|
Z∞
·
0
+∞
Z
h
i
·
exp(−i|~k 0 − ~k|r) − exp(i|~k 0 − ~k|r) · V (r)r2 dr =
−∞
³
´
sin |~k 0 − ~k|r V (r)r dr
0
Partielle Integration ergibt:
Z∞
³
´
sin |~k 0 − ~k|r · V (r)r dr =
0
1
=− 0
|k − k|2
Z∞
|~k 0 − ~k|
·
0
³
´ d
(r · V (r)) dr =
cos |~k 0 − ~k|r ·
dr
d
4π · Z · e2
·
sin (|k − k|r) 2 (r · V (r)) dr = −
dr
|~k 0 − ~k|2
0
0
Z∞
1
2
Z∞
³
´
sin |~k 0 − ~k|r · %(r)r dr
0
Die letzte Umformung ergibt sich unter Ausnutzung der Poisson-Gleichung. Also folgt:
Z
4π
4π · Z · e2
·
·
exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · V (~r) dr = −
0
2
0
~
~
~
|k − k|
|k − ~k|
Z
4π · Z · e2
=−
· exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · %(~r) dr
|~k 0 − ~k|2
Z∞
³
´
sin |~k 0 − ~k| · %(r)r dr =
0
Damit ergibt sich für den Wirkungsquerschnitt:
¯Z
¯2 µ
¶
h
i
¯
¯
dσ
Z 2 · e4
1
dQ
0
~
~
¯
¯
¡
¢
=
·
· |F (k − k 0 )|2 mit
exp i(k − k) · ~r %(~r) dr¯ =
dΩ
16 · E 2 sin4 ϑ2 ¯
dΩ Punkt
Z
Z∞ ³
h ³
´ i
´
4π
0
0
|F (|~k − ~k|) = exp i ~k − ~k · ~r %(~r) dr =
· sin |~k 0 − ~k|r %(r)r dr
|~k 0 − ~k|
0
Dies unterscheidet sich von der Rutherford-Formel durch einen Faktor F 2 , der als Strukturfaktor oder
Formfaktor des Kerns bezeichnet wird. Durch ihn wird die endliche Ausdehnung der Dichteverteilung des
Kerns berücksichtigt. Wie man sieht, ist F (|~k 0 − ~k|) mit der Fourier-Transformierten der Dichteverteilung
%(~r) des Kerns identisch. Dabei ist
µ ¶
ϑ
0
~
~
|k − k| = 2k · sin
2
wie schon vorhin gezeigt wurde.
Dies gilt nun zunächst für α-Teilchen und tatsächlich hat man solche Messungen auch zunächst für α-Teilchen
durchgeführt. Für Elektronen, die sich mit beinahe Lichtgeschwindigkeit bewegen, modifiziert sich die obige
Formel nur auf die Art, dass an die Stelle des Rutherford-Faktors nun die Mottsche Streuformel für
relativistisch bewegte Elektronen als Faktor tritt, während der Formfaktor derselbe bleibt.
Zusammenfassung:
In den vorigen Vorlesungsstunden hatten wir gesehen, dass für den Fall, dass der von dem Elektron zu stoßende
Kern nicht punktförmig, sondern ausgedehnt ist, also bei Berücksichtigung der Ausdehnung des zu stoßenden
Kerns an Stelle eines punktförmigen Kerns die Rutherford-Formel in der folgenden Weise zu erweitern ist:
Z 2 · e4
1
dσ
¡ ¢ · |F (ϑ)|2
=
·
dΩ
16 · E 2 sin4 ϑ2
13
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
mit den Ablenkwinkeln ϑ und ϕ, so dass dΩ = sin ϑ dϑ dϕ und der Energie E des einfallenden Elektrons mit
Z = 1 und der Kernladungszahl Z. Hinzugetreten zu der ursprünglichen Rutherford-Formel ist nun für den
Fall des ausgedehnten Kerns der Faktor |F (ϑ)|2 , wobei man
Z
F (ϑ) = exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · %(~r) dr
als den Formfaktor des Elektrons bezeichnet mit den Wellenzahlen k 0 =
nach der Streuung. Außerdem gilt
µ ¶
µ ¶
ϑ
ϑ
0
0
(0)
(0)
~
~
und |k − k| = 2k · sin
|~
p − p~ | = ∆p = 2p · sin
2
2
p0
~
und k =
p(0)
~
des Elektrons vor und
wie wir es in den ersten Vorlesungsstunden hergeleitet hatten.
2.2.3
Spezialfall: Punktförmige Kerne
Eine punktförmige Ladungsverteilung des Kerns kann beschrieben werden durch %(r) = δ(r) = δ(x)δ(y)δ(z).
Mit
exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] = exp[i(~k 0 − ~k)x · ~x] · exp[i(~k 0 − ~k)y · ~y ] · exp[i(~k 0 − ~k)z · ~z]
wird exp[i(~k 0 − ~k) · ~r]δ(r) = δ(r), also gilt für %(r) = δ(r):
Z
Z
F (ϑ, k) = exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · %(~r) dr = δ(r) dr = 1
Für den Fall des punktförmigen Kerns erhalten wir also wieder die ursprüngliche Rutherford-Formel.
Für den Fall, der extrem relativistischen Bewegung des Elektrons bekommen wir schon dann, wenn der Kern als
punktförmig angenommen wird, eine Abweichung von der beim letzten mal hergeleiteten klassischen Formel:
1
dσ
= ·
dΩ
4
µ
Z · e2
E
¶2
·
sin
1
¡ϑ¢
4
2
Eine Abweichung von dieser klassischen Formel kommt im relativistischen Fall auch beim punktförmigen
Kern allein schon durch die quantenmechanische Behandlung zustande, die im nichtrelativistischen Fall mit
punktförmigem Kern noch keines von der klassischen Behandlungsweise verschiedenes Resultat lieferte. Im
relativistischen Fall lautet das Ergebnis der quantenmechanischen Behandlung für den punktförmigen Kern:
¡ ¢
µ
¶2
cos2 ϑ2
dσ
1
Z · e2
¡ ¢
= ·
·
dΩ
4
E
sin4 ϑ2
¡ ¢
cos2 ϑ2 ist hier also im Unterschied zum klassischen Fall noch hinzugetreten, was mit dem Elektronenspin
zusammenhängt. Dies muss hier ohne Herleitung mitgeteilt werden, da zur Herleitung die relativistische Quantenmechanik des Elektrons, das heißt, die Dirac-Theorie benötigt wird.
Den Fall des ausgedehnten Kerns bekommt man dann im relativistischen wie im nichtrelativistischen Fall
einfach dadurch, dass man dem vorstehenden Ergebnis für den punktförmigen Kern denselben Formfaktor
Z
F (ϑ, k) = exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · %(~r) dr
hinzufügt, wie wir ihn auch im nichtrelativistischen Fall erhalten hatten, also:
dσ
1
= ·
dΩ
4
µ
Z · e2
E
¶2
· |F (ϑ, k)|2
Die Methode, mit der man diese Formeln benutzt, verläuft in der Weise, dass man zunächst Ladungsverteilungen %(~r), die einem als plausibel erscheinen in den Ausdruck für den Formfaktor einsetzt, diesen und dann
den Wirkungsquerschnitt ausrechnet und sieht, wie gut letzterer mit den Experimenten übereinstimmt. Falls
keine gute Übereinstimmung zu erzielen ist, versucht man es mit einem anderen %(~r) solange, bis optimale
Übereinstimmung mit dem Experiment erkennbar ist. Als Beispiel wollen wir
14
2.2. STREUEXPERIMENTE MIT KERNEN
Also gilt
dσ
=
dΩ
µ
Z · e2
2·E
¶2
¡ ϑ ¢ ¯Z
¯2
¯
¯
0
2
~
~
¯
¡
¢
·
exp[i(k − k) · ~r] · %(~r) dr¯¯
4 ϑ ·¯
sin
cos2
2
wobei E die einfallende Energie des relativistisch bewegten Elektrons ist. Die Güte der Übereinstimmung ist
bei leichten Kernen recht gut. Allerdings können die Nullstellen der Bornschen Näherung nicht verifiziert
werden. Für schwere Kerne gibt es größere Abweichungen.
Für mittlere und schwere Kerne haben Hahn, Ravenhall und Hofstadter die Dirac-Gleichung voll numerisch gelöst mit 4V (r) = 4π · Z · e2 · %(r), wobei folgende %(r) eingesetzt wurden:
³ r´
U Exponentiell: %(r) = %0 · exp −
a
µ ³ ´ ¶
r 2
U Gaußförmig: %(r) = %0 · exp −
b

k



 %0 für |~r| < R
U Gleichmäßig: %(r) =


k

 0 für |~r| >
R
−1
U Abgeflacht: %(r) = %0 · [1 + exp(k(x − r))]
·
³ r ´4 ¸
−1
U Gleichförmig: %(r) = %0 · 1 +
· [1 + exp(k(x − r))]
d
Zusammenfassung:
In den ersten Vorlesungsstunden dieser Vorlesung haben wir damit begonnen, die Streuung von Elektronen
an Kernen unter dem Gesichtspunkt zu behandeln, die Ausdehnung des Kerns durch die Elektronenstreuung
zu messen. Zu diesem Zweck hatten wir zunächst eine Formel für die Elektronenstreuung an Kernen in der
Bornschen Näherung der quantenmechanischen Theorie der Elektronenstreuung hergeleitet, in welcher der
Einfluss der Ausdehnung des Kerns berücksichtigt wurde. Sie lautete:
dσ
Z 2 · e4
1
¡ ¢ · |F (ϑ)|2
=
·
dΩ
16 · E 4 sin4 ϑ2
dσ
Dabei war dΩ
der differentielle Wirkungsquerschnitt pro Raumwinkeleinheit mit dem Raumwinkelelement
dΩ = sin ϑ dϑ dϕ, dem Streuwinkel ϑ, also dem Winkel zwischen der Bahn des einlaufenden Teilchens und
der Bahntangente des auflaufenden Teilchen nach dem Stoß. Der Einfluss der Ausdehnung des Kerns hatte
sich in der obigen Formel nur dadurch bemerkbar gemacht, dass zu dem Ausdruck, der für den Fall der
punktförmigen Ladungskonzentration gegolten hatte, nun für den Fall der ausgedehnten Ladungsverteilung
des Kerns durch den Faktor F hinzugetreten ist. Diesen Faktor F nennt man deshalb den Formfaktor, weil
man ja nur im Fall des ausgedehnten Kerns von einer Form oder Struktur des Kerns sprechen kann, von dem
dieser Formfaktor abhängt, nicht jedoch im Falle des punktförmigen Kerns. Der Ausdruck, den wir das letzte
mal für den Formfaktor F erhalten hatten, lautete
I
F (ϑ) =
Z∞
exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · %(~r) dr =
0
mit |~k 0 − ~k| = 2k · sin
¡ϑ¢
2
sin(|~k 0 − ~k|r)
· %(r) · 4πr2 dr
|~k 0 − ~k|r
. Im Grenzfall der Punktquelle wird die Ladungsdichte:
%(r) = δ(r) = δ(x)δ(y)δ(z) =
δ(r)
4πr2
Dies gilt beim Übergang zu Polarkoordinaten. Da in diesem Fall der Integrand nur für r = 0 endlich bleibt,
und zwar
³
´
sin |~k 0 − ~k|r
7→ 1 für r 7→ 0
|~k 0 − ~k|r
15
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
wird F (ϑ) 7→ 1 für r 7→ 0.
Die bisherigen Formeln der Bornschen Näherung galten aber nur für den Fall der Streuung eines nichtrelativistischen Teilchens wie beispielsweise eines α-Teilchens an einem ausgedehnten Kern. Für die Streuung eines
relativistisch bewegten Elektrons lautet die Bornsche Näherung:
¯2
µ ¶2
µ ¶ ¯Z
¯
¯
dσ
E
ϑ
=
· ¯¯ exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · V (~r) dr¯¯
· cos2
dΩ
2π
2
an Stelle von
¯2
µ ¶2 ¯Z
¯
¯
dσ
M
0
~
~
¯
=
· ¯ exp[i(k − k) · ~r] · V (~r) dr¯¯
dΩ
2π
wobei wir vom nichtrelativistischen
Fall ausgegangen waren. Man sieht, dass E im nichtrelativistischen Fall in
¡ ¢
M übergeht. cos2 ϑ2 kommt jedoch noch durch den Spin des Elektrons hinzu, während das α-Teilchen ja den
Spin 0 hat. Sonst gibt es weiter keine Unterschiede zwischen den beiden Formeln. Wir haben wieder denselben
Fourier-Koeffizient für das Potential. Für das Coulombfeld mit Punktquelle lautet dieser beispielsweise
Z
4π · Z · e2
exp[i(~k 0 − ~k) · ~r] · V (~r) dr =
|~k 0 − ~k|2
so dass wir den Wirkungsquerschnitt
Ã
¡ ¢ !2
2 · E · Z · e2 · cos ϑ2
dσ
=
dΩ
|~k 0 − ~k|2
p
¡ ¢
2 2
·k
wird E = ~k 2 + m2 = k 0 . Für das relativistisch
mit |~k 0 − ~k|2 = 4k 2 · sin2 ϑ2 . Anstelle von E = ~2M
bewegte Elektron bekommen wir die Mottsche Streuformel:
¡ ¢
µ
¶2
cos2 ϑ2
dσ
Z · e2
¡ ¢
=
·
dΩ
2·E
sin4 ϑ2
an Stelle der Rutherford-Formel:
µ
¶2
Z · e2
1
dσ
¡ ¢
=
·
4
dΩ
4·E
sin ϑ2
Bei der Berücksichtigung der Ausdehnung des Kerns geht alles genauso wie beim nichtrelativistischen Fall
jede Näherung und wir bekommen:
¡ ¢
µ
¶2
cos2 ϑ2
dσ
Z · e2
¡ ¢ · |F (ϑ)|2
=
·
dΩ
2·E
sin4 ϑ2
mit
Z
F (ϑ) =
³
´
Z∞ sin |~k 0 − ~k|r
³
´
exp[i ~k 0 − ~k · ~r] · %(~r) dr =
· %(r) · 4πr2 dr
|~k 0 − ~k|r
0
das heißt, wie bekommen denselben Formfaktor wie für den nichtrelativistischen Fall. Das rechnerische Ergebnis
(einer solchen Bornschen Näherung) verglichen mit dem Experiment bei 16
8 O zeigt Figur ­ auf Seite 14
des Elton. Die Rechnung, die Figur ­ zugrunde liegt, wurde mit dem folgenden Ausdruck für die Dichte
durchgeführt:
µ
¶¸
µ ¶3 ·
8
Z −2
3 · (b2 − a2 ) a2 · r2
R
1
− 21
·
·
π
·
1
+
·
+
·
%(r) =
4π · R3 Z
b
3
2b2
b4
Den Verlauf dieser Dichte ist etwa auf Figur ® auf Seite 327 vom Hofstadter zu übernehmen sowie auf Figur
32 auf Seite 391. Man sieht, dass ein Dichteverlauf der vorliegenden Art für leichte Kerne charakteristisch ist.
Der Formfaktor wird für diesen Dichteverlauf:
µ
¶
µ
¶
Z − 2 2 ~0 ~ 2
1 2 ~0 ~ 2
F (ϑ) = 1 −
· a · |k − k| · exp − · b · |k − k|
6Z
4
16
2.2. STREUEXPERIMENTE MIT KERNEN
¡ ¢
mit |~k 0 − ~k| = 2k ·sin ϑ2 und b2 = a2 +a2p , wobei ap der Radius des Protons, also des Wasserstoffkerns ist. Nach
optimaler Anpassung der Bornschen Näherung an die Messwerte erhält man a aus der Lage aller Nullstellen
des Formfaktors F (ϑ) und b aus der Anpassung der übrigen Kurve.
Für leichte Kerne wie 16
8 O stimmt – wie man sieht – die Bornsche Näherung mit den Messwerten und mit der
exakten Kurve sehr gut überein bis an die Bezugsnullstelle, wo die Messwerte und die exakte Kurve nur ein
Minimum erreichen. Figur 21 auf Seite 376 im Hofstadter zeigt jedoch, wieviel schlechter die Übereinstimmung zwischen Bornscher Näherung und exakter Kurve bei höher geladenen Kernen wie Gold und Kupfer
mit Z = 79 und Z = 29 ist. Für Gold ist die Bornsche Näherung sogar noch schlechter als für Kupfer. Dies
hat seinen Grund darin, dass die Bornsche Näherung die niedrigste Näherung in einer Entwicklung nach dem
2
2
·Z 2
·Z 2
Parameter e ~·r
ist. Sie kann also nur einigermaßen gut sein, fall e ~·r
< 1 ist. Nun gilt
1
e2
=
~·r
137
so dass für Z = 0 tatsächlich
1
e2 · Z 2
< <1
~·r
2
ist. Für Z = 29 und Z = 29 ist dies aber keineswegs mehr der Fall. Für diese schweren Kerne muss man
daher eine exakte vollnumerische Rechnung machen, wie sie von Han, Ravenhall und Hofstadter (siehe
Seite 192 im Hofstadter) ausgeführt worden ist. Die Gleichung, welche sie vollnumerisch lösten, war die
Dirac-Gleichung:
£
¤
iα · p + β · mc2 + V (r) ψ = Eψ
wobei insbesondere eine Ladungsverteilung der Form
%(r) =
³
exp
%0
r−τ
Z1
´
+1
197
122
115
59
51
40
209
angenommen wurde. Für Elemente zwischen 40
20 Ca und 83 Bi, nämlich 20 Ca, 23 V, 27 Co, 49 In, 51 Sb, 79 Au und
1
209
3
83 Bi ergibt sich durch Messung r = (1, 07 ± 0, 02) · A und τ = 2, 4 ± 0, 3 unabhängig von A. Anstelle des
Parameters Z1 ist es üblich, diejenige Strecke t einzuführen, längs welcher der Dichteabfall von 90% bis auf
10% stattfindet. Man erhält als von A unabhängiges Ergebnis t = 2, 4 · 10−13 cm.
Figur 24 auf Seite 379 im Hofstadter zeigt, dass die Dichte des Kerns innerhalb gewisser Grenzen einen
bestimmten einheitlichen für alle Kerne im Mittel etwa geltenden Durchschnittswert annimmt. Betrachtet man
1
die Größe des Kernradius, also R = r = (1, 07 ± 0, 02) · A 3 · 10−13 cm, so folgt für das Kernvolumen:
V =
4
4
π · R3 = π · R03 · A mit R0 = (1, 07 ± 0, 02) · 10−13 cm
3
3
Dieses Ergebnis für das Kernvolumen bedeutet also in Worten:
Das Volumen der Kerne ist proportional zur Anzahl A der Nukleonen im Kern.
Wenn wir die Dichte des Kern gemäß % = VA einführen, so ergibt sich:
Die zuvor betrachtete Dichte %(r), für die sich zuletzt die Fermi-Verteilung als besonders gut ergeben hatte,
wurde so eingeführt, dass sie auf ein normiert war:
Z
%(r) dr = 1
Nach Ausführung der Integration über die Fermi-Verteilung ergibt sich:
µ
¶−1
¶−1
µ
3
π 2 · Z12
3
π 2 · Z12
%0 =
· 1+
=
· 1+
2
4π · r3
r2
4π · R03 · A
R0 r · A 3
Es ist aber
Z1 =
t
= 0, 545 · 10−13 cm
4, 4
und somit:
Z2
π · 21 = π 2 ·
r
2
µ
0, 545
1, 07
¶2
·
1
A
2
3
= π2 ·
0, 255
A
2
3
=
2, 52
2
A3
< 0, 28 für A > 27
17
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
%
%0 = ·
A
Ã
1+
π 2 · Z12
!−1
2
R02 · A 3
% ist also eine von A unabhängige Sättigungsdichte, von der %0 · A nur wenig verschieden ist und der sich %0 · A
mit wachsendem A immer mehr annähert, so dass %0 · A = 1, 1 · % für A = 125 gilt und %0 · A = 1, 07 · % für
A = 216 (siehe Hofstadter auf Seite 379 Figur 24 und auf Seite 391 Figur 32). Die Sättigungsdichte, die der
3
−13
Dichte %0 · A im Innern des Kerns zustrebt, ist also % = 4π·R
cm.
3 mit R0 = (1, 07 ± 0, 02) · 10
0
Die Existenz einer solchen Sättigungsdichte legt nun eine Vorstellung vom Aufbau des Kerns nahe, nach der
die Nukleonen im Kern in einer Art von dichtester Kugelpackung aufeinander liegen. Dieses Bild würde ja
gerade dieselbe konstante Dichte für jeden Kern ergeben und die einzelnen Kerne würden sich nur durch ihre
Nukleonenzahl, das heißt durch ihre Grö0ße unterscheiden, so wie verschieden große Tropfen ein und derselben
Flüssigkeit. Bei den Kernen ist diese Flüssigkeit die Kernmaterie mit der Dichte %. Das Volumen des Kerns
wächst selbstverständlich proportional zur Nukleonenzahl, also:
V =
4
4
A
π · r3 = π · R03 · A =
3
3
%
Aus einem solchen Modell ergeben sich nun aber auch Folgerungen für die Bindungsenergien der Kerne, da bei
dieser Kugelpackung der Nukleonen jedes Nukleon nur mit seinen nächsten Nachbarn wechselwirkt. Daraus
folgt, dass für alle Kerne oberhalb Helium bzw. Kohlenstoff auf jedes Nukleon der gleiche Betrag an Bindungsenergie entfallen muss. Nur die Nukleonen an der Oberfläche haben eine geringere Anzahl von nächsten
Nachbarn und somit einen geringeren Betrag an Bindungsenergie. Für die Bindungsenergie setzt man also
zunächst an:
Zusammenfassung:
In der letzten Vorlesung hatten wir aus den Resultaten der Elektronenstreumessungen von Hofstadter
Folgerungen für die Bindungsenergien der Atomkerne gezogen. Das Ergebnis der Elektronenstreumessungen
von Hofstadter war ja gewesen, dass die Kerne oberhalb einer gewissen Mindestzahl von Nukleonen eine einheitliche Dichte besitzen. Mit Hilfe dieses Resultats hatten wir eine halbempirische Massenformel für
die Bindungsenergien der Atomkerne aufgestellt, die auch Bethe-Weizsäcker-Formel genannt wird. Die
Bindungsenergie war dabei zu definieren als die Differenz zwischen der Ruhemasse M c2 des zusammengebundenen Kerns und aus der Summe der Ruhemassen der einzelnen freien Nukleonen dieses Kerns, also
E = −B = M · c2 − (N · Mn + Z · Mp ). Mit diesem Definitionen hatten wir als halbempirische Massenformel
folgenden Ausdruck erhalten:
µ
¶2
2
N −Z
3 e2 Z 2
−B = aV · A − aO · A 3 − ·
· 1 −b·
+δ
5 R0 A 3
N +Z
Die einzelnen Terme hatten wir dabei eingehend begründet und zwar hatten wie den ersten Term als Volumenterm, den zweiten als Oberflächenterm, den dritten als Coulombkern und den vierten als Symmetrieterm
eingeführt. Die zahlenmäßige Werte der Konstanten waren dabei gewesen:

1
für gg-Kerne
 12A− 2
0
für ug- und gu-Kerne
aV = 16 MeV, aO = 19 MeV, b = 22 MeV, δ =

1
−12A− 2 für uu-Kerne
Den Coulombterm hatten wir dabei erhalten aus der Abschätzung des aus der Elektrostatik für die elektrostatische potentielle Energie bekannten Ausdrucks
Z
1
%el (~r) · %el (~r0 )
ECoulomb =
d~r d~r0
2
|~r − ~r0 |
wobei
%el (r) =
e·Z
·
A
½
%
0
 µ
¶−1
e · Z  4 π · R03
für r < R
=
für r > R
A  3
0
für r < R
für r > R
Dabei messen wir die Richtung von ~r0 relativ zur Richtung von ~r durch den Kosinus des von ~r und ~r0 eingeschlossenen Winkels, also
cos θ =
~r · ~r0
=ξ
|~r| · |~r0 |
18
2.2. STREUEXPERIMENTE MIT KERNEN
so dass:
ECoulomb
1
= ·
2
µ
3·Z ·e
4π · A · R03
9 · Z · e2
=
·
4 · R6
=
¶2 ZR
ZR Z+1
2π · r02 dr0 dξ
2
p
· 4πr dr
=
r2 + r02 − 2rr0 · ξ
ZR
0
ZR
9 · Z · e2
r dr [|r + r | − |r − r |] =
·
2 · R6
0
r dr ·
0
0 −1
0
0
0
ZR
0
Zr
r0 dr0 · 2r0 =
r dr ·
0
0
3 Z 2 · e2
·
=
5
R
3 e2 Z 2
·
·
5 R0 A 13
1
Es wurde beim letzten Schritt R = R0 · A 3 berücksichtigt.
Der Symmetrieterm lässt sich daraus erklären, dass das Pauli-Prinzip nur je zwei Protonen (mit Spin nach oben
und Spin nach unten) und zwei Neutronen (mit Spin nach oben und Spin nach unten) in einem Energieniveau
zulässt. Hat man aber mehr als zwei nur gleichartige Teilchen, das heißt, mehr als zwei Neutronen oder mehr
als zwei Protonen, so können die über die Zahl zwei hinausgehenden Neutronen oder Protonen nur in einem
höheren Energieniveau Platz nehmen.
2.2.4
Dichteverteilungsfunktion von Atomkernen
Die Dichte von Kernmaterie lässt sich durch folgende Formel beschreiben:
%(r) =
%F
£
¤
1 + exp r−c
s
c bezeichnet man als Halbdichteradius und s als Oberflächendicke. s besitzt für alle Kerne den konstanten
1
Wert 4π · ln(3) · 10−13 cm. Für c gilt etwa c = 1, 0 · 10−13 · A 3 cm. Leichte Kerne besitzen näherungsweise eine
Kugelform, also kann man folgenden Ansatz für die Kerndichte machen:
 µ
¶−1
4 3



πR
für r < R
3
%0 (r) =



0
für r > R
Man bezeichnet %0 als equivalent uniform density“. Als eigentlichen Kernradius definiert man:
”
Z
ZR 4
r
3 2
2
%0 (r) · r2 d3 r = 4π ·
4π 3 dr = 5 R ∼ R
R
3
0
Das Kernvolumen ist damit proportional zu A, wobei A die Massenzahl des Kerns darstellt. Das liegt daran,
dass aufgrund der kurzreichweitigen Kernkraft die Nukleonen sehr eng beieinander liegen (Tröpfchenmodell,
1
liquid dropped water“). Näherungsweise gilt für den Kernradius R = 1, 2 · 10−13 · A 3 cm. Wenn wir ungefähr
”
abschätzen wollen, wie sich ein Kern aufbaut, so kann man dies für leichte Kerne in der folgenden Weise
tun: Man nimmt an, dass die Nukleonen in einem Potentialtopf liegen, wobei die einzelnen Nukleonen der
stationären Schrödinger-Gleichung genügen:
¸
·
1 2
~2
4 + k ψn (r) = En ψn (r) mit ψn (r) = ψnx (x)ψny (y)ψnz (z)
−
2m
2
19
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
·
¸
µ
¶
~2 ∂ 2
1 2
1
−
·
+ kx ψnx (x) = Enx ψnx (x) mit Enx = ~ω nx +
2m ∂x2
2
2
q
~
Mit k = mω 2 und a = mω
erhält man die normierten Eigenfunktionen:
ψnx (x) = p
1
aπ 2 ·
1
√
+∞
¸
Z
³x´
1 ³ x ´2
· exp − ·
· Hn x
mit
%nx (x) dx = 1
2
a
a
·
n
nx ! · 2 2
−∞
Hnx sind die Hankel-Funktionen:
H1 = 2 ·
³x´
a
; H2 = 4 ·
³ x ´2
a
− 2; H3 = 8 ·
³ x ´3
a
− 12 ·
³x´
a
; ...
Außerdem gilt %nx (x) = |ψnx (x)|2 . Somit folgt für n = nx + ny + nz = 0:
¶
µ
1
1 ³ r ´2
ψ0 (r) = p
3 · exp − 2 a
1
aπ 2
Dies führt auf die auf eins normierte Dichte des He-Kerns:
µ
¸
¶3
·
1
1 ³ r ´2
%0 (r) =
· exp −
1
2 a
aπ 2
Der Zustand für n = nx + ny + nz = 1 ist dreifach entartet, nämlich:
1.) nx = 1, ny = nz = 0
ψ n=1 (r) = f rac1
1,0,0
µ
¶
p
³x´
1
1 ³ r ´2
1
aπ 2 · 2 2 · exp − ·
·2·
2
a
a
2.) nx = 0, ny = 1, nz = 0
p
ψ n=1 (r) = f rac1
0,1,0
µ
¶
³y ´
1
1 ³ r ´2
1
aπ 2 · 2 2 · exp − ·
·2·
2
a
a
3.) nx = ny = 0, nz = 1
p
ψ n=1 (r) = f rac1
0,0,1
%n=1 (r) =
X
x,y,z
µ
¶
³z ´
1
1 ³ r ´2
1
aπ 2 · 2 2 · exp − ·
·2·
2
a
a
µ
ψ ?n=1 (r)ψ(r) n=1 (r) =
x,y,z
x,y,z
¶3
1
1
2π 2
µ ³ ´ ¶
³ r ´2
r 2
· exp −
·2·
a
a
µ
µ ³ ´ ¶
¶3 ·
³ r ´2 ¸
1
1
r 2
·
·
4
+
8
·
·
exp
−
1
8
16
a
a
aπ 2
à µ ¶ !
Z
2
1
r
SM
0
0
0
%16
(r)
=
%
·
exp
−
16 O (r ) · %N (r − r) dr mit %(r) =
3
O
8
8
aN
π 2 · a2N
¶3 ·
µ
µ
¶¸
µ 2¶
1
1
3
a2N
a2
r
3
%16
(r) = ·
· 1+2·
· 2
· exp − 2
· + 2
1
2
2
8 O
4
2 a + aN 2 a + aN
a
a · π2
¶
µ
¶
µ 2
¶
µ
Z
2
´
1
|~
p(0) − p~0 |2
a + a2N
|~
p(0) − p~|
i ³ (0)
· p~ − p~0 · ~r · %(r) dr = 1 − · a2 ·
·
exp
−
·
F = exp
2
~
8
~
4
~2
%SM
16 O (r) =
Summiert man diese Funktionen auf, so ergibt sich für schwere Kerne obiger Verlauf.
20
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
2.3
Empirische Massenformel
Liegen A Nukleonen vor, so haben diese die Energie E(A) = A · M c2 . Um aber noch die Zusammenbindung
der Nukleonen zu berücksichtigen, muss man einen Term B, nämlich die Bindungsenergie, abziehen. Die semiempirische Formel für B geht aus Weizsäcker zurück:
µ
¶2
2
3 e2 Z 2
N −Z
B = aV · A − aO · A 3 − ·
·
−b·
+δ
5 R0 A 31
N +Z
Den ersten Term bezeichnet man als Volumenterm, den zweiten als Oberflächenterm, den dritten als Coulombterm, den vierten als Asymmetrieterm und den fünften schließlich als Paarungsterm.
U Volumenterm:
Die Nukleonen sitzen sehr dicht beieinander, wobei das Volumen des Kerns und damit auch die Bindungsenergie proportional zu A ist.
U Oberflächenterm:
Die Nukleonen an der Oberfläche erfahren keine so große Kraft, weshalb man einen Oberflächenterm
2
abziehen muss. Da die Oberfläche nicht mit A, sondern nur mit A 3 ansteigt, ist auch der Oberflächenterm
2
proportional zu A 3 .
U Coulombterm:
Auf Protonen wirkt die Coulomb-Kraft abstoßend, was ebenfalls die Bindung verringert, womit man
einen weiteren Term abziehen muss.
U Symmetrieterm:
Protonen und Neutronen befinden sich im Kern innerhalb eines Potentials, in dem sie nur bestimmte
Energieniveaus einnehmen können. Der Symmetrieterm lässt sich nun daraus erklären, dass das PauliPrinzip nur je zwei Protonen (mit Spin nach oben und Spin nach unten) und zwei Neutronen (mit
Spin nach oben und Spin nach unten) in einem Energieniveau zulässt. Hat man aber mehr als zwei nur
gleichartige Teilchen, also mehr als zwei Neutronen oder mehr als zwei Protonen, so können die über
die Zahl zwei hinausgehenden Neutronen nur in höheren Energieniveaus Platz finden. Zwei Protonen
und zwei Neutronen können also in ein- und demselben Energieniveau Platz nehmen, während von vier
Neutronen oder vier Protonen jeweils zwei in einem höheren Niveau untergebracht werden müssen. Siehe
die nachfolgenden Figuren:
Dies ist so, da Nukleonen halbzahligen Spin haben und damit Fermi-Teilchen sind. Beispielsweise befinden sich im 42 He zwei gepaarte Protonen und zwei gepaarte Neutronen im selben Quantenzustand.
Hat man weitere Nukleonen, so müssen diese höhere Energiezustände besetzen. Dass gleichartige Fermionen (wie Nukleonen) die Paarungseigenschaft besitzen, ist ein fundamentaler Effekt auf dem im Falle
der Elektronen auch die Supraleitung beruht. Die Begründung dieses Effekts müssen wir uns jedoch für
später vorbehalten.
U Zahlenwerte:

1
 12A− 2
0
aV = 16 MeV, aO = 19 MeV, b = 22 MeV, δ =

1
−12A− 2
für gg-Kerne
für ug- oder gu-Kerne
für uu-Kerne
21
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
gg- und uu-Kerne haben den Spin 0. ug- oder gu-Kerne besitzen jedoch einen ungeraden Spin.
Allgemein gilt für die Kernenergie:
E = M · c2 − [N · Mn + Z · Mp ] · c2 = −B
Die Masse des Kerns ist also kleiner als die Summe der Massen aller freien Nukleonen, aus denen der Kern
besteht. Bei der Aufstellung der vorstehend behandelten Bethe-Weizsäcker-Forme, hatten wir vorausgesetzt, dass die Kerne kugelsymmetrisch seien. Tatsächlich sind sie dies auch bis zu einer Massenzahl von
A = N + Z = 155. Die Bethe-Weizsäcker-Formel ist eine Funktion von N und Z, da ja A = N + Z, also
E = E(N, Z) = −B(N, Z) gilt. Um einen Überblick über ihre physikalischen Aussagen für die Systematik der
Bindungsenergien der Kerne zu gewinnen, ist es am zweckmäßigsten, sie in Form eines Energietals darzustellen, und zwar als Energietal über der N -Z-Ebene. Die N -Z-Ebene wird gewöhnlich so dargestellt, dass man
N nach oben und Z nach rechts aufträgt, so dass jeder Kern mit einem N -Z-Koordinatenpaar durch einen
Punkt in der N -Z-Ebene eindeutig vertreten ist. Senkrecht über diesem Punkt trägt man dann den Wert der
Bindungsenergie des betreffenden Kerns auf, den dieser nach der Bethe-Weizsäcker-Formel hat und bekommt so das genannte Energietal (siehe Heisenberg, Abbildung 12, Seite 15). Wir stellen dieses Tal durch
Äquipotentialkurven für konstante Energie dar; ebenso zeichnen wir die Geraden N + Z = C und N − Z = 0
ein.
Durch Wirkung des Symmetrieterms besitzt dieses Energietal eine Talsohle, die für kleine Z bei N = Z
beginnt und bei großen Z jedoch auf etwa N = 1, 4Z umbiegt und zwar aufgrund des Coulombterms, der
nicht in N und Z symmetrisch ist.
22
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
Dazu betrachten wir zunächst den Energieunterschied von benachbarten Kernen mit demselben N +Z = A und
einem um zwei verschiedenen Neutronenüberschuss N − Z. Dieser Überschuss kann nur vom Symmetrieterm
und dem Coulombterm herrühren, da der Volumen- und Oberflächenterm nur von A abhängen. Aus der
Bethe-Weizsäcker-Formel folgt für den Beitrag des Symmetrieterms:
·
¸
(N − Z + 2)2
(N − Z)2
2 · (N − Z)2 + 4
∆ESymmetrie = b ·
−
=b·
N +Z
N +Z
N +Z
Damit ergibt sich für N = Z:
∆ESymmetrie (∆(N − Z) = 2) =
44 MeV
< 4, 4 MeV für A > 10
A
Für den Beitrag des Coulombterms folgt:
·
¸
2
3 e2
(Z + 1)2 − Z 2
6
e2
3 e2
A
∆ECoulomb (∆(N − Z) = 2) = − ·
·
≈ ·
·
· A 3 für Z =
1
1 · Z =
5 R0
5
5
R
2
3
3
A
R0 · A
0
2
2
= 0, 646 · 0, 931 · A 3 MeV = 0, 601 · A 3 MeV
Für verschiedene A ergibt sich:

 0, 601 · 20 MeV ≈ 12 MeV
0, 601 · 10 MeV ≈ 6, 01 MeV
∆ECoulomb =

0, 601 · 7 MeV ≈ 4, 2 MeV
für A = 91
für A = 40
für A = 20
Durch jeden Schnitt N + Z = A = const. bekommen wir also Kurven E(N − Z) in der Schnittebene, auf
denen die Kerne mit diesen Energiedifferenzen liegen. Legen wir den Schnitt zunächst bei ungeradem A, so
liegen die Kerne alle auf einer einzigen Kurve, die wegen der Form des Symmetrieterms parabolisch ist.
Beispielsweise für A = 91 bekommen wir die Kurve von Abbildung 18 auf Seite 17 im Heisenberg-Skript:
23
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
Der tiefste Kern ist der stabilste, die jeweils nächst höheren wandeln sich in den jeweils nächst tieferen durch β+ oder β− -Zerfall um. Beim β− -Zerfall wandelt sich ein Neutron in ein Proton und Elektron um; beim β+ -Zerfall
findet die Umwandlung eines Protons in ein Neutron und Positron statt. Diese Umwandlung tritt nicht bei freien
Protonen auf, sondern nur bei im Kern gebundenen. Die Ruheenergie des Neutrons ist mN c2 = 939, 7 MeV
und die des Protons mP c2 = 938, 5 MeV. Damit ergibt sich die Differenz (mN − mP )c2 = 1, 2 MeV. Bei freien
Protonen gibt es keinen Energiegewinn durch β-Zerfälle, sondern nur bei Neutronen. Beim gebundenen Proton
kann es einen Energiegewinn durch β-Zerfall des Protons wie beim Neutron geben und findet deshalb auch
statt. Wir sehen schließlich:
2.3.1
Regel von Mattauch
Bei ungeradem A kann es nur einen stabilen Kern geben. Alle übrigen sind β-aktiv.
Legen wir den Schnitt jedoch bei geradem A, so kann man die Kerne nur auf zwei parabolischen Kurven
anordnen. Beispielsweise erhalten wir für A = 92 folgende Kurve (Abbildung 19 auf Seite 17, Heisenberg):
Dieses Doppel-Parabelphänomen rührt daher, dass die (uu)-Kerne sehr viel weniger stabil als die (gg)-Kerne
sind aufgrund der Paarungseigenschaft gleichartiger Fermionen. Zustände mit ↑↓ kann es bei sonst gleichen
Quantenzahlen geben; Zustände mit ↑↑ dagegen nicht aufgrund des Pauliprinzips. ↑↓ ist daher bevorzugt, was
durch den Paarungsterm in der Bethe-Weizsäcker-Formel berücksichtigt wird. Daraus ergibt sich:
24
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
2.3.2
Regel von Aston
Bei den (gg)-Kernen kann es bis zu drei stabile Isobaren geben; bei den (uu)-Kernen höchstens einen.
In Wirklichkeit sind alle (uu)-Kerne bis auf 21 H, 63 Li,
erkennbar.
10
5 B
und
14
7 N
instabil. Dies ist auf der Nuklidkarte
Anwendung:
1.) Ungerades A:
Der einzig stabile Kern mit A = 91 besitzt 11 Neutronen mehr als Protonen:
N − Z = 11, A = N + Z = 91 ⇒ Z = 40, N = 51
Dabei handelt es sich um Zirkonium. Dies ist ein (u,g)-Kern. Die Kerne links vom Zirkonium zerfallen nach
dem β+ -Zerfall, die rechts vom Zirkonium nach dem β− -Zerfall. Niob besitzt beispielsweise 9 Neutronen
mehr als Protonen:
N + Z = 91, A = N − Z = 9 ⇒ Z = 41, N = 50
Dabei handelt es sich um einen (g,u)-Kern. Es gibt also für ein A immer einen (g,u)- und (u,g)-Kern.
Von diesen beiden ist der mit niedrigerer Energie stabil.
2.) Gerades A:
A = N + Z = 92, N − Z = 8 ⇒ Z = 42, N = 50
(g,g)
A = N + Z = 92, N − Z = 10 ⇒ Z = 41, N = 51
(u,u)
A = N + Z = 92, N − Z = 12 ⇒ Z = 40, N = 52
(g,g)
Es wechseln immer (g,g)- mit (u,u)-Kernen ab, wobei die meisten (u,u)-Kerne instabil sind. Beispielsweise
ist der Kern Nb ein instabiler (u,u)-Kern ist; welcher zwei Zerfallsmöglichkeiten besitzt, nämlich in
Zirkonium Zr oder auch Molybdän Mb.
Zusammenfassung:
Wir haben also festgestellt, dass die Bethe-Weizsäcker-Formel bzw. die semiempirische Massenformel ein
erstes Hilfsmittel bietet, um einen ersten Überblick über die Systematik des Kerns zu gewinnen. Sie ist der
formale Ausdruck der Sättigungseigenschaft der Kernmaterie soweit es den Volumen- und Oberflächenterm
angeht. Dazu kommt die Coulomb-Abstoßung der Protonen. Ferner kommen gewisse Auswirkungen des Pauliprinzips im Symmetrieterm zum Ausdruck und schließlich haben wir noch den Paarterm, aufgrund der
Paarungseigenschaft gleichartiger Nukleonen. Alle Terme dieser Formel sind zunächst aus Plausibilitätsüberlegungen gewonnen, wobei einen Oberflächen- und Coulombterm das klassische Modell einer Flüssigkeit durch
optimale Anpassung an das empirische Materie bestimmt wurden. Eine weitgehende theoretische Begründung
der Terme und der Zahlenwerte der jeweiligen Konstanten würde eine Herleitung aus der quantenmechanischen
Vielteilchentheorie der Kernphysik erfordern. Wie wir jedoch öfters betont haben, ist dies ein Unternehmen,
das durchaus noch nicht abgeschlossen ist. Bevor wie uns jedoch damit befassen, wollen wir zunächst, die
Aussagen der Theorie in dem Stadium vor Augen führen, wie wir es jetzt erreicht haben. Wir fragen uns also,
was aus dem folgt, was wir jetzt hier schon erhalten haben.
Beim letzten mal hatten wir die Stabilität der Kerne für konstante Nukleonenzahl A = const. diskutiert und
hatten daraus Regeln für die Stabilität der Kerne mit gleichem A abgeleitet. Als Mattauchsche Regel hatten
wir dabei festgestellt, dass zu einem bestimmten ungeraden A immer ein stabiler Kern existiert. Der theoretisch
denkbare Fall von zwei stabilen Kernen kann eintreten, wenn die Energie der beiden Kerne sich höchstens um
die Ruheenergie eines Elektrons unterscheidet, da somit der Kern mit der höheren Energie in den Kern mit
der niedrigeren Energie durch β-Zerfall übergehen könnte. Dieser Fall zweier stabiler Kerne für ungerade A
ist aber bisher nie gefunden wurden. Offenbar sind die Unterschiede zwischen den Bindungsenergien zwischen
zwei Kernen mit demselben ungeraden A nie kleiner als die Ruheenergie der Elektronen, sondern ist von der
Größenordnung der Bindungsenergie pro Nukleon von 6 MeV bis 8 MeV.
25
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
Betrachtet man nun alle Kerne mit derselben, ungeraden Protonenzahl Z, so werden unter ihnen zunächst
mehrere mit ungeradem A vorkommen, aber höchstens zwei von ihnen werden der Talsohle der Energiefläche
nächst benachbart, also stabil sein (siehe Figur 177, Seite 653). Zu ungerader Protonenzahl Z gibt es also
höchstens zwei stabile Isotope, was als Astonsche Isotopenregel bekannt ist.
Da die Oberflächenenergie aber der Kernoberfläche proportional ist, wird dieser der Bindung entgegenwirkende
Effekt der Oberflächenenergie umso kleiner sein, je kleiner die Oberfläche ist. Die kleinste Oberfläche hat
bekanntlich die Kugel. Somit wirkt also die Oberflächenenergie dahin, dass der Kern die Kugelgestalt annimmt.
Dann ist die Bindungsenergie E = −B dem Vorzeichen der Oberflächenenergie entsprechend am negativsten.
In ganz anderem Sinne wirkt jedoch die Coulombenergie. Sie wirkt zwar auch der Bindung entgegen, da sich
die Protonen aufgrund ihrer Coulombkräfte gegenseitig abstoßen. Dieser Effekt wird jedoch umso geringer
sein, je größer die mittleren Abstände der Nukleonen sein werden. Da nun bei der Kugelform die mittleren
Abstände am kleinsten sind, ist die Kugelform bezüglich der Rolle der Coulombkräfte am ungünstigsten,
so dass die Wirkung der Coulombkräfte von der Kugelform begünstigt werden, da bei diesen die mittleren
Abstände der Nukleonen immer größer sind als bei der Kugelform. Mit steigender Protonenzahl (Z-Abhängigkeit des Coulombterms) wird nun die Wirkung der Coulombkräfte immer mehr zunehmen und schließlich die
Wirkung der Oberflächenkräfte soweit überwiegen, dass die Tendenz zu Abweichungen von der Kugelform wirksam wird. Dies sieht man schon daran, dass mit wachsendem Z, das heißt, wachsendem A der Coulombterm
5
2
mit A 3 ansteigt, also wesentlich stärker wächst als der Oberflächenterm, der nur mit A 3 zunimmt. Dies führt
schließlich dazu, dass oberhalb der Massenzahl A = 150 die Bethe-Weizsäcker-Formel das Ergebnis liefert,
dass die Existenz von zwei getrennten Kernen mit insgesamt A ≥ 150 Nukleonen energetisch günstiger ist, als
wenn diese Kerne zu einem gemeinsamen Kern vereint wären, also
B(A1 + A2 ) ≤ B(A1 ) + B(A2 ) für A1 + A2 ≥ 150
während
B(A1 + A2 ) ≥ B(A1 ) + B(A2 ) für A1 + A2 ≤ 150
Dies bedeutet allerdings nicht, dass es für A > 150 keine stabilen Kerne mehr gäbe. Tatsächlich zeigt ein Blick
auf die Nuklidkarte, dass der schwerste bekannte stabile Kern Wismut mit der Massenzahl A = 209, also 209
83 Bi
ist. Andererseits zeigt jedoch die Nuklidkarte, dass von A = 14 an die α-Strahler beginnen, das heißt, unterhalb
von A = 144 gibt es nur solche instabilen Kerne, die durch Aussendung von Elektronen oder Positronen
zerfallen. Mit A = 14 beginnen jedoch die Kerne, die durch Ausstrahlung von α-Teilchen, also von Heliumkernen
zerfallen und somit der obigen aus der Bethe-Weizsäcker-Formel errechneten Ungleichung entsprechen. Die
Kerne, deren Feld auf der Nuklidkarte in der oberen Hälfte schwarz ist, sind sehr langlebige Kerne, deren
Lebensdauern mindestens von der Größenordnung des Weltalters (≈ 109 Jahre) ist. Die Kerne kommen als
9
235
8
radioaktive Kerne in der Natur vor wie beispielsweise 238
92 U (4, 51 · 10 Jahre), 92 U (7, 1 · 10 Jahre) und
232
10
90 Th (1, 39 · 10 Jahre).
26
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
Es bleibt nun die Frage, wie es kommt, dass trotz der obenstehenden Ungleichung noch stabile Kerne oberhalb
von A = 155 anzutreffen sind. Dieser Umstand wird verständlich, wenn man den gegenseitigen Potentialverlauf
zweier Kerne mit den Nukleonenzahlen A1 und A2 betrachtet. Für diesen Potentialverlauf ergibt sich das
folgende Bild:
Außen ist das langreichweitige abstoßende Coulombpotential wirksam. Innen überwiegt jedoch die sehr viel
stärkere, kurzreichweitige anziehende Kernkraft. Wir haben also innen ein Potentialloch, das nach Außen
von einem Potentialwall umgeben ist. Dieser Potentialwall kann den Zerfall eines Kerns in zwei Bruchstücke
auch dann verhindern oder wenigstens verzögern, wenn die getrennten Bruchstücke geringere Energie haben,
also die zu einem gemeinsamen Kern im Potentialloch verschmolzenen Bruchstücke. Nach der klassischen
Physik würde jedoch der Wall der Zerfallen des in dem Loch befindlichen Kerns in die beiden Bruchstücke
überhaupt völlig verhindern. Die Quantenmechanik erlaubt jedoch die Durchdringung des Walls, wobei die
Durchdringungsfähigkeit von der Breite des Walls abhängt.
Die quantenmechanische Theorie hierzu wurde von Gamov durchgeführt. Zur Durchführung dieser Theorie
muss man von der Schrödinger-Gleichung für zwei Teilchen ausgehen, nämlich für die beiden Kerne mit
den Nukleonenzahlen A1 und A2 und den Massen M1 und M2 . Die Theorie geht davon aus, dass für den
Radialanteil der Wellenfunktion näherungsweise der Ansatz


Zr
i
ψ(r) = exp  · pr dr
~
0
gemacht werden kann.
Zusammenfassung:
In der letzten Vorlesung hatten wir damit begonnen zu versuchen, den Zerfall eines Kerns in zwei Bruchstücke
quantenmechanisch zu beschreiben. Wir waren davon ausgegangen, dass wir es mit einem Fall zu tun haben, in
dem es energetisch günstiger ist, wenn zwei Kerne mit den Nukleonenzahlen A1 und A2 voneinander getrennt
sind, als wenn sie zu einem Kern mit der Nukleonenzahl A = A1 + A2 vereinigt sind, also B(A1 + A2 ) <
B(A1 ) + B(A2 ).
Wir hatten uns nun klar gemacht, dass eine solche, die Trennung begünstigende Energiebilanz noch keineswegs
den Zerfall des Kerns mit A = A1 + A2 bedeuten muss, da man sich nun noch überlegen kann, dass der gegenseitige Potentialverlauf der beiden Teilkerne mit A1 und A2 die Form eines Potentialwalls haben muss, durch
den die beiden Teilkerne auch bei einer die Trennung begünstigenden Energiebilanz noch bis zu einem gewissen
Grade zusammengehalten werden. Diese Form des gegenseitigen Potentials der beiden Teilkerne mit A1 und A2
folgt aus der Überlegung, dass für großen gegenseitigen Abstand allein das langreichweitige abstoßende Coulombpotential wirken muss, während die anziehende Wirkung der Kernkräfte wegen deren Kurzreichweitigkeit
erst bei sehr kleinen Abständen nach einem sehr starken Ansteigen des abstoßenden Coulombpotentials zur
Geltung kommen kann, um dann ein Loch oder einen Krater hinter dem abstoßenden Coulombwall zu bilden.
Wir bekommen also den Verlauf des gegenseitigen Potentials, wenn r = |~r1 − ~r2 | der gegenseitige Abstand der
beiden Teilkerne ist:
27
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
Würde die klassische Physik gelten, so würde der Kern also auch noch in einem Bereich zusammengehalten
werden, so dass eine die Trennung begünstigende Bilanz der Bindungsenergien vorhanden ist. Dieser Bereich
ist gegeben durch
B(A1 ) + B(A2 ) − B(A1 + A2 ) < h > 0
wenn h die Höhe des Potentialwalls ist.
Bei Gültigkeit der Quantenmechanik ist jedoch ein Durchdringen von Potentialwällen möglich, wie wir schon
an dem im Proseminar vorgetragenen Beispiel gesehen haben. Wir wollen uns daher jetzt der quantenmechanischen Behandlung dieses Problems zuwenden, indem wir uns fragen, wie sich die beiden Teilkerne mit den
Nukleonenzahlen A1 und A2 in dem vorstehend skizzierten Potential bewegen. Zu diesem Zweck stellen wir die
Schrödinger-Gleichung für die gegenseitige Bewegung der beiden Teilkerne auf. Sie lautet, wenn wir mit M1
und M2 die Massen und mit ~r1 ≡ (x1 , y1 , z1 ) und ~r2 ≡ (x2 , y2 , z2 ) die Ortskoordinaten der beiden Teilkerne
bezeichnen:
−
~2
~2
41 Ψ(~r1 , ~r2 ) −
42 Ψ(~r1 , ~r2 ) + V (~r1 − ~r2 )Ψ(~r1 , ~r2 ) = EΨ(~r1 , ~r2 )
2M1
2M1
V (~r1 − ~r2 = V (|~r1 − ~r2 |) ist ein Potential der vorstehend skizzierten Art. Die 4-Operatoren besitzen folgende
Gestalt:
41 =
∂2
∂2
∂2
∂2
∂2
∂2
+
+
,
4
=
+
+
2
∂x21
∂y12
∂z12
∂x22
∂y22
∂z22
An Stelle der Ortskoordinaten ~r1 und ~r2 der beiden Teilchen führen wir nun neue Koordinaten ein nämlich die
Schwerpunktskoordinate:
~ = M1 · ~r1 + M2 · ~r2 ≡ (X, Y, Z)
R
M1 + M2
und die Relativkoordinate:
~r = ~r1 − ~r2 ≡ (x, y, z)
Dann ergibt sich:
M1
∂Ψ
∂Ψ
∂Ψ
M2
∂Ψ
∂Ψ
∂Ψ
=
·
+
und
=
−
∂x1
M1 + M2 ∂X
∂x
∂x2
M1 + M2 ∂X
∂x
∂Ψ
M1
∂Ψ ∂Ψ
∂Ψ
M2
∂Ψ ∂Ψ
=
·
+
und
=
−
∂y1
M1 + M2 ∂Y
∂y
∂y2
M1 + M2 ∂Y
∂y
In derselben Weise kann man
´
´
´
³
³
³
∂Ψ
∂Ψ
∂Ψ
∂ ∂x
∂
∂
∂x1
∂x1
M1
1
=
+
∂x1
M1 + M2 ∂X
∂x
ausrechnen und erhält, wenn man die vorstehenden Ausdrücke für
µ
41 Ψ =
M1
M1 + M2
¶2
4R Ψ + 4r Ψ +
∂Ψ
∂Ψ
∂Ψ
∂x1 , ∂x2 , ∂y1
und
∂Ψ
∂y2
einsetzt:
2M1
~R·∇
~ r )Ψ
(∇
M1 + M2
28
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
µ
42 Ψ =
M2
M1 + M2
¶2
4R Ψ + 4r Ψ −
2M2
~R·∇
~ r )Ψ
(∇
M1 + M2
mit
4R =
∂2
∂2
∂2
∂2
∂2
∂2
+
+
,
4
=
+
+
r
∂X 2
∂Y 2
∂Z 2
∂x2
∂y 2
∂z 2
Man beachte den Vorzeichenunterschied in den Ausdrücke für 41 und 42 , der durch ~r1 − ~r2 zustande kommt.
Durch diesen Vorzeichenunterschied wird bei Addition von 41 und 42 der letzte Term kompensiert und man
erhält für die Zwei-Teilchen-Schrödinger-Gleichung, wenn man die Substitutionen M = M1 + M2 und die
reduzierte Masse
µ=
M1 · M2
M1 + M2
einführt:
−
~2
~2
~ ~r) + V (~r)Ψ(R,
~ ~r) = EΨ(R,
~ ~r)
4R Ψ(~r, ~r) −
4r Ψ(R,
2M
2µ
In dieser Form der 2-Teilchen-Schrödinger-Gleichung bedeutet der erste Term die kinetische Energie der
Schwerpunktsbewegung mit der Masse M = M1 + M2 und der zweite Term die kinetische Energie der Relativbewegung mit der reduzierten Masse
µ=
M1 · M2
M1 + M2
Ein Operator der nur auf die Schwerpunktskoordinaten wirkt, ist nur in dem ersten Term enthalten. Ein
Operator, der nur auf die Relativkoordinaten wirkt, findet man nur in den beiden weiteren Termen. Es gibt
keinen Term und keinen Operator, der auf beide Koordinaten wirkt. Daher kann die Schwerpunkts- und die
Relativbewegung voneinander separieren durch den Produktansatz
~ ~r) = F (R)
~ · ψ(~r)
Ψ(R,
~ die allein von der Schwerpunktskoordinaten R
~ abhängt und einer
der ein Produkt ist von einer Funktion F (R),
Funktion ψ(~r), die nur von der Relativkoordinaten ~r abhängt. Setzen wir diesen Ansatz in die vorstehende
~ ~r) = F (R)
~ · ψ(~r), so erhalten wir:
Schrödinger-Gleichung ein und dividieren durch Ψ(R,
µ 2
¶
µ 2
¶
1
~
1
~
~
− 4r ψ(~r) + V (~r) − E =
4R F (R)
~
Ψ(~r)
2µ
2M
F (R)
~ ab. Gleichheit beider Seiten für alle Werte von
Die linke Seite hängt nur von ~r und die rechte Seite nur von R
~
~r und R ist nur erreichbar, wenn jede Seite für sich derselben Konstanten ist, etwa −C. Folglich gilt:
−
~2
~ = C · F (R)
~
4R F (R)
2M
˙
~ = exp(i~k~R).
Dies ist aber gerade die Schrödinger-Gleichung der kräftefreien Bewegung mit der Lösung F (R)
~2 ·~
k2
und C = 2M . Der Schwerpunkt bewegt sich also kräftefrei und die kräftefreie Schwerpunktsbewegung kann
absepariert werden. Nach Abseparation der kräftefreien Schwerpunktsbewegung erhalten wir für die Relativbewegung die Schrödinger-Gleichung
−
~2~k 2
~2
4ψ(~r) + V (~r)ψ(~r) = Eψ(~r) mit E = E −
2µ
2M
wobei V (~r) = V (|~r|) ein Potential von der vorher betrachteten Art sein soll:
29
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
Für ein Energieniveau, wie es dort eingezeichnet ist, nämlich mit 0 < E < h, kann nun die Wellenfunktion nicht
nur auf den Innenraum beschränkt sein, sondern sie wird durch den Potentialwall hindurch in den Außenraum
hinausschwingen und in entsprechendem Abstand vom Austrittspunkt R00 aus dem Potentialwall, wo man das
Coulombpotential vernachlässigen kann, die Form einer auslaufenden Kugelwelle haben:
ψ(r) = A ·
exp(ikr)
für r À R00
r
Daraus folgt aber für den Volumenbereich V des Ausgangskerns, in dem die beiden Teilkerne vor dem Zerfall
vereinigt sind, dass
Z
d
ψ ? (r, t)ψ(r, t) dr 6= 0
dt
V
Die Kontinuitätsgleichung verlangt ja, dass
Z
Z
Z
d
ψ ? (r, t)ψ(r, t) dr = − Jr df = − Jr · r2 dΩ
dt
V
mit der radialen Stromdichte
µ
¶
∂ψ ?
∂ψ ?
i~
ψ
−
ψ
Jr =
2µ
∂r
∂r
Die Zeitabhängigkeit von ψ(r, t) kann also nicht von der Form
µ
¶
i
ψ(r, t) = ψ(r) exp − Et
~
sein, solange E reell ist. Eine Zeitabhängigkeit dieser Form ist mit den vorstehenden Feststellungen jedoch
dann verträglich, wenn E komplex gewählt wird, also E = E0 − i~λ
2 . Dann bekommen wir für die im Volumen
V des Ausgangskerns befindliche Teilchenzahl
Z
N (t) = ψ ? (r, t)ψ(r, t) dt
V
die Zeitabhängigkeit
N (t) = exp(−λt) · N (0)
Wir erhalten also genau das radioaktive Zerfallsgesetz mit der Zerfallskonstanten λ. Für die zeitunabhängige
Schrödinger-Funktion ψ(r) ist dann die Schrödinger-Gleichung mit dem komplexen Eigenwert“ E zu
”
lösen. Zu diesem Zweck machen wir den Separationsansatz
ψ(r) =
ϕ(r)
· Ylm (ϑ, ϕ)
r
mit den Kugelfunktionen Ylm (ϑ, ϕ). Dabei trennen wir in Radial- und Winkelanteil, so dass für die Schrödinger-Gleichung übrigbleibt:
·
¸
~2 ∂ 2 ϕ(r)
l(l + 1)
−
= E − V (r) −
ϕ(r)
2µ ∂r2
r2
Für die meisten Fälle genügt es, sich auf l = 0 zu beschränken. Wir erhalten dann:
−
~2 ∂ 2 ϕ(r)
= (E − V (r))ϕ(r)
2µ ∂r2
und machen für ϕ(r) die WKB-Näherung (nach Wenzel, Kramers und Brillouin) mit dem Ansatz:
U Bereich ¬: 0 < r < R0
 r



r
Z
Zr
B
A
2M
0
0
0
0
exp i k(r ) dr  + p
exp −i k(r ) dr  mit k(r) =
(E − V (r))
ϕI = p
~2
k(r)
k(r)
0
0
30
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
U Bereich ­: R0 < r < R00
 r

 r

r
Z
Z
C
D
2µ
0
0
0
0


(V (r) − E)
ϕII = p
exp − κ(r ) dr + p
exp
κ(r ) dr
mit κ(r) =
~2
κ(r)
κ(r)
0
0
R
R
U Bereich ®: R00 < r
 r



r
Z
Zr
F
G
2µ
0
0
0
0


ϕIII = p
exp i k(r ) dr + p
exp −i k(r ) dr
mit k(r) =
(E − V (r))
~2
k(r)
k(r)
00
00
R
R
Wir benutzen jetzt unser Unwissen über den Verlauf von V (r) im Innern, um dort vereinfachende Annahmen
zu machen und zwar nehmen wir an, V (r) habe im Innern einen konstanten negativen Wert, also
V (r) = −V0 = const. für 0 < r < R0
Dann wird in uI :
 r



r
Z
Zr
2µ




exp i k(r) dr = exp(iKr) und exp −i k(r) dr = exp(−iKr) mit K =
(E + V0 )
~2
0
0
Wenn die Dichte |ψ(r)|2 im Nullpunkt r = 0 endlich bleiben soll, muss %(r) für r = 0 verschwinden, was nur
erfüllt werden kann, wenn B = −A ist. Dann bekommen wir also:
2iA
ϕI (r) = √ · sin(Kr)
K
Ein unendlich hoher Potentialwall würde die Funktion ϕII zu null herunter drücken. Aber auch unser endlicher
Potentialwall mach ϕII so klein, dass dessen Beitrag zum Integral über das Kernvolumen vor dem Zerfall
Z
N (0) = |ψ(r)|2 dr
V
gegen den Beitrag von ϕI vernachlässigt werden kann. Also nimmt man an:
Z
N (0) ≈ |ψI (r)|2 dr
V
Deshalb kann man auch ausrechnen, dass ϕI (R0 ) ≈ 0 ist, also KR0 = π und somit:
Z
N (0) =
4π · |A|2
|ψI (r)|2 dr =
·4·
K
V
ZR
0
2
sin (Kr) dr
0
Kr=r 0
=
16π · |A|2 1
·
K
K
Zπ
sin2 (r0 ) dr0 =
0
0
16π · |A|2 π
2 R
·
=
8π·|A|
·
K2
2
K
Andererseits ist der auslaufende Strom durch ϕIII gegeben, wenn dort G = 0 gesetzt wird. Also ist:
µ
¶
?
i~
∂ψIII
~ |F |2
~ |F |2
? ∂ψIII
Jr =
· ψIII
− ψIII
· exp(−λ · t) =
= · 2 · exp(−λ · t)
2µ
∂r
∂r
µ r
µ r
Setzen wir dies in obige Kontinuitätsgleichung ein, die wir auch als
Z
Z
Ṅ = − J~ df~ oder − λ · N (t) = − Jr · r2 dΩ
schreiben können, so erhalten wir
λ · 8π|A|2 ·
R0
~
= 4π · |F |2 ·
K
µ
und somit
λ=
~K
~ · K |F |2
·
=
0
2
2µ · R |A|
2µR0
31
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
vi
Berücksichtigt man, dass ~K
µ = vi die Geschwindigkeit im Innern des Kerns ist, so gilt λ = 2R0 · T , also die
Zerfallsgeschwindigkeit pro Sekunde. λ ist gleich der Zahl der Stöße gegen den Wall pro Sekunde mal dem
Transmissionskoeffizienten T . Dieser lässt sich aus den Beziehungen berechnen, die für die Koeffizienten F , C
und A aus den Bedingungen folgende, welche die Verbindung der Funktionen ϕI , ϕII und ϕIII über die Stellen
R0 und R00 hinweg gewährleisten. Wir können die Stelle R0 so konzipieren, dass unmittelbar links von R0 bis
an R0 heran V (r) = −V0 gilt, während rechts bis an R0 heran ein erheblich über E liegenden positiver Wert
V (r) = h0 des Potentials vorhanden ist, der etwa gleich h ist, also h0 ' h. Dann gilt also rechts bis an die Stelle
R0 heran immer noch die WKB-Näherung und wir müssen nur verlangen, dass die Funktionen ϕI und ϕII an
der Unstetigkeitsstelle R0 des Potentials V (r) stetig aneinander anschließen. Die Bedingung ϕI (R0 ) = ϕII (R0 )
ergibt dann
A
C +D
2i · √ · sin(KR0 ) = p
K
κ(R0 )
und ϕ0I (R0 ) = ϕ0II (R0 ) liefert
p
√
2i · A K · cos(KR0 ) = (−C + D) · κ(R0 )
Wir dividieren diese beiden Gleichungen durcheinander und erhalten:
K · cot(KR0 ) = −κ(R0 ) ·
1−
C −D
= −κ(R0 ) ·
C +D
1+
i
2
i
2
· exp(−2σ)
1 − i exp(−2σ) − 41 exp(−2σ)
= −κ(R0 ) ·
1 + 14 exp(−2σ)
· exp(−2σ)
Für reelles E ist diese Gleichung exakt nicht zu erfüllen, sondern nur für komplexes E:
r
r
λ~
2µ
2µ
0
E = E0 − i
in K =
(E + V0 ) und κ(R ) =
(V (R0 ) − E)
2
~
~
Um den Zusammenhang über den Punkt R00 hinweg sicherzustellen, müssen wir ϕII so umformen, dass die
unbestimmten Integrale vom Punkt R00 ausgehen. mit der Abkürzung
ZR
σ=
00
κ(r) dr
R0
ergibt dies:


 r

Zr
Z
C exp(−σ)
D
exp(σ)
ϕII = p
exp − κ(r) dr + p
exp  κ(r) dr
κ(r)
κ(r)
00
00
R
R
In der Umgebung von R00 verliert die WKB-Näherung ihre Gültigkeit. Wie man hier eine andere Näherung
einsetzen kann, hatten wir im Proseminar gesehen. Das Ergebnis ist, dass die Koeffizienten der WKB-Näherung
über so einen Umkehrpunkt wie R00 hinweg einen Phasensprung um ± π4 machen. So ergibt sich:
³ π´
³ π´
1
F und D exp(σ) = exp i
F
C exp(−σ) = exp i
4
2
4
oder
³ π´
³ π´
1
C = exp −i
· exp(σ)F und D = exp i
· exp(−σ)F
4
2
4
Daraus folgt:
|D|2
1
= · exp(−4σ)
|C|2
4
Da σ mindestens von der Größenordnung 10 ist, folgt |D|2 ¿ |C|2 , so dass wir D gegen C in der Bedingung ϕ0I (R0 ) = ϕ0II (R0 ) vernachlässigen können. Außerdem können wir dort KR0 = π annehmen und somit
cos(KR0 ) ≈ 1, so dass:
√
√
µ
¶
³ π´
K
3π
K
und F = exp i
· exp(−σ)C = −2 exp i
·p
· exp(−σ)A
C = −2iA · p
4
4
κ(R0 )
κ(R0 )
32
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
Somit wird der Transmissionskoeffizient
T =
|F |2
K
=4·
· exp(−2σ0 )
|A|2
κ(R0 )
wobei der Imaginärteil von σ in exp(−σ) = exp(−σ0 + iσ1 ) bei der Bildung des Betragsquadrats herausfällt.
Für die Zerfallswahrscheinlichkeit pro Sekunde folgt:


00
ZR r
~K
K
~K
K
2µ
λ=2·
·
· exp(−2σ0 ) = 2 0 ·
· exp −2
(V (r) − E0 ) dr
µR0 κ(R0 )
µR κ(R0 )
~2
R0
Den Faktor

00
ZR r
G = exp −2
R0



00
ZR p
2
2µ
(V (r) − E0 ) dr = exp −
2µ(V (r) − E0 ) dr
~2
~
R0
nennt man den Gamov-Faktor. Zu seiner Auswertung müssen wir das Potential V (r) genauer festlegen. Wir
treffen die naheliegende Wahl:

Z · Z · e2

 1 2
für r > R0
r
V (r) =


−V0
für r < R0
Dann wird mit E0 =
00
ZR s
Z1 ·Z2 ·e2
,
R00
was aus der Definition von R00 folgt:
00
¶
ZR r
Z1 · Z2 e2
2p
1
1
2µ
− E0 dr =
2µ · Z1 · Z2 · e2 · R00 ·
− 002 dr =
00
r
~
r·R
R
R0
R0
"
Ãr
! s
#
µ
¶
2p
R0
R0
R0
2
00
=
2µZ1 · Z2 e · R · arccos
−
· 1 − 00
=
~
R00
R00
R
"
Ãr
! s
µ
¶#
R0
R0
R0
4e2 Z1 · Z2
−
· arccos
· 1 − 00
=
~v
R00
R00
R
2
− ln G =
~
µ
2
2e
Aus R00 = Z1 ·Z
kann man leicht sehen, dass R00 normalerweise ein mehrfaches von R0 beträgt, also R00 À R0
E0
ist. Man kann also annähern:
Ãr
!
r
π
R0
R0
arccos
≈ −
00
R
2
R00
und somit:
4e2 Z1 · Z2
− ln(G) =
·
~v
Ã
r
π
−2
2
R0
R00
!
√
√
4 2·e· µ p
2πe2 Z1 · Z2
=
−
· Z1 · Z2 · R0
~v
~
Für die Zerfallswahrscheinlichkeit bekommen wir dann:
√
2π · e2 · Z1 · Z2 · µ
√
~ 2E0
√
√
4 2·e µ p
~K
K
2πe2 Z1 · Z2
K
~K
ln(λ) = ln(G) + ln(2) ·
·
=−
−
· Z1 · Z2 R0 + ln(2) ·
·
µR0 κ(R0 )
~v
~
µR0 κ(R0 )
Dies entspricht dem Geiger-Nutallschen Gesetz:
ln(λ) = −
C
C 00
+ D = −√ + D
v
E0
√
R0 liegt etwa zwischen 5 · 10−12 cm und 9 · 10−12 cm und entspricht etwa R = R0 3 A. Dies entspricht sehr
2
e
e2
1
engen Grenzen für die Radien. hv
lässt sich besonders leicht abschätzen, da man weiß, dass ~r
≈ 137
33
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
(Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante). In den meisten Darstellungen wird jedoch die Halbwertszeit des
betreffenden radioaktiven Zerfalls in Abhängigkeit von der Energie aufgetragen. Die Halbwertszeit τ1/2 ist
diejenige Zeit, für die exp(−λτ1/2 ) = 12 ist, also
τ1/2 =
ln(2)
ln(2)
0, 697
=
≈
λ
3, 15 · 107 s · λ
3, 15 · 107 s · λ
q
Die Energie können wir anstelle von v einführen durch v =
2E0
µ .
Betrachten wir einen α-Zerfall mit Z1 = 2.
So erhalten wir aus dem obenstehenden Ausdruck für ln(λ) mit den vorstehenden Substitutionen:
− 12
log10 (τ1/2 ) = 1, 171 · Z2 · E0
1
1
− 1, 29 · Z22 Ṙ0 2 − 29
Dieses Gesetz ist nachstehend mit der für die Energie im logarithmischen genommenen Abszisse für Uran
(Z2 = 92) und Thorium (Z2 = 90) und deren Isotopen aufgetragen (siehe Pook, Seite 359)
es ergeben sich zwei parallele Geraden, die sehr deutlich zeigen, dass die zweite Variation von Lebensdauern
zwischen 10−7 s und 1010 Jahren durch die Energieabhängigkeit zustande kommt, während der Radius R0 nur
1
zwischen den engen Grenzen von 5 · 10−12 cm bis 9 · 10−12 cm variiert, was dem Radiengesetz R = R0 · A 3
entspricht und somit in die bei diesem einfachen logarithmischen Maßstab erhaltene Gerade hineinpasst.
Schließlich zeigt das obige Gesetz, dass Kerne, deren Zerfallsenergie unterhalb einer gewissen Grenze liegt,
wegen der exponentiellen Abhängigkeit der Lebensdauern von der Zerfallsenergie so lange Lebensdauern haben,
dass ihr Zerfall nicht mehr wahrscheinlich ist. Damit ist das obige Gesetz relativ gut bestätigt. Die folgende
Tabelle gibt für eine Reihe von Ordnungszahlen den Wert der Zerfallsenergie an, die nicht überschritten werden
darf, wenn die Lebensdauer des Elements größer als 1010 Jahre bleiben soll (nach Weizsäcker, Seite 102):
Z E [106 V]
92
3,9
65
2,7
45
1,5
0,55
25
10
0,10
Dies zeigt die stabilisierende Wirkung des Potentialwalls (log(τ1/2 ) ∼ Z1 ) mit wachsender Ordnungszahl trotz
der destabilisierenden Wirkung des zunehmenden Anteil der Coulombabstoßung. Wir wollen nun noch die
Rückführung dieses zeitabhängigen Problems auf das zeitunabhängige Eigenwertproblem Hψ = Eψ andeuten.
Wir wir gesehen haben, ist die Wellenfunktion nicht räumlich beschränkt, sondern der Zerfallsprozess bedeutet
ja, dass die Wellenfunktion sich schließlich bis ins Unendliche erstreckt. Deshalb haben wir keine diskreten
Zustände mit diskretem Spektrum, sondern ein Kontinuum von Zuständen mit kontinuierlichem Eigenwertspektrum so wie beim kräftefreien Eigenwertproblem
−
4
p2
ψ=
ψ
2µ
2µ
mit der ebenen Welle
¶
µ
i
− 32
ψ(~r) = (2π) · exp
p~ · ~r
~
als Lösung. Bei Anwesenheit eines Potentials B(r) gemäß
¶
µ
4
+ V (r) ψ(r) = Eψ(r)
−
2µ
kommt bei der asymptotischen Darstellung im Außenraum rk À 1 bzw r > R00 zur der ebenen Welle noch die
hinzu, so dass wir
durch die Streuung von dem Potential entstehende auslaufende Kugelwelle f (ϑ, k) · exp(ikr)
r
im Ganzen
¶
µ
3
exp(ikr)
ψ(r) = (2π)− 2 · exp(i~k · ~r) + f (ϑ, k) ·
r
wobei f (ϑ, k) die Streuamplitude bedeutet. Man kann nun aus ψ(r) ein zeitabhängiges Wellenpaket bilden
gemäß
E=
p~2
~2~k 2
=
2m
2µ
34
2.3. EMPIRISCHE MASSENFORMEL
Z
3
Ψ(r, k, t) = (2π)− 2 ·
·
¶
¸
µ
exp(ik 0 r)
i
E(k − k 0 ) · exp(i~k 0 · ~r) + f (ϑ, k 0 ) ·
· exp − E 0 t dk 0
r
~
Man kann nun zeigen, dass sich ein zeitabhängiges Verhalten wie beim radioaktiven Zerfall ergibt, wenn f (ϑ, k)
ein Resonanzverhalten zeigt gemäß
λ
λ
1
¢ = 0·
f (ϑ, k 0 ) = ¡
~λ
0
0
0
2k E − E0 + i ~λ
2(E − E0 ) + i 2 k
2
Man sieht dies, wenn man den Streuanteil, des vorstehenden Ausdrucks
µ
¶
Z
3
exp(ik 0 r)
i
Ψstr (r, k, t) = (2π)− 2 · E(k − k 0 ) · f (ϑ, k 0 ) ·
· exp − E 0 t dR0
r
~
berechnet. Durch Umformung erhält man zunächst
¡ £
¤¢
µ ·
¸¶
Z
E0
E(k − k 0 )
t
dk 0
− 32 λ exp i kr − ~ · t
0
0
Ψstr (r, k, t) = (2π) · ·
·I mit I =
exp
i
(k
−
k)
·
r
−
(E
−
E
)
·
0
λ
0
2
r
~
k0
E − E0 + i 2
weiter Polarkoordinaten für k:
dk 0 = k 02 dk 0 dΩ =
m · k0
1 0
dE 0 dΩ und k 0 = k +
(E − E0 )
2
~
~v
Wenn die Energiebreite ∆E des Wellenpakets groß gegen I ist, also Er À ∆E À ~λ ist, dann liefert |E −E0 | ≤ ~λ
den Hauptbeitrag und somit in C:
Man kann dann schreiben:
³
m
r´
I = 2 cot C0 · F t −
~
v
mit
£
¡
¢¤
¡
¢¤
£
Z∞
Z∞
³
exp −i(E 0 − E0 ) · ~1 · t − vr
exp −i(E 0 − E0 ) · ~1 · t − vr
r´
0
dE
=
d(E 0 − E0 )
F t−
=
v
E 0 − E0 + i~ λ2
E 0 − E0 + i~ λ2
0
−E0
Wenn E0 À λ2 , dann kann die untere Integrationsgrenze −E0 durch −∞ ersetzt werden und der Kreis kann
nach unten geschlossen werden.
Also ergibt sich mit dem Residuensatz, wobei der Beitrag des Integrals entlang des Halbkreises für E 0 7→ ∞
verschwindet:

r
r

0
für t − < 0 bzw. t <


v
v

´
³
r
=
F t−
¶
µ

v
r´
r
~
r
λ ³


für t − > 0 À
;t>
 2πi · exp − · t −
2
v
v
∆E
v
Die Welle setzt für t = vr mit ihrem Maximum ein und nimmt dann exponentiell ab. Auch für unendliche
Zeiten ist sie immer mit ihrem Maximalbetrag vorhanden nämlich von der Stelle r = v · t. Die exponentielle
Zunahme mit r folgt auch aus der Funktion ψIII der WKB-Methode nämlich für große r mit
s
¶
µ
λ~
e
k = 2µ · E0 − i
2
35
KAPITEL 2. EINFÜHRUNG
µ
¶
exp(ie
kr)
exp(ik0 r)
~λ
ψIII = F ·
=F ·
· exp
·r
r
r
2v
µ
µ
¶ ¶
µ
¶
µ
¶
i
~λ
exp(ikr)
i
λ ³
r´
ψIII · exp − · E0 − i
·t −F ·
· exp − E0 · t · exp − · t −
~
2
r
~
2
v
folgt aus dem Gesamtausdruck für Ψstr (r, k, t) mit den Ausdrücken für I und F zu:


0



Ψstr (r, k, t) = ψIII (r, k, t) ≡
¡ £
¤¢
µ
¶

exp i kr − E~0 · t
1
iλ m
λ h
ri


 −(2π) 2 ·
·
· C0 ·
· exp − · t −
2 ~2
r
2
v
für t <
r
v
36
Kapitel 3
Kernspaltung
Wir kommen wieder auf die Bethe-Weizsäcker-Massenformel zurück:
(N − Z)2
3 e2 Z 2
·
− δ mit A = N + Z
1 + b ·
5 r0 A 3
A
2
E(N, Z) = −aV A + aO A 3 +
N ist die Neutronenzahl und Z die Protonenzahl. Die Konstanten sind gegeben durch:
U aV = 15, 75 MeV als Koeffizient des Volumenterms
U aO = 17, 8 MeV als Koeffizient des Oberflächenterms
U b = 23, 7 MeV als Koeffizient des Symmetrieterms
Für δ ergibt sich:

3
für (gg)-Kerne
 34A− 4
0
für (u,g)-Kerne
δ=

3
−34A− 4 für (uu)-Kerne
Bilden wir die Differenz der Energie zweier Bruchstücke, in die der Kern zerfallen ist, und der Energie des
Kerns selbst:
∆E = E(A1 ) + E(A2 ) − E(A1 + A2 ) =

µ ¶ 23 µ ¶ 23
2
A2
A1

3
+
−1+
= aO · A ·
A
A
3
5
·
e2
r0
·
¡
Z2
1
A3
2
3
aO · A
· ¡
¢
Z1 2
Z
A1
A
¡ Z2 ¢2

Z

¢ 13 + ¡ A2 ¢ 13 − 1
A
Wir definieren dazu:
y1 =
A1
Z1
A2
Z2
E(A1 ) + E(A2 ) − E(A1 + A2 )
=ξ
=
und y2 =
=
sowie
2
A
Z
A
Z
aO A 3
Damit können wir schreiben:
2
3
³
2
3
5
3
5
3
∆E = y1 + y2 − 1 + 2x · y + y2 − 1
´
1
mit x = ·
2
3
5
·
e2
r0
·
Z2
1
A3
aO · A
2
3
Ab x = 0, 384 treten Minima auf, wobei ab x = 0, 7 das Minimum bei ξ = 0 liegt. Für x > 0, 7 gewinnt man
bei einem solchen Vorgang Energie.
3.1
Verformung des Atomkerns bei der Spaltung
Es ist R ≡ R(ϑ).
Ã
R(ϑ) = R0
1+
X
!
αn Pn (ϑ)
1
mit R0 = r0 · A 3
n
37
KAPITEL 3. KERNSPALTUNG
R(ϑ) = R0 · (1 + α0 + α2 · P2 (cos ϑ)), P2 (cos ϑ) =
α0 = −
¢
1 ¡
· 3 cos2 ϑ − 1
2
α22
5
£
¤
2
f
∆E = aO A 3 · 0, 4(1 − x) · α22 − 0, 0381 · (1 + 2x) · α23 = W
38
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