Jungkühe verhalten sich anders als ältere Kühe

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A USBILDUNG UND B ERATUNG
9. OKTOBER 2010
LANDPOST
Erfolgreich füttern: Die Durchschnittskuh gibt es nicht
Jungkühe verhalten sich anders als ältere Kühe
Übersicht 1: Futteraufnahme
24
22
kg TM/Tier und Tag
Eine 100-köpfige Milchkuhherde besteht nicht aus 100 „Durchschnittskühen“, sondern aus 100 mitunter
sehr ungleichen Individuen mit ganz
verschiedenem Charakter, unter anderem auch sehr unterschiedlichem
Temperament. Die meisten Untersucher sind sich einig, dass Temperament, emotionale Reaktion und
Angst zu den wichtigsten Faktoren
gehören, welche die soziale Position
des Tieres in der Herde (Gruppe) bestimmen. Und da Sozialbeziehungen
auchbeiRinderneinerseitssehrwichtig und andererseits viel komplexer
sind, als wir oft annehmen, ist es immer auch ratsam, sich intensiver mit
den verschiedenen Verhaltensmustern der Tiere zu befassen; letztlich
um zu begreifen, warum unsereTiere
so „drauf“ sind, wie sie es sind, und
was im Einzelnen dazu führte, wenn
sie mal nicht so gut „drauf“ sind.
20
18
Jungkühe
16
Zweitkalbskühe
Kühe > 2 Lakt.
14
12
bis 21. LT
22. - 50. LT
51. - 100. LT
101. - 200. LT
> 200 LT
Laktationsstadium (Tage)
Einige Informationen hierzu, also
zum Verhalten der Milchkühe, können
auch die im Rahmen der Fütterungsversuche erhobenen Daten liefern.
Seitdem im Januar 2004 in der Landwirtschaftskammer am Standort Futterkamp der erste Milchkuhfütterungsversuch startete, sind bis zum
heutigen Tag 15 weitere hinzugekommen. So liegen zahlreiche Daten und
Informationen beispielsweise zum
Fress- und Wiederkauverhalten der
Tiere vor, die über mehrere Versuchsdurchgänge (33.694 Einzeltierdatensätze) hinweg ausgewertet wurden.
weise 4 kg TM niedrigere Futteraufnahme auf als Zweitkalbskühe
beziehungsweise als die älteren Kühe mit mehr als zwei Laktationen
(Übersicht 1).
Das
Futteraufnahmevermögen
der Färsen beträgt demnach im
Durchschnitt nur 85 beziehungsweise 81 % im Vergleich zu den Kühen
in der zweiten Laktation beziehungsweise zu den älteren Stallgefährtinnen.
Darüber hinaus zeigt sich, dass
die Steigerung der Futteraufnahme
von Färsen innerhalb der Laktation
länger andauert (und steiler ist) als
bei Mehrkalbskühen und sie ihr maximales Futteraufnahmevermögen
erst zwischen dem 100. und 200.
Laktationstag erreichen. Während
die Futteraufnahmedifferenz zu den
Mehrkalbskühen am Laktationsbeginn noch 4 kg betrug, reduziert
sich diese im dritten Laktationsdrittel auf nur noch 2 kg zu den Zweitkalbskühen und 3,4 kg zu den älteren Kühen mit mehr als zwei Laktationen.
Jungkühe besuchen den
Futtertisch häufiger
Jungkühe nehmen nicht nur weniger Futter auf, sondern sie fressen
auch anders, indem sie zum Beispiel
den Futtertisch häufiger aufsuchen
als die älteren Kühe (Übersicht 2).
Durchschnittlich wurden Färsen
täglich 62 Mal bei der Futteraufnahme am Futtertisch registriert,
Jungkühe
zehnmal mehr als Zweitkalbskühe
fressen weniger
und 13 Mal mehr als die älteren Kühe. Wenn dieses als Ausdruck für eiJungkühe weisen im Durchschnitt Junge Kühe müssen viel und gut laufen können und brauchen mehr Zeit für ihre ne gewisse Bewegungsaktivität angesehen werden kann, dann scheint
der Laktation eine um 3 beziehungs- Futteraufnahme.
Übersicht 3: Futteraufnahme und Futtertischbesuche
75
90
70
80
Futtertischbesuche/Tag
Futtertischbesuche/Tag
Übersicht 2: Futtertischbesuche (mit Futteraufnahme)
65
60
55
50
22. - 50. LT
51. - 100. LT
101. - 200. LT
60
50
R2 = 0,3746
Erstkalbskühe
ältere Kühe
30
40
bis 21. LT
70
40
Jungkühe
Zweitkalbskühe
Kühe > 2 Lakt.
45
R2 = 0,9656
> 200 LT
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18
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kg TM/Tier und Tag
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Bei Fang-Fressgittern sind im Vergleich zu Nackenrohrkonstruktionen das Konkurrenzverhalten und Verdrängungen deutlich geringer. Davon profitieren besonders
Jungkühe.
es auch bei Kühen so zu sein, dass
die Bewegungsintensität mit fortschreitendem Alter abnimmt.
Es zeigte sich darüber hinaus bei
den Jungkühen, dass mit Zunahme
der Futteraufnahme (Futteraufnahmesteigerung hielt bis zur Laktationsmitte an) ebenso die Futtertischbesuche nahezu gleichgelagert anstiegen. Das war in dieser Deutlichkeit bei den älteren Kühen nicht der
Fall (Übersicht 3).
Erfolgt bei den älteren Kühen eine weitere Unterteilung nach der
Höhe ihrer Futteraufnahme, so findet sich zwischen dieser und der Besuchshäufigkeit am Futtertisch sogar eine leicht negative Beziehung.
Mit deutlich höherer Futteraufnahmekapazität nimmt bei älteren Kühen die Anzahl der Futtertischbesuche eher ab. Das bedeutet, dass die
aufgenommene Futtermenge je
Mahlzeit größer wird, das heißt sie
fressen
„zeiteffizienter“,
um
höchstwahrscheinlich mehr Zeit
zum Liegen und zum Wiederkauen
zu haben.
Das aber scheint bei den Jungkühen nicht der Fall zu sein.
Jungkühe nehmen
kleinere Portionen auf
Während ältere Kühe im Laktationsmittel je Futtertischbesuch
529 g TM aufnahmen, betrug diese
Futtermenge je Besuch bei den
Zweitkalbskühen 445 g, bei den jungen Kühen in der ersten Laktation
aber nur 311 g.
Daraus folgt dann, dass Jungkühe
mehr Zeit für ihre Futteraufnahme
und auch je Kilogramm Trockenmas-
se brauchen (Übersicht 4). Im
Durchschnitt waren es zwölf Minuten. Dagegen benötigten die Zweitkalbskühe zehn Minuten und die älteren Kühe nur neun Minuten zur
Aufnahme jedes Kilogramms FutterTrockenmasse. Je älter die Kühe
sind, desto schneller fressen sie.
Es fiel weiterhin auf, dass Färsen
mit steigender Futteraufnahme mehr
Zeit je Kilogramm Trockenmasse benötigen – anders als bei den Zweitkalbskühen und den älteren Kühen
mit mehr als zwei Laktationen.
Beide Merkmale – die Besuchshäufigkeit des Futtertisches und die
Fresszeit (im Durchschnitt zirka
3,5 h täglich) – stehen bei Färsen in
einer wesentlich engeren und positiven Beziehung zur Höhe der täglichen Futteraufnahme als bei Mehrkalbskühen. Junge Kühe müssen einerseits viel und gut laufen können
und andererseits (mehr) Zeit für ihre aufnahme) die Wiederkaudauer je Kilogramm Futter-Trockenmasse abFutteraufnahme haben.
nahm, während sie bei den Zweitkalbskühen und auch bei den Färsen
Junge Kühe kauen nicht
zunahm.
so lang wieder
Durchschnittlich verbrachten die
Jungkühe täglich 6,3 h mit Wiederkauen, Zweitkalbskühe 6,6 und die
älteren Kühe 8,1 h. Im Herdendurchschnitt entsprach das genau
der doppelten Zeit für die Futteraufnahme.
Damit benötigten Färsen für jedes
Kilogramm Trockenmasse, welches
sie aufnahmen, 19 Minuten, Zweitkalbskühe 18 Minuten und Kühe mit
mehr als zwei Laktationen 22 Minuten zum Wiederkauen.
Auffallend war aber, dass bei den
älteren Kühen mit fortschreitender
Laktation (und Zunahme der Futter-
Übersicht 4: Futteraufnahme und Fressdauer je Kilogramm
Trockenmasse
14
Futteraufnahmedauer, min/kg TM
44
R2 = 0,7289
13
12
11
R2 = 0,0474
10
R2 = 0,0159
Erstkalbskühe
Zweitkalbskühe
ältere Kühe
9
8
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14
15
16
17
18
19
20
kg TM/Tier und Tag
21
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Können wir daraus
etwas ableiten?
Jungkühe haben ein anderes
Fress- und auch Bewegungsverhalten
als ältere Kühe. Sie sind allgemein
eher unruhiger, bedingt dadurch,
dass sie viel stärker den Rangkämpfen ausgesetzt sind und diese in der
Regel verlieren, aber auch deshalb,
weil viele Dinge im Stall noch vergleichsweise neu für sie sind. Kühe
sind und bleiben Fluchttiere, die
zwar einerseits recht friedlich sind,
andererseits aber auch aggressiv
sein können. Letzteres vor allem
dann, wenn Konkurrenzsituationen
auftreten. Konkurrenzsituationen ergeben sich hauptsächlich im Zusammenhang mit Futter, Liegeplatz und
Bewegungsraum. Wenn diese nur begrenzt verfügbar oder sogar im Mangel sind, dann werden in solchen Fällen eher die ranghohen Tiere die
knappen Ressourcen ungehindert
aufsuchen, wahrend die rangniederen Tiere, und das sind vor allem die
Jungkühe, von dort verdrängt werden beziehungsweise gar nicht erst
dorthin gelangen. So zeigten Untersuchungen von Bouissou et al.
(2001), dass selbst bei einer Ad-libitum-Fütterung die Rangniederen
weniger fraßen und eine geringere
Zunahme hatten als ranghohe Tiere.
Die Erklärung dafür könnte darin
liegen, dass Kühe Herdentiere sind,
die gerne gewisse Tätigkeiten gleich-
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Auseinandersetzungen sind bei Kühen ganz normal, aber im Gegensatz zur Weide können sich die Tiere im Stall deutlich weniger aus dem Weg gehen.
Fotos: Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
zeitig, also in der Gruppe, ausüben
wollen, und dazu gehört zweifelsohne eine gemeinsame Futteraufnahme. Auf der Weide wird dieses zum
Beispiel sehr deutlich.
Ein eingeschränktes Tier-Fressplatz-Verhältnis verhindert dieses gemeinsame Fressen und erhöht die Anzahl sozialer Auseinandersetzungen
zwischen den Tieren. Dieses führt insbesondere bei rangniederen Tieren zu
kürzeren Verzehrszeiten und erhöht
die Unruhe beim Fressen. Aus Gründen eines reduzierten Konkurrenzdrucks wäre ein Fressplatzangebot
von eins zu eins (Tier-Fressplatz-Verhältnis) daher empfehlenswert. Beim
Einsatz von Totalen Mischrationen
lässt sich dieses Verhältnis sicher
auch auf 1,5 zu 1 erweitern, vorausgesetzt, der Stall bietet genügend
Bewegungsfreiheit und keine Hindernisse beim Aufsuchen des Futtertisches.
Je größer das Platzangebot ist,
desto weniger und weniger aggressiv
werden in der Regel die gegenseitigen Auseinandersetzungen der Tiere.
Auch die Ausgestaltung des Fressplatzes hat Einfluss auf das Fressverhalten der Tiere. So zeigt eine Untersuchung von Endres et al. (2005),
dass bei Anwendung von Fang-Fressgittern im Vergleich zu Nackenrohr-
konstruktionen das Konkurrenzverhalten am Futtertisch und aggressive
Verdrängungen dort um 21 % herabgesetzt waren. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch die Verhaltensuntersuchungen von Huzzey et al.
(2006) sowie de Vries und Keyserlink
(2006). Die Autoren bestätigten,
dass die größten Vorteile hiermit für
die rangniederen Tiere, also in der
Regel die Jungkühe verbunden waren.
Dr. Katrin Mahlkow-Nerge
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 81-90 09-49
[email protected]
Fazit
Je besser wir die Sozialbeziehungen unserer Rinder und deren
Verhaltensmuster
verstehen,
umso besser begreifen wir wiederum, mit welchen Managementmaßnahmen wir tiergerechter und damit (auch wirtschaftlich) erfolgreicher sein können.
Gesunde Kühe, die in ihrem Sozialverhalten nicht ständig behindert werden, sind letztlich die
Voraussetzung für betriebswirtschaftliches Überleben.
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