Bildungspsychologie I (Wahlfachmodul) MMag. Margarete Halmetschlager WS 2008/09 Vorlesung 4 Überblick Inhalte der 4. Vorlesung Veränderungsmöglichkeiten von Merkmalen Reifung Sensible Phasen Entwicklungsaufgaben Gesellschaftliche und institutionelle Grenzen für Veränderungen Einschub: Skripts Lernen und Wissenserwerb: Lernen als Verhaltensänderung 3 VERÄNDERUNGSMÖGLICHKEITEN VON MERKMALEN Veränderungsmöglichkeiten von Merkmalen Abhängigkeit von 2 Faktoren: Universelle Gesetzmäßigkeiten Individueller Entwicklungsstand Beispiel: Objektpermanenz Veränderungsmöglichkeiten von Merkmalen Abhängigkeit von 2 Faktoren: Universelle Gesetzmäßigkeiten Individueller Entwicklungsstand Beispiel: Objektpermanenz Zwischen 6. und 8. Monat (= sensumotorische Stufe nach Piaget) beginnen Kinder nach einem versteckten Gegenstand (der vorher sichtbar war) aktiv zu suchen Video (1 min) Nicht mehr „aus den Augen, aus dem Sinn“! Veränderungsmöglichkeiten von Merkmalen Universelle Gesetzmäßigkeiten: In menschlicher Entwicklung gibt es Gesetzmäßigkeiten, die für ALLE Menschen gelten, weil sie auf biopsychologischen Mechanismen beruhen („Reifung“) Annahme, dass es phasentypische Zeitfenster gibt, in denen Bemühen um Veränderung erfolgreicher ist als zu anderen Zeiten („sensible Phasen“) Veränderungsmöglichkeiten von Merkmalen Individueller Entwicklungsstand: = zu bestimmtem Zeitpunkt bereits erreichte Entwicklungsstand Spielraum, den man für Veränderung (z.B. in Lernanforderung) hat, hängt davon ab, welches kognitive Niveau die Person bereits erreicht hat in frühen Entwicklungsphasen sind bestimmten Veränderungen Grenzen gesetzt (vgl. Videos!) in späteren Entwicklungsphasen wird domänenspezifisches Vorwissen (und Interesse!) immer bedeutender Beispiel: Invarianzprinzip Merkmale des prä-operativen Stadium nach Piaget (= Stufe des anschaulichen Denkens; 4.-7/8. Lj.) Egozentrismus: Kind neigt dazu, Welt nur aus eigener Perspektive zu sehen Rigidität des Denkens: Kind richtet Aufmerksamkeit nur auf eine Dimension eines Objekts (Zentrierung), eher auf Zustand als auf Transformation. Fehlende Reversibilität (beobachteter Vorgang kann in Gedanken nicht umgekehrt werden) Prä-logisches Schlussfolgern: Kind schließt von Besonderem auf Besonderes (z.B. Es schneit, damit ich im Schnee spielen kann -> vgl. Egozentrismus!) Begrenzte soziale Kognition: bei Schuldsprüchen spielt z.B. angerichteter Schaden größere Rolle als dahinterstehende Intention Beispiel: Invarianzprinzip Umschüttversuche von Piaget (= Stufe des anschaulichen Denkens; 4.-7/8. Lj.) Frage 1: In welchem der beiden Gläser A und B ist mehr Flüssigkeit? Kinder mit 5 Jahren: A = B Kinder mit 6 Jahren: A = B Kinder mit 7 Jahren: A = B Beispiel: Invarianzprinzip Umschüttversuche von Piaget (= Stufe des anschaulichen Denkens; 4.-7/8. Lj.) Video (3.11 min) Frage 2: In welchem der beiden Gläser A und B‘ ist mehr Flüssigkeit? Kinder mit 5 Jahren: B‘ Kinder mit 6 Jahren: uneinheitlich Kinder mit 7 Jahren: A = B‘ REIFUNG Konzeptuelle Grundlagen von Reifung Definition: Reifung = allmähliches Auftreten bestimmter Verhaltensweisen während der Ontogenese [= Entwicklung eines Individuums von Beginn bis Ende seines Lebens], die das artspezifische Verhaltensrepertoire eines Artvertreters ausmachen (Grossmann, 1981) Reifung bezieht sich auf artspezifische Veränderungen! Kulturspezifische bzw. interindividuelle Unterschiede können NICHT mit Reifung erklärt werden! Konzeptuelle Grundlagen von Reifung Reifungsprozesse: sind artspezifisch werden im Normalfall immer ausgebildet oft ist das Zeitfenster für die Entwicklung eines reifungsbedingten Merkmals festgelegt (z.B. Geschlechtsreife) Es ist NICHT erforderlich, hier durch pädagögische Maßnahmen Veränderungen herbeizuführen (wäre ja auch sinnlos!), da bestimmte biologischkonstitutionelle Voraussetzungen erst gegeben sein müssen, bevor ein solches Merkmal voll ausgeprägt ist. Pädagogische Maßnahmen sind besonders effektiv, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt erfolgen (z.B. am Ende eines Reifungsprozesses) Reifung im Lebensverlauf Vor allem im frühen Kindesalter laufen bedeutsame Reifungsprozesse ab (vgl. Reifung der kindlichen Motorik) positive Form der Entwicklung („positive Reifung“) „Reifungs“prozesse (d.h. bestimmte Entwicklungsprozesse, die biologisch determiniert sind) gibt es natürlich nicht nur in der frühen Kindheit, sondern über die gesamte Lebensspanne „negative Reifung“: z.B. Abbauprozesse im höheren Alter Reifung der kindlichen Motorik Reifungstheorie von Gesell (1940): Entwicklung der kindlichen Motorik läuft in beobachtbaren Entwicklungsschritten ab, die interkulturell universell sind (und daher offensichtlich durch genetische Faktoren bedingt) (Arnold Gesell, 1880-1963) Umwelt kann diese Entwicklung unterstützen oder behindern, Abfolge der Entwicklungsschritte kann aber NICHT verändert werden! Meilensteine der motorischen Entwicklung (1) 0 Monate Fötushaltung 5 Monate 2 Monate Oberkörper aufrichten auf dem Schoß sitzen, nach Objekten greifen 7 Monate allein sitzen 3 Monate Greifversuche (hingreifen & verfehlen) Meilensteine der motorischen Entwicklung (2) 9 Monate stehen mit Halt an Möbeln 10 Monate krabbeln Meilensteine der motorischen Entwicklung (3) 9 Monate stehen mit Halt an Möbeln 10 Monate krabbeln 14 Monate 15 Monate allein stehen allein gehen 13 Monate Treppenstufen hinaufsteigen „Negative Reifung“ im höheren Alter Im höheren Alter Reduzierung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und damit auch Beeinträchtigung von kognitiven Prozessen Zusammenhang dieser Entwicklung mit biologischen Vorgängen weniger eindeutig als im Kindesalter Diese Prozesse können auch zurückgeführt werden auf altersspezifische Umweltbedingungen eingeschränkte Erfahrungsmöglichkeiten Daher: wesentlich mehr Spielräume für Veränderungen als z.B. bei Entwicklung der kindlichen Motorik Beispiel: Gezieltes Gedächtnistraining kann bei Älteren Erweiterung der Gedächtnisspanne bewirken => erinnern sich an längere Zahlenreihen als untrainierte Jüngere (Baltes, 1990) „Negative Reifung“ im höheren Alter Ab 60. Lj. (nach neuesten Studien erst ab 80. Lj.) kommt es bei vielen Personen zum Nachlassen von kognitiven Funktionen Gedächtnisleistung nimmt ab Verarbeitungsgeschwindigkeit nimmt ab In leitenden Positionen gibt es Menschen, die wesentlich älter als 60 Jahre sind (vgl. emeritierte Uni-Profs, viele Politiker, den Papst, etc.) Fazit: Es gibt Kompensationsmöglichkeiten, die dafür sorgen, dass sich „negative Reifung“ NICHT in reduzierter Leistungsfähigkeit niederschlägt (z.B. berufliche Erfahrung, Seniorstudium, u.v.a.m.) Modelle der kognitiven Entwicklung im Alter (Gerontopsychologie) Defizit-Modell: Entwicklung im höheren Alter ist verbunden mit biologisch determiniertem Nachlassen körperlicher und geistiger Funktionen Disuse-Modell: Nachlassen von körperlichen und geistigen Funktionen im höheren Alter aufgrund mangelnden Gebrauchs und Training Kompetenzmodell: Im Vordergrund steht person- und umgebungsspezifische Anpassung der individuellen Kompetenz an die Lebensumwelt Bezugspunkt im höheren Alter sind NICHT jüngere Menschen, sondern JENE Lebensanforderungen, die an ältere Menschen gestellt werden SENSIBLE PHASEN Was sind sensible Phasen? Definition: = zeitlich begrenzte Entwicklungsabschnitte, in denen spezifische Umwelteinflüsse besondere Wirkung ausüben Beispiel: Prägungsexperimente von Konrad Lorenz Graugansküken wird in sensibler Phase nach dem Schlüpfen auf das 1. sich bewegende Objekt geprägt (normalerweise seine Mutter; bei Lorenz verschiedene Objekte bzw. er selbst) Was sind sensible Phasen? Definition: = zeitlich begrenzte Entwicklungsabschnitte, in denen spezifische Umwelteinflüsse besondere Wirkung ausüben Beispiel: Prägungsexperimente von Konrad Lorenz Graugansküken wird in sensibler Phase nach dem Schlüpfen auf das 1. sich bewegende Objekt geprägt (normalerweise seine Mutter; bei Lorenz verschiedene Objekte bzw. er selbst) Beim Menschen ist Nachweis sensibler Phasen jedoch nicht so einfach (wegen Variabilität und Kompensierbarkeit von Umwelteinflüssen) Bedeutsamkeit der frühen Kindheit wird in Psychologie insgesamt als sensible Phase für die Entwicklung angesehen (begründet durch Verhaltensbiologie, Psychoanalyse, Lerntheorien) Schlussfolgerung: Man muss sich besonders intensiv mit Kleinkind befassen, um Lernprozesse nicht zu versäumen, die später nicht mehr nachgeholt werden können (vgl. „Was Hänschen nicht lernt ...“) „kumulatives Defizit“: einmal aufgetretener Entwicklungsrückstand bleibt erhalten bildet ungünstige Basis für alle nachfolgenden Entwicklungsaufgaben Betroffener fällt in seiner Entwicklung immer weiter zurück @ „Kumulatives Defizit“ Hier muss unterschieden werden: Sensitivität von Lebensphasen für äußere Einflüsse Wichtigkeit grundlegender Lernprozesse für nachfolgendes Lernen ALLE früheren Lernphasen sind bedeutsam für nachfolgendes Lernen (unabhängig vom Alter!) Lern- und Entwicklungschancen hängen in ALLEN Lebensphasen vom jeweils erreichten Ausgangsniveau ab den ERSTEN Veränderungen in einer Veränderungsgeschichte kommt prinzipiell mehr Bedeutung zu als den späteren (weil sie ja die Basis bilden!) Sie können nicht nur Möglichkeiten für nachfolgende Veränderungen eröffnen, sondern auch einschränken! Gibt es sensible Phasen für die Intelligenzentwicklung? These des negativ beschleunigten Verlaufs der Intelligenzentwicklung (Bloom, 1964) Wesentliche Prozesse der Intelligenzentwicklung in den ersten 5-8 Lj. -> hier hohe Veränderungen möglich später sind Veränderungen nicht mehr so einfach, daher: hohe Bedeutung von frühzeitigen Fördermaßnahmen (z.B. kompensatorische Vorschulerziehung) These bildete die Grundlage für Rechtfertigung von Selektionsentscheidungen nach der Volksschule (Krapp & Schiefele, 1976) Gibt es sensible Phasen für die Intelligenzentwicklung? Gegenposition zur These des negativ beschleunigten Verlaufs der Intelligenzentwicklung Untersuchungen zur Entwicklung der Intelligenz über die Lebensspanne zeigen: fluide Intelligenz nimmt im Alter ab (geringere Problemlösefähigkeit, wenn neue Info oder Info mit hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten ist) kristalline Intelligenz (beruht auf Wissen und Erfahrung) nimmt im Alter zu Gibt es sensible Phasen für die Intelligenzentwicklung? Gegenposition zur These des negativ beschleunigten Verlaufs der Intelligenzentwicklung Untersuchungen zur Entwicklung der Intelligenz über die Lebensspanne zeigen: Kognitive Prozesse (z.B. kurzfristiges Erinnern) können auch im Alter trainiert und weiterentwickelt werden Die meisten (gesunden!) älteren Erwachsenen erbringen in Intelligenztests sehr gute Leistungen und unterscheiden sich NICHT systematisch von jüngeren Erwachsenen Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung Mit zunehmender Kompetenz ... (relativ) stabile Faktoren (z.B. Intelligenz) verlieren an Bedeutung andere (von Intelligenz unabhängige) Faktoren gewinnen an Bedeutung, z. B. bereichsspezifisches Wissen Übung praktische Erfahrung Das bestätigt die ACT-Theorie (= Adaptive Control of Thought; Anderson 1982) Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung Adaptive-Control-of-Thought Theorie (Anderson, 1982): Anderson unterscheidet zwischen deklarativem Wissen (WAS) prozeduralem Wissen (WIE) Beim Erwerb von Fertigkeiten wird deklaratives Wissen in prozedurales Wissen umgewandelt Die mühselige, kapazitäts- und zeitaufwändige Bearbeitung von Faktenwissen (Aufnahme, Speicherung, Abruf, Nutzung) wird durch automatische Prozeduren ersetzt Eventuell genetisch determinierte Merkmale (z.B. Verarbeitungskapazität) verlieren mit zunehmender Erfahrung an Bedeutung Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung „Skill Specifity“ (Ackerman, 1990): Lernen wird durch Prinzip der „skill specifity“ bestimmt: Je höher das Leistungsniveau in bestimmtem Gegenstandsbereich, desto bedeutsamer werden speziellere Komponenten der Informationsverarbeitung Mit zunehmender Erfahrung in bestimmtem Gegenstandsbereich sinkt der Zusammenhang zwischen stärker anlagebedingten Faktoren (z.B. Intelligenz) und Leistung Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung Theorie der „Ability Determinants of Skilled Performance“ (Ackerman, 1990): erklärt, wie sich im Verlauf der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten der Einfluss von anlagebedingten zu erfahrungsbedingten Faktoren verschiebt 3 Phasen bei Lernen und Kompetenzerwerb: kognitive Phase assoziative Phase autonome Phase Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung Theorie der „Ability Determinants of Skilled Performance“ (Ackerman, 1990): 1. kognitive Phase: hohe kognitive Belastung Person muss Aufgabeninstruktion verstehen, Ziel erkennen, Strategien zu seiner Erreichung entwickeln -> hierzu braucht sie allgemeine, inhaltsübergreifende Fähigkeiten Je mehr prozedurales Wissen gebildet und angewandt werden kann, desto geringer wird der Einfluss der allgemeinen Fähigkeiten Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung Theorie der „Ability Determinants of Skilled Performance“ (Ackerman, 1990): 2. assoziative Phase: Entwickelte Strategien werden zu automatischen Prozessen -> Leistung wird schneller, Fehler werden weniger Hier sind vor allem Fähigkeiten aus dem Bereich Wahrnehmungsgeschwindigkeit vonnöten -> Es geht um Prozesse, die mit der Verdichtung von Wissen und der Schnelligkeit seiner Anwendung zusammenhängen Bedeutsamkeit von Wissen und Erfahrung Theorie der „Ability Determinants of Skilled Performance“ (Ackerman, 1990): 3. autonome Phase: Fertigkeiten werden automatisiert Tätigkeiten benötigen nur mehr wenig Aufmerksamkeit, werden schnell und präzise verrichtet Was nützt das Konzept sensibler Phasen? Dass frühe Lebensphasen bedeutsam sind, ist unumstritten, dafür braucht man keine Annahme einer biologisch begründeten Sensibilität für Umwelteinflüsse! Annahme von sensiblen Phasen hat fatale Konsequenz: Sie impliziert, dass andere Phasen NICHT sensibel wären ... (d.h. pädagogische Veränderungsmaßnahmen bräuchten dann nur die sensiblen Phasen zu betreffen) was am Ende einer sensiblen Phase herauskommt, muss hingenommen werden, weil die nachfolgende Phase ja „unsensibel“ ist ... Was nützt das Konzept sensibler Phasen? In Wirklichkeit ist Veränderung auch außerhalb sogenannter „sensibler Phasen“ möglich Veränderung ist auch im höheren Alter noch möglich (eventuell mit höherem Aufwand, aber NICHT unmöglich!) Wichtig sind vor allem die Anfangsphasen eines Veränderungsprozesses, weil dort die Basis für spätere Phasen dieses Prozesses gelegt wird! ENTWICKLUNGSAUFGABEN Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948, 1956, 1972) zeigt besonders deutlich, dass Entwicklung immer ein Wechselspiel von anlagebedingten Möglichkeiten und umweltbedingten Anforderungen ist Ausgangspunkt: Person muss sich im Laufe ihres Lebens mit bestimmten Problemen und Themen gründlich auseinandersetzen Konflikte und krisenhafte Zustände, die bewältigt werden müssen Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948, 1956, 1972) Definition: Entwicklungsaufgaben = Anforderungen, die typischerweise in bestimmten Lebensphasen zu bewältigen sind („Marksteine“ der Entwicklung) Robert J. Havighurst (1900-1991) Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948, 1956, 1972) @ Entwicklungsaufgaben: entstehen teils aufgrund biologischer Reifungsprozesse (z.B. Gehen- und Sprechenlernen) werden teils von der Gesellschaft oder vom Sozialsystem definiert Personen stellen sich aber auch selbst solche Aufgaben (z.B. Anstreben einer beruflichen Karriere) erfolgreiche Bewältigung bewirkt persönliche Zufriedenheit erfolglose Bewältigung bewirkt Unzufriedenheit, sozialen Druck (und im Extremfall psychische Störungen) Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948, 1956, 1972) Inhalte der Entwicklungsaufgaben hängen ab vom Lebensalter bzw. der jeweiligen Entwicklungsphase vom kulturellen und gesellschaftlichen Kontext Kulturabhängigkeit der Entwicklungsaufgaben (vgl. Weinert, 1988) Entwicklungsaufgaben als „gesellschaftliche Eintrittskarten“ (Flammer, 1993) Einige Entwicklungsaufgaben sind langfristig voraussehbar und planbar, daher pädagogische Vorbereitung darauf (z.B. Schuleintritt, Berufsbeginn, Elternschaft, Pensionierung) Konzept der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, 1948, 1956, 1972) Taxonomie der Entwicklungsaufgaben: • • • • • • • • • • • • ! 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Wert- und Zielvorstellungen, Wissen über pädagogische Handlungsmöglichkeiten und ihre Folgen) Veränderungen in der Familienstruktur (z.B. Scheidung) Begrenzte Handlungsspielräume Schule: Handlungsspielraum wird u.a. bestimmt durch ökologische Faktoren (d.h. Qualität der verfügbaren Ressourcen, z.B. Ausstattung der Klassen, Lehrmaterialien, Klassengröße) Merkmale der Lehrpersonen (z.B. Kompetenz, Wertund Zielvorstellungen) System Schule (z.B. Lehrplan, Schulaufsicht, Dienstrecht) Begrenzung durch Skriptkonzepte Beobachtete Unterrichtsmuster (z.B. fragendentwickelnder Unterricht) folgen einer „Choreografie“ (Oser & Patry, 1996) bzw. einem Drehbuch Dieses steuert Aktivitäten zwischen LehrerInnen und SchülerInnen, beobachtetes Unterrichtsverhalten und intern ablaufende Lernprozesse Scripts sind innerhalb einer Kultur relativ homogen (vgl. TIMSS-Studie), schaffen Bezugsrahmen, in dem LehrerInnen und SchülerInnen sich bewegen Begrenzung durch Skriptkonzepte Unterricht = eingespieltes Interaktionsmuster kann nicht so einfach verändert werden (Seidel & Prenzel, 2006) Dafür müssen Skripts auf LehrerInnen- und SchülerInnenseite, aber auch auf Elternseite (und natürlich auch auf Ebene des Schulsystems!) umgeschrieben werden So etwas KANN nicht von heute auf morgen passieren und es kann auch nicht so einfach von oben verordnet werden! Einschub: SKRIPTS Was ist ein Skript? Skripts sind Repräsentationen (bzw. mentale Modelle) von Handlungsabläufen im Gedächtnis bzw. in der Erinnerung Skripte werden erlernt (d.h. wir müssen oft an betreffender Situation teilnehmen) Skripts bedeuten weniger Verarbeitungsaufwand für bekannte Situationen Skripte sind kulturspezifisch und kontextabhängig Skriptarten Situational Scripts: beziehen sich auf eine Situation, in der verschiedene Personen festgelegte Rollen haben Beispiele: Restaurant, Bus Personal Scripts: Skript existiert meist nur im Kopf des Haupthandelnden, andere Teilnehmer müssen sich ihrer Rolle nicht bewusst sein Beispiele: guter Samariter, Schmeichler Instrumental Scripts: beschreiben eine Handlungssequenz; nur ein Teilnehmer keine Variabilität möglich, Reihenfolge der Ereignisse ist starr [unterscheide dazu Restaurant-Skript: zuerst Essen bestellen, dann Getränke (oder umgekehrt)] Beispiele: Zigarette anzünden, Auto starten Skriptinhalte Jedes Skript enthält Maincons (main conceptualization): Haupthandlungen, die gebraucht werden, um Ereignisse zu verknüpfen (z.B. im Restaurant-Skript: Bestellung des Essens) Innerhalb von Skripten kann es verschiedene Tracks (Spuren, Wege) geben. Die Abläufe unterscheiden sich jeweils voneinander -> man braucht für jeden Track spezielles Wissen (vgl. Grafik) Beispiel: Restaurantskript (nach Schank & Abelson, 1977) Rollen: Kunde, Bedienung (Koch, Besitzer) Ausstattung: Tische, Karte, Essen, Rechnung, Geld, Trinkgeld Vorbedingung: Kunde ist hungrig und hat Geld Nachbedingung: Kunde ist nicht mehr hungrig, hat weniger Geld Beispiel: Restaurantskript (nach Schank & Abelson, 1977) Szene 1: Betreten Kunde betritt Restaurant Kunde sucht freien Tisch Kunde entscheidet sich für einen Platz Kunde geht zum Tisch Kunde setzt sich Szene 2: Bestellen Kunde bekommt die Karte Kunde liest die Karte Kunde entscheidet, was er essen will Kunde ruft Bedienung Bedienung kommt zum Tisch Kunde bestellt Essen Szene 3: Essen Bedienung bringt Essen Kunde isst Szene 4: Verlassen Kunde ruft Bedienung Bedienung kommt zum Tisch Kunde bittet um Rechnung Kunde bekommt Rechnung Kunde gibt Geld Kunde geht aus dem Restaurant Ende Einschub SKRIPTS Ansatzpunkte für Bildungspsychologie Wissensvermittlung: Info über Gestaltung von Veränderungen an die in pädagogischen Settings Agierenden (z.B. im Rahmen der LehrerInnenausbildung) Personen müssen auch Bereitschaft haben, das Wissen anzunehmen Diese haben sie aber nur, wenn sie erkennen, dass sie damit effektives Mittel in die Hand bekommen, und wenn ihnen die angestrebte Veränderung auch subjektiv erstrebenswert erscheint! Außerdem muss man sich bewusst sein, dass es sehr schwer ist, Gewohnheiten zu ändern; z.B. Lehrer, der seit vielen Jahren auf bestimmte Art unterrichtet, wird diese sicher nicht von heute auf morgen ablegen können (auch wenn er das vielleicht möchte) Ansatzpunkte für Bildungspsychologie Einfluss auf Strukturen: Wissen der in pädagogischen Settings Agierenden über Möglichkeiten einer Veränderung allein reicht nicht aus! Personen müssen einen Handlungsspielraum haben, um dieses Wissen auch praktisch anwenden zu können Es ist daher die Aufgabe der Entscheidungsträger, für einen entsprechenden Handlungsspielraum zu sorgen! LERNEN UND WISSENSERWERB Lernen als Verhaltensänderung: Viele Situationen im Alltag machen es notwendig, dass eine Person ihr Verhalten ändert, um sich optimal oder zumindest ausreichend an spezifische Anforderungen von sozialen aber auch physikalischen Gegebenheiten anzupassen. als Wissenserwerb: = Konstruktion von Wissensstrukturen (bzw. Rekonstruieren und Modifizieren von bereits vorhandenen Wissensstrukturen) Das Wissen in diesen Strukturen kann sein: begriffliches Wissen (Faktenwissen, Sachwissen) prozedurales Wissen (Wissen über Prozesse/Verfahren) metakognitives Wissen (Wissen über das eigene Wissen) LERNEN ALS VERHALTENSÄNDERUNG Behavioristische Lerntheorien behaviour / behavior = beobachtbares Verhalten Black-Box-Modell: Alles, was INNERHALB der sogenannten Black Box ist, entzieht sich der Beobachtung -> daher für Behavioristen NICHT von Interesse Behavioristische Lerntheorien Lernen = Aufbau von Reiz-Reaktions-Verbindungen Diese bleiben unter bestimmten Bedingungen bestehen und können unter bestimmten Bedingungen wieder gelöscht werden D.h. Lernen ist ein Prozess, der aufgrund eigener, wiederholter Aktivität zu relativ überdauerndem Verhalten (bzw. zu relativ überdauernder Verhaltensänderung) führt Verhaltensweisen (und Gewohnheiten) können gelernt werden Sie können aber auch wieder VERlernt werden! (vgl. Watson, Skinner, Thorndike, Hull, et al.) Übersicht: Folgende Inhalte Einfluss von Konsequenzen auf Verhalten Operantes Konditionieren (Verstärkung/„Bestrafung“, Kontingenz, diskriminative Reize) Ungewollte Verstärkung von unerwünschtem Verhalten Zeitliche Aspekte von Verstärkung (z.B. Verstärkerpläne) Das Problem des Strafens Gewohnheitsbildung und Aufbau komplexer Bewegungsabläufe Lernen am Modell Klassisches Konditionieren (und seine kognitive Interpretation durch Rescorla, 1988) Beispiel Liftszene: Ausgangslage: Person will Lift benutzen -> Lift kommt Verhalten Person betritt Lift Person ist im Lift „gefangen“ unangenehme Konsequenz des Verhaltens Person bei nächster Liftbenutzung? Person benutzt Lift (ev. mit mulmigem Gefühl) Person geht zu Fuß Verhaltensänderung infolge der unangenehmen Konsequenz des Verhaltens bei vorangegangener Liftbenutzung Reize & Konsequenzen (1) VOR dem Verhalten -> vorausgehender Reiz = Lift Man hat bereits früher gelernt, was man mit einem Lift tun kann, daher beim Auftreten des Reizes Lift: Benutzen des Lifts (= Reaktion) REAKTION KONSEQUENZ REIZ Diese Reaktion hat normalerweise angenehme Konsequenz (man braucht nicht Stiegen zu steigen), daher Folge: Sobald der Reiz Lift wieder auftritt, wird man ihn auch benutzen. Reize & Konsequenzen (2) REIZ REAKTION KONSEQUENZ Lift bleibt stecken = neuer Reiz (wird erlebt als Konsequenz des vorhergegangenen Verhaltens „Betreten des Lifts“) = unangenehme Konsequenz des Verhaltens! Bei Verbindung von unangenehmer Konsequenz mit Reiz wird man in nächster Zeit eher nicht mit dem Lift fahren, sondern nach alternativem Verhalten suchen (z.B. Treppensteigen) Reize & Konsequenzen (3) REIZ REAKTION KONSEQUENZ 1 Reize & Konsequenzen (3) REIZ REAKTION KONSEQUENZ 2 Erfahrung: Treppensteigen ist gar nicht sooooo anstrengend, man tut dem Körper etwas Gutes (= angenehme Konsequenz) Folge: Man wird in Zukunft öfter Treppen steigen als mit dem Lift fahren = Verhaltensänderung, d.h. Lernen hat stattgefunden! Reize & Konsequenzen (4) BEIDES ist Verstärkung! Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens wird erhöht entweder durch Erhalt eines angenehmen Reizes nach dem Verhalten (positive Verstärkung) Stiegensteigen => körperliches Wohlbefinden (mehr Fitness) Reize & Konsequenzen (4) BEIDES ist Verstärkung! Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens wird erhöht oder durch den Wegfall eines unangenehmen Reizes nach dem Verhalten (negative Verstärkung) Stiegensteigen => keine Gefahr mit Lift steckenzubleiben Beispiel „Störenfriede im Kaufhaus“: 2 Buben benutzen sämtliche Aufzüge des Kaufhauses der Reihe nach in Rekordzeit, um die KundInnen zu ärgern Filialleiter schnappt sich die beiden und bringt sie in einen düsteren Raum Er führt dort fingiertes Telefongespräch, in dem er in unbestimmter Weise etwas sehr Unangenehmes (z.B. Polizei, Eltern, etc.) andeutet Dann lässt er die Buben allein ... Effekt dieses Verhaltens = ? Beispiel „Störenfriede im Kaufhaus“: Verhalten des Filialleiters hat - lernpsychologisch betrachtet - einen doppelten Effekt: für Buben: VH des Filialleiters ist für Buben sehr unangenehm, weil verunsichernd (= Vorgabe eines aversiven Reizes = „Bestrafung“) Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens „Stören im Kaufhaus“ wird gesenkt für Filialleiter: Bei Erfolg (d.h. Ende der Störaktion im Kaufhaus) bei ähnlichem Vorfall wieder Wahl dieses VH Auftretenswahrscheinlichkeit des Filialleiter-VH wird erhöht (= negative Verstärkung durch Wegfall des unangenehmen Reizes „Störung im Kaufhaus“) Verstärkung positiver Reiz aversiver Reiz Vorgabe Beseitigung Verstärkung Vorgabe Beseitigung positiver Reiz positive Verstärkung „Bestrafung“ aversiver Reiz „Bestrafung“ negative Verstärkung positive Verstärkung: = Gabe eines positiven Reizes nach einem bestimmten Verhalten negative Verstärkung: = Verstärkung durch Beseitigung eines aversiven Reizes Die Vorgabe positiver Reize (z.B. Nahrung, Geld) sowie die Beseitigung aversiver Reize (z.B. Schmerz, Angst) wirken verstärkend, d.h. sie steigern die Häufigkeit von Verhalten Kontingenz In den Beispielen vorgeführte Konsequenzen (bzw. entsprechende Reize, die als Verstärker wirkten) waren dadurch gekennzeichnet, dass sie unmittelbar auf ein beobachtbares Verhalten folgten = Verstärkungskontingenz (ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für Operantes Konditionieren) Operantes Konditionieren = Verknüpfen von Reaktionen mit verstärkenden Reizen Operantes Konditionieren (Skinner, 1969; 1974) Ausgangspunkt: Mensch/Tier zeigt spontan (d.h. nicht durch sichtbaren Reiz ausgelöst) ein bestimmtes Verhalten (= operantes Verhalten) @ Grafik: Ratte spaziert in Skinner-Box umher und tritt dabei irgendwann auch zufällig auf den Hebel für die Futterpille Operantes Konditionieren (Skinner, 1969; 1974) jetzt Operantes Konditionieren: Mensch/Tier wird für dieses Verhalten verstärkt, d.h. bekommt eine Belohnung (z.B. Futterpille, Lob, Dank, etc.) = verstärkender Stimulus Operantes Konditionieren (Skinner, 1969; 1974) Zwischen Verhalten (= Reaktion R) und dem verstärkenden Stimulus SR [R = reinforcement] besteht Verstärkungskontingenz R operantes (spontanes) Verhalten SR Reiz, der als Verstärker wirkt Durch kontingente Verstärkung wird die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens erhöht Allmähliche Veränderung eines Verhaltens auf ein bestimmtes Ziel hin = Shaping (Ausformung des VH) Video (3.57 min) Operantes Konditionieren (Skinner, 1969; 1974) diskriminativer Reiz: = Reiz, der einen Verstärker ankündigt @ Grafik: Immer dann, wenn Ratte nach Treten auf den Hebel mit Futterpille verstärkt wird, leuchtet vorher rote Lampe (wenn nicht -> blaue Lampe) rote Lampe = diskriminativer Reiz SD R SR diskriminativer Reiz Reaktion Verstärkung Ungewollte Verstärkung von unerwünschtem Verhalten Beispiel: „schwieriger“ Schüler stört immer wieder den Unterricht (z.B. Tratschen, Herausschreien, Rippenstöße für den Sitznachbarn, usw.) Lehrer greift ein -> bittet, fordert auf, ermahnt, schimpft, usw. Folge: Störungen des Schülers nehmen zu anstatt ab ... Ungewollte Verstärkung von unerwünschtem Verhalten Offensichtlich ist Zuwendung des Lehrers für diesen Schüler ein positiver Verstärker aus Lehrersicht unerwünschtes Schüler-Verhalten nimmt daher zu und nicht ab Und was „lernt“ der Lehrer dabei? Eingriff hat (wenigstens kurzfristig) Erfolg, d.h. Ende der Störung = Wegfall eines aversiven Reizes = negative Verstärkung Lehrer greift bei Störungen immer wieder ein (und bewirkt damit das Gegenteil dessen, was er sich wünscht ...) Ungewollte Verstärkung von unerwünschtem Verhalten Beispiel: „Trost-Zigarette“ vor unangenehmer Arbeit Auch hier zweiseitiger Lernprozess: Rauchen bewirkt vorerst einmal KEINE unangenehme Arbeit (Erleichterung!) = negative Verstärkung! Rauchen wird [vom Raucher] als angenehm erlebt = positive Verstärkung des unerwünschten Verhaltens „ineffizientes Herumtrödeln“ Zeitliche Aspekte von Verstärkung Wir wissen bereits: Verstärker muss kontingent mit dem erwünschten Verhalten verknüpft werden (d.h. unmittelbar auf dieses folgen) Wie OFT aber muss ein (positiver oder negativer) Verstärker gegeben werden, damit in Zukunft das Verhalten (immer und im richtigen Moment) auftritt? Zeitliche Aspekte von Verstärkung One Trial Learning: einmaliges Auftreten einer Verhaltenskonsequenz reicht, um bestimmtes VH aus dem VHRepertoire zu tilgen (bzw. um es darin aufzunehmen) Beispiel: heiße Herdplatte Wer einmal auf eine solche gegriffen hat, weiß, dass er das besser unterlassen sollte ... Wer sich einmal bei seinem Chef „die Finger verbrannt“ hat, braucht vermutlich auch keinen 2. Lerndurchgang ... Die meisten VH-Weisen sind nicht so schnell zu lernen (z.B. Nichttrödeln bei wichtiger Arbeit) -> brauchen mehr als 1 Lerndurchgang Zeitliche Aspekte von Verstärkung In Anfangsphase muss jedes Auftreten des erwünschten VH regelmäßig und nachdrücklich verstärkt werden kontinuierliche Verstärkung Mit der Zeit kann das erwünschte VH nur mehr ab und zu verstärkt werden intermittierende Verstärkung Ist erwünschtes VH erlernt, muss es von Zeit zu Zeit schon noch verstärkt werden, sonst Sinken der Auftretenswahrscheinlichkeit (bzw. letztlich Löschung) Zeitliche Aspekte von Verstärkung Kontinuierliche Verstärkung: Erwerb des Verhaltens erfolgt schnell Stabilität ist aber gering (d.h. Verhalten wird schnell verlernt, wenn es nicht mehr verstärkt wird) Intermittierende Verstärkung: Erwerb des Verhaltens erfolgt langsamer Stabilität ist höher (d.h. Verhalten bleibt langfristiger erhalten, auch wenn es nicht mehr verstärkt wird) Extinktion: Löschung des VH braucht länger, wenn das VH unter wechselnder, ungleichmäßiger (d.h. intermittierender) Verstärkung erlernt (und aufrecht erhalten) wurde Zeitliche Aspekte von Verstärkung Beispiel: Mutter gibt Kind jedes Mal Bonbon und lobt es, wenn es versucht, sich allein anzuziehen Aufbau des VH „Selbstständiges Anziehen“ durch kontinuierliche Verstärkung Je besser Kind das VH beherrscht, desto seltener bekommt es ein Bonbon intermittierende Verstärkung Schließlich braucht die Mutter nur mehr hin und wieder zu loben VH ist selbstverständlich geworden, Kind ist stolz auf seine Leistung (= Selbstverstärkung) Zeitliche Aspekte von Verstärkung Verstärkung ist „wertvoller“, wenn man sie nicht zu oft erhält Verstärker, der nur noch ab und zu vergeben wird, verliert weniger seinen Wert und es kommt nicht so leicht zu einer Übersättigung VH wird unabhängiger von seinen äußeren Folgen und wird nicht so schnell aufgegeben, wenn Verstärkung hin und wieder ausbleibt Äußere Folgen für Verhaltensäußerung nehmen an Bedeutung ab -> Lernender wird unabhängiger von Verstärkung durch andere (= Fremdverstärkung) Damit gleichzeitig Förderung des Übergangs zur Selbstverstärkung Selbstverstärkung 3 wesentliche Merkmale der Selbstverstärkung: Person verabreicht sich selbst die Verstärker Person muss frei über die Verstärker verfügen können Person verstärkt sich nicht nach Belieben, sondern nur nach dem Auftreten spezifischer VH-Weisen Innere VH-Folgen (z.B. Stolz, Zufriedenheit) fördern das VH, das zu diesen angenehmen Gefühlen geführt hat Kontrolle des VH (und Verantwortung für das VH) liegen INNERHALB der Person (bei Fremdverstärkung AUSSERHALB der Person) Selbstverstärkung als Erziehungsziel -> positive Auswirkungen auf Persönlichkeitsentwicklung: Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Nicht jedes VH (bzw. Einstellung) wird durch Selbstverstärkung aufrecht erhalten, z.B. Berufsausübung: regelmäßige materielle Belohnung Ehrenämter: soziale Anerkennung Verstärkerpläne (aus Krapp & Weidenmann, 2006, S. 147) Literatur Krapp, A. & Weidenmann, B. (Hrsg.) (2006). Pädagogische Psychologie, Kapitel 4 (5. Aufl.). München: PVU. Krapp, A. & Weidenmann, B. (Hrsg.) (2006). Pädagogische Psychologie, Kapitel 5 (5. Aufl.). München: PVU.