O-Ton Sabine Thurau

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Hessischer Rundfunk
Redaktion: Heike Ließmann
Aufnahme: Marlene Breuer
WISSENSWERT
Weltsprache Fußball 3
Im Abseits: Frauenhandel und Zwangsprostitution
Von Chistiane Kreiner
Sendung: 15.03.2006, 08:30 – 08:45 Uhr, hr2
Sprecherin
Zitator
O-Töne, Atmos und Musik
Unter (P) Kreiner Abseits*
06-035
COPYRIGHT:
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COLLAGE
Atmo Stadion/Massen- Laola/Jubel/
mischen mit Musik mischen mit den O-Tönen, Zitatorsätzen
O-Ton1
Thurau
Wir rechnen natürlich schon damit, dass sich Prostitution auch um diese
Veranstaltung kümmert, dass es einen erhöhten Bedarf geben wird. Wir
rechnen in etwa mit einer Verdoppelung. In etwa. Eine Verdoppelung der
Frauen, die hier der Prostitution nachgehen werden, aber im wesentlichen
im rechtmäßigen Bereich. D.h. Prostitution ist ja legal, wenn sie nicht
Zwangsprostitution ist.
Sprecherin Sabine Thurau, Vizepräsidentin der Polizei Frankfurt.
Der Sex und das Spiel. Zur Fußball- Wm werden nicht nur die Kontakte mit
Prostituierten zunehmen. Fachleute rechnen damit, daß auch die Fälle von
Menschenhandel und erzwungener Prostitution in dieser Zeit steigen
werden.
Sprecherin Schlagzeile:
Zitator:
Die Gewalt, der Sex und das Spiel.
Sprecherin Süddeutsche Zeitung, November 2005
O-Ton
Lepper
Also meiner Meinung nach wird das zu hoch gespielt, das ist schon eine Art
Hype, der da stattfindet. Wir glauben auch nicht dass sämtliche Männer die
zur Weltmeisterschaft kommen unter hormonellem Druck stehen.
Sprecherin Caroline Lepper, Mitglied der Prostituierten-Vereinigung Hydra in Berlin
O-Ton
Martin Rosowski
“Wir von der Männerarbeit der evangelischen Kirche beteiligen uns deshalb
an der Kampagne www. Stoppt-Zwangsprostitution.de, weil wir der Meinung
sind, dass Männer in diesem Problemfeld der Zwangsprostitution eine ganz
entscheidende Verantwortung tragen.”
Sprecherin Martin Rosowski. Männerarbeit der evangelischen Kirche.
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Zitator
“Fachleute rechnen damit, dass zur Fußball-WM 2006 tausende
Zwangsprostituierte eingeschleust werden. Deutsche Fußballpromis
reagieren desinteressiert.
Sprecherin Frankfurter Rundschau , September 2005
Sprecherin Gerhard-Mayer Vorfelder lehnte in einem Brief an den deutschen Frauenrat
eine Unterstützung der Kampagne “Stoppt- Zwangsprostitution” ab.
Zitator
Im Jahr 2004 wurden in Deutschland insgesamt 972 Opfer, die durch
Menschenhandel in die Prostitution gezwungen wurden, registriert. Es sind
überwiegend Frauen, sie kommen aus der Ukraine, aus Bulgarien,
Russland, Rumänien, Polen, Litauen, aber auch aus Afrika , aus
Westeuropa, Thailand und Amerika.
Sprecherin Lagebild Menschenhandel 2004. Herausgegeben vom Bundeskriminalamt
Zitator
Wahre Orgien. Die Sex-Industrie hofft auf glänzende Geschäfte bei der
Fußball-WM. Politiker und Kirchen fürchten um den Ruf der Republik.
Sprecherin Der Spiegel. November 2005.
O-Ton
Martin Rosowski
Davon ab: jede Großveranstaltung, ob es eine Messe ist, ob es eine
Großveranstaltung ist, oder es sich um eine kirchliche Veranstaltung
größerer Art handelt, wie dem Kirchentag oder dem Katholikentag, da haben
sie in jeder Stadt so eine große Event-Atmosphäre, die (...) eben auch
Männer zusammenbringt (...) und hier scheint sich (...) auch die Schwelle
eine Prostituierte zu besuchen, ein Bordell zu besuchen abzusenken.
Sprecherin Martin Rosowski, Vertreter der Männerarbeit, evangelische Kirche.
Sprecherin Jede Menge Schlagzeilen - “Menschenhandel und Zwangsprostitution” und
die WM. Medialer Wirbel um ein sensibles Thema.
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Aber eben auch ein Runder Tisch im Bundesinnenministerium, ein
dringlicher Antrag an den Hessischen Landtag von den Fraktionen CDU,
SPD, Bündnis90/die Grünen und der FDP, die die Befürchtungen des
Netzwerkes “Stoppt Zwangsprostitution” teilen. Elvira Niesner, Leiterin, der
Nichtregierungsorganisation” Frauenrecht ist Menschenrecht” kurz F I M
(sprich: Fim)ist der Wirbel recht. Endlich kommt ihr Thema an die
Öffentlichkeit. Seit mehr als 10 Jahren arbeitet sie mit Frauen zusammen,
die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Sie hat diese Kampagne in
Frankfurt ins Leben gerufen. Mit einem ganz neuen Ansatz: Adressaten sind
die Männer, die zu Prostituierten gehen. Elvira Niesner:
O-Ton
Elvira Niesner
Und da sprechen wir eine sehr wichtige Zielgruppe an, die Freier, die ja
unbeobachtet, und unkontrolliert, das muss man sich ja mal klar machen,
mit den Opfern zu tun hat. (...) Weil das wichtig ist, weil das aber auch
kompliziert ist, weil es da Hürden gibt, Tabus zu überwinden, Ängste zu
überwinden.
Sprecherin Bundesweit läuft die Kampagne unter den Titel: “ Abpfiff. Stoppt
Zwangsprostitution”- initiiert von Frauenverbänden und
Menschenrechtsorganisationen.
O-Ton
Elvira Niesner
Und wir denken, der Versuch lohnt sich in jedem Fall, zu sensibilisieren, zu
informieren und auch darauf hinzuwirken, dass da auch eine gewisse
Verantwortung übernommen wird. Das ist das Hauptziel der Kampagne.
Also die Kampagne richtet sich nicht gegen Prostitution Sondern diese
Kampagne ist gegen Gewalt in der Prostitution.
Als erste wollen wir ja, dass Freier Hilferufe von Prostituierten ernst nehmen,
dass sie reagieren. (...) Wenn die Frau desorientiert ist, wenn sie verängstigt
wirkt, wenn sei zum Beispiel völlig übernächtigt ist, alles Faktoren, die
darauf hinweisen, da macht es jemand nicht mehr selbstbestimmt. Natürlich
wenn sie minderjährig aussieht., wenn es Merkmale von Gewalt gibt, wenn
sichtbar ist dass besondere Kontrollen stattfinden.
Sprecherin Martin Rosowski von der evangelischen Männerarbeit, beteiligt sich an der
Aufklärungs-Kampagne. Schließlich geht es um Männer.
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O-Ton
Martin Rosowski
Ich bin nicht der Meinung, dass wir sie ansprechen, wenn sie sich im
Rotlichtmillieu bereits befinden, da ist bereits dass Triebmodul in Gang
gesetzt und da ist dann auch keine Zeit, kein Platz für die Not von andern.
Ich glaube wir müssen Männer grade dann packen, wenn sie nicht an Sex
denken. Warum soll das nicht am Ende eines schönes Spieles sein oder vor
einem Spiel.”
Sprecherin Eine Werbeagentur hat Plakate entwickelt. Sie sollen auf der Straße, in der
U-Bahn, vor dem Spiel, nach dem Spiel für einen Augenblick treffen. Im
Rotlichviertel liegen Flyer, Postkarten und kleine Kärtchen in
Vistitenkartengröße aus, mit der Nummer einer Hotline, an die sich die
Männer anonym wenden können.
O-Ton
Sabine Thurau
Sie müssen sich überlegen, unter welchem Eindruck, und mit welcher
Zielrichtung der Kunde zu der Frau geht. Es wird ihn auch nicht weiter
interessieren, wie sich die Frau im einzelnen dann ausdrückt. Es geht ihm ja
um eine bestimmte Leistung, und die beinhaltet, nicht das Gespräch darum,
wie es zu dieser Dienstleistung gekommen ist, und was sie für einen
Eindruck macht. Die Erfahrung haben wir eben gerade nicht.
Er wird auch in erster Linie nicht mit ihr sprechen wollen, warum sie das
macht. Da müsste sie von sich aus schon auf ihn zugehen und sagen ,
hören sie zu ich fühle mich bedroht, ich möchte eigentlich gar nicht die
Prostitution ausüben. Helfen sie mir bitte! Aber das entspricht nicht den
Erfahrungen in den Aussagen in den Ermittlungsverfahren, die die Frauen
machen.
Sprecherin Für Sabine Thurau, Vizepräsidentin der Polizei Frankfurt werden Fälle von
Zwangsprostitution in der Polizeipraxis durch Beobachtung des Millieus und
durch Razzien aufgedeckt, bei denen die Frauen als “Illegale” auffallen.
O-Ton
Elvira Niesner
Die häufigste Reaktion ist die, dass Männer sagen, also das glaube ich
nicht, ich will damit nichts zu tun haben und eigentlich versuchen dieser
Situation zu entgehen.Die Männer wollen im Prinzip keine Probleme
bekommen, die wollen nichts mit organisierter Kriminalität zu tun haben, die
wollen nicht in irgendeinen Zeugenstand geraten. Sie wollen aber auch nicht
als Freier öffentlich werden. Was ja irgendwie passiert, wenn sie sich
melden bei der Polizei oder Beratungsstelle. Freiersein ist ja ein Tabuthema.
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Wir wissen ja dass es Millionen gibt. Aber es ist ja dann keiner, wenn man
danach fragt.
Sprecherin “60 % der deutschen Männer sind Kunden. Täglich gehen ca. 1,2 Millionen
Männer in Deutschland zu Prostuierten. Sie geben dafür geschätzte 12
Milliarden Euro pro Jahr aus. Es sind verheiratete und ledige Männer,
Deutsche und Zuwanderer.”
sagt eine Studie der Prostituierten – Organisation Hydra über Freier.
O-Ton
Martin Rosowski
Ich bin schon der Meinung, dass wer sich in diesem Umfeld bewegt, hat
verantwortlich zu sein, hat verantwortlich zu sein in der Wahrnehmung
seines Gegenübers. Er muss sich auch klar machen, er befindet sich hier in
seiner sehr sensiblen zwischenmenschlichen Beziehung, wenn die
Menschen sich auch kaum kennen, aber sie befinden sich in einer
dermaßen intimen Nähe zusammen, die für mich letztendlich auch
Verantwortung impliziert und das muss ich zumindest von Freiern fordern,
von den Männern, die dorthin gehen, fordern.
Sprecherin Allein in Europa werden jährlich nach Schätzungen der UN etwa 500 000
Frauen verschleppt. Umsatz: 10 Milliarden Euro pro Jahr. Die Täter sind zu
15 Prozent Frauen, zu 85 Prozent Männer. Die Frauen, die Opfer von
Menschenhandel werden, kommen seit Anfang der 90er vor allem aus
osteuropäischen Staaten:
O-Ton
Elvira Niesner:
Menschenhandel ist ja ein Dunkelfeldkonflikt. Man weiß nicht wirklich in
welchem Umfang es existiert. Wir wissen klar, dass wir nur einen
bestimmten Prozentsatz des Menschenhandels erhellt haben. Mann geht in
Expertenkreisen davon aus, dass wir vielleicht von10% der Fälle Kenntnis
haben. Aktuell liegen die Opferzahlen in Deutschland rund bei 1000. Das
wären 10.000 Opfer in der Bundesrepublik Deutschland.
Man könnte Opfergeschichten erzählen, sie sind traurig, sehr traurig.
Sprecherin Es ist zum Beispiel die Geschichte von Olga, heute 22, aus
Wolgograd, Russland. Ihr Cousin erzählte ihr von einer Arbeitstelle in
Deutschland. Als Zimmermädchen. Mit falschen Pässen bringt er Olga und
drei andere Mädchen in eine deutsche Stadt. Olga weiß nicht einmal wie sie
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heißt. Nun erkären drei Männer Olga, dass sie bei Ihnen Schulden habe,
wegen des Transports, der Miete, aber dass sie das Geld abarbeiten könne,
als Prostiuierte. Dass das auf sie zukommen würde, hat sie nicht einmal
geahnt.
O-Ton
Elvira Niesner
Also es gibt Opfer von Menschenhandel, die haben sehr viel körperliche
Gewalt erfahren, die haben Essensentzug erfahren, als gravierendste Fälle
Isolation und, und, und. Es gibt aber auch Opfer von Menschenhandel, die
wussten, dass sie als Prostituierte handeln, wurden aber über die
Bedingungen getäuscht. Zum Beispiel haben sie nicht gewusst, dass sie
keinen Aufenthalt haben, dass eine Abhängigkeit besteht, oder sie werden
über Jahre in einer Verschuldungssituation festgehalten.
Sprecherin “Opferschutz” ist der zentrale Begriff in Elvira Niesners Wortschatz Zeugenschutz der der Polizei. Polizei und Beratungsstellen arbeiten
zusammen. Die Kolleginnen von Elivira Niesner, die Russisch oder
Spanisch sprechen, kümmern sich um die anonyme Unterbringung,
psychologische Beratung, soziale Betreuung und Rechtsbeistand. Vier
Wochen Zeit bleibt den Frauen, zu entscheiden, ob sie in einem Prozess
gegen ihre Peiniger aussagen wollen. Entscheiden sie sich dafür, dürfen sie
für die Dauer des Prozesses in Deutschland bleiben. Danach ist ihr
Aufenthalt ungewiss.
O-Ton
Katharina Cetin
Also, um es jetzt mal sehr plakativ zu sagen. Die Frau, die aus der
hintersten Ukraine kommt, (....) , sie weiß, in Deutschland kann ich 3
Monate arbeiten, verdiene vielleicht gutes Geld, hole mir so ein
Arbeitsvisum bei der Prostitution und gehe dann wieder zurück, habe das
Geld zusammen, um meiner Mutter die Op zu bezahlen. Dann wäre das
nicht nötig, dass diese Frau sich an bestimmte Menschen wendet, die dann
diese Situation ausnutzen und sie in ausbeuterische Verhältnisse bringt.
Und die Regierung ist in der Lage zum Beispiel, so etwas, jetzt mal um es
ganz plump zu sagen, ein Monatsvisum für 3 Monate auch für Prostituierte
auszustellen. Das ist ein großer Wunsch und ein großes Ziel von Hydra
solche Strukturen schaffen zu können.
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Sprecherin Katharina Cetins(sprich: Zeti:ns) Kolleginnen von Hydra besuchen
regelmäßig Frauen, die in der Abschiebehaft sitzen - im Gefängnis Berlin
Köpenick. In Gesprächen versuchen sie Kontakt aufzunehmen zu Frauen,
die unfreiwillig in der Prostitution arbeiten mussten, um sie bei einem
Neuanfang zu unterstützen.
Sprecherin Gesicherter Aufenthaltsstatus für eine Frist von mindestens drei Monaten.
Keine vorschnellen Abschiebungen.
Eine politische Forderung des Frauenrats
COLLAGE Atmo Stadion, Fan-Gesänge mischen mit O-Ton, Zitatorin und Musik
Sprecherin Sabine Thurau, Poilzei Frankfurt:
O-Ton
Sabine Thurau
Eine solche Kampagne können wir nur unterstützen. Ja, weil es natürlich
wichtig ist die Bevölkerung zu sensibilisieren, wie verwerflich nicht nur
strafbar, sondern auch menschlich verachtend und verwerflich. Das geht in
alle Bereiche. Nicht nur um potentielle Kunden , sondern auch andere
Menschen, die möglicherweise in ihrem Umfeld erkennen könnten, daß hier
Frauen gegen ihren Willen in dieses Land geschleppt wurden und einer
Tätigkeit nachgehen,m die Ihnen nicht gut tut, die sie verletzt.
Zitator
”Unser WM-Motto. Die Welt zu Gast bei Freunden gilt nicht nur für das
Geschehen in den Stadien, sondern auch für das Umfeld.”
Dr. Theo Zwanziger, der Geschäftsführende Präsident des Deutschen
Fußball-Bunds DFB), wird die ihm angetragene Schirmherrschaft der
Kampagne "Abpfiff" des Deutschen Frauenrats übernehmen
Sprecherin Pressemeldung DFB im Februar 2006
Atmo
evtl. leise Stadionatmo, Männergesänge, ausblenden unter ...Männerarbeit.
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Sprecherin Martin Roswoski. Evangelische Männerarbeit:
O-Ton
Martin Rosowski
Daran müssen wir in der Aufklärung von Männer und Jungen arbeiten, ,
dass im Bereich der Sexualität und sei es im Bereich der Prostitution
Verantwortlichkeit für den anderen ein ganz entscheidendes Kriterium ist.
(...) Augen offen zu haben, Ohren offen zu haben, Herz offen zu haben, für
die Situation des Gegenübers. Das ist das mindeste was, ich verlangen
kann.
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