vorwissenschaftliche arbeit

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BG8 – Piaristengymnasium
Jodok-Fink Platz 2
1080 Wien
VORWISSENSCHAFTLICHE ARBEIT
Titel der Vorwissenschaftlichen Arbeit:
Psychologische Aspekte in den Tragödien „Hamlet“ und
„Macbeth“ von William Shakespeare
Verfasserin:
Heidi Pichelmann
Wien, im Februar 2016
Klasse:
8.B
Schuljahr:
2015/16
Betreuerin: Mag. Guraziu
Abstract
Um die, in erster Linie psychologischen, Zusammenhänge der Hauptcharaktere Hamlet und des
Ehepaares Macbeth aus William Shakespeares gleichnamigen Tragödien besser zu verstehen,
beschäftigt sich diese Literaturarbeit mit den psychischen Erkrankungen Borderline-Syndrom
(Persönlichkeitsstörung), Schizophrenie und Psychopathie in Bezug auf die Charakterisierung
der Hauptpersonen.
Alle Protagonisten weisen anhand ihrer unterschiedlichen Hintergründe und Umstände
gewisse Parallelen auf: Hamlets Persönlichkeit zeigt eine Mischung der Symptome vielerlei
Psychosen – die er zum Teil nur vorspielt, um sein Ziel zu erreichen: Claudius, seinen Onkel
und Stiefvater zu ermorden, um den Tod seines Vaters zu rächen.
Bei dem Ehepaar Macbeth hingegen schmiedet Lady Macbeth zunächst Pläne im Alleingang,
später intrigiert sie zusammen mit ihrem Gatten, der sich mit der Zeit abkapselt und von da an
im Alleingang die Dinge zu Fall bringt. Beide haben das Ziel, das neue Königspaar zu werden,
hierfür sind alle Mittel recht. Lady Macbeths Handeln zeigt Symptome von Psychopathie und
Wahnsinn, das ihres Mannes grenzt an Wahnsinn und Schizophrenie.
Die Motive in beiden Werken sind verschieden, Parallelen zeigen sich bei der Gier nach Macht
und dem Erreichen des jeweiligen Zieles, wobei keine Rücksicht auf Kollateralschäden
genommen wird.
Da sich in der heutigen Zeit mit Hilfe der modernen Psychologie viele Möglichkeiten in Bezug
auf Untersuchung und das Erstellen eines Krankheitsbildes eröffnen, ist es interessant
gegenüberzustellen, dass die Krankheiten Borderline, Schizophrenie sowie Psychopathie und
Wahnsinn fast auf die Charaktere Hamlet und das Ehepaar Macbeth zugeschnitten sind.
-2-
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Persönliche Impulse............................................................................................ - 4 2. Charakterisierungen
2.1. Charakterisierung des Hamlet .......................................................................................... - 5 2.2. Charakterisierung des Ehepaares Macbeth ..................................................................... - 7 3. Psychische Erkrankungen
3.1. Borderline
3.1.1. Allgemeine Definition …................................................................................................. - 9 3.1.2. Symptome …....................................................................................................... - 10 -/ - 113.2. Schizophrenie
3.2.1. Allgemeine Definition ….................................................................................................- 12 3.2.2. Symptome …......................................................................................................... - 12 -/ -14 3.3. Wahnsinn
3.3.1. Allgemeine Definition …............................................................................................... - 15 3.3.2. Symptome …....................................................................................................... - 15 -/ - 18 4. Psychologische Charakteranalysen
4.1. Psychologische Analyse der Figur des Hamlet ............................................................... - 19 4.2. Psychologische Analyse der Figuren Macbeth und Lady Macbeth ….......................... - 23 5. Schlusswort …..................................................................................................................... - 28 6. Quellen & Literaturverzeichnis …..................................................................................... - 29 7. Eigenständigkeitserklärung …........................................................................................... - 30 -
-3-
1. Einleitung: Persönliche Impulse
Ich habe mich für das Thema „Psychologische Aspekte in den Tragödien „Hamlet“ und
„Macbeth“ von William Shakespeare entschieden, weil mich Literatur fächerübergreifend mit
Psychologie sehr interessiert.
Die Tragödien „Hamlet“ und „Macbeth“ wurden von Shakespeare im Jahre 1603 bzw. 1606
verfasst, heute ist es aber erst möglich die beiden Protagonisten der genannten Werke mit Hilfe
der modernen Psychologie zu analysieren.
Mit der Leitfrage „Wie lassen sich Hamlet und Lady Macbeth auf der Basis von
Krankheitsbildern der modernen Psychologie charakterisieren?“, möchte ich speziell auf die
Krankheiten Borderline, Schizophrenie, Wahnsinn und Psychopathie eingehen. Nach
sorgfältigen Recherchen habe ich herausgefunden, dass sich in beiden Werken Symptome
finden lassen, welche auf die oben genannten Krankheiten zurückzuführen sind.
Mich hat das Werk „Hamlet“ insbesonders angesprochen, da es viel Raum für Spekulationen
rund um Hamlets Persönlichkeit gibt.
„Macbeth“ dagegen beinhaltet gleich zwei Personen, Lady Macbeth und ihren Ehemann, die
zusammen intrigieren, wobei Lady Macbeth mit allen ihr möglichen Mitteln ihren Ehemann
manipuliert, Pläne schmiedet, die er erst erfüllen soll, und später übernimmt sie selbst die
führende Rolle.
Da ich den Berufswunsch habe, einmal als professionelle Schauspielerin zu arbeiten (geplantes
Studium: Theater-, Film- und Medienwissenschaften), möchte ich in meine VWA sowohl
literarische als auch psychologische Elemente einbeziehen.
-4-
2. 1. Charakterisierung von Hamlet
Die Figur des Hamlet in William Shakespeares gleichnamiger Tragödie stellt den jungen
Prinzen und zukünftigen König von Dänemark dar.
Hamlets persönliche Dynamik ist als aktiv, willensstark, zielstrebig und energisch zu
charakterisieren. Sein Gemüt schwankt – leidet er doch unter Stimmungswechsel; einerseits
macht ihm der Tod seines Vaters und die schnelle Hochzeit der Mutter kurz danach zu
schaffen: „Ihn hat der schnelle Entschluss seiner Mutter, Claudius zu heiraten, zum
Frauenhasser werden lassen“1, andererseits ist er hasserfüllt, als er vom Geist des Königs erfährt,
dass des Königs Todeshergang Claudius´ Werk war.
Hamlet ist selbstbewusst, tapfer, rebellisch und nicht unbedingt nervenstark: um seinen Onkel
zu überführen, stellt er sich verrückt:
„Um den Wahrheitsgehalt der Aussage des Geistes zu ermitteln, spielt er den Wahnsinnigen, …
; er redet wirr, erkennt vertraute Personen scheinbar nicht oder drückt sich ganz
unverständlich aus, um seine Rachepläne ungehindert ausführen zu können “2,
so kann er alles behaupten ohne festgenommen zu werden um Claudius ein schlechtes
Gewissen zu bereiten und ihm die Wahrheit über den Mord an seinem Vater zu entlocken.
Durch diese Tatsache wird er jedoch seelisch hin- und hergerissen, einerseits tritt er als
charakterfester junger Mann auf, der pflichtbewusst ist. Auf der anderen Seite wird er als
skrupel-, gewissenlos und unsicher dargestellt, er gibt seine eigene Persönlichkeit auf und folgt
nur der „Stimme“ des Geistes, um seinen Onkel zu Fall zu bringen.
Psychisch ist Hamlet als intellektuell, klug, gebildet und scharfsinnig einzuschätzen. Außerdem
ist er ideenreich, inszeniert er doch mit seinen Verbündeten ein Theaterstück, das die
Ermordung des Königs nachstellen soll.
Er ist ein Denker, der sich viele Fragen zu Moral und dem menschlichen Dasein im allgemeinen
stellt.
-51
2
Timm, Norbert: Königs Erläuterungen. William Shakespeare Hamlet. -Hollfeld: Bange Verlag GmbH 2012, S. 54
Vgl. Timm, 2012, S. 53
Außerdem neigt Hamlet zu Melancholie und besitzt die Fähigkeit der Selbstreflexion. Hamlet
nimmt Gefühle und Emotionen zu Beginn der Tragödie stärker wahr als andere und ist
sensibler, beispielsweise in Bezug auf den Tod des Vaters: seine Trauer hält länger an als die der
Mutter.
Sozialkritisch gesehen ist Hamlet gegen das Leben der „Reichen“ am Hof, welches ein Netz aus
Mord, Lügen und Intrigen spannt. Er ist gesellig, als besten Freund zählt er Horatio, welchen
während seines Studiums in Wittenberg kennengelernt hat und hat einige Verbündete wie z.B.
Rosenkranz und Güldenstern, doch die negativen Geschehnisse, die in seinem Umfeld passiert
sind, überträgt er auf das Verhalten der Menschen – so wird er immer misstrauischer und
zweifelnder, sodass er am Ende niemandem in seiner Wahrnehmung mehr trauen kann.
Einzig Ophelia bringt er anfangs Vertrauen entgegen und in ihr sieht er das Gute, sie besitzt im
Gegensatz zu den Menschen in seinem Umfeld keine negativen Eigenschaften; daher möchte er
sie beschützen bzw. aus seinen Racheplänen herausaushalten, damit sie keinen Schaden nimmt.
Dies ändert sich jedoch im Verlauf der Tragödie; Ophelia spioniert auf Bitten ihres Vaters und
ihres Bruders Hamlet aus, hält es aber nicht lange aus Hamlet zu hintergehen. Daraus resultiert,
dass Hamlet von diesem Moment an nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte: „Sein Verhalten
Ophelia gegenüber grenzt bereits an kalkulierte Bosheit, er beleidigt sie derb und macht ihr
Vorwürfe, obwohl er sie einmal geliebt hat“3.
-63
Vgl. Timm, 2012, S. 54
2. 2. Charakterisierung des Ehepaares Macbeth
Das Ehepaar Macbeth spielt in William Shakespeares gleichnamiger Tragödie die zentrale Rolle.
Gleich zu Beginn findet eine kurze Selbstvorstellung der Lady Macbeth mit dem Vorlesen des
Briefes4 an ihren Gatten statt. Sie scheint mit ihrer Rolle als Frau des (zukünftigen) Königs nicht
zufrieden genug zu sein.
Ihre persönliche Dynamik ist als willensstark, ehrgeizig und entschlossen zu beschreiben, sie
beginnt ihren Ehemann im Laufe des Stücks mehr und mehr zu beeinflussen, bis sie an den
Punkt ankommt, wo er sich versälbstständigt und von diesem Moment an im Alleingang
intrigiert. In Macbeth sieht sie nichts anderes als einen Mann, der mehr aus seinem Handeln
machen könnte – sie beschreibt ihn als „Mann nach Größe mit vollem Ehrgeiz, braucht aber
jemanden, der ihn antreibt“5; so sieht Lady Macbeth sich gezwungen, diese Aufgabe zu
übernehmen und ihn zu beeinflussen.
Sie überzeugt ihn mit den Worten „Bist du zu feige, derselbe Mann zu sein in Tat und Mut, der
du in Wünschen bist?“6. So verletzt sie zudem Macbeths Ehre und Stolz, und übernimmt
höchstpersönlich die Planung für den Mord an Duncan:„ Lass alles andre mir“7;
„Wenn Duncan schläft, wozu so mehr des Tages starke Reise Ihn einlädt – seine beiden
Kämmerlinge will ich mit würz´gem Weine so betäuben, dass des Gehirnes Wächter, das
Gedächtnis, ein Dunst sein wird und der Vernunft Behältnis ein Dampfhelm nur.“8
Zunächst verläuft alles nach Plan, bis Lady Macbeth ihren Ehemann mit blutigen Händen und
einem Dolch, der Mordwaffe, vorfindet, den er eigentlich den betäubten Wachen in die Hände
hätte drücken sollen, um den Mord ihnen anzuhängen. Sie reagiert schnell, bringt den Dolch
zurück zum Tatort und lenkt den Verdacht somit von sich und ihrem Gatten ab.
-74
5
6
7
8
Shakespeare, William: Macbeth. - Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH 2001, S. 16
Bünsch, Iris; Hanke Michael: Erläuterungen und Dokumente. William Shakespeare Macbeth. - Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH 2004
Vgl. Shakespeare, 2001, S. 22
Vgl. Shakespeare, 2001, S. 19
Vgl. Shakespeare, 2001, S. 23
Von diesem Zeitpunkt an intrigiert Macbeth, der inzwischen König geworden ist, alleine.
Banquos Mord plant er selbst, indem er drei Mörder beauftragt diesen zu töten, und vertraut
nichts mehr seiner Frau Lady Macbeth an. Als Macbeth auf dem Bankett zur Feier seiner
Krönung Banquos Geist erblickt (nur er selbst nimmt diesen wahr) und verstört auf die Gäste
wirkt, beschönigt Lady Macbeth die Situation- „Nehmt dies, Ihr Herrn, als was Alltägliches,
nichts weiter ist´s; nur dass es uns des Abends Lust verdirbt “9, um ihrem Gatten zu helfen.
Nach und nach zeigt Lady Macbeth Reue, Rachegedanken in den Kopf ihres Mannes gesetzt zu
haben. Dies äußert sich in Folge ihrer Albträume und Schlafwandlungen. Sie wird mit ihrem
schlechten Gewissen nicht fertig, sehnt sich nach dem Guten und da sie sich keinem
anvertrauen kann und beginnt, den Verstand zu verlieren, wählt sie den Tod.
Macbeth hingegen, der eine Metamorphose in die entgegengesetzte Richtung zum Tyrannen
durchlaufen hat, meint, als er vom Tod seiner Frau erfährt, nur „ Sie hätte später sterben
können“10.
Bis zum Ende glaubt Macbeth, mit seinen Truppen Macduff besiegen zu können. Der erste Teil
der Prophezeiung durch die drei Hexen zu Beginn des Stücks erfüllt sich und Macbeth ist sich
sicher auf der Siegerseite zu sein; als Macduff ihm aber im Zweikampf offenbart, er sei nicht auf
natürlichem Wege sondern per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, ergibt sich Macbeth
nicht und wird schlussendlich von Macduff getötet.
Im Laufe der Tragödie lebt sich das Ehepaar Macbeth immer mehr auseinander und zeigt eine
gegenteilige Persönlichkeitsentwicklung: zu Beginn ist Lady Macbeth die skrupellose
Intrigantin und ihr Ehemann der Zögernde mit dem schlechten Gewissen; am Ende hingegen
wählt sie den Tod, weil sie das schlechte Gewissen plagt und Macbeth ist der rücksichtslose
Tyrann, der sich nicht einmal mehr um seine Frau kümmert.
-89 Vgl. Shakespeare, 2001, S. 50
10 Vgl. Shakespeare, 2001, S. 84
3. 1. Borderline
Nachdem ich die Charaktere Hamlet sowie das Ehepaar Macbeth auf der Basis von literarischen
Grundlagen charakterisiert habe, möchte ich im folgenden Teil die psychischen Krankheiten
Borderline, Schizophrenie und Wahnsinn auflisten und näher beschreiben. Da sich diese Arbeit
zum Ziel setzt, die Charaktere in Verbindung mit den jeweiligen Krankheiten zu analysieren,
habe ich bei den Geisteskrankheiten jeweils die allgemeine Definition sowie die wichtigsten
Symptome aufgelistet und erklärt.
3.1.1. Allgemeine Definition
Der Begriff „Borderline“ = an der Grenze (engl. on the border) wurde erstmals in den 30er
Jahren geprägt, der Zustand selbst wurde aber erst in den 70er Jahren klar definiert. Da immer
mehr Menschen wegen bestimmter Lebensprobleme eine Therapie machten, kristallisierten
sich die Parameter der Störung heraus:
Es kommt zu einem ständigen Wechsel von Gefühlen und Verhalten, es fehlt die dauerhafte
Stabilität im eigenen Erleben und im Bezug zur Außenwelt. Schon vor der Diagnose merkt der
Betroffene selbst, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Manche Borderline Patienten flüchten aus
der Realität in eine Traumwelt, was Dissoziation genannt wird. Dies kann sich so weit
entwickeln, dass die Wahrnehmung keinen Bezug mehr zur Realität aufweist.11
1884 prägte der britische Psychiater C.H. Hughes den Begriff „borderland patients“, für
Beschwerdebilder, die nicht klassifiziert werden konnten, wenn diese im Grenzbereich von
Neurose, Psychose und schweren Charakterstörungen angesiedelt waren.
1980 wurde die Borderline-Persönlichkeitsstörung in die dritte Ausgabe des „Diagnostic and
Statistical Manual“ (DSM III) der American Psychiatry Association aufgenommen, die
diagnostische Bibel der Psychiater und Psychologen. 1987 wurde in der neuen Ausgabe die
Diagnose weiterentwickelt. Verschiedene Schulen innerhalb der Psychiatrie streiten sich zwar
noch über die genaue Natur, Ursache und Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung,
aber sie wird heute offiziell als großes psychohygienisches Problem anerkannt.
-911 Schäfer, Ulrike; Rüther, Eckart; Sachsse, Ulrich: Borderline-Störungen. Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige. - Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH, 2010
Forscher wie z.B. Kernberg, Kety, Rosenthal, Gunderson und Kolb halfen dabei, die BorderlineStörung besser klassifizieren zu können, wobei je nach Ausprägung und Dauer der Störung
zwischen:
•
Borderline Syndrom und
•
Borderline-Zustand, bei kürzeren Verlaufsperioden oder „Schüben“ der jeweiligen
Symptome diagnostiziert werden
•
Borderline-Persönlichkeitsstörung, die durch eine dauerhafte Störung der Verhaltensund Erlebnisweise geprägt ist.
3.1.2. Symptome
Es sind keine eindeutigen typischen Symptome, die diese Erkrankung auslösen. Einig ist man
sich aber, es müssen viele Faktoren zusammenspielen, damit eine derartige Störung entsteht.
Allgemein kann man die Ursachen wie folgt formulieren: Belastende Ereignisse gepaart mit
einer ungünstigen Veranlagung, lassen den Patienten neben seiner Umwelt auch an sich selbst
leiden.
Folgende Faktoren müssen erfüllt sein, damit eine Borderline-Störung entsteht:
•
Umweltfaktor → Traumata in der Kindheit
•
Genetischer Faktor → Temperament
•
Wechselwirkung zwischen 1. und 2. Faktor
12
Abb. S.61
- 10 12 Schäfer, Ulrike; Rüther, Eckart; Sachsse, Ulrich: Borderline-Störungen. Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige
Abb. S. 61
Mögliche Symptomkriterien sind:
•
Störung der Gefühlsregulation (niedrige Reizschwelle, erhöhtes Erregungsniveau,
verzögerte Rückbildung), existentielle Angst, Wut
•
Spannungszustände
•
Körperwahrnehmungsstörungen (Schmerzempfindlichkeit, dissoziative Phänomene)
•
Selbstschädigendes Verhalten
•
Psychoseähnliche Symptome
•
Aggressive Durchbrüche (impulsives Verhalten)
•
Angst vor dem Alleinsein (Verlassenheitsängste)
•
Bedürfnis nach Nähe – Angst vor Nähe (→ Probleme in Partnerschaften)
•
Dissoziative Phänomene
•
Schlafstörungen (Alpträume)
Die Kriterien scheinen zusammenhängend, bei genauerer Betrachtung ist ersichtlich, dass die
Symptome miteinander verwandt sind, bzw. in einer Wechselbeziehung zueinander stehen.
Dadurch wird ein weiteres Symptom entzündet, ähnlich wie die Kolben eines
Verbrennungsmotors. 13
Je nach Alter und Geschlecht werden verschiedene neurologische Störungen in
unterschiedlicher Ausprägung beobachtet. Einige davon sind möglicherweise erblich z.B. :
Lernschwäche, Hyperaktivität, Epilepsie, usw. Ungeklärt ist noch, ob Borderline-Persönlichkeit
durch die Eltern-Kind-Interaktion weitergegeben wird oder auf genetischem Weg. Die
Diskussion über die genetische Übertragung dieser Erkrankung wird immer noch fortgesetzt,
dass aber viele Kinder von Borderline-Müttern unter derselben Störung leiden, ist schon seit
langem bekannt. Bei jungen Erwachsenen, sowie auch bei älteren Menschen wurden
Borderline-Persönlichkeitsstörungen am häufigsten diagnostiziert.
Weibliche Borderline-Patientinnen übertreffen zahlenmäßig die männlichen bei einer
statistischen Untersuchung im Verhältnis 2:1. Über die Gründe wird noch geforscht, bzw. gibt
es verschiedenste Theorien.
- 11 13 Kreisman, J. Jerold; Straus, Hal: Ich hasse dich – verlass mich nicht: Die schwarzweiße Welt der Borderline-Persönlichkeit. - München:
Kösel, 1992
3. 2. Schizophrenie
3.2.1. Allgemeine Definition
Der Begriff Schizophrenie bezeichnet eine Persönlichkeitsspaltung. 14 Dies ist eine
Geisteskrankheit, bei der die seelischen Zusammenhänge von Denken, Wollen und Fühlen
durcheinandergeraten.
Schizophrenie gehört zu der Gruppe von Erkrankungen der endogenen Psychosen
(Krankheitsbild, das eine seelische Ursache hat – von Innen entstehend). „Psychose“ ist ein
Sammelbegriff für psychische Störungen und wird wie Schizophrenie durch das Kernsyndrom –
Wahn, Sinnestäuschung und Denkstörung – charakterisiert.
Man unterscheidet positive Symptome, wie z.B. Wahn, Sinnestäuschungen oder
Halluzinationen. Es sind psychopathologische Phänomene, die zu den normalen Abläufen
hinzutreten.
Unter negativen (oder Minus) Symptomen werden Minderungen oder Verlangsamungen
normaler Leistungen verstanden, z.B. von Initiative, Spontanität, Sprache und Bewegung.
3.2.2. Symptome
Beginnend mit dem psychotischen Symptom der Sinnestäuschung als häufigste Form ist das
Hören menschlicher Stimmen, seltener beim Sehen – wie Halluzinationen. Am Höhepunkt der
Psychose ist oft das Bewusstsein von Krankheit, die Einsicht in die Irrealität einzelner
krankhafter Erlebnisse, nicht mehr vorhanden.
In Zusammenhang mit Denkstörungen unterscheidet man zwischen subjektiven und objektiven
Störungsmustern.
Subjektive Störungsmuster sind z.B. unerwartete, kurzfristige Unterbrechungen des
Gedankenvorganges, des Eindrucks, fremde Gedanken denken zu müssen oder eigene
Gedanken beeinflusst oder entwendet zu bekommen bis zur Überzeugung, die eigenen
Gedanken könnten die Gedanken anderer bestimmen oder von Freunden mitgedacht werden.
- 12 14 Häfner, Heinz: Schizophrenie. Erkennen, Verstehen, Behandeln. - München: Verlag C.H. Beck, 2010
Unter objektiven Denkstörungen versteht man einen Mangel an vernünftigem Zusammenhang
des Denkens – der „determinierenden“ Tendenz – und der grammatikalischen Gestaltung, z.B.
Dauerreden, Ideenfluch, Zerfahrenheit oder im Extremfall, der „Wortsalat“.
Im Erlebnisbereich kommt es oft zur Isolation aus der gemeinsamen Welt von Wahrnehmung,
Einsicht und Kommunikation.
Daher ist die Verunsicherung von schizophrenen Patienten verständlich, vor allem in der
ersten psychotischen Episode, nach längerem Bestehen der Symptome sind sie zu keiner
realistischen Kommunikation und rationalen Alltagsbewältigung mehr fähig.
Die Forschung der letzten zwei Jahrzehnte – weg von der Kernsymptomatik – zeigt
Schizophrenie meist mit depressiver Verstimmung (Depression) Angst und Unruhe, es folgen
negative Symptome und funktionelle Beeinträchtigungen, bis die ersten psychotischen
Symptome auftreten.
Schizophrene Erkrankungen und psychotische Symptome sind auf mehrere Ursachen
zurückzuführen:
•
frühe Faktoren, die als Einfluss auf die Hirnentwicklung, nahe der Geburt die
Disposition zum Krankheitsrisiko erhöhen (Veranlagung oder Vulnerabilität)
•
Faktoren, die eine bestehende Veranlagung im Laufe der Entwicklung verstärken
•
Faktoren, die zur Auslösung der ersten Episode führen
•
Faktoren, die zur Auslösung von Rückfällen führen können
Bei den zusätzlichen Risiken unterscheidet man zwischen genetisch-familiäre und
Umweltfaktoren.
Erstere bilden das häufigste Risiko, es steigt mit Nähe des Verwandtschaftsgrades.
Schizophrenie wird nicht durch ein Hauptgen weitergegeben (nicht nach Mendelschen
Gesetzen), sondern Genvarianten mit geringen Effekten, als auch seltene Genvarianten mit
größeren Effekten in unbekannter Zahl zur Entstehung der Schizophrenie beitragen.
- 13 -
Missbrauch von Canabis, Kokain, Haluzinogenen (LSD, Meskalin,etc.) oder Amphetaminen
(Partydrogen) fällt unter den Bereich Risikofaktoren. Der autonome Verlauf kann auch in eine
schizophrene Erkrankung münden und teilweise zur Negativsymptomatik – darunter versteht
man die Verminderung der sozialen Stellung, Selbstvernachlässigung und sozialer Abstieg zu
Verstärkung der negativen Folgen von Krankheit und Substanzmissbrauch führen.
Es gibt viele Hypothesen über mögliche Ursachen der Schizophrenie, z.B. Stress. Psychische
oder biologische Überforderung kann zur kritischen Entgleisungen der psychologischen und
der physiologischen Bewältigungsmechanismen und so zum Zusammenbruch mentaler
Funktionen in Gestalt der Psychose kommen.
- 14 -
3. 3. Wahnsinn/ Wahnhafte Störungen
3.3.1. Allgemeines15:
Der Begriff Wahn bezeichnet keine bestimmte Krankheit, sondern ein Symptom, eine
Erlebniswelt. Wahnphänomen, Wahnerlebnis und Wahnstörung sind Synonyme für das Wort
Wahn.
Es ist schwierig, eine eindeutige Definition zu finden, dafür kann man Merkmale des Wahns
benennen. In der Psychiatrie wird der Wahn unter folgenden Begriffen diskutiert:
Offensichtliche Verkehrtheit bzw. Unmöglichkeit des Inhaltes, befremdliche Überzeugung
bzw. Realitätsferne. Besonders auffällig sind Ich-Bezug und das Bedeutungsbewusstsein. Was
im Wahn erlebt wird, gilt für die eigene Person und hat für diese eine besondere Bedeutung.
Kriterien für den Wahn sind aufgrund der Beschreibung der Wahnthematik
•
subjektive Gewissheit (hohe subjektive Evidenz)
•
Unwiderlegbarkeit (Unkorrigierbarkeit)
•
der Betroffene hält es nicht für notwendig, seinen Wahn zu beweisen
Bei der Erklärung von wahnhaften Störungen geht es um Inhalte des Wahns. Was im Wahn
vorkommt, auf welche Themen sich das wahnhafte Erleben erstreckt, beruht auf dem
menschlichen Erleben und kann eine Wahnvorstellung auslösen. Oft sind mehrere
Wahnthemen zu erkennen.
3.3.2. Symptome
Jede Wahnthematik ist einer Krankheit zuzuordnen:
•
Beziehungs-, Liebes-, Eigengeruchs- und Querulantenwahn sind die häufigsten
Wahninhalte bei wahnhafter Störung (Paranoia), sie kommen aber auch bei anderen
Psychosen vor.
•
Eifersuchtswahn tritt typischerweise, aber nicht ausschließlich bei chronischem
Alkoholismus auf.
- 15 15 Tölle, Rainer: Wahn. Krankheit. Geschichte. Literatur. - Stuttgart: Schattauer Verlag, 2008
•
Schuld-, Armuts-, Krankheits-, Kleinheits- und nihilistischer Wahn sind Symptome der
melancholischen Depression.
Die meisten Wahnthemen sind nicht auf eine Krankheit beschränkt, sondern in verschiedenen
Zusammenhängen anzutreffen.
Bei Schizophrenen gibt es praktisch alle denkbaren Wahninhalte.
Wahnhafte Störungen lassen sich in folgende Untergruppen einteilen:
Beziehungswahn
Ein Vorgang in der Umgebung der Kranken lässt sie glauben, alles geschehe nur ihretwegen.
Wie der Kranke den Vorgang wahrnimmt, hat dieser eine besondere Bedeutung nur für ihn
selbst, und zwar nur für ihn. Der Beziehungswahn steht oft am Anfang einer
Wahrnehmungserkrankung, später können Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn
hinzukommen.
Beeinträchtigungswahn
Diese Art von Wahn entwickelt sich, wenn der Kranke bestimmte Vorgänge in seiner
Umgebung auf sich, gegen sich gerichtet, bezieht. Dies tritt besonders häufig bei älteren (z.B.
dementen) Menschen auf.
Verfolgungswahn
Was um den Kranken herum geschieht, wird als Bedrohung und Verfolgung angesehen. Der
Patient empfindet ein unheimliches Gefühl, dass etwas gegen ihn im Gange ist
(=Wahnspannung). Als Folge glaubt der Kranke z.B. an eine Verschwörung bis zu
Vernichtungsaktionen gegen ihn. Dafür werden unterschiedliche Methoden und Mittel
genannt: Giftgase, elektrischer Strom oder gesundheitsschädigende Strahlungen.
Der Kranke sieht sich als außergewöhnlicher Mensch, weshalb in seiner Umgebung viel
Geheimnisvolles geschehe. Verfolgungswahn kann mit Größenwahn parallel verlaufen, aber
auch noch den Strafwahn hervorrufen.
- 16 -
Die Ausnahme, dass er Schuld an etwas sei und dafür auch noch bestraft werden müsse, kommt
oft vor. Wehrt sich der Kranke aber dagegen, kann dies im weiteren Verlauf noch
Querulationswahn hervorrufen.
Liebeswahn (griech. EROTOMANIE)
Unter Liebeswahn versteht man einen Beziehungswahn mit erotischem Inhalt; dies findet sich
häufiger bei Frauen als bei Männern. Die Kranke ist überzeugt, von einem höhergestellten, oft
bekannten Mann geliebt zu werden. Dass er sich nicht mit ihr zeigt, liegt an seiner beruflichen
oder familiären Stellung. Im Liebeswahn sind die Patienten meist sehr glücklich, manchmal
fühlen sie sich aber auch schuldig, z.B. verheiratete Frauen.
Eifersuchtswahn (Othello-Syndrom)
Der Kranke ist unbeirrbar von der Untreue seiner Partnerin überzeugt. Hiervon sind Männer 23mal öfter betroffen als Frauen. Da sich dieser Wahn früher gegen Ehefrau bzw. Ehemann
richtete, sprach man vom Wahn ehrlicher Untreue. Heute sind die Inhalte wegen der
verschiedenen familiären Bindungen (z.B. Patchwork-Family) anders. Indizien, wie langes
Ausbleiben beim Einkaufen, unordentliche Frisur und Kleidung bei der Rückkehr, usw. lassen
den Kranken sich mehr mit sogenannten Verfehlungen der Partnerin beschäftigen. Bei dieser
Wahnart ist es besonders schwer zu unterscheiden, was bei den Erzählungen des Patienten
realen Vorkommnissen entspricht und was wahnhaft ist.
Krankheitswahn
Der hypochondristische Wahn oder Krankheitswahn ist eine wahnhafte Überzeugung schwer
und unheilbar krank zu sein, ohne dass es Hoffnung gäbe. Auch bei Erklärung normaler
medizinischer Befunde besteht der Patient auf seiner schweren oder nicht feststellbaren
inneren Krankheit.
Wichtig ist die Unterscheidung zur hypochondrischen Störung – hier auch Fehlhaltung oder
Einstellung genannt – eine weitverbreitete Störung, die eine neurotische Erkrankung ist.
Ähnlich ist der Dysmorphe Wahn, welcher auch als körperdysmorpher Wahn (=psychotische
Erkrankung) bezeichnet wird.
- 17 -
Der Patient ist felsenfest überzeugt missgestaltet zu sein und es sei so eindeutig, dass auch
andere Menschen ihn dergleichen wahrnehmen würden. Häufig betroffen sind das Gesicht
oder die Genitalien, auch die Extremitäten.
Die Patienten wollen nur eine operative Korrektur, keine anderen Behandlungsmöglichkeiten,
Psychotherapie ist auch annehmbar. Die Entstehung dieses Wahns beruht auf früheren
Persönlichkeitsstörungen, der Verlauf ist meist chronisch.
Es gibt noch weitere Wahn-Arten, die nicht so weit verbreitet oder speziell sind.
- 18 -
4. 1. Psychologische Analyse der Figur des Hamlet
Nach Auflistung und Beschreibung von Symptomen der Krankheiten Borderline, Schizophrenie
sowie Wahnsinn und den zu Beginn zu findenden Charakteranalysen habe ich nun die
Möglichkeit, diese zwei Teile der Vorwissenschaftlichen Arbeit zu kombinieren bzw. in
Verbindung zu stellen und somit die Anhaltspunkte der Krankheiten mit den Charakterzügen
und Eigenschaften der Protagonisten zu vereinen und gegenüberzustellen.
Zurückführend auf die in den vorigen Kapiteln angegebenen Symptome kann man aus der
Figur des Hamlet auf die beiden Krankheiten Borderline und Schizophrenie schließen.
Hamlet zeigt Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, welche vor allem seine
Verhaltens- und Erlebnisweise prägen. Medizinisch gesehen spielen bei dieser Störung mehrere
Faktoren zusammen: die Ereignisse, die sich in seiner Umgebung abspielen, sowie eine
ungünstige Veranlagung.
Sichtlich am meisten getroffen hat Hamlet der Tod seines Vaters. Dass unmittelbar danach
seine Mutter auch noch seinen Onkel Claudius geheiratet hat und dieser somit auch zum neuen
König geworden ist, macht Hamlet schwer zu schaffen. Ob bei ihm der Umweltfaktor in Bezug
auf die drei Faktoren, die vorhanden sein müssen, damit eine Borderline-Persönlichkeitsstörung
entsteht, erfüllt ist (=Traumata in der Kindheit), kann man aus Shakespeares Tragödie nicht
herauslesen. Sehr wohl hat er aber ein heftiges Temperament, was in diesem Fall den
Genetischen Faktor der Borderline-Persönlichkeitsstörung erfüllt.
Weitere mögliche Symptomkriterien für Hamlets Persönlichkeitstörung sind:
Seine Störung in der Gefühlsregulation
Für Hamlet war sein Vater ein Held, ein Mann zu dem er aufgesehen hat. Nachdem er mit dem
vermeintlichen Geist des Vaters gesprochen hat, ist es, als wäre seine Welt durcheinander
geraten; er beginnt Rachegedanken zu entwickeln, daraus entspringen demnach seine Ideen,
Claudius als Mörder zu entlarven; nebenbei schlägt er sich mit existentieller Angst herum, da er
jedem in seinem Umfeld misstraut.
- 19 -
Zusätzlich hat er noch mit dem Konflikt zu kämpfen, alles für den Mord an seinem Onkel
Claudius vorzubereiten; da er aber zu Beginn eher ein friedliebender Mensch ist, der viel
nachdenkt und wenig zu Taten schreitet, ist dies auch eine Überwindung für ihn.
Spannungszustände
Hamlet steht unter ständigem Druck, sich selbst nicht zu entlarven und bei seinem Plan, den
Tod des Vaters ans Licht zu bringen, auf keinen Fall zu versagen. Stellt er sich verrückt, hat er
die Möglichkeit die Wahrheit über den Todeshergang des Vaters ans Licht zu bringen, ohne
dabei darauf wirklich festgelegt zu sein.
Er spielt seine Rolle auch sehr gut, weiß, sein Gegenüber auf perfide Weise zu manipulieren
und seine Sprache sehr aussagekräftig einzusetzen. Daraus resultiert ein noch stärkerer
Konflikt, den er mit sich selbst zu bewältigen hat.
Psychoseähnliche Symptome
Halluzination und das Hören der Stimme seines verstorbenen Vaters, welche Hamlet
beeinflusst und Befehle erteilt, die er schlussendlich ausführt; als auch die vollkommene
Überzeugung von Dingen, die nicht wahr sein können, wie z.B. die Vorstellung, dass alle in
Hamlets Umfeld sich gemeinsam gegen ihn verschwören und dass er niemandem mehr trauen
kann.
Durchbrüche in aggressiver Form
Durch den Tod von Ophelia gerät Hamlet in einen wilden Streit mit Laertes, duelliert sich sogar
und verwundet ihn tödlich; danach befiehlt er wutentbrannt Claudius den vergifteten
Siegestrunk, der eigentlich für Hamlet bzw. Laertes bestimmt war, zu leeren.
Bedürfnis sowie Angst vor Nähe
Einerseits liebt er Ophelia, andererseits isoliert er sich im Laufe der Tragödie immer mehr von
ihr und weist sie schlussendlich auch zurück, nachdem er erkannt hat, dass sie ihn auf Befehl
von Laertes und Polonius ausspioniert hat.
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Das Muster der Geisteskrankheit Schizophrenie deckt ebenfalls einige Punkte in Hamlets
Zustand ab: er vermischt Gefühle mit plötzlichem (für die anderen unerklärlichen) Tatendrang
und seinem persönlichen Denken.
Durch den Tod des Vaters und der schnellen Heirat seiner Mutter unmittelbar danach scheint
Hamlets Gefühlswelt durcheinandergeraten zu sein. Er kann bzw. will sich nicht damit
abfinden seinen Onkel Claudius nun als Stiefvater zu haben und entwickelt gleichzeitig einen
enormen Hass auf seine Mutter.
Als er mit dem vermeintlichen Geist seines toten Vaters spricht, scheint es, als wäre dies kein
Geist bzw. keine Person, sondern vielmehr er, Hamlet, selbst, jedoch in einer anderen
Persönlichkeit. Diese Krankheit ist bei Hamlet sichtbar und beginnt bei ihm mit dem Hören
menschlicher Stimmen, hier zusammenhängend sogar mit einer Halluzination. Sein neues Ich
ist nichts weiter als eine Maske, um alle Personen in seinem Umfeld, eingeschlossen seine
Jugendfreunde Rosenkranz und Güldenstern zu täuschen und für seine Zwecke zu
manipulieren.
Weiters zeigt Hamlets Persönlichkeit ein subjektives Störungsmuster, da sich durch die
Konversation mit dem Geist zeigt, dass Hamlets Gedanken scheinbar beeinflusst werden, er mit
voller Überzeugung seinem Tatendrang folgt sowie im Laufe der Tragödie immer mehr das
Gefühl hat, die Personen in seinem Umfeld wissen alles über seine Gedanken bzw. erkennen
diese.
Hamlet isoliert sich aus der gemeinsamen Welt von vor allem Einsicht und Wahrnehmung. Er
erkennt nicht mehr, was richtig und falsch ist, geschweige denn, wie er am besten handeln
könnte, ohne dass Kollateralschäden (wie z.B. Ophelias Selbstmord) enstehen.
Er vollzieht auch einen sozialen Abstieg, zwar hat er seine engsten Verbündeten um sich,
allgemein kann man jedoch sagen, dass er im Auge des Hofstaates durch die Vortäuschung eines
labilen Geisteszustandes keinen sehr guten Stand mehr hat.
Shakespeare zeigt mit seinem wohl bekanntesten Werk, dass auch in gehobeneren
Gesellschaften (hier am Beispiel des Adels) ein Leben voller Lügen, Intrigen und Mord nicht
anstrebenswert ist. Auch ist zu erkennen, dass der Mensch selbst als eigenständiges Individuum
geschaffen ist, jedoch durch seine Umwelt stark beeinflussbar ist und somit ebenfalls viel
Negatives in die Welt bringt.
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Die Tragödie zeigt auch, dass ein Leben unter diesen Umständen nicht gut ausgehen kann,
sondern mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Katastrophe endet und Kollateralschäden
entstehen, vielleicht sogar ohne diese eingeplant zu haben.
Als einziger der Hauptcharaktere überlebt Hamlets bester Freund Horatio – nun, er hält sich im
Laufe des Werkes eher im Hintergrund und nimmt nicht so viel Anteil an dem Leben des Adels
– so scheint es gar nicht mehr so unwahrscheinlich, wieso er als einer der wenigen überlebt hat.
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4. 2. Psychologische Analyse der Figuren Macbeth und Lady
Macbeth
In Zusammenhang mit psychischen Krankheiten lassen sich bei dem Ehepaar Macbeth Muster
von Wahnhaften Störungen sowie einzelne Anzeichen von Psychopathie erkennen.
Wenn man sich näher mit dem Charakter der Lady Macbeth beschäftigt, erkennt man, dass sie
vor allem anfangs von starkem Ehrgeiz geprägt ist, sie versucht alles und plant Intrigen, wie sie
ihren Gatten, der scheinbar (noch) nicht im Alleingang dieselben Absichten verfolgt wie sie,
manipulieren kann.
Zu Beginn der Tragödie nimmt Lady Macbeth die dominante Rolle in der Beziehung zu ihrem
Gatten ein, am Ende ist es hingegen Macbeth, der die bestimmende Position einnimmt.
Weiters ist zu bemerken, dass Zuneigung am Anfang der Beziehung eine Rolle spielt, im
Verlauf des Stückes verschwindet sie und wird durch gleiche Ziele ersetzt, wohingegen sie am
Ende endgültig auseinanderbricht, da sich beide nur auf ihr Ziel fokussiert haben und alles
andere immer unwichtiger wird.
Ihr Ziel ist es zusammen mit Macbeth das neue Königspaar zu werden, hierfür sind ihr alle
Mittel recht. Neben Skrupellosigkeit und enormer Brutalität sind bei ihr auch einige
Wahnthemen zu erkennen.
Beziehungswahn
Lady Macbeth hat nicht sonderlich viel Vertrauen in ihren Gatten, ist die dominante Person in
dieser Beziehung und denkt dass alles, was sie im Alleingang macht, nur ihretwegen geschehe
und es ihr alleiniger Verdienst ist, dass Macbeth schlussendlich als König auf dem Thron sitzt.
Verfolgungswahn
Der Verfolgungswahn läuft bei Lady Macbeth parallel mit dem Größenwahn, sie will mehr sein
bzw. erreichen, als es ihr momentaner Stand erlaubt; sie sieht sich selbst als
außergewöhnlichen Menschen, der dazu bestimmt ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen
und erfolgreich umzusetzen.
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Auffallend ist Lady Macbeths dominanter Werdegang, angefangen von überholtem Eifer und
sofortigen Mordgedanken nach Lesen des Briefes über die Prophezeiung, wo sie die Gedanken
keinesfalls unterdrückt, sondern ihnen viel mehr freien Lauf lässt um sie auszuführen; bis hin
zu ihrem starken Ich-Bezug, der Wichtigkeit ihrer Person sowie dem Bedeutungsbewusstsein
und, für den Leser auffallend, ihrer immer weiteren Realitätsentfernung.
Sie spielt überhaupt nicht mit den Gedanken, dass der Mord an Duncan schiefgehen könnte,
geschweige denn die Konsequenzen, die sie und ihr Gatte dadurch zu tragen haben.
Durch Anrufen der Hexen wird Lady Macbeth zu einer gewissenslosen Bestie („Kommt Geister,
die ihr lauscht auf Mordgedanken, und entweibt mich hier; Füllt mich vom Wirbel bis zur
Zeh´, randvoll, Mit wilder Grausamkeit“)16
Nachdem sie das Verbrechen durchgeführt hat, scheint sie wieder menschlicher zu werden, da
sie ab diesem Zeitpunkt in den Hintergrund tritt, in Folge ihrer Verzweiflung stirbt und ihrem
Gatten das Spielfeld überlässt.
Im Gegensatz zu Lady Macbeth, die sich am Ende der Tragödie wieder halbwegs besinnt, geht
die Transformation bei ihrem Ehemann genau in die entgegengesetzte Richtung.
Anfangs scheint er loyal, tapfer und ein geschickter Kommandant zu sein, der aufgrund seines
kriegerischen Geschicks seiner Armee zum Sieg gegen Rebellen und Norweger verholfen hat; in
der Mitte des Stückes wird er schon hinterhältiger, skrupelloser und lebt in ständiger Angst
(Paranoia) und am Ende befindet er sich in der Situation isoliert, vollkommen brutal und ohne
Lebensmut zu sein. Zudem hat er auch immer ein Ziel vor Augen und allgemein keine Skrupel,
alle ihm möglichen Mittel dafür einzusetzen.
Wie auch Lady Macbeth lebt er einen Größenwahn, der durch die Prophezeiung der drei
Hexen sowie durch die Antriebskraft seiner Frau aktiviert wird. Macbeth würde es eher
bevorzugen, dass sein Schicksal über den weiteren Verlauf seines Lebens entscheiden würde,
und genau diese Schwäche in Form von Antriebslosigkeit gibt seiner Frau erst die Möglichkeit,
ihren Gatten nach ihren eigenen Vorstellungen zu manipulieren.
- 24 16 Vgl.Shakespeare 2001, S. 17 (1. Aufzug, 5. Szene)
Auch Macbeth lebt fern der Realität, seine ausgeprägte Vorstellungskraft ist enorm, er hegt
auch erste Mordgedanken und denkt, seine Persönlichkeit sei die Wichtigste.
Ähnlich wie Hamlet durch die Konversation mit dem Geist ist auch Macbeth durch seine Frau
leicht beeinflussbar, vor allem scheint er allem Übernatürlichen und Realitätsfremden
aufgeschlossen zu sein. Jedoch gerät er durch den ersten Mord, den er gemeinsam mit seiner
Frau vollbracht hat, in einen Teufelskreis, wobei er weiter mordet, um immer mehr zu
vertuschen. Auch zeigt Macbeth einige Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung:
Störung der Gefühlsregulation
Er besitzt eine niedrige Reizschwelle, vollkommene Wut und Brutalität sowie existentielle
Angst, jederzeit auffliegen zu können. Auch die Gefühlslage in der Beziehung zu seiner Frau
ändert sich im Verlauf der Tragödie: anfangs scheint er noch etwas für sie zu empfinden, wie es
in einer gewöhnlichen Partnerschaft bzw. Ehe üblich ist; nach dem Mord an König Duncan
entfernt und isoliert er sich immer mehr von Lady Macbeth, weiht sie nicht mehr in seine
Pläne ein und ist am Ende nicht einmal gerührt, dass sie Selbstmord begangen hat; sondern eher
amüsiert.
Spannungszustände
Seit dem ersten Mord an Duncan und durch weitere Morde hält auch bei ihm der
Spannungszustand an, er sieht sich gezwungen, durch weitere Morde alle seine Verbrechen und
Taten zu vertuschen und ohne sich etwas anmerken zu lassen weiterleben zu können. Dennoch
hat er in gewisser Weise Angst, dass die Entschlossenheit, zu der er durch die Manipulation und
das Einreden seiner Frau gelangt ist, nicht lange anhält und er vor Lady Macbeth als
unmännlich dasteht.
Aggressive Durchbrüche
Macbeths aggressive Durchbrüche sind bemerkbar durch sein zum Teil sehr impulsives
Verhalten, welches sich im Laufe der Tragödie immer mehr steigert. Ein wichtiger
Wendepunkt ist der Mord an Duncan, es zeigt die Transformation von Macbeth zu Beginn bis
zum Ende sehr gut.
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Er verliert durch diese Untat jegliches Gefühl für Reue und Schuld, sein Herz wird
gewissermaßen zu Stein da er zu der Erkenntnis kommt, dass es ab diesem Zeitpunkt kein
zurück mehr gibt. Er lässt ohne Nachzudenken jeden töten, der seine Position als König
gefährden könnte.
Dissoziative Phänomene
Er hat zunehmend Wahnvorstellungen und das Gefühl von einer mysteriösen und
übernatürlichen Kraft heimgesucht zu werden (Abweichung vom Normalen). Als er ein
Bankett zur Feier seiner Krönung gibt, sieht er den Geist des toten Banquos auf seinen Thron
Platz nehmen, er verhält sich auffallend verstörend und zieht die negative Aufmerksamkeit
der Gesellschaft auf sich, da nur er als einziger den Geist Banquos wahrnehmen kann und es
somit für alle Außenstehenden scheint, der König fürchte sich vor einem leeren Stuhl.
Lady Macbeth versucht daraufhin die Situation zu retten und beschönigt das Verhalten ihres
Mannes mit dem Argument, es sei eine erbliche und harmlose Familienkrankheit. Als sich der
Vorfall jedoch wiederholt entschließt sie sich, die Feier abzubrechen und die geladene
Gesellschaft heimzuschicken.
Anhand dieses Werkes von William Shakespeare kann man als Leser den Schluss ziehen, dass,
ähnlich wie bei Hamlet, Übermut und Größenwahnsinn nie gut endet. Im Falle des Ehepaares
Macbeth macht es die Kombination beider Charaktere zusammen aus. Sie stehen zu Beginn der
Tragödie an verschiedenen Ausgangspunkten, verfolgen aber ein gemeinsames Ziel und
entwickeln sich im Laufe des Werkes beide weiter, aber in entgegengesetzte Richtungen und
ohne dass es dem jeweils anderen wirklich bewusst ist.
Anfangs ist Lady Macbeth die dominante in der Beziehung und ihr Gatte das Gegenteil, das auf
ihre Wünsche bzw. Pläne eingeht und dem nachgibt. Am Ende hingegen kann Lady Macbeth
mit der Situation, die sie allein zu Beginn geschaffen hat und Schuld daran trägt, nicht mehr
umgehen und flüchtet sich in den Tod. Nun ist aber Macbeth derjenige, dem es egal und
gleichgültig ist bzw. der ohne mit der Wimper zu zucken alle ihm gebotenen Mittel zum Zweck
nutzt, um sein Ziel zu erreichen.
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Vor lauter Übermut verliert er die Kleinigkeiten aus den Augen, die der Schlüssel zum Erfolg
sind und bezahlt schlussendlich auch mit seinem eigenen Leben den Preis für alles, was er
geschaffen und angerichtet hat.
Durch seine Taten brachte er Chaos in die göttliche Ordnung, seine Versuche dies wieder ins
Gleichgewicht zu bringen schlugen fehl und die Strafe (bzw. Rache) die er am meisten
gefürchtet hat, hat ihn tatsächlich heimgesucht.
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5. Schlusswort
Abschließend kann man anhand dieser Vorwissenschaftlichen Arbeit erkennen, dass hinter
Shakespeares Werken wohl mehr als nur Schilderungen und Erzählungen rund um gewisse
Personen und ihre Beziehungen zueinander stecken.
Durch sorgfältiges Recherchieren sowie Analysieren der geschilderten Situationen in
Shakespeares Tragödien lassen sich die Charaktere Hamlet und das Ehepaar Macbeth mit den
Krankheiten Schizophrenie/ Borderline sowie Wahnsinn/ Psychopathie verbinden.
In Bezug auf Hamlet merkt man als Leser seine Absichten schon zu Beginn, die sich wie ein
roter Faden durch die Tragödie ziehen. Sie sind geschickt eingefädelt, er überlegt sein Handeln
genau und benutzt eigentlich auch abnormale Mittel zum Zweck (Vortäuschen einer
Geisteskrankheit). Leider entwickeln sich infolge seines Planes auch Kollateralschäden, der Tod
Ophelias sowie der Kampf zwischen ihm und Laertes.
Hinsichtlich des Ehepaares Macbeth hingegen ist es zu Beginn ein bisschen unklarer, was Lady
Macbeth mit ihrem Plan erreichen will. Nach und nach kommt man aber dahinter, dass sie
ihren Ehemann unterbewusst beeinflussen will, um ihn zum neuen König und sie somit zur
Königin zu machen. Dass sich infolge ihres Handelns die Dinge verselbstständigen, damit hätte
sie nie gerechnet. Macbeth durchwandert eine Transformation zum grausamen Tyrann,
dementsprechend begeht Lady Macbeth schlussendlich Suizid, da sie nichts mehr unter
Kontrolle hat.
Man sieht, einige 100 Jahre später haben sich gewisse Charakterzüge der Menschen nicht
geändert, so bleiben diese Werke in gewisser Weise auch heute noch aktuell bzw. kann man sie
in die heutige Zeit transferieren.
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6. Quellen- und Literaturverzeichnis
Asendorpf, J.B.: Psychologie der Persönlichkeit. - Springer Verlag, 1993
Bünsch, Iris; Hanke Michael: Erläuterungen und Dokumente. William Shakespeare Macbeth. Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH, 2004
Häfner, Heinz: Schizophrenie. Erkennen, Verstehen, Behandeln. - München: Verlag C.H. Beck,
2010
Kreisman, J. Jerold; Straus, Hal: Ich hasse dich – verlass mich nicht: Die schwarzweiße Welt der
Borderline-Persönlichkeit. - München: Kösel, 1992
Neis, Edgar: Erläuterungen zu William Shakespeare: Hamlet – Königserläuterungen und
Materialien. - Bange Verlag, 1983
Rahn, Ewald: Borderline. Verstehen und bewältigen. - BALANCE Buch und Medienverlag,
2007
Schäfer, Ulrike; Rüther, Eckart; Sachsse, Ulrich: Borderline-Störungen. Ein Ratgeber für
Betroffene und Angehörige. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht GmbH, 2010
Shakespeare, William: Hamlet. - Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH, 2001
Shakespeare, William: Macbeth. - Stuttgart: Philipp Reclam jun. GmbH 2001
Timm, Norbert: Königs Erläuterungen. William Shakespeare Hamlet. -Hollfeld: Bange Verlag
GmbH 2012
Tölle, Rainer: Wahn. Krankheit. Geschichte. Literatur. - Stuttgart: Schattauer Verlag, 2008
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7. Eigenständigkeitserklärung
Name: Heidi Pichelmann, Klasse 8B, Jahrgang 2015/16
Ich erkläre, dass ich diese vorwissenschaftliche Arbeit eigenständig angefertigt und nur die im
Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Heidi Pichelmann
10.02.2016
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Unterschrift
Datum
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