FÜTTERUNG Brauchen tragende Sauen mehr Energie? Zahlt es sich aus, die tragenden Sauen energiereicher zu füttern? Dr. Hermann Lindermayer und Günther Probstmeier von der LfL Grub sind der Frage auf den Grund gegangen. Der Versuch sollte zeigen, ob eine höhere Energieversorgung in der Trächtigkeit zu besseren Sauenleistungen beitragen kann. S20 top agrar 12/2006 D ie Energieversorgung tragender Sauen wird in der Praxis kontrovers diskutiert. Die Anhänger der rationierten Fütterung erstreben mittlere Konditionsklassen bei den Sauen, um reibungslose Geburten und einen hohen Futterverzehr in der Säugephase zu erzielen. Die Befürworter von sehr gut konditionierten Sauen beobachten hingegen mehr Ruhe im Wartestall und erhoffen sich schwerere Ferkel mit besseren Leis- tungen während der Aufzuchtphase. Doch welche Strategie bringt unter dem Strich die besten Ergebnisse? Um die Frage zu beantworten, wurde am bayerischen Versuchsgut Osterseeon ein zweijähriger Fütterungsversuch mit einer unterschiedlichen Energieversorgung bei den tragenden Sauen durchgeführt. Hierbei wurden die Leistungen der 100 erSauenherde (DE x DL) in insgesamt 369 Abferkelungen ausgewertet. Übersicht 1: Normal gefütterte Sauen fressen mehr Säugefutter 90 Energieaufnahme/Tag (MJME) 30 80 25 70 Gewichtsverluste, kg Tragefutter-Menge hoch normal 20 60 15 50 10 40 Tragefutter-Menge hoch normal 30 20 Übersicht 2: Schwere Sauen verlieren in der Säugezeit mehr Gewicht 1 2 3 4 5 0 1 Säugewoche Vor allem im zweiten Teil der Säugephase war die Futteraufnahme der höher konditionierten Sauen geringer. Normale Versorgung contra Luxuskonsum Für den Versuch wurde die Sauenherde in zwei Gruppen unterteilt: ■ In Gruppe 1 erfolgte eine normale Energieversorgung entsprechend der neuen DLG-Empfehlung. Bis zum 80. Trächtigkeitstag erhielten die Sauen 28 MJ ME, in der Hochträchtigkeit 33 MJ ME/Tag. ■ In der Gruppe 2 wurde die Energieversorgung um 12 % erhöht. Die niedertragenden Sauen erhielten 33 MJ ME, die hochträchtigen Tiere 38 MJ ME/Tag. In beiden Sauengruppen wurde dasselbe Tragefutter vorgelegt. Das eingesetzte Futter wies einen Energiegehalt von 11,6 MJ ME je kg auf und enthielt 2 3 Wurfnummer 4 >4 Die höhere Energieversorgung in der Trächtigkeit führte bei den älteren Sauen zu kritischen Gewichtsverlusten im Abferkelstall. 0,6 % Lysin sowie 6,5 % Rohfaser. Um die angestrebte Energieversorgung zu erzielen, wurde die Tagesfuttermenge in der zweiten Gruppe angehoben. In der Säugephase wurden beide Gruppen ad libitum gefüttert. Schwere Sauen fressen weniger Säugefutter Bei den Auswertungen wurde zunächst die Futteraufnahme in der Säugezeit beurteilt. Denn sie entscheidet über die Milchleistung und die Gewichtsverluste der säugenden Sauen. Im Versuch nahmen die in der Tragezeit normal gefütterten Sauen im Mittel 3 % mehr Säugefutter auf, was einem Plus von 140 g je Tag entspricht. Übersicht 1 zeigt, dass die normal gefütterten Sauen vor allem im zweiten Teil der Säugephase deutlich mehr Futter aufnahmen. Besonders positiv machte sich die normale Fütterung in der Tragephase bei den Jungsauen bemerkbar. Sie konnten in der Säugephase sogar eine 12 % höhere Futteraufnahme erzielen. Die Vorteile der normalen Energieversorgung in der Tragezeit spiegeln sich auch in den Gewichtsverlusten der Sauen während der Säugezeit wider. Vor der Geburt der Ferkel brachten die Sauen mit der erhöhten Tragefuttermenge im Mittel 9 kg mehr Gewicht auf die Waage und wiesen 1 mm mehr Rückenspeckdicke auf. Doch die schwereren Sauen ver- top agrar 12/2006 S 21 FÜTTERUNG Die höher konditionierten Sauen nahmen in der Säugephase weniger Futter auf. Fotos: Heil Übersicht 3: Die Sauenleistungen im Vergleich Sauenleistungen Geborene Ferkel/Wurf Abgesetzte Ferkel/Wurf Geburtsgewicht, kg Absetzgewicht, kg Wurf-Zuwachs / Tag, kg Ferkelverluste, % Tragefutter-Menge normal hoch 11,5 10,2 1,53 7,7 2,3 7,9 10,6 9,9 1,52 7,9 2,3 9,5 Die normal gefütterten Sauen gebaren im Mittel fast ein Ferkel je Wurf mehr. Übersicht 4: Steigende Kosten bei hoher Tragefutter-Menge Menge / Sau und Jahr Futterverbrauch, kg Stickstoff-Anfall, kg P2O5-Anfall, kg Futterkosten, E Tragefutter-Menge normal hoch 981 14,2 11,7 167,6 1067 15,7 13,1 180,9 Differenz 86 1,5 1,4 13,3 Durch die höhere Energiezufuhr in der Trächtigkeit steigen die Futterkosten um mehr als 13 E je Sau und Jahr an. loren in der Säugezeit mit durchschnittlich 20 kg deutlich mehr Körpergewicht als die normal gefütterten Tiere, bei denen die Gewichtsverluste nur bei gut 17 kg lagen. Übersicht 2 zeigt, dass besonders bei den schwereren Sauen mit mehr als zwei Würfen kritische Gewichtsverluste von über 20 kg auftraten. Die während der Tragezeit stärker gefütterten Sauen verloren im vierten Wurf im Mittel sogar knapp 26 kg an Gewicht. Derart hohe Gewichtsverluste können die Gesundheit der Sauen stark gefährden. Mehr Ferkel bei normal gefütterten Sauen Bei den Ferkelzahlen hatten die normal gefütterten Muttertiere ebenfalls die Nase vorn. Sie gebaren mit 11,5 Ferkeln fast ein Ferkel pro Wurf mehr als die Sauen mit erhöhter Tragefutter-Menge (siehe Übersicht 3). Dass beide Sauengruppen dennoch nahezu gleich viele Ferkel absetzten, ist auf den intensiven Wurfausgleich zwischen den beiden Gruppen zurückzuführen. Auch bei den Geburtsgewichten gab es eine Ernüchterung für die Befürworter einer erhöhten Energiemenge während der Trächtigkeit. So konnte die erhoffte Steigerung der Ferkelgewichte nicht er- S22 top agrar 12/2006 reicht werden. Sowohl bei den Geburtsals auch bei den Absetzgewichten lagen beide Gruppen gleichauf. Bei den hoch versorgten Sauen traten mit 9,5 % sogar höhere Saugferkelverluste als bei den normal gefüttern Sauen (7,9 %) auf. Auch schieden bei der höher konditionierten Gruppe etwa 6 % mehr Sauen vorzeitig aus der Produktion aus. Allerdings spielt bei den vorzeitigen Sauenabgängen auch die subjektive Einschätzung des Betriebsleiters eine wichtige Rolle. Zum Abschluss der Praxisuntersuchung wurden die Futterverbräuche und Kosten der Fütterungsstrategien verglichen. Übersicht 4 zeigt, dass die Sauen mit erhöhter Tragefutter-Menge im Jahr insgesamt 86 kg Futter mehr verbraucht haben. Auch die Stickstoff- und Phosphorausscheidungen fallen rund 10 % höher aus. Bei einem 200er-Sauenbetrieb ergibt sich damit für den Ausgleich der Phosphorbilanz ein zusätzlicher Bedarf von 5 ha Güllefläche. Höhere Futterkosten bei hoch versorgten Sauen Der höhere Futterverbrauch der hoch versorgten Sauen schlägt sich auch in den Futterkosten nieder. So fallen unter dem Strich bei der stärker gefütterten Gruppe gut 13 E je Sau und Jahr höhere Futterkosten an. Bei einem Betrieb mit 200 Sauen sind das Mehrkosten von über -fs2 600 E pro Jahr. Wir halten fest In der Praxis wird oft eine höhere Energieversorgung tragender Sauen diskutiert, um die Ferkelzahlen und Geburtsgewichte zu steigern. Im Versuch konnte dieser Zusammenhang nicht bestätigt werden. Im Gegenteil: Die höher versorgten Sauen gebaren sogar weniger Ferkel als die „normal“ gefütterten Tiere. Auch bei den Geburts- und Absetzgewichten brachte die höhere Futtermenge in der Tragezeit keine Vorteile. Die höher konditionierten Sauen nahmen weniger Säugefutter auf und wiesen höhere Gewichtsverluste auf. Unter dem Strich führte die höhere Tragefutter-Menge zu höheren Futterkosten, brachte aber keine besseren Leistungen. Bei modernen Kreuzungssauen scheint somit die in den neuen DLG-Empfehlungen genannte Energieverversorgung für tragende Sauen die besten Leistungen zu bringen.