Lösungs- skizze C 454 BW 23.09.2013 1. Frage: Erfolgsaussichten

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Lösungsskizze
Anspruch einer politischen Partei auf Benutzung einer öffentlichen
Einrichtung der Gemeinde; Regelungsanordnung gemäß § 123
Abs. 1 S. 2 VwGO
C 454 BW
23.09.2013
1. Frage: Erfolgsaussichten einer Klage der P-Partei (Kreisverband)
A. Zulässigkeit
I. Verwaltungsrechtsweg (+), da § 10 Abs. 2 GemO und § 5 ParteiG als streitentscheidende Normen
als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind
II. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage
III. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen der Verpflichtungsklage gemäß §§ 42 Abs. 2, 68 ff. VwGO
1. Klagebefugnis (+) nach Möglichkeitstheorie
2. Vorverfahren
3. Klagefrist
4. Klagegegner, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
IV. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen, insbesondere Beteiligungsfähigkeit
1. P-Partei (Kreisverband) ist beteiligtenfähig gemäß § 61 Nr. 2 VwGO (h.M.)
2. Stadt S ist beteiligtenfähig gemäß § 61 Nr. 1 VwGO
B. Begründetheit
I. Passivlegitimation: Gemeinde als Rechtsträger des Bürgermeisters (Stadtverwaltung)
II. Anspruch aus § 10 Abs. 2 GemO
1. Saal ist öffentliche Einrichtung der Gemeinde
2. P-Partei ist anspruchsberechtigt gemäß § 10 Abs. 4 GemO
3. Angestrebte Nutzung im Rahmen des geltenden Rechts
a) Widmungszweck gemäß § 1 der Satzung ist eingehalten
b) § 4 der Satzung (Benutzungsordnung) steht Nutzung nicht entgegen, da eng auszulegen
c) Kein Verstoß gegen StGB durch P-Partei ersichtlich
d) Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
e) Kein Angebot eines kleineren Saales
f) Etwaige verfassungsfeindliche Ziele der P-Partei sind wegen Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG irrelevant
4. Rechtsfolge: Anspruch auf Benutzung des Saales; § 3 der Satzung verstößt gegen § 10 Abs. 2
GemO
II. § 5 ParteiG ist nach h.M. keine Anspruchsgrundlage auf erstmalige Zulassung
2. Frage: Was kann P-Partei zwei Wochen vor dem Veranstaltungstermin unternehmen?
Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO
I. Zulässigkeit
1. Verwaltungsrechtsweg
2. Statthaftigkeit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO
3. Antragsbefugnis
4. Richtiger Antragsgegner
5. Beteiligungsfähigkeit
6. Allg. Rechtsschutzbedürfnis
II. Begründetheit
1. Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO
2. Voraussetzungen
a) Regelungsanspruch
b) Regelungsgrund, wenn sofortige Entscheidung nötig
aa) Erfolgsaussicht in der Hauptsache
bb) Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung ist unzumutbar wegen Fristablaufes
Rechtsfolge: VG wird Anordnung erlassen, dass Bürgermeister (Stadtdirektor) von S
vorläufige Zulassung gewährt
3. Frage: Zwangsmöglichkeiten der P-Partei
I. Vollstreckung
1. Titel gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 1, 2 VwGO
2. Durchführung gemäß § 172 VwGO
3. Evtl. weitere einstweilige Anordnung und Vollstreckung gemäß § 167 VwGO, § 888 ZPO
II. Anregung an Kommunalaufsicht, gemäß §§ 121 ff. GemO vorzugehen
Klausuren für das 1. Examen
C 454 BW Lösung
Die Stadthalle im Bundestagswahlkampf
23.09.2013 Hans-Gerd Pieper / Claudia Molière
Schwerpunkte: Verwaltungsrecht AT und Kommunalrecht
Anspruch einer politischen Partei auf Benutzung einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde
Ausgestaltung und mögliche Einschränkungen des Anspruchs
Bedeutung und Wirksamkeit der Benutzungsordnung
Prozessuale Durchsetzung des Anspruchs durch Verpflichtungsklage, einstweilige Anordnung und Vollstreckung
Ersatzvornahme
§§ 61, 123, 167, 168, 172 VwGO
§§ 10, 121 ff. GemO
§ 5 ParteiG
Art. 3 Abs. 1, 21 Abs. 2 S. 2 GG
1. Frage: Hätte eine gerichtliche Klage der P-Partei Aussicht auf Erfolg?
A. Es könnte eine verwaltungsgerichtliche Klage zulässig sein.
I. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges kann sich aus § 40 Abs. 1 VwGO ergeben.
Dann müsste es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handeln. Da die P-Partei einen
Anspruch auf Benutzung der Stadthalle geltend macht, richtet sich die Rechtsnatur der Streitigkeit nach der Rechtsnatur der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage. Hier kommen
als Anspruchsgrundlagen § 10 Abs. 2 GemO, § 5 ParteiG und möglicherweise auch die städtische Satzung in Betracht. Sämtliche Vorschriften sind öffentlich-rechtlicher Natur. § 10 Abs. 2
GemO richtet sich ebenso wie § 5 ParteiG ausschließlich und notwendig gegen einen Träger
öffentlicher Gewalt und gehört daher zum öffentlichen Recht.4 Die Satzung ist schon kraft ihrer Rechtsform öffentlich-rechtlicher Natur; ferner spricht die Verweisung auf die städtische
Gebührenordnung für eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des gesamten Rechtsverhältnisses. Unerheblich ist, dass die P-Partei beantragt hat, ihr die Stadthalle „zu vermieten“. An
die darin liegende – falsche – rechtliche Qualifikation ist das Gericht nicht gebunden. Somit
handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Verwaltungsrechtsweg
zulässig ist.
II. Der Klageart nach handelt es sich um eine Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO), wenn die
P-Partei einen Verwaltungsakt erstrebt (§ 35 LVwVfG). VA könnte die Entscheidung über die
Gewährung der Benutzung sein. Diese ist eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts (vgl. oben I.). Eine behördliche Maßnahme hat dann den weiterhin erforderlichen Regelungscharakter, wenn sie nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Hier liegt die Regelung in der Entscheidung über die Rechtsgewährung.5 Die Maßnahme ist auch auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, da
sie sich gezielt an ein außerhalb der Verwaltung stehendes Rechtssubjekt wendet. Die Maß1
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Satzung statt AGB, Entgelt nach GebO; zur Kritik an der 2-Stufen-Theorie und zum öffentlich-rechtlichen Einheitsmodell vgl. Schmidt-Aßmann, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 1. Abschn. Rdnr. 109–113 m.w.N.
nach BVerwG NVwZ 1991, 59 – im Anschluss an BVerwG NVwZ 1990, 754.
Vgl. auch BVerwG NJW 1990, 134.
Erichsen Jura 1986, 196 m.w.N.; ders., Kommunalrecht , § 10 G 2 = S. 245; OVG Münster NJW 1976, 820, 821;
BVerwGE 31, 368 und 32, 333; ablehnend OVG Koblenz DÖV 1986, 153.
Unstr. bei Ablehnung, vgl. Meyer/Borgs, LVwVfG, § 35 Rdnr. 40; Martens JuS 1979, 416 m.w.N.
Anmerkung:
Eine Abgrenzung nach den
Grundsätzen der 2-StufenTheorie war hier nicht
möglich, weil die Stadt
auch das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich
ausgestaltet hat.1 Die
gegen eine Gemeinde
(bzw. ihre handelnde
Behörde) gerichtete, auf
Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung abzielende Klage stellt auch dann
eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit dar, wenn die
Gemeinde die öffentliche
Einrichtung durch eine juristische Person des Privatrechts betreiben lässt;2 der
Verwaltungsrechtsweg ist
jedoch dann grds. nicht eröffnet, wenn die Klage gegen die die gemeindliche
Einrichtung betreibende
juristische Person des
Privatrechts selbst gerichtet ist.3
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nahme betrifft schließlich auch einen Einzelfall, nämlich die Gewährung einer einmaligen,
konkreten Benutzung der Halle gegenüber einem individuell bezeichneten Adressaten. Damit ist die Verpflichtungsklage die richtige Klageart.
III. Es müssen die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der Verpflichtungsklage gemäß
§§ 42 Abs. 2, 68 ff. VwGO erfüllt sein.
1. Die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO setzt voraus, dass der geltend gemachte eigene Anspruch auf eine Norm gestützt wird, die für den Kläger ein subjektiv-öffentliches Recht
enthält. Ein solches Recht ergibt sich hier aus § 10 Abs. 2 GemO sowie aus § 5 ParteiG.
2. Das nach § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VwGO erforderliche Vorverfahren ist durchzuführen.
3. Die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 2 und 1 S. 1 Nr. 1 VwGO ist einzuhalten.
4. Die Klage ist gegen die Stadt S zu richten (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
IV. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen, insbesondere Beteiligungsfähigkeit
1. Der Kreisverband der P-Partei ist beteiligungsfähig als Kläger gemäß § 61 Nr. 2 VwGO, da
es nach h.M. wegen der Formulierung „soweit“ in § 61 Nr. 2 VwGO für die Beteiligungsfähigkeit nur darauf ankommt, ob das im Verfahren geltend gemachte Recht der Vereinigung
überhaupt zustehen kann. Nicht maßgeblich ist dagegen, ob die Vereinigung generell Zuordnungssubjekt von irgendwelchen Rechten (rechtsfähig) sein kann.6
2. Die Stadt S ist als juristische Person beteiligungsfähig gemäß § 61 Nr. 1 VwGO, für sie handelt der Bürgermeister (§ 63 Abs. 1 S. 1 GemO).
Damit ist die verwaltungsgerichtliche Klage zulässig.
B. Die Verpflichtungsklage ist begründet, soweit die P-Partei einen Anspruch auf Zulassung
zur Benutzung der Stadthalle hat (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
I. Anspruchsgrundlage kann § 10 Abs. 2 GemO sein. Danach muss (1) eine öffentliche Einrichtung vorliegen, (2) der Anspruchsteller Einwohner der Gemeinde sein oder die Voraussetzungen der Absätze 3 oder 4 erfüllen und (3) eine Benutzung im Rahmen des geltenden Rechts
erstrebt werden.
1. Voraussetzung ist zunächst, dass eine gemeindliche öffentliche Einrichtung vorliegt. Das
ist der Fall, wenn eine zweckorientierte Sachgesamtheit (u.U. auch mit personalem Bestand)
vorhanden ist, die in der Sachherrschaft der Gemeinde steht und die der Öffentlichkeit durch
ausdrücklichen Widmungsakt oder durch konkludentes Verhalten zur Benutzung zur Verfügung gestellt ist.7 Im vorliegenden Fall ist die Stadthalle durch Satzung förmlich gewidmet
worden und ist damit eine öffentliche Einrichtung der Stadt S.
Anmerkung:
Zum Teil wird vertreten,
dass der durch § 10 Abs. 4
GemO eingeräumte
Rechtsanspruch Parteigliederungen mit Sitz im Gemeindegebiet grundsätzlich nur dann zusteht,
wenn es sich um Veranstaltungen mit örtlichem
Einzugsbereich handelt.
2. Der Anspruchsteller muss Einwohner der Gemeinde sein. Gleichgestellt sind nach § 10
Abs. 4 GemO Personenvereinigungen, zu denen hier der Kreisverband der P-Partei gehört.
Wie erforderlich hat der Kreisverband seinen Sitz in der Stadt S und steht daher einem Einwohner der Stadt S gleich.
3. Die angestrebte Benutzung darf nur „im Rahmen des geltenden Rechts“ gewährt werden.
Diese Voraussetzung drückt aus, dass der Anspruch auf Zugang ein bloßer Teilhabeanspruch
ist und somit insbesondere durch den durch die Widmung vorgegebenen Einrichtungszweck
begrenzt wird.8
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Redeker/vOertzen, VwGO, § 61 Rdnr. 4; Kopp/Schenke, VwGO, § 61 Rdnr. 8, speziell für den Kreisverband einer
Partei hinsichtlich der Benutzung gemeindeeigener Räume für eine Parteiveranstaltung: § 61 Rdnr. 9; BVerwGE
32, 334; a.A. wegen § 3 ParteiG: OLG Frankfurt DÖV 1985, 78.
BVerwG NJW 1990, 134; OVG Münster NJW 1976, 820, 821; Rehn/ Cronauge, GemO , § 10 Anm. I 3; näher Erichsen
Jura 1986, 148 ff.; ders., KommunalR § 10 A–D = S. 235 ff.
Vollmer DVBl. 1989, 1090; Lässig NVwZ 1983, 18, 20; Bethge NVwZ 1983, 577, 580; VGH München DVBl. 1985,
904, 905.
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a) In erster Linie kommt es auf die Widmung an. Diese kann Beschränkungen enthalten, und
zwar bei Stadthallen nach Art, Zahl und Größe der Veranstaltungen.14
aa) Im vorliegenden Fall ergibt sich der Widmungszweck zunächst aus § 1 der Satzung. Danach sind politische Veranstaltungen, zu denen Wahlkampfveranstaltungen gehören, zulässig. Dem entspricht auch die Verwaltungspraxis in den letzten Jahren.
bb) Eine Einschränkung könnte sich aber aus dem Beschluss der „Fraktionen“ ergeben, der
wohl als Ratsbeschluss anzusehen ist. Grundsätzlich ist es möglich, von vornherein und auch
noch nachträglich die Zweckbestimmung einzuschränken und beispielsweise Wahlkampfveranstaltungen auszuklammern.15 Hier spricht aber gegen eine Einschränkung der Widmung
zunächst, dass § 1 der Satzung nicht geändert wurde. Ferner lautet der Beschluss dahin, dass
der Bürgermeister nur „aufgefordert“ wird, die Stadthalle nicht mehr zu Wahlkampfveranstaltungen freizugeben. Somit liegt weder nach dem Wortlaut noch nach der gewählten Form eine Widmungsänderung vor. Davon sind die Fraktionen offenbar auch selbst ausgegangen,
da andernfalls ihr Verzicht auf die Inanspruchnahme der Stadthalle zu Wahlkampfveranstaltungen überflüssig wäre. Zwar ist noch an eine Umwidmung durch den Bürgermeister zu
denken; aber auch insoweit ist zu bedenken, dass § 1 der Satzung bislang nicht geändert
wurde. Somit ergibt sich der Widmungszweck nach wie vor aus § 1 der Satzung; danach sind
Wahlveranstaltungen möglich.
b) Zu dem die Benutzung möglicherweise einschränkenden Recht gehört auch eine (wirksame) Benutzungsordnung.16 Im vorliegenden Fall kommt § 4 der Satzung als Einschränkung in
Betracht.
aa) Dann müsste § 4 der Satzung gültig sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Vorschrift gegen
höherrangiges Recht verstößt (§ 4 Abs. 1 GemO). Als solches kommt § 10 Abs. 2 GemO selbst
in Betracht, denn das Verhältnis zwischen § 10 Abs. 2 GemO und der Benutzungsordnung ist
nicht in der Weise einseitig zu bestimmen, dass die BenutzungsO Voraussetzungen und
Rechtsfolgen des Zulassungsanspruches beliebig einschränken könnte. Deshalb muss die BenutzungsO ihrerseits das durch § 10 Abs. 2 GemO grundsätzlich eingeräumte Benutzungsrecht respektieren und ist im Lichte dieser Vorschrift auszulegen.17
Erhebliche Bedenken bestehen dagegen bei § 4 der Satzung, auch die von Dritten, politischen Gegnern, ausgehenden Störungen und Gewalttätigkeiten als Ablehnungsgrund anzuführen. „Würde man ein solches Verhalten billigen, so würde dies letztlich dazu führen, dass
sich die Gewährung von Rechten nicht nach Recht und Gesetz richten würde, sondern von
dem Verhalten von Rechtsbrechern abhängig wäre ...“.18 Vielmehr ist in einem solchen Fall die
Polizei verpflichtet, die Versammlung zu schützen (§§ 1, 3 PolG). Andererseits wäre es lebensfremd, den Fall einfach außer Betracht zu lassen, dass die Polizei tatsächlich nicht genügend
einschreiten kann. Deshalb hat das BVerwG19 eine Verweigerung der Benutzung „bei ernster
Gefahr und der Unmöglichkeit, Schäden auf andere Weise abzuwehren“, also in Anwendung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zugelassen. Es muss also eine Situation zu prognostizieren sein, die der des polizeilichen Notstandes (§ 9 PolG) entspräche.20 Da ein solches Verständnis noch mit dem Wortsinn des § 4 der Satzung vereinbar ist, braucht man diese Vor-
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So VGH Mannheim NVwZ-RR 1988, 44.
Vgl. Püttner/Lingemann JA 1984, 124.
So VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 135 für § 10 GemO Ba-Wü.
VGH Mannheim a.a.O.
Püttner/Lingemann a.a.O.; vgl. auch OVG Saarlouis NVwZ-RR 2009, 533, 534 f.
OVG Münster DÖV 1984, 946.
Ossenbühl DVBl. 1973, 296.
Erichsen, KommunalR § 10 G 3 = S. 248.
Vgl. auch OLG Bamberg NJW 1975, 1787; Erichsen a.a.O.
Bad-Württ VGH DÖV 1968, 179, 181; OVG Münster DVBl. 1968, 845 f.; Ossenbühl DVBl. 1973, 297.
BVerwGE 32, 333, 337.
OVG Münster DVBl. 1968, 846; OVG Lüneburg NJW 1985, 2347, 2349.
Begründet wird diese Ansicht damit, dass die öffentlichen Einrichtungen
der Gemeinde nur Gemeindeeinwohnern vorbehalten würden; außerdem
ordne § 10 Abs. 4 GemO
nur eine entsprechende
Anwendung des § 10 Abs.
2 GemO an.9
Diese Auffassung führt hier
zu keinem anderen Ergebnis, da die Nutznießer und
Besucher der geplanten
Veranstaltung aus der
Stadt S kommen werden,
also der örtliche Bezug insoweit gewahrt wäre. Es ist
aber grundsätzlich anzumerken, dass dieser Ansicht nicht gefolgt werden
kann. Zum einen liefe sie
darauf hinaus, dass überörtliche politische Veranstaltungen, vor allem Landes- oder Bundesparteitage, erheblich behindert
würden.10 Zum anderen ist
es Sinn und Zweck des
§ 10 Abs. 4 GemO, den
Rechtsanspruch des § 10
Abs. 2 GemO all jenen juristischen Personen und Personenvereinigungen zu
gewährleisten, die eine
dem Einwohnerstatus vergleichbare Stellung aufweisen.11 Deshalb kann allein der Sitz der juristischen Person oder Personenvereinigung maßgeblich sein, nicht aber etwa
die Mitgliederstruktur der
Vereinigung12 oder der Besucherkreis bzw. der Kreis
der Nutznießer der geplanten Veranstaltung.13 Wird
die Zulassung durch die
Mitglieder des jeweiligen
Orts- bzw. Kreisverbandes
erstrebt, so kann also die
Überörtlichkeit der Veranstaltung dem Anspruch
nicht entgegenstehen.
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schrift nicht für ungültig zu halten, sondern kann sie in der bezeichneten Weise einengend
auslegen.21
bb) Im vorliegenden Fall lässt sich nicht feststellen, dass eine derart schwerwiegende Gefahr
vorliegt. Da es sich bei der P-Partei nur um eine kleine Partei handelt, werden auch die von
der Veranstaltung ausgehenden Gefahren nicht ein solches Ausmaß erreichen, dass die Polizei dagegen machtlos wäre.22 Im Übrigen können Schäden durch Haftpflichtversicherung
(oder Sicherheitsleistung) abgedeckt werden, zumal die P-Partei sich dazu bereit erklärt.23
c) Benutzungsbeschränkungen können sich auch aus sonstigen Vorschriften ergeben. Eine
Stadtverwaltung darf nicht durch die Gestattung der Benutzung der Stadthalle strafbaren
Handlungen Vorschub leisten.24 Dass der Vorsitzende der P-Partei aber etwa strafbare Beleidigungen aussprechen würde, wird von der Stadtverwaltung nicht behauptet. Dass er möglicherweise verfassungsfeindliche Äußerungen abgibt, reicht für eine Vorenthaltung der Nutzung nicht aus.25 Das ergibt sich zunächst aus dem formalen Gesichtspunkt, dass die P-Partei
nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG, §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG verboten ist; ferner aber auch
daraus, dass anderenfalls die Gestattung der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung leicht
zu einer Prämie für politisches Wohlverhalten werden könnte. Somit ergibt sich aus dem Inhalt der beabsichtigten Veranstaltung kein Ablehnungsgrund.26
d) Der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit den anderen Parteien kann das Benutzungsrecht der P-Partei nicht beeinträchtigen. Weder über § 5 ParteiG noch über Art. 3 GG kann das
Verhalten anderer Berechtigter – hier der CDU, SPD, FDP – zu einer Einschränkung des Rechts
der P-Partei führen. Denn die genannten Vorschriften gewähren ja gerade auch der P-Partei
Rechte und können nicht umgekehrt zum Nachteil der P-Partei angewandt werden.
e) Ferner lässt sich eine Ablehnung auch nicht damit rechtfertigen, dass der Saal für die P-Partei zu groß sei. Grundsätzlich handelt es sich bei der Frage, ob die P-Partei eine Wahlkampfveranstaltung in einem halbleeren Saal riskieren will, um eine von ihr selbst zu entscheidende
Zweckmäßigkeitserwägung. Anders könnte es allenfalls dann sein, wenn die Stadt S der
P-Partei stattdessen einen kleineren Saal anbieten würde, was hier aber nicht der Fall ist.
f) Schließlich lässt sich eine Ablehnung auch nicht mit der Erwägung begründen, die P-Partei
verfolge verfassungsfeindliche Ziele. Nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG entscheidet allein das BVerfG
über die Verfassungswidrigkeit einer Partei.27 Damit hat das GG die politischen Parteien wegen ihrer Sonderstellung im Verfassungsleben gegenüber den sonstigen Vereinigungen und
Verbänden privilegiert und mit einer erhöhten Schutz- und Bestandsgarantie ausgestattet.
Durch das Entscheidungsmonopol des BVerfG ist ein verwaltungsbehördliches Einschreiten
gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin ausgeschlossen, auch wenn sie sich
gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhält.28 Auch
die Gemeinden müssen respektieren, dass das GG die Gefahr, die in der Tätigkeit einer Partei
bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit besteht, um der politischen Freiheit willen in
Kauf nimmt.29
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Vgl. auch VGH Kassel NJW 1986, 2660, 2661.
Vgl. zu der in diesem Falle erforderlichen Prognoseentscheidung Ossenbühl DVBl. 1973, 297 m.w.N.
Vgl. VGH Mannheim DVBl. 1990, 828, wonach der Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung bei gefahr- oder
schadensgeneigten Veranstaltungen davon abhängig gemacht werden darf, dass der Veranstalter die Haftung
für Schäden übernimmt, die Dritte – insbesondere Gegendemonstranten – anlässlich der Veranstaltung an Gebäude und Inventar der Einrichtung verursachen. Zu der Frage, ob das Nutzungsrecht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden darf, vgl. OVG Münster NVwZ-RR 1991, 508, 509 m.w.N.
Ossenbühl DVBl. 1973, 300; ebenso BVerfGE 47, 198 bezüglich der Ausstrahlung von Rundfunk-, einschließlich
Fernsehsendungen.
BVerfGE a.a.O., LS 4 bezüglich Rundfunk-, einschließlich Fernsehsendungen; Ossenbühl a.a.O.; OVG Lüneburg
NJW 1978, 1939.
Vgl. auch BVerfG DVBl. 1978, 338.
Zum Parteiverbotsverfahren vor dem BVerfG vgl. Schlaich/Korioth, Das BVerfG, Rdnr. 329 ff.
BVerfGE 47, 228.
BVerwG NJW 1990, 134, 135; OVG Münster NVwZ-RR 1991, 508, 509; VGH Kassel NJW 1986, 2660, 2661.
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Ergebnis zu 3.: Die von der P-Partei erstrebte Benutzung hält sich im Rahmen des geltenden
Rechts.
4. Nach seiner Rechtsfolge gibt § 10 Abs. 2 GemO einen Anspruch auf Benutzung. Allerdings
bestimmt hier § 3 der Satzung, dass die Entscheidung über die Benutzung im Ermessen der
Stadtverwaltung steht. Diese Regelung verstößt aber gegen § 10 Abs. 2 GemO und ist daher
nichtig.30
Ergebnis: Der Zulassungsanspruch der P-Partei ist nach § 10 Abs. 2 GemO gerechtfertigt.
II. § 5 ParteiG ist nach h.M. keine selbstständige Anspruchsgrundlage.31 Diese Vorschrift geht
davon aus, dass ein Träger öffentlicher Gewalt Einrichtungen zur Verfügung stellt und
„schreibt nur vor, dass nach Erfüllung dieser Voraussetzung die Parteien gleich zu behandeln
sind, dass und wie der Umfang der Gewährung nach der Bedeutung der Parteien abgestuft
werden kann und dass während eines Wahlkampfes hieran nicht beteiligte Parteien übergangen werden können. § 5 ParteiG begründet mithin nicht die Verpflichtung der Gemeinden
zur Vergabe von Räumen, sondern regelt nur die Anwendung des Gleichheitssatzes, wenn
sich eine solche Verpflichtung aus anderen Umständen oder Vorschriften ergibt“.32 Im vorliegenden Fall kommt es weder auf die Gleichbehandlung an – die P-Partei verlangt die Stadthalle, obwohl sie von den anderen Parteien nicht in Anspruch genommen wird – noch auf
Umfang und Abstufung der Gewährung noch auf Ausschluss einer am Wahlkampf nicht beteiligten Partei. Somit greift § 5 ParteiG nicht ein.33
Ergebnis zu Frage 1: Eine Verpflichtungsklage hätte Aussicht auf Erfolg.
2. Frage: Was kann die P-Partei zwei Wochen vor dem Veranstaltungstermin unternehmen?
Die P-Partei könnte beim Verwaltungsgericht der Hauptsache einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO stellen.
I. Zulässigkeit des Antrags
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
2. Der Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist statthaft, weil die P-Partei in der Hauptsache Verpflichtungsklage und keine Anfechtungsklage erheben muss (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
3. Die P-Partei (Kreisverband) als Antragstellerin ist antragsbefugt, wenn sie in der Hauptsache gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist.
Durch die Ablehnung des Benutzungsanspruches ist eine Verletzung der subjektiv-öffentlichen Rechte der P-Partei (Kreisverband) aus § 10 Abs. 2 GemO möglich, sodass diese antragsbefugt ist.
4. Antragsgegner ist die Stadt S gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
5. Die Beteiligungsfähigkeit der P-Partei (Kreisverband) ergibt sich aus § 61 Nr. 2 VwGO analog (s. oben).
6. Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis
für den Antrag.
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Ossenbühl DVBl. 1973, 295 m.w.N. FN 67 f.
BVerwGE 32, 333; 47, 280, 286; BVerwG NJW 1990, 134, 135; NJW 1991, 938; OVG Münster NVwZ-RR 1991, 508;
VGH Mannheim NJW 1979, 1844; Ossenbühl DVBl. 1973, 295; Dietlein Jura 2002, 445, 450 m.w.N. auch auf die
Gegenmeinung.
BVerwGE a.a.O., S. 336.
Zu Einzelheiten vgl. auch OVG Münster DVBl. 1983, 338; BVerfG DVBl. 1983, 339; Friedrich/Marczyk JA 1983 (Ü)
S. 4.
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C 454 BW
a) Die Antragstellerin hat erfolglos den Anspruch auf Benutzung der Stadthalle geltend gemacht.
b) Das Hauptsacheverfahren ist nicht offensichtlich unzulässig.
II. Begründetheit des Antrags
1. Nach h.M. ist zunächst zu klären, ob für den Antragsteller eine Sicherungsanordnung
(§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) oder eine Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) in Betracht
zu ziehen ist.34
a) Eine Sicherungsanordnung kommt in Betracht, wenn der Antragsteller ein bereits bestehendes subjektiv-öffentliches Recht (der „status quo“) gegen eine Veränderung durch Hoheitsträger oder Private (z.B. Bauherr) sichern will.
b) Bei der Regelungsanordnung geht es um die einstweilige Regelung eines Rechtsverhältnisses, dessen Bestehen oder Nichtbestehen vom Anspruchsgegner bestritten wird oder um
eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition bzw. Leistung, die dem Antragsteller vom Antragsgegner verweigert wurde.35
c) Im vorliegenden Fall kommt eine Regelungsanordnung in Betracht, da der Antragsgegner
den Erlass eines begünstigenden VA ablehnt.36
2. Eine Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO glaubhaft gemacht ist.
a) Ein Regelungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller ein subjektiv-öffentliches
Recht auf eine hoheitliche Leistung oder ein Rechtsverhältnis glaubhaft macht, dessen Bestehen oder Nichtbestehen vom Antragsgegner bestritten wird (vgl. auch § 123 Abs. 3 VwGO,
§ 920 Abs. 2 ZPO); diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da der Bürgermeister von S einen Benutzungsanspruch bestreitet.
b) Ein Regelungsgrund liegt vor, wenn eine Regelung zur Abwendung von Nachteilen für
den Antragsteller nötig ist. Das ist unter folgenden Voraussetzungen der Fall:
Anmerkung:
Uneinheitlich ist der Standort der Prüfung. Teilweise
wird die Interessenabwägung als Frage des Anordnungsgrundes („nötig“)
angesehen,37 andere nehmen die Abwägung erst im
Rahmen des Ermessens auf
der Rechtsfolgenseite
vor.38
aa) Die Klage in der Hauptsache muss Aussicht auf Erfolg haben. Das ist, wie bereits oben geprüft, der Fall.
bb) Streitig ist, ob es darüber hinaus einer von den Erfolgsaussichten unabhängigen Interessenabwägung bedarf.39 Dafür spricht, dass auch im Fall des offenkundigen Erfolges in der
Hauptsache für eine Regelungsanordnung i.S.d. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO nur dann eine Notwendigkeit besteht, wenn dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann, das Obsiegen in
der Hauptsache abzuwarten.40
Daher ist erforderlich, dass das private Interesse an sofortiger Regelung das öffentliche Interesse, bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine Regelung zu treffen, überwiegt. Das ist in
der Regel dann der Fall, wenn es dem Antragsteller nicht zumutbar ist, erst eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hier zu bejahen, da es für die P-Partei in der Kürze der Zeit nicht möglich sein wird, ihren Anspruch im Hauptsacheverfahren durchzusetzen
und nach der Wahl kein Interesse an der Benutzung mehr besteht.
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Vgl. Kopp/Schenke § 123 Rdnr. 6 m.w.N.; a.A. OVG Münster NJW 1982, 2517; Wahrendorf JA Übbl. (Ref.) 1991, 13,
14; nach Erichsen Jura 1984, 644, 646 ist die Abgrenzung bereits bei der Statthaftigkeit des Antrags in der Zulässigkeit vorzunehmen.
Vgl. auch Bosch/Schmidt, Praktische Einführung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren, §§ 56–58 mit zahlreichen Beispielen.
Dietlein Jura 2002, 445, 453.
Erichsen Jura 1984, 644, 652.
Vgl. Kopp/Schenke § 123 Rdnr. 28, 29.
Zum Streit vgl. Papier JA 1979, 646, 648; Erichsen Jura 1984, 644, 652; einschränkend BVerfG DVBl. 1989, 36, 38;
krit. Wahrendorf JA Übbl. (Ref.) 1991, 13, 15; dagegen Stern JuS 1981, 343, 346; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, § 58 Rdnr. 12.
Vgl. Papier a.a.O.
C 454 BW
–7–
Das VG wird daher eine Regelungsanordnung erlassen, hat jedoch Ermessen bei der inhaltlichen Gestaltung (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 938 ZPO). Ermessensgrenze ist dabei insbesondere
das Verbot, die Hauptsache, d.h. eine endgültige Entscheidung, vorwegzunehmen.41
(1) Da der Antragsgegner hier zu einer vorläufigen Zulassung verpflichtet werden soll, könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vorwegnahmeverbotes vorliegen, sodass eine Regelungsanordnung gemäß dem Antrag der P-Partei (Kreisverband) ausscheiden müsste.
(2) Wenn aber die Gewährung des effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) nur
durch die Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung möglich ist und durch die Verweigerung der begehrten Leistung für den Antragsteller unzumutbare Nachteile entstehen würden, ist eine Vorwegnahme ausnahmsweise zulässig.42
Diese Ausnahmevoraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, sodass eine Regelungsanordnung mit dem Inhalt ergeht, dass der Bürgermeister von S die Zulassung auszusprechen
hat.
Ergebnis zu Frage 2: Das VG wird im Wege einstweiliger Anordnung der Stadt S aufgeben,
der P-Partei die Stadthalle zum gewünschten Termin zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen
des nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 ZPO zustehenden Ermessens kann das Gericht auch nähere Auflagen machen, etwa der P-Partei den Abschluss einer zusätzlichen Versicherung aufgeben. Im Ergebnis wird die einstweilige Anordnung jedenfalls Erfolg haben.
3. Frage: Kann die P-Partei nach Erlass einer für sie günstigen gerichtlichen Entscheidung die Stadt S zwingen, ihr die Stadthalle zur Verfügung zu stellen?
I. In erster Linie kommt eine Vollstreckung aus der gerichtlichen Entscheidung in Betracht.
1. Vollstreckungstitel sind rechtskräftige, vorläufig vollstreckbare Entscheidungen sowie
einstweilige Anordnungen (§ 168 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 VwGO). Ein solcher Titel ist im vorliegenden Fall gegeben. Unerheblich hierfür ist die Auffassung der Stadt S, wonach die gerichtliche
Entscheidung verfassungswidrig sei.
2. Bezüglich der Durchführung der Vollstreckung gilt hier nicht die allgemeine Vorschrift des
§ 170 VwGO, sondern die Sondervorschrift des § 172 VwGO, weil es sich um eine (in der einstweiligen Anordnung auferlegte) Verpflichtung zum Erlass eines VA handelt. Danach hat das
Verwaltungsgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag der P-Partei gegen die Stadt S ein
Zwangsgeld bis 1.000 € anzudrohen, nach fruchtlosem Fristablauf festzusetzen und von Amts
wegen zu vollstrecken. Das kann wiederholt geschehen. In der Regel ist anzunehmen, dass
die Stadtverwaltung in einem solchen Fall die Zulassung erklärt.
3. Würde sich zeigen, dass die Stadtverwaltung trotz der von ihr – wenn auch allein wegen
des Drucks der gerichtlichen Entscheidung – ausgesprochenen Zulassung der P-Partei zur Benutzung der Stadthalle diese tatsächlich nicht zur Verfügung stellen will, so könnte die P-Partei eine weitere einstweilige Anordnung auf die tatsächliche Leistung erwirken, die dann
nach § 167 VwGO, § 888 ZPO mittels eines Zwangsgeldes bis 25.000 € sowie mit Zwangshaft
gegenüber den Verantwortlichen vollstreckt werden könnte.43
II. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Kreisverband der P-Partei sich an die Kommunalaufsichtsbehörde wendet und ein Aufsichtsverfahren anregt.
1. In einem solchen Fall könnte die Aufsichtsbehörde nach §§ 121 ff. GemO rechtsaufsichtsrechtliche Maßnahmen treffen. Das hätte den Vorteil, dass im Falle einer Zuwiderhandlung
die bei der Gemeinde Verantwortlichen mit Disziplinarverfahren zu rechnen haben.
41
42
43
Vgl. VGH Mannheim BWVBl. 1992, 179; Pietzner/Ronellenfitsch § 58 Rdnr. 10; Bosch/Schmidt § 58 II.
Vgl. BVerfG DVBl. 1989, 36, 37; OVG Koblenz NVwZ 1990, 1087, 1088; VGH Mannheim BWVBl. 1992, 179; Pietzner/Ronellenfitsch § 58 Rdnr. 10; Bosch/Schmidt § 58 III.
Nach Maunz BayVBl. 1971, 400 besteht diese Möglichkeit auch neben § 172 VwGO, um den VA selbst zu erzwingen; ablehnend Kopp/Schenke § 172 Rdnr. 1, 3.
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2. Schließlich kann die Aufsichtsbehörde nach § 123 GemO im Wege der Selbstvornahme
den die Zulassung aussprechenden Verwaltungsakt selbst erlassen. Die Durchführung eines
kommunalaufsichtlichen Verfahrens steht allerdings im Ermessen der Aufsichtsbehörde. Die
P-Partei hat keine darauf gerichteten Rechte, nicht einmal einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.44
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44
Vgl. OVG Koblenz DÖV 1986, 152; VG Saarlouis NVwZ 1988, 864, 865.
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