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SITZUNG AM DONNERSTAG, 16. MAI 2002
___________________________
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VORSITZ: DAVID MARTIN
Vizepräsident
(Die Sitzung wird um 10.00 Uhr eröffnet.)1
***
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Figueiredo (GUE/NGL). - (PT) Herr Präsident! Am
kommenden Montag, dem 20. Mai, wird die
Unabhängigkeit Timors erklärt. Das ist ein historischer
Tag für dieses Volk, das viele Jahre lang unter
schlimmsten Bedingungen für ein freies und
unabhängiges Vaterland gekämpft hat. Darum ist es
wichtig, dass wir den Sieg des Volks von Osttimor
begrüßen und dass Sie, Herr Präsident, im Namen des
Europäischen Parlaments Grüße an Präsident Xanana
Gusmão und an das ganze timorische Volk senden. Doch
ebenso wichtig ist auch, dass uns bewusst ist, dass die
Probleme noch nicht überwunden sind, dass die
Europäische Union mit diesem neuen unabhängigen
Staat weiter eng zusammenarbeitet und dass im nächsten
Gemeinschaftshaushalt die unerlässlichen Finanzhilfen
für Timor genehmigt werden, um zur Entwicklung
beizutragen, die durch die Okkupation verhindert wurde.
Das Volk Timors hat unsere ganze Solidarität verdient,
und ich danke Ihnen, Herr Präsident, dass Sie in unserem
Namen diese Solidarität bekunden und unsere Grüße
zum Sieg der Unabhängigkeit übermitteln.
4-004
Der Präsident.  Ich werde die Bemerkungen an den
Präsidenten weiterleiten und bin ziemlich sicher, dass er
ein Glückwunschschreiben senden wird.
***
4-005
Nachhaltige Entwicklung
4-006
Der Präsident.  Nach der Tagesordnung folgt zunächst
die gemeinsame Aussprache über die folgenden
Berichte:
- A5-0151/2002 von Herrn Papayannakis im Namen des
Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik über die Mitteilung der Kommission
an den Rat und das Europäische Parlament: 10 Jahre
nach Rio: Vorbereitung auf den Weltgipfel für
nachhaltige Entwicklung im Jahr 2002 (KOM(2001) 53
– C5-0342/2001 – 2001/2142(COS));
1
Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe
Protokoll.
- A5-0142/2002 von Herrn Lannoye im Namen des
Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit über
die Mitteilung der Kommission an das Europäische
Parlament,
den
Rat,
den
Wirtschaftsund
Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Auf
dem Weg zu einer globalen Partnerschaft für nachhaltige
Entwicklung (KOM(2002) 82– C5-0173/2002 –
2002/2074(COS)).
4-007
Papayannakis (GUE/NGL), Berichterstatter. – (EL)
Herr Präsident! Wir sprechen über ein Thema, das die
nachhaltige Entwicklung betrifft und mit dem Signal
zusammenhängt, das das Parlament und die gesamte
Europäische Union an den Weltgipfel von Johannesburg
senden wollen, der 10 Jahre nach Rio im August
stattfindet.
Die Versuchung, einen umfangreichen Themen- und
Problemkatalog zur nachhaltigen Entwicklung und ihrer
Zukunft aufzustellen, ist für mich groß. Da er aber in
dem Bericht und in unserem Entschließungsantrag des
Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und
Verbraucherpolitik enthalten ist, werde ich es nicht tun.
Ich möchte vor allem auf den Inhalt dieses politischen
Zeichens, das wir geben wollen, eingehen.
Beginnen wir mit der Bilanz. Meine Damen und Herren
Abgeordnete, die Bilanz 10 Jahre nach Rio ist eindeutig
negativ. Dies betrifft sowohl die Umwelt als solche,
einen Bereich, in dem wir abgesehen von Kyoto
Rückschritte anstelle von Fortschritten zu verzeichnen
hatten, als auch die Lage in der Welt generell. Die
Armut wurde nicht bekämpft, sie wurde nicht weniger,
sondern sogar noch größer, und wir wissen sehr wohl,
dass es keinen Sinn macht, mit einer unterhalb der
Armutsgrenze lebenden Bevölkerung über den Schutz
beispielsweise der produktiven Ressourcen oder der
erneuerbaren Energiequellen zu diskutieren. Die Bilanz
ist negativ, Herr Präsident, doch aus diesem Anlass war
keinerlei Selbstkritik zu vernehmen. Ich weiß nicht, ob
wir sie in Johannesburg erleben werden, aber angebracht
wäre sie, denn so könnte vielleicht einigermaßen
Klarheit darüber geschaffen werden, was wir in Zukunft
tun müssen, weil diese Zukunft nicht eben rosig
aussieht. Sämtlichen Statistiken zufolge wächst die
Weltbevölkerung immer schneller, nimmt der Druck auf
die Ressourcen auch aufgrund der Globalisierung der
Wirtschaft zu und verschärfen sich die Probleme in
Bezug auf die Umwelt sowie den sozialen
Zusammenhalt.
Was müssen wir tun? Worüber sollten wir in
Johannesburg diskutieren? Wir alle, Herr Präsident,
stimmen ja wohl darin überein, dass der Begriff der
nachhaltigen Entwicklung, wie wir ihn auch immer
definieren, sowohl das Wirtschaftswachstum und den
sozialen Zusammenhalt als auch den Umweltschutz
einschließen
muss.
Der
diesbezügliche
Forderungskatalog ist klar. Hier sind wir sicher alle einer
6
Meinung. Wir sprechen von einem Wandel der
Produktions- und Konsummuster, wir sprechen von der
Bekämpfung der Armut, der Einbeziehung der Umwelt
in alle Politikbereiche, in die Agrar-, die Fischerei-, die
Industrie-, die Energie- und die Tourismuspolitik sowie
in die Politik in den Bereichen Wasser und Luft. Es
fehlen jedoch Zielvorgaben, Zeitpläne und Indikatoren,
die ausweisen, ob wir unsere Ziele erreicht haben, die
Mittel, das Kapital, der Finanztransfer und die Kontrolle
über die Nutzung dieser Finanzen. Hier, Herr Präsident,
haben wir erhebliche Probleme.
Der Bericht und der Entschließungsantrag enthalten
zahlreiche Vorschläge sowohl zur Beseitigung der
Armut als auch zu den erneuerbaren Energiequellen,
aber auch zu vielen anderen Punkten. Sie erfordern
jedoch Mittel, Institutionen, Regeln und eine gute
Verwaltung
auf
regionaler,
nationaler
und
internationaler Ebene, eine politische Verwaltung. Diese
Verwaltung, Herr Präsident, stellt meines Erachtens die
große Frage der Zukunft dar. Es geht um Reformen des
internationalen Systems der Bretton-Woods- und
jüngerer
Institutionen,
auch
der
Welthandelsorganisation, wenn beispielsweise ihre
Regeln im Widerspruch zum Umweltschutz stehen.
Dabei handelt es sich um Reformen, die die arme
Bevölkerung an die Produktion heranführen, um
Agrarreformen beispielsweise, die sie an Wasser,
Energie und andere elementare Dinge heranbringen,
damit sie an einer modernen Auffassung vom
Umweltschutz teilhaben kann, und es geht
selbstverständlich um das Verhalten von Staaten. Die
Vereinigten Staaten sperren sich bekanntlich gegen
jedwede verbindliche Regelung. Sie steigen sogar aus
einmal eingegangenen Verpflichtungen aus. Die Rolle
der Europäischen Union ist ein sehr ernstes Problem.
Die Europäische Union kann noch für sehr lange Zeit,
aber nicht für immer und ewig eine Rolle spielen. Um
diese Rolle zu spielen, muss sie vor ihrer eigenen
Haustür kehren. Sie muss noch energischer die Politik
des Umweltschutzes und des sozialen Zusammenhalts
durchsetzen und in die internationalen Organisationen,
in denen sie dank ihres Gewichts als international und
für die Dritte Welt verlässlicher Partner einen gewissen
Einfluss ausüben kann, Verpflichtungen einbringen,
damit wir uns ein wenig Hoffnung auf Verbesserungen
nach Johannesburg bewahren können und uns nicht
vielleicht nach 10 Jahren wieder mit einer Situation
befassen müssen, die der vor 30 Jahren ähnelt.
4-008
Lannoye (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) 1992 in
Rio wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung
durch die internationale Gemeinschaft festgeschrieben.
Innerhalb von zehn Jahren vollzog sich unbestreitbar ein
Wandel in der Betrachtungsweise von Umwelt und
Entwicklung, ein positiver Wandel. Feierliche
Verpflichtungen wurden eingegangen, Übereinkommen
unterzeichnet – wenn auch nicht ratifiziert, so doch
zumindest unterzeichnet –, aber man muss doch
feststellen, dass sich auch in diesen zehn Jahren die
Umweltsituation nicht verbessert, sondern eher weiter
verschlechtert hat, und was die Situation der armen
16/05/2002
Länder und der Entwicklungsländer betrifft, so hat sie
sich auch nicht verbessert. Die Ungleichheiten haben
noch zugenommen; heute sind mehr als 800 Millionen
Menschen noch immer unterernährt, eine Milliarde
Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Eine
solche Feststellung ist schwer zu ertragen.
Johannesburg in wenigen Monaten wird nicht nur der
Zeitpunkt sein, um Bilanz zu ziehen, sondern dann wird
auch die Stunde der Wahrheit schlagen. Man kann sich
nicht mit einer ökologisierenden Hohen Messe zufrieden
geben, auf der nur noch einmal nachgebetet wird, was in
Rio bereits gesagt wurde. Ebenso wenig kann man sich
mit einem Konzert von Klageliedern begnügen, sondern
auf der Tagesordnung muss ein Programm für ehrgeizige
politische Veränderungen in den nächsten zehn Jahren
stehen. Das ist zumindest die Botschaft, die ich Ihnen im
Auftrag des Ausschusses für Entwicklung zu
überbringen habe.
Wir schlagen vor, dass der Bekämpfung der Armut und
des Hungers sowie einer gleichberechtigten und
nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen
absolute Priorität eingeräumt wird. Die Botschaft, die
wir dem Plenum dieses Parlaments, der Kommission
und dem Rat übermitteln, richtet sich auf fünf
Schwerpunkte: Der erste besteht in der Bekämpfung der
Armut und der Förderung der sozialen Entwicklung;
hierzu gibt es eine Reihe konkreter Vorschläge.
Zweitens geht es darum, die Globalisierung zu meistern.
Was heißt das? Das heißt ganz eindeutig, dass die
nachhaltige Entwicklung das vorrangige Konzept sein
muss. Die handelsrechtlichen Bestimmungen, die Regeln
für den internationalen Handel und für Investitionen
müssen also den Kriterien der nachhaltigen Entwicklung
untergeordnet werden, und nicht umgekehrt.
Der dritte Schwerpunkt besteht in der nachhaltigen
Bewirtschaftung und der Erhaltung der natürlichen
Ressourcen. Das schließt die Entwicklung neuer
Technologien ein, und da denke ich insbesondere im
Energiebereich an erneuerbare Energien. Hierzu
unterbreiten wir Vorschläge, die glaubwürdig und
ehrgeizig zugleich sind.
Viertens: die Kommission hat in dem ersten von ihr im
vergangenen Jahr veröffentlichten Dokument selbst
gesagt, dass es darauf ankomme, die Produktions- und
Verbrauchsmuster zu ändern. Das stimmt, aber das setzt
einige Entscheidungen voraus, die vielfach nicht leicht
sind. So meine ich beispielsweise, was uns betrifft, dass
einige Politiken der Europäischen Union – dabei denke
ich besonders an die gemeinsame Agrarpolitik, an die
Fischereipolitik und die Handelspolitik – auf den
Prüfstand müssen, um zu vermeiden, dass sie den Zielen
der nachhaltigen Entwicklung zuwiderlaufen. Das wird
uns zudem im internationalen Maßstab zu mehr
Glaubwürdigkeit verhelfen, besonders anlässlich der
Tagung in Johannesburg, wenn wir vor unserer eigenen
Tür kehren, bevor wir Ratschläge auf internationaler
Ebene geben.
16/05/2002
Nun zum fünften Schwerpunkt. Es gilt, auf allen Ebenen
ein besseres Regieren zu gewährleisten. Das Konzept
des guten Regierens hat oftmals einen paternalistischen
Anflug. Meiner Meinung nach wäre seine Anwendung
auf allen Entscheidungsebenen, vor allem auf der Ebene
der internationalen Institutionen wie des Internationalen
Währungsfonds,
der
Weltbank,
der
Welthandelsorganisation,
ernsthaft
verbesserungswürdig, um ein Minimum an Demokratie
und ein Minimum an staatsbürgerlicher und politischer
Kontrolle einzuführen.
Soweit die Kernpunkte der Botschaft, von der der
Ausschuss für Entwicklung hofft, dass das Plenum sie
aufgreift und die Kommission sie unterstützt – ich
wende mich hier an Kommissar Nielson – denn in den
nächsten Wochen steht noch ein wichtiger Termin
bevor, die Zusammenkunft in Bali als letzte Sitzung des
Vorbereitungsausschusses für den Gipfel von
Johannesburg. Bislang besteht kein Anlass zu
Optimismus, denn es liegt noch kein wirklich
ehrgeiziges Dokument als Diskussionsgrundlage auf
dem Tisch. Ich hoffe also, dass unser Beitrag den
europäischen Institutionen helfen wird, bei dieser
Vorbereitungssitzung eine entscheidende Rolle zu
spielen, wenn dazu überhaupt noch Zeit ist. Jedenfalls
sollten wir nicht so tun, als bestünde die Lösung des
Problems darin, den Umgang mit den Problemen der
nachhaltigen Entwicklung Partnerschaftsinitiativen mit
dem Privatsektor zu überlassen. Das kann ein Teil der
Lösung sein, jedoch als Ergänzung und nicht als Ersatz
für Verpflichtungen der Staaten und internationalen
Institutionen. Soweit meine Botschaft, Herr Präsident.
4-009
Lucas (Verts/ALE), Verfasserin der Stellungnahme des
mitberatenden Ausschusses für Industrie, Außenhandel,
Forschung und Energie.  (EN) Herr Präsident, im
Namen des Ausschusses möchte ich beide Berichte von
Herzen begrüßen und den Berichterstattern für ihre
ausgezeichnete Arbeit danken. Es ist klar, dass die EU in
Johannesburg eine führende Rolle spielen sollte. Dazu
zwingen
uns
unsere
eigenen
vertraglichen
Verpflichtungen, und das erwarten die europäischen
Bürger von uns. Rat und Kommission müssen also den
Meinungen des Parlaments Gehör schenken und
entsprechend darauf reagieren, denn selbstverständlich
wünscht sich das Parlament sowohl ehrgeizige als auch
zielgerichtetere Maßnahmen. Der Rat „Entwicklung“
und der Gipfel von Sevilla sollten daher auf einer
sorgfältigen Überarbeitung der Mitteilung der
Kommission bestehen, damit die vorhandenen Lücken
gefüllt, Zeitpläne für die Umsetzung angefügt und für
jede Maßnahme Aktionspläne ausgearbeitet werden. Ein
weiteres Beobachten des Problems ist nicht erforderlich:
Wir laufen nämlich Gefahr, als einzige Art in die
Geschichte einzugehen, die ihr eigenes Aussterben
beobachtet, anstatt Schritte dagegen zu unternehmen.
Wir brauchen kühne, einfallsreiche Aktionspläne, und
zwar jetzt.
Die Kommission stellt ganz richtig eine, wie sie es
nennt, Kluft im globalen Regieren fest: Die globalen
7
Marktkräfte eilen der Fähigkeit institutioneller
Mechanismen, sie zu beherrschen, weit voraus. Doch
sind die Maßnahmen, die die Kommission zur
Schließung dieser Kluft vorschlägt, auf beklagenswerte
Weise unzureichend. Insbesondere sollte das
übermäßige Gewicht, das auf den Freihandel und die
Investitionen als Motor der Entwicklung gelegt wird,
durch weitaus stärkere Verpflichtungen zu einem
verbindlichen Rahmen für die Verantwortlichkeit der
Unternehmen ausgeglichen werden. Als einen ersten
Schritt schlagen wir eine Richtlinie über obligatorische
Leistungen im Sozial- und Umweltbereich vor.
Auch die Bestimmungen in der WTO müssen reformiert
werden, um es den Regierungen zu ermöglichen, die
unerlässlichen
Unterscheidungen
zwischen
den
Produkten nach den Methoden ihrer Herstellung
vorzunehmen. Wie sonst können wir zu nachhaltigeren
Produktions- und Verbrauchspraktiken gelangen?
Die Bedeutung dringenden Handelns in Johannesburg
kann man gar nicht genug betonen. Wenn wir mit
unseren
derzeitigen
Produktionsund
Verbrauchsmustern so weitermachen wie bisher, werden
wir, so hat man errechnet, bald drei Planeten zusätzlich
brauchen,
um
die
erforderlichen
Ressourcen
bereitzustellen und den Abfall aufzunehmen. Wir haben
keine drei Planeten; wir haben nur einen, der bereits
Zeichen starker Schädigung aufweist. Johannesburg
muss Ergebnisse bringen.
4-010
Moreira da Silva (PPE-DE). - (PT) Herr Präsident,
Herr Kommissar! Wir dürfen nicht zulassen, dass der
Johannesburger Gipfel lediglich ein Ereignis aus Anlass
von zehn Jahren Konferenz von Rio de Janeiro wird.
Außerdem gibt es wenig Grund zum Feiern, denn in
diesen zehn Jahren haben die Anzeichen für
Nichtnachhaltigkeit zugenommen. Vielmehr gibt uns die
Konferenz von Johannesburg die Chance, neu zu
beginnen und eine weltweite Verpflichtung zu einem
Entwicklungsmodell einzuführen, das die wirtschaftliche
mit der sozialen und der umweltpolitischen Dimension
verbindet.
Gegenüber dem Gipfel von Rio de Janeiro besteht jetzt
noch eine zusätzliche Schwierigkeit. Diesmal stehen wir
noch mehr allein, wenn wir die Führung bei einer
globalen Übereinkunft übernehmen. Also wird die
politische Agenda, die die Europäische Union festlegt,
über den Erfolg der Konferenz entscheiden. Ich glaube,
sowohl die Mitteilung der Kommission als auch die
Berichte der Herren Abgeordneten Papayannakis und
Lannoye tragen zu dieser positiven Agenda bei.
Allerdings gibt es einige Absätze und Änderungsanträge,
die wohl der Entschließung des Parlaments etwas von
ihrer Objektivität und Ausgewogenheit nehmen. Damit
meine ich die Tobin-Steuer und den Schuldenerlass für
die Entwicklungsländer. Trotzdem wird die EVP für die
endgültige Entschließung stimmen.
Wir erwarten, dass auf der Konferenz von Johannesburg
folgende Ziele erreicht werden: Erstens soll sie das
8
Signal für das Inkrafttreten des Protokolls von Kyoto
geben. Dazu müssen sich einige Länder noch mit der
Ratifizierung des Protokolls beeilen (ich denke an
Russland, Japan, Kanada und Australien). Zweitens
müssen die politischen Voraussetzungen geschaffen
werden, damit sich die Vereinigten Staaten wieder am
gemeinsamen
Engagement
im
Umweltbereich
beteiligen. Drittens soll der Anstoß zu einem Greening
der Wirtschaft gegeben werden, bei dem die
Umweltkosten berücksichtigt, das Wirtschaftswachstum
von der intensiven Nutzung der Ressourcen abkoppelt
und umweltfreundlichere Technologien gefördert
werden. Viertens erwarten wir, dass die Konferenz
gemeinsame Antworten auf globale Probleme gibt und
dass - ähnlich dem Verlauf der Konferenz von Rio de
Janeiro, als die Grundlagen für die Konferenz über
Klimaänderungen
geschaffen
wurden
auch
Johannesburg den Grundstein für Protokolle und neue
Institutionen in anderen Umweltbereichen (z. B. den
Wasserressourcen) legt. Fünftens erwarten wir einen
Impuls für das internationale Regieren und die Reform
der Institutionen. Man kann kein zukunftsfähiges
Internet schaffen, wenn die Knoten dieses Netzes
sozusagen „von gestern“ sind.
Schließlich, Herr Präsident, sollte diese Konferenz nicht
bei vagen Absichtserklärungen stehen bleiben, sondern
Zeitpläne, Zielvorgaben und Politiken festlegen.
4-011
Hulthén (PSE).  (SV) Herr Präsident! Zunächst möchte
ich Ihnen und Ihren Kollegen dafür danken, dass der
Ausschuss für Umweltfragen wenigstens dieses eine Mal
ans Tageslicht durfte. Dies ist, soweit ich mich erinnern
kann, das erste Mal, dass der Ausschuss für
Umweltfragen eine Aussprache zu einem als
einigermaßen normal zu bezeichnenden Zeitpunkt
führen durfte. Das ist wohl ein Anzeichen dafür, dass ein
frischer Wind durch das Kollegium weht, und wir
können nur hoffen, dass er anhält.
Ein frischer Wind prägt auch die ausgezeichneten
Berichte der Kollegen Papayannakis und Lannoye zu der
Situation zehn Jahre nach Rio und zu einer nachhaltigen
Entwicklung. Wenn es uns gelingt, dies einzulösen und
selbst den Entschließungen nach dem Modell von
Papayannakis und Lannoye zu folgen, haben wir mehr
erreicht als in den zehn Jahren zuvor.
Dagegen hat der frische Wind offensichtlich vor der
Kommission Halt gemacht, bei der keine wesentlichen
Veränderungen zu beobachten sind. Vielleicht sind ein
paar leichte Brisen zu spüren, aber viel mehr auch nicht.
Vor allem fällt es der Kommission ungeheuer schwer,
den Dialog mit dem Parlament zu finden, genau wie
letztes Jahr, als wir die nachhaltige Entwicklung
diskutiert haben. Ich weiß nicht, welche Art der
Frustration eine ordentliche Kommunikation und eine
Diskussion mit dem Parlament über nachhaltige
Entwicklung verhindert. Stattdessen müssen wir
weiterhin mit unseren Vorschlägen und Ideen hinter der
Kommission herrennen. In dieser Frage brauchen wir
eine ernsthafte demokratische Debatte, wobei das
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Parlament ein ausgezeichnetes Forum ist, um diese
Diskussion zu beginnen. Das Parlament sollte deshalb
ernst genommen werden, wenn es über diese Fragen
berät.
Zehn Jahre nach Rio und fünf Jahre nach unserem
Versprechen einer Strategie der nachhaltigen
Entwicklung in allen Mitgliedstaaten der UN können wir
das Ergebnis sehen. Vielen ist das Rechenbeispiel in
Erinnerung geblieben, dass die vier reichsten Menschen
der Welt genauso viel besitzen wie die 48 ärmsten
Nationen zusammen. Ich meine, dies sagt einiges aus
über die heutige Lage in der Welt. Wir lassen es zu, dass
täglich 5 000 Kinder durch verschmutzte Luft, unreine
Nahrung oder verunreinigte Wasser sterben. Wir lassen
die Verletzlichsten, die Kinder, auf Grund unserer
heutigen Lebensgewohnheiten sterben.
Genau wie der Kollege Lannoye sagte, lassen wir eine
Überproduktion und das Wegwerfen von Nahrung in den
reichen Ländern zu, während gleichzeitig 800 Millionen
Menschen hungern. Dies ist eine Politik und eine
Lebensführung, die so nicht mehr lange weitergehen
kann. Es gibt jedoch einige Hoffnungsschimmer nach
Rio. Manche Städte, Länder, Kommunen und Regionen
haben ungeheuer viel getan, um die Situation zu
verändern. Das globale Ergebnis ist dagegen
niederschmetternd. Hier muss etwas geschehen. Ich
finde, wir sollten heute diese Botschaft genauso
wiederholen wie vor dem Gipfeltreffen in Göteborg. Wir
brauchen in dieser Frage eine engagierte politische
Führung und politische Prioritäten. Ich hätte es gut
gefunden, wenn wenigstens ein Vertreter der spanischen
Präsidentschaft, die ja dieses Engagement in Rio
vermitteln soll, heute hier im Parlament gesessen und die
Debatte verfolgt hätte. Wir haben gehört, welche
Probleme es gibt, und Lösungsvorschläge in unseren
Dokumenten dargelegt. Ich hoffe, sowohl die
Kommission als auch der Rat hören nun darauf, was das
Parlament zu sagen hat.
4-012
Turmes (Verts/ALE). – (FR) Herr Präsident, Herr
Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte in meinem Beitrag auf die Energiepolitik
eingehen.
Ohne eine klare und ehrgeizige Politik im Bereich der
nachhaltigen Energien wird es weder Entwicklung noch
eine Lösung des Problems des Treibhauseffekts geben.
Ich schlage für die Tätigkeit der Europäischen Union im
Rahmen des Gipfels von Johannesburg fünf
Schwerpunkte vor.
Erstens: ein Programm in der Art eines Marshallplans
für die zwei Milliarden Menschen, die heute nicht über
ausreichende Energieressourcen verfügen und häufig in
ländlichen Regionen oder in Slums leben. Nachdem
Herr Bush den Plan der G8 für erneuerbare Energien
blockiert hat, sollte die Europäische Union allein oder
mit „like-minded countries“ wie Japan die Initiative
ergreifen und ein Programm von 500 000 dezentralen
Energieerzeugungsanlagen finanzieren, die nach einem
16/05/2002
bereits existierenden Modell entwickelt werden, das
Solarenergie, Windenergie und eventuell Wasserkraft
kombiniert. Diese Anlagen sollten im ländlichen Raum
errichtet werden. Zusätzlich könnte man noch
Informationstechnologien mit einbeziehen und so einen
echten Impuls für die Entwicklung schaffen.
Der zweite Schwerpunkt, der wahrscheinlich die
einfachste und wirtschaftlichste Maßnahme der Welt mit
Hinblick auf den zu erwartenden Umfang des
Treibhauseffekts im Jahre 2020 darstellt, besteht in der
Festlegung von Mindestnormen für die Millionen neuer
Haushaltsgeräte – allein in China wird es im Jahre 2020
100 Millionen neue Kühlschränke geben –, für die neuen
Motoren, für die Millionen neuer Informatiktools. Wenn
es uns gelingt, hierfür Mindestnormen festzulegen, so
wird dies die einfachste und die weitaus wirtschaftlichste
Maßnahme sein, die wahrscheinlich den größten
Einfluss
auf
die
internationale
Politik
im
Zusammenhang mit dem Treibhauseffekt haben wird.
Das wird gewiss nicht ganz leicht sein, wir würden
hierfür ein Sekretariat bei der OECD brauchen, und dann
könnte es losgehen.
Der dritte Schwerpunkt besteht in drei Maßnahmen.
Dazu sei kurz gesagt, dass zunächst die EU und die
OECD-Länder klare Ziele auf dem Gebiet der
erneuerbaren Energie definieren müssen. Dann muss
man den Entwicklungsländern dabei helfen, ihren
Energiemarkt aufzubauen und so zu strukturieren, dass
sie diesen Weg beschreiten können. Schließlich werden
heute 350 Milliarden Euro an Subventionen für fossile
und nukleare Energien ausgegeben. Würde man dieses
Geld für andere Dinge verwenden, so würde es der
Wirtschaft und auch unserem Planeten besser gehen.
4-013
González Álvarez (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident,
vor Jahren schrieb der lateinamerikanische Schriftsteller
Julio Cortázar einen wunderbaren Artikel, den ich mir
aufgehoben habe und der die Überschrift trägt „Die
Prostitution der Worte“. Darin spricht er von der
Demokratie und sagt, dass dieses Wort infolge seiner
häufigen Verwendung durch die Feinde der Demokratie
an Kraft und an Wert verloren habe.
Ich denke, dass mit der nachhaltigen Entwicklung
dasselbe passiert. Der Begriff nachhaltige Entwicklung
steht in allen Dokumenten der Europäischen Union. Er
taucht in allen Regierungsdokumenten auf, aber vor
allem in den Dokumenten jener, die eine nachhaltige
Entwicklung verhindern und eine nichtnachhaltige
Entwicklung sowie ein Verbrauchsmuster fördern
wollen, die die Festlegung eindeutiger Prioritäten und
Handlungsmechanismen
auf dem Gipfel
von
Johannesburg verhindern, wobei ich natürlich hoffe,
damit Unrecht zu behalten.
Ich befürworte voll und ganz die Berichte der Herren
Lannoy
und
Papayannakis.
Die
nachhaltige
Ressourcenverwaltung und die Änderung der
Produktionsmuster müssen prioritäre Themen sein. Wir
können nicht zulassen, dass 25 % der Säugetiere, 11 %
9
der Vögel und 15 % der vom Aussterben bedrohten
Pflanzen von der Erde verschwinden. Was indes die
Verbrauchsmuster betrifft, so sind 20 % der
Weltbevölkerung für 86 % des Weltverbrauchs
verantwortlich. Dies ist unhaltbar.
Hinsichtlich der Beseitigung der Armut, die ein weiteres
vorrangiges Thema ist, waren die Ergebnisse des Gipfels
von Monterrey dürftig. Wir sagen seit vielen Jahren,
ebenso wie die Weltbank – keiner ihrer Mitarbeiter
gehört unserer Fraktion an –, dass sich Schätzungen
zufolge die Zahl der Armen in der Welt in den nächsten
dreißig Jahren mehr als verdoppeln und dass, wenn nicht
genügend Maßnahmen zur Eindämmung der Armut, der
Ausgrenzung, der Umweltzerstörung, der Konflikte, der
Epidemien und der Migrationen ergriffen werden, dies
zu einer gravierenden weltweiten wirtschaftlichen und
politischen Destabilisierung führen wird.
Die Beseitigung der Armut hat somit Vorrang, und die
diesbezügliche Bilanz der vergangenen zehn Jahre ist
ärmlich. Und so fällt auch die Bilanz der Konferenz von
Monterrey aus, denn bis 2006 werden nur 0,39 % an
Entwicklungshilfe bereitgestellt. Ich hoffe, dass die
Bilanz des Gipfels von Johannesburg nicht dürftig
ausfällt, und darum vertraue ich darauf, dass die vom
Europäischen Parlament entsandte Abordnung energisch
das verteidigt, was wir hier vorgetragen haben.
4-014
Sandbæk (EDD). - (DA) Herr Präsident, ich kann den
Ausführungen der Berichterstatter Papayannakis und
Lannoye voll und ganz zustimmen, möchte aber
betonen, dass die EU ihre Angelegenheiten in den
Bereichen Landwirtschaft und Fischerei in Ordnung
bringen muss, um die Armut wirksam bekämpfen zu
können.
Die Weltkonferenz in Johannesburg bietet die exzellente
Möglichkeit, eine Agenda zur nachhaltigen Entwicklung
für die nächsten 10 Jahre festzulegen. Wir freuen uns
zwar über die Einberufung zur Konferenz, ansonsten
sind aber im Großen und Ganzen keine Fortschritte in
Bezug auf die globalen Vorbereitungen des
Gipfeltreffens zu verzeichnen. Da die Verhandlungen
auf der UN-Vorbereitungskonferenz in New York zu
keinen verbindlichen Abkommen geführt haben, bietet
sich die nächste und letzte Chance für die globalen
Verhandlungen Ende Mai in Bali. Hoffentlich werden
dort ein echter Aktionsplan und eine politische
Erklärung verabschiedet, wodurch unter anderem die
Einführung verschiedener internationaler Konventionen
gefördert werden kann, was andererseits einen
verstärkten Druck vonseiten der EU voraussetzt.
Die USA haben deutlich gemacht, dass sie im
Zusammenhang mit dem Weltgipfel keine neuen
Verpflichtungen eingehen wollen. Wenn das Treffen zu
einem Erfolg werden soll, muss die EU eine politische
Führungsrolle übernehmen, und Dänemark trägt als
Inhaber des Ratsvorsitzes während des Gipfeltreffens
eine große Verantwortung dafür, dass der internationale
Prozess in die richtigen Bahnen geleitet wird.
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Dänemark ist bei seinem Vorschlag von dem Wunsch
nach einem globalen Abkommen ausgegangen, das auch
konkrete Zugeständnisse des reichen Teils der Welt
enthält, denn nur ein solches Abkommen kann den
Rahmen dafür bilden, dass die politischen Erklärungen
von Rio in Johannesburg in echte Aktionen umgesetzt
werden.
Die EU hat sich auch zum Engagement für ein globales
Abkommen verpflichtet, aber Herrn Lannoye zufolge
will sich die Kommission intensiver um globale
Partnerschaften bemühen, was bei weitem nicht
ausreicht. Die EU beschließt erst auf dem Gipfeltreffen
im Juni, welchen Beitrag sie für Johannesburg zu leisten
beabsichtigt. Bislang haben nur wenige Staats- und
Regierungschefs ihre Teilnahme an der Weltkonferenz
zugesagt, was bedauerlich ist, denn ohne Teilnahme auf
hoher Ebene sind die Erfolgsaussichten geringer. Genug
der Worte, jetzt müssen wir handeln.
4-015
Kronberger (NI). - Herr Präsident! Grundsätzlich ist es
natürlich deprimierend, wie wenig seit dem Gipfel von
Rio geschehen ist. Der ausgezeichnete Bericht bestätigt
das. Ich möchte auf einen Aspekt hinweisen. Ich glaube,
Johannesburg muss hier beginnen. Ich glaube, dass wir
uns in diesem Parlament nicht immer bewusst sind,
welche Chancen uns der Vertrag von Amsterdam in
diese
Richtung
gibt,
nämlich
das
Mitentscheidungsverfahren. Je deutlicher und intensiver
wir das nutzen, ich würde sogar sagen, je radikaler wir
uns dafür entscheiden, hier die europäische Legislative
im Umweltbereich mit zu beeinflussen, desto
glaubhafter werden wir in Johannesburg sein und
natürlich auch auf zukünftigen Konferenzen. Es muss
uns bewusst sein, dass wir hierzu etwas mehr
Selbstbewusstsein brauchen und manchmal vielleicht
auch höheren Forderungen, die möglich sind, zustimmen
müssen und dass wir in diesem Zusammenhang auch
alle Überlegungen, dass die Atomkraft in Zukunft eine
Rolle spielen könnte, ablehnen müssen.
4-016
Wijkman (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident! Für die
Erde wird die Zeit knapp. Trotz unzähliger Treffen und
Konferenzen kann niemand bestreiten, dass wir heute
von dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung weit
entfernt sind. Tatsächlich sind wir jetzt eigentlich noch
weiter davon entfernt als 1987, als der Brundtlandbericht
vorgestellt wurde, oder zur Zeit des Umweltgipfels von
Rio. Das sollte natürlich umgekehrt sein. Die OECD, die
ja keine Umweltorganisation ist, meldete dieser Tage
folgendes: All major global ecological indicators are
negative.
Was Armut und soziale Entwicklung anbetrifft, steht es
genauso schlimm. Die Zahl der Armen steigt, anstatt zu
sinken. Vor diesem Hintergrund ist der Weltgipfel von
Johannesburg äußerst wichtig, auch wenn die
Hoffungen, wie bereits angedeutet, recht gedämpft sind.
Die Verhandlungsmaschinerie ist schwerfällig, und
hinzu kommt ein äußerst geringes Interesse vonseiten
der US-Administration. Wie die Kollegin Hulthén
16/05/2002
bereits erwähnte, ist die spanische Ratspräsidentschaft
heute hier leider nicht vertreten, eine Tatsache, die auch
nicht gerade auf ein besonders großes Interesse an dieser
Frage hindeutet.
Aus welchen Gründen sind wir noch so weit entfernt von
einem
vernünftigen
Gleichgewicht
zwischen
Wirtschaftswachstum, sozialer Entwicklung und
Umweltschutz? Es gibt im Wesentlichen zwei Ursachen
dafür. Erstens besteht ein starker Widerstand gegen die
Umsetzung all der Maßnahmen, welche die Regierungen
auf zahllosen Konferenzen nach eigener Aussage
befürwortet haben. Diese Maßnahmen sind z. B. die
Abschaffung von Subventionen für umweltschädliche
Industrien, das Einrechnen von Umweltkosten in die
Preise, die Formulierung klarer Umweltkriterien für
unsere Exportkreditstellen, damit wir nur nachhaltige
Systeme in die Entwicklungsländer exportieren, und
ganz generell die Unterstützung umweltgerechter
Aktivitäten. Die Wirtschaftspolitik lenkt heute die
Entwicklung in die falsche Richtung, aber wir tun nur
wenig dagegen. Der Bericht des Kollegen Lannoye, den
ich sehr begrüße, enthält eine Reihe von Vorschlägen zu
diesem Problem. Die EU muss hier, genauso wie in
einigen anderen Fragen der Armutsbekämpfung, eine
treibende Kraft werden, sonst wird das Ergebnis von
Johannesburg äußerst mager ausfallen.
Zweitens geht die Entwicklung auch deshalb so langsam
voran, weil meiner Ansicht nach sowohl die Bildung als
auch die Wirtschaft einem allzu vertikalen und
reduktionistischen Modell folgen. Wir haben für unsere
Gesellschaft eine Organisationsform gewählt, die auf
Spezialisierung beruht. An unseren Universitäten gibt es
über 20 000 verschiedene Disziplinen. Spezialisierung
ist natürlich gut zur Lösung einzelner Probleme. Aber es
gibt äußerst wenige Experten, die sich mit
interdisziplinären Problemlösungen beschäftigen. Der
Gipfel in Johannesburg soll nun zu einer Lösung aller
dieser Probleme beitragen.
Neben den kurzfristigen Maßnahmen müssen wir also
auch über eine ganzheitliche Perspektive nachdenken
und dafür sorgen, dass sich in unseren Gesellschaften ein
übergreifendes Denken entwickelt. Und nicht zuletzt
müssen
wir
den
armen
Ländern,
den
Entwicklungsländern, helfen, Forschungskompetenz
aufzubauen, damit sie selbst wirtschaftlich vorteilhaftere
und ökologisch nachhaltige Strategien entwickeln
können.
4-017
Scheele (PSE). - Herr Präsident, ich möchte mich den
Glückwünschen an den Kollegen Lannoye zu seinem
umfangreichen und auch inhaltlich exzellenten Bericht
anschließen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zu
sagen, dass wir uns als Parlamentarier überlegen
müssen, ob wir in Zukunft, wenn wir zu einer so
wichtigen Konferenz wie der in Johannesburg Stellung
nehmen, das nicht kompakter, nicht kürzer, nicht
strukturierter schaffen, auch vor dem Hintergrund, dass
dann der Öffentlichkeit leichter zu vermitteln ist, wofür
das Europäische Parlament steht und wofür nicht.
16/05/2002
Von meinem Vorredner wurde die Kommission
angesprochen und das, was sie alles zu tun hat. Ich
möchte aus eigener, fast dreijähriger Erfahrung darauf
hinweisen, dass es auch in diesem Haus nicht immer
Mehrheiten für eine nachhaltige Entwicklung und für
eine nachhaltige Lösung gibt.
Die drei Elemente der nachhaltigen Entwicklung wurden
schon öfter genannt: die wirtschaftliche, die soziale und
die ökologische Entwicklung. In diesem Sinne ist es
wichtig, dass in Zukunft das Wachstum des
Bruttoinlandsproduktes nicht der einzige wichtige
Indikator für den Fortschritt einer Gesellschaft bleiben
wird. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes hat mit
Nachhaltigkeit nichts zu tun. Wir fordern in diesem
Sinne die Kommission auf, sich in Johannesburg dafür
stark zu machen, dass es neue soziale und ökologische
Indikatoren gibt, wenn es in Zukunft um das
Rechnungswesen der Staaten geht.
Man kann nicht von einer globalen Partnerschaft für
nachhaltige Entwicklung reden, ohne auf den
Zusammenhang zwischen Armut und Umweltzerstörung
aufmerksam
zu
machen.
Armut
bewirkt
Bevölkerungswachstum. Man schätzt, dass es bis 2015
7,5 Milliarden Menschen geben wird. Das bedeutet
verstärkten Druck auf die natürlichen Ressourcen, das
bedeutet verstärkten Druck auf die Umwelt. In diesem
Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, wie
wichtig es ist, immer wieder die Fragen der rechtlichen
Gleichstellung der Frauen und auch die Rechte der
Frauen auf ihre reproduktive Gesundheit zu betonen und
in diesen Bereichen Fortschritte zu erzielen.
Ich möchte auch noch ganz kurz konkret auf die
Änderungsanträge eingehen. Meine Fraktion wird dem
Änderungsantrag 5 der Fraktion der Grünen zur
Streichung von Ziffer 26 nicht zustimmen. Ich möchte
aber auch unterstreichen, dass wir von der französischen
Originalversion ausgehen. Die deutsche Version, wie sie
mir vorliegt, würden wir auch streichen.
Dann möchte ich noch sagen, dass meine Fraktion gegen
den Änderungsantrag 12 ist, der eine so genannte SachsSteuer einführen will, also steuerabzugsfähige Beiträge
für wohltätige Zwecke. Persönlich habe ich Probleme,
überhaupt das Eigenschaftswort "wohltätig" zu
verwenden.
Wenn
wir
von
einer
Jahrhundertherausforderung
der
nachhaltigen
Entwicklung reden, dann hat das etwas damit zu tun,
dass wir unsere eigenen Produktionsbedingungen
verändern müssen und nicht mit Wohltätigkeit.
Außerdem sehe ich das Problem, dass wir dadurch
Steuereinnahmen für entwickelte Staaten abziehen, die
diese in Zukunft auch für ihre nachhaltige Entwicklung
brauchen.
4-018
Evans, Jillian (Verts/ALE).  (EN) Herr Präsident, ich
danke den beiden Berichterstattern für ihre
ausgezeichneten Berichte, mit denen sie die
Aufmerksamkeit auf die Probleme und auf die Lösungen
11
lenken. Umwelt, soziale und kulturelle Fragen,
Entwicklung und Regieren stehen natürlich in einem
wesenhaften Zusammenhang. Das wird dadurch
deutlich, dass der vom Menschen hervorgerufene
Klimawandel trotz einiger Fortschritte seit dem Gipfel
von Rio unvermindert anhält. Lebenswichtige
Ressourcen gehen weiterhin zur Neige, und die Kluft
zwischen Arm und Reich wird immer größer.
In Rio wurden so viele Möglichkeiten dargelegt, und wie
der Bericht Papayannakis feststellt, wurden mit dem
Kyoto-Protokoll, dem Cartagena-Protokoll und anderen
so viele Erwartungen geweckt, aber es ging mit ihnen
nicht voran. So überrascht es kaum, wenn so viele NRO
schon jetzt für Johannesburg negative Ergebnisse
voraussagen. Aber die Menschen in der Europäischen
Union erwarten von uns, dass wir in diesen Fragen eine
Vorreiterrolle
übernehmen,
und
vor
dieser
Verantwortung dürfen wir uns nicht drücken. In zehn
Jahren wird man uns fragen, was wir im Jahre 2002
gegen die mangelnden Fortschritte der vergangenen
zehn Jahre und für eine Umkehrung der Situation
unternommen haben.
Von anderen Kollegen wurden sehr viele wichtige
Argumente zum Gipfel vorgebracht. Ich möchte auf
einen weiteren Aspekt aufmerksam machen, auf die
Notwendigkeit, die Vielfalt in ihrem weitesten Sinn, die
kulturellen Aspekte eingeschlossen, zu betrachten.
Die Zukunft braucht nachhaltige Gemeinschaften, getreu
der Definition dieses Begriffs. Heute sind etwa die
Hälfte der etwa 6 000 Sprachen, die in den
verschiedenen Teilen der Welt gesprochen werden,
bedroht: Das bedeutet, 3 000 Sprachen sind entweder
ernsthaft gefährdet oder sterben aus. Die Notwendigkeit,
die Vielfalt von Kulturen in der Welt zu schützen und zu
fördern,
wird
angesichts
der
zunehmenden
Globalisierung noch dringender. Wir müssen dafür
Sorge tragen, dass sich eine künstliche Polarisierung
zwischen den Bedürfnissen der Umwelt und den
Bedürfnissen der Menschen nicht weiter herausbilden
kann.
Daher begrüße ich die positiven und konstruktiven
Bemerkungen der Berichterstatter, denn wie Herr
Lannoye sagte, ist dies eine große Herausforderung, und
wir müssen einen grundsätzlich neuen Ansatz finden.
4-019
Miranda (GUE/NGL). - (PT) Herr Präsident! Ich
möchte den Kollegen Papayannakis und Lannoye für
ihre wichtigen Berichte danken und sie dazu
beglückwünschen. Der Weltgipfel von Johannesburg
bietet eine weitere bedeutsame Gelegenheit, um sich mit
den außerordentlich großen und komplizierten
Problemen unmittelbar auseinander zu setzen, mit denen
die Menschheit und ganz besonders die Bewohner der
ärmsten Länder zu tun haben. Wir sehen ihm mit der
entsprechenden Erwartungshaltung entgegen und
messen ihm die Bedeutung bei, die einem Ereignis
gebührt, das die Staatengemeinschaft dazu bewegen
kann bzw. soll, eine Agenda aufzustellen, die tatsächlich
12
auf die nachhaltige Entwicklung der Welt, die
Verbesserung der Lebensqualität und die Beseitigung
der Armut abstellt und sich dabei auf die beim
Weltgipfel von Rio erreichten Abkommen stützt.
Wir würden gern optimistisch sein, auch wenn es
hinreichende Gründe gibt, eine andere oder sogar
entgegengesetzte Haltung einzunehmen. Diese Gründe
erklären sich aus dem gewaltigen Rückstand bei der
Verwirklichung des in Rio Erreichten, aus der sich
vergrößernden Kluft zwischen Nord und Süd, dem
Fortbestehen der Armut und der Verschuldung, dem
Festhalten
an
ungeeigneten
und
ungerechten
Wirtschaftsrezepten, dem fehlenden politischen Willen
der reichen Länder - vor allem der Vereinigten Staaten -,
Orientierungen zu verändern, die sie selbst bestimmen,
und Mittel bereitzustellen, die für einen weltweiten
Umschwung erforderlich sind, der doch letztlich allen
zugute käme. Trotz der in letzter Stunde getroffenen
Entscheidungen gehört auch die erst kurze Zeit
zurückliegende Konferenz von Monterrey zu diesen
Gründen, die den gebotenen Optimismus dämpfen.
Zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen muss
man die Mitgliedstaaten und die Kommission darauf
drängen, sich endgültig und entschieden für eine
Haltung zu entscheiden, die den Katastrophen
angemessen ist, die die Welt heimsuchen, sich für die
Förderung von Leitlinien und Maßnahmen und die
Erlangung von Mitteln einzusetzen, die einer gerechten
und nachhaltigen Entwicklung dienlich sind, bei der
Umweltschutz und Beseitigung der Armut Hand in Hand
gehen. Vor allem müssen sie sich zu einer ehrgeizigen
Agenda für das nächste Jahrzehnt verpflichten, mit der
sich ein inakzeptabler Fehlschlag verhindern lässt, den
manche für diesen Weltgipfel schon als gegeben
voraussehen.
4-020
Blokland (EDD). – (NL) Auf dem „Erdgipfel“ von Rio
de Janeiro im Jahr 1992 wurde vereinbart, im Rahmen
der internationalen Zusammenarbeit nachhaltige
Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Förderung
des Wirtschaftswachstums zu ergreifen.
Wir hatten seinerzeit hochgespannte Erwartungen
gehegt. Inzwischen sind wir 10 Jahre weiter, und der
Gipfel in Johannesburg rückt näher, so dass jetzt der
geeignete Zeitpunkt für eine kritische Bewertung der in
diesem Jahrzehnt erzielten Ergebnisse gekommen ist.
Und das Resultat stimmt uns leider nicht froh. Die
einzige Schlussfolgerung lautet, dass sich unsere hohen
Erwartungen von vor 10 Jahren nicht erfüllt haben. Mehr
noch: Die Umwelt steht heute nicht mehr im Mittelpunkt
des öffentlichen – und mithin auch politischen –
Interesses, während die Umweltbelastung sogar noch
größer geworden ist.
Es ist höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.
Wenn die EU weiterhin eine Vorreiterrolle spielen
möchte, muss sie bei der Bevölkerung die nötige
Resonanz finden. Und gegenwärtig sind vor allem
Sicherheit und Gesundheit die Menschen bewegende
16/05/2002
Themen. Deshalb ist es nahe liegend, sie zu
thematisieren. Wenn wir nämlich die Umwelt auch
künftig vernachlässigen, so werden noch mehr
Überschwemmungen,
Waldbrände,
Umweltverschmutzung
sowie
der
schlechte
Gesundheitszustand einer Vielzahl von Menschen die
zwangsläufige Folge sein. Kurzum, ohne eine
nachhaltige Entwicklung wird nicht nur die Umwelt
geschädigt, sondern wird es auch mehr Unsicherheit,
mehr Erkrankungen und eine höhere Sterberate geben –
Themen, an denen die Bevölkerung interessiert ist.
Indem wir uns diesen Fragen stellen, können wir die
Öffentlichkeit mobilisieren und so die politischen
Entscheidungsträger wachrütteln. Nur auf diese Weise
wird der Umwelt wieder die ihr gebührende
Aufmerksamkeit zuteil und entsteht der politische Wille,
weltweit verbindliche Gesetze im Umweltbereich zu
erlassen und sie auch wirklich umzusetzen.
4-021
Souchet (NI). – (FR) Herr Präsident, das Konzept der
nachhaltigen Entwicklung geht zunächst von der
richtigen Erkenntnis aus, dass es im globalen Rahmen
grundlegende Gleichgewichte gibt, die es zu
respektieren gilt. Allerdings muss man sich vor der
Gefahr hüten, dass dieses Konzept zu einer ausufernden
und lebensfernen ideologischen Phrasendrescherei
pervertiert,
die
mit
anfechtbaren
technischen
Vorschlägen aufwartet. Die äußerst breite Palette der
Tätigkeitsbereiche, die in dem Bericht Lannoye
angesprochen werden, verdeutlicht diese Gefahr der
Verzettelung.
Um jedoch Wirkung zu erzielen, muss der Begriff der
nachhaltigen Entwicklung auf klar gegliederte
Prioritäten angewandt werden. Dazu gehört aus meiner
Sicht vor allem die Notwendigkeit, die der
Berichterstatter hervorhebt, sich nicht mit dem
Fortbestehen oder gar der Zunahme einer Armut
abzufinden, deren Bekämpfung eine absolute und
andauernde Priorität unserer Aktion sein muss.
Zu diesem Zweck müssen wir dazu beitragen, ein
gesundes Gleichgewicht zwischen öffentlicher Hilfe, die
nach wie vor unerlässlich ist, und der Entwicklung des
internationalen Handels zu bestimmen, der nicht
systematisch als Schreckgespenst dargestellt werden
darf. Die öffentliche Entwicklungshilfe darf natürlich
nicht als Ersatz, sondern muss als notwendige
Ergänzung zum internationalen Handel angesehen
werden. Dieser kann unter den heutigen Bedingungen
nicht der einzige Motor für die Entwicklung sein, aus
dem einfachen Grund, dass man nicht Wirtschaften und
Staaten miteinander in Wettbewerb treten lassen kann,
deren Produktionskosten nicht die gleiche Struktur
aufweisen.
Es gilt unbedingt zu vermeiden, dass sich nachteilige
Mechanismen entwickeln wie beispielsweise das
Verschwinden von Nahrungsmittelkulturen aufgrund des
Imports billiger Agrarprodukte bei gleichzeitiger
Orientierung der Entwicklungsländer auf den Export von
kommerziellen Kulturen, die keine lokale Entwicklung
16/05/2002
bringen, oder von Rohstoffen, auf denen sich wegen der
großen Schwankungen ihrer Kurse nur unter größten
Schwierigkeiten eine nachhaltige Entwicklung aufbauen
lässt.
Wenn es unerlässlich ist, sich zur Armutsbekämpfung
nicht allein auf das Wirken des internationalen Handels
zu verlassen, so ist es ebenso unerlässlich, einer
Aushöhlung
der
öffentlichen
Entwicklungshilfe
entgegenzuwirken. Hier fällt den europäischen Ländern
eine besondere Aufgabe zu, die sie sowohl gemeinsam
als auch einzeln zu erfüllen haben. Die Mitgliedstaaten
dürfen nicht der Versuchung erliegen, ausschließlich auf
die Gemeinschaftshilfe zu setzen und auf die bilaterale
Kooperation zu verzichten, deren eigener Beitrag und
spezielle Erfahrungen von unersetzlichem Wert sind. Es
genügt allerdings nicht, dem Rückgang der öffentlichen
Entwicklungshilfe entgegenzuwirken, indem man sich
auf globale Erwägungen hinsichtlich der Entwicklung
der Quoten beschränkt. Vielmehr kommt es darauf an,
diese Hilfe auf die Stärkung der vielfach noch
ungefestigten nationalen staatlichen Strukturen der
Entwicklungsländer sowie auf die absolut vorrangige
Entwicklung des ländlichen Raums auszurichten. Der
öffentlichen
Entwicklungshilfe
kommt
eine
bestimmende Rolle dabei zu, die Geißel der Landflucht
und der Verarmung dieser Bevölkerungsgruppen in den
großen Städten zu stoppen, die dann die Auswanderung
der Verzweifelten zur Folge hat.
Die Entwicklung des Nahrungsmittelanbaus sowie der
wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen besonders in
den Bereichen Gesundheit, Bildung und Sozialschutz ist
der sicherste Weg, um durch Schaffung von
Beschäftigung im ländlichen Raum die Armut zu
bekämpfen. Eine besondere Rolle kommt im Rahmen
dieser öffentlichen Entwicklungshilfe der dezentralen
Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften wie
Gemeinden, Bezirken oder Regionen zu. Diese
Gebietskörperschaften verfügen über Erfahrungen vor
Ort, sie bringen die Projekte mit den praktischen
Bedürfnissen in Übereinstimmung und gewährleisten
eine strikte Kontrolle der Maßnahmen. Sie schaffen
herzliche und dauerhafte menschliche Beziehungen
zwischen den Ländern des Nordens und denen des
Südens. Deshalb muss diese Form der Kooperation
deutlich gefördert werden.
Dies sind aus meiner Sicht die Prioritäten, die es im
Rahmen aller im Bericht Lannoye angesprochenen
Fragen festzuhalten gilt, damit das Konzept der
nachhaltigen Entwicklung tatsächlich zur Reduzierung
der Armut in der Welt von heute beiträgt.
4-022
Liese (PPE-DE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Vor fünf Jahren, 1997, fand in New York
ein Gipfel statt, fünf Jahre nach Rio. Damals war das
Europäische Parlament leider nur mit einer sehr kleinen
Delegation vertreten. Ich hatte die Ehre, dieser kleinen
Delegation anzugehören. Damals ging es so weit, dass
die Entwicklungsländer versucht haben, in die
Schlusserklärung gar nicht mehr den Begriff
13
„nachhaltige Entwicklung“ hineinzuschreiben, sondern
nur noch „nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum“. Ich
habe dafür ein gewisses Verständnis, weil natürlich in
den Entwicklungsländern die Armut im Vordergrund
steht. Wenn wir von Umweltschutz reden, ist das
manchmal etwas unglaubwürdig. Trotzdem sollten wir
als EU beide Dinge im Auge behalten, die
wirtschaftliche und die soziale Entwicklung, aber auch
den Umweltschutz, denn das steht natürlich im
Zusammenhang. Wenn die Weltbank uns zum Beispiel
vorrechnet, dass bei Nichthandeln im Klimaschutz in
den Industrieländern in den nächsten Jahren durch die
Klimakatastrophe
mit
einem
Rückgang
des
Bruttoinlandsprodukts von 1 % - 2 %, in den
Entwicklungsländern aber mit einem Rückgang von
10 % des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen ist, dann
macht das deutlich, dass man Umwelt und soziale und
wirtschaftliche Entwicklung nicht gegeneinander
ausspielen darf, sondern dass das zusammengehört.
Aber - und da haben die Entwicklungsländer Recht - wir
müssen vormachen, dass es möglich ist, wirtschaftliches
Wachstum und Wohlstand zu organisieren, ohne das auf
Kosten der Umwelt zu tun. Deswegen müssen wir zum
Beispiel im Klimaschutz unsere Emissionen reduzieren,
bevor wir den Entwicklungsländern irgendwelche
Verpflichtungen auferlegen können. Deshalb finde ich,
dass wir das, was wir immer theoretisch gesagt haben
und was in unseren Entschließungen steht, jetzt auch in
der Europäischen Union implementieren müssen. Daher
kann man an den Vorschlägen der Kommission,
beispielsweise zum Emissionshandel, viel kritisieren,
man kann sie besser machen, aber man muss diesen
Grundansatz verfolgen. Wir müssen jetzt vor Ort
handeln, damit die Entwicklungsländer uns überhaupt
abnehmen, dass nachhaltige Entwicklung möglich ist.
4-023
Sornosa Martínez (PSE). – (ES) Herr Präsident, meine
Damen und Herren, auch ich möchte mich den
Glückwünschen an die beiden Berichterstatter
Papayannakis und Lannoye anschließen. Ich denke, dass
sich die beiden Berichte ergänzen und wirklich neuartige
und sehr interessante Vorschläge enthalten.
Meiner Ansicht nach haben das Umweltbewusstsein der
Bürger ebenso wie entsprechende politische Aktionen
der Staats- und Regierungschefs in den vergangenen
Jahren enorm zugenommen. Aber mir scheint auch, dass
sowohl diese Bewusstseinsbildung der Bürger als auch
die politischen Aktionen unzureichend, um nicht zu
sagen, lediglich nominell waren. Was das Bewusstsein
der Bürger angeht, so wissen wir sehr wohl, dass sich
die natürlichen Ressourcen erschöpfen, dass es
Säugetiere, Vögel und Pflanzen gibt, die vom
Aussterben bedroht sind, dass eine wachsende
Bevölkerungszahl an Hunger stirbt und unter Armut
leidet. Alles das wissen wir, und wir sind
umweltbewusst, aber dennoch steigern wir unseren
Konsum weiter, und das machen gerade wir, die
Industrieländer, die lediglich 20 % der Weltbevölkerung
stellen, aber 80 % der Ressourcen verbrauchen.
14
Was die politischen Aktionen angeht, so sage ich, dass
diese ebenfalls nur auf dem Papier stehen, weil die
meisten trotz internationaler Übereinkommen nicht oder
nur unzureichend erfüllt werden. Das Kyoto-Protokoll
wurde von den meisten Ländern nach nunmehr
zehnjähriger Diskussion immer noch nicht ratifiziert.
Die Vereinigten Staaten wollen es nicht unterzeichnen,
und als Beispiel für ein Land, das die Verpflichtungen
eingegangen ist, nenne ich mein Land, Spanien, das
seine Emissionen um 33 % gegenüber seiner
Verpflichtung erhöht hat.
So ist die Lage, und jetzt, nach dem Gipfel von
Barcelona – wo die Umweltthematik nicht umfassend
behandelt wurde – würde ich nicht auf dieses
anspruchsvolle Programm dringen, das hier zu viele
Personen fordern. Wenn wir in Johannesburg erreichen,
dass alle früheren Verpflichtungen erfüllt werden, wenn
wir erreichen, dass wenigstens ein Teil der
internationalen Transaktionen diesen armen Ländern
zugute kommt, und wenn wir eine Korrektur unserer
Wertvorstellungen erreichen, mit denen wir uns
gegenwärtig schaden, dann haben wir viel erreicht.
4-024
Schörling (Verts/ALE).  (SV) Herr Präsident! Ich
betrachte diese Debatte und das Gipfeltreffen in
Johannesburg mit etwas gemischten Gefühlen.
Erfreulich ist, dass das Gipfeltreffen tatsächlich
stattfindet und dass die beiden Berichterstatter sehr gute
Arbeit geleistet haben, um die Befürchtungen,
Hoffnungen, Vorschläge und Forderungen des
Europäischen
Parlaments
zum
Gipfeltreffen
auszudrücken. Ich möchte den beiden Berichterstattern
für ihre sehr gründliche Arbeit danken.
Allerdings bin ich enttäuscht und frustriert darüber, dass
die internationalen Spitzenpolitiker den Zustand der
Welt nicht ernst zu nehmen scheinen. Nur wenige
Monate vor dem Gipfeltreffen haben sie noch nicht
einmal verlauten lassen, ob sie in Johannesburg
teilzunehmen gedenken oder nicht. Auch die Strategie
der EU für eine nachhaltige Entwicklung und ihre
Mitteilung in Vorbereitung des Weltgipfels sind
reichlich spät gekommen, wenn man bedenkt, dass
dieses Thema unsere Zukunft betrifft und uns alle
angeht. Der Respekt vor einem demokratischen
Verfahren
und
der
Möglichkeit,
dass
die
Zivilgesellschaft an der Debatte teilnimmt, hätten
ebenfalls größer sein müssen.
Wie andere Redner vor mir, möchte auch ich anmerken,
dass die spanische Ratspräsidentschaft hier nicht
anwesend ist. Auch das weist darauf hin, dass man dem
wichtigen Problem der nachhaltigen Entwicklung nicht
genug Achtung entgegenbringt.
Ich finde ebenfalls nicht, dass die EU dem Weltgipfel in
Johannesburg das rechte Gewicht beigemessen hat.
Auch der Gipfel von Barcelona, auf dem die Positionen
der EU festgelegt werden sollten, war eine
Enttäuschung. Die EU muss in Johannesburg deutlich
machen, auf welche Weise sie ihre Agrarpolitik und ihre
16/05/2002
Fischereipolitik reformieren will, die beide enorme
globale Konsequenzen nicht zuletzt für die armen
Länder haben. Seitens der EU müssen wir ferner
demonstrieren, dass wir eine glaubwürdige Strategie für
eine nachhaltige Entwicklung haben, damit auf dem
Weltgipfel die Resultate erreicht werden, welche für
eine Wende in der heutigen, sich verschärfenden
Umweltkrise notwendig sind. Die EU muss in dieser
Hinsicht zur treibenden Kraft werden. Ich finde, die EU
Mitliedstaaten haben eine besondere moralische und
wirtschaftliche Verantwortung, einen nachhaltigen Weg
aufzuzeigen.
Viele scheinen sich auf freiwillige Maßnahmen
vonseiten der Industrie und der Großkonzerne zu
verlassen, aber das allein wird nicht dazu führen, dass
die Versprechen von vor zehn Jahren eingehalten
werden. Freiwillige Maßnahmen können einen gewissen
Beitrag
leisten,
aber
wir
brauchen
eine
Weltumweltorganisation innerhalb der UNO, die für die
Einhaltung der Vorschriften für die Menschenrechte und
die Umwelt sorgt. Die internationalen Konventionen zu
Umwelt und Menschenrechten müssen darüber hinaus
auch den Regeln der WTO übergeordnet sein und nicht
umgekehrt, wie dies heute der Fall ist. Wir in der EU
und jeder von uns, der am Gipfelreffen in Johannesburg
teilnimmt, muss sich dafür einsetzen.
4-025
Laguiller (GUE/NGL). – (FR) Herr Präsident, man
kann den Erwägungsgründen dieses Berichts, der
aufgrund der darin aufgeführten Fakten eine Anklage
gegen das gegenwärtige Wirtschaftssystem ist, nur
zustimmen.
Was ist das für eine Wirtschaftsorganisation, die die
Hälfte der Weltbevölkerung zwingt, von weniger als
zwei Dollar am Tag zu leben? Ein Wirtschaftssystem,
das einerseits Flächenstilllegungen subventioniert und
Nahrungsmittel vernichtet oder einlagert, um die Preise
zu halten, und andererseits zulässt, dass 826 Millionen
Menschen unterernährt sind und 16 Millionen
verhungern, ist ein zutiefst kriminelles System.
Die grausame Realität dieser Feststellung unterstreicht
jedoch nur, wie unnütz die Schlussfolgerungen und vor
allem die vorgeschlagenen Lösungen sind. Während die
großen Privatinteressen die Erde ausplündern, Profit aus
den Ärmsten ziehen und die Ungleichheiten zwischen
einer Minderheit Reicher und einer Mehrheit Armer
verschärfen, verabschiedet das Europäische Parlament
ohnmächtige Entschließungen, wohl wissend, dass
Gipfelkonferenzen wie in Rio, Monterrey oder
Johannesburg nichts, aber auch gar nichts ändern. Das
Europäische Parlament soll wie alle repräsentativen
Institutionen lediglich als Feigenblatt dienen, um die
infamen Folgen des Profitstrebens in der Welt zu
kaschieren.
Wenngleich sie einige der Feststellungen des Berichts
teilen, werden die Abgeordneten von Lutte ouvrière sich
der
Stimme
enthalten,
um
die
ungeheure
Scheinheiligkeit zu brandmarken, die die Tätigkeit des
16/05/2002
Europäischen Parlaments kennzeichnet, wenn es vorgibt,
gegen die Armut zu kämpfen. Denn wenn man zu den
Ursachen für die durch ein profitorientiertes
Wirtschaftssystem angerichteten Schäden schweigt,
wenn man zu der Verantwortung der großen Industrie-,
Handels- und Finanzunternehmen für Elend, Hunger und
Verarmung der Mehrheit der Weltbevölkerung schweigt,
dann bleibt man passiver Zuschauer von Verbrechen
gegen die Menschheit und macht sich so zum
Komplizen.
4-026
VORSITZ: CHARLOTTE CEDERSCHIÖLD
Vizepräsidentin
4-027
Fernández Martín (PPE-DE). – (ES) Frau Präsidentin,
unsere Kollegin und Freundin Laura González hat ihre
Wortmeldung mit einem Zitat des argentinischen
Schriftstellers Julio Cortázar über die Prostitution der
Worte Demokratie und Nachhaltigkeit begonnen, aber
dieses Parlament vergisst nicht, wo Tschernobyl liegt
und auch nicht, dass das Kuba von Herrn Castro voller
Demokraten ist, wie wir alle wissen.
Herr Lannoye hat uns einen Bericht vorgelegt, der
doppelt wertvoll ist, da er die Problematik der
nachhaltigen Entwicklung zielstrebig und energisch
behandelt, und dies frei von Fundamentalismen, dafür
aber mit der Flexibilität, die für die Annahme der
Mehrzahl der von den Fraktionen vorgelegten
Änderungsanträge notwendig ist.
Was meine von mir vorgeschlagenen und in den Text
des Berichterstatters aufgenommenen Änderungsanträge
betrifft, so haben diese eine Erhöhung der Effizienz bei
der Verwaltung der von der Union bereitgestellten
Finanzmittel, eine größere Transparenz und eine bessere
Nutzung der verfügbaren Ressourcen zum Ziel.
Aus dem Gesamtbericht möchte ich als wichtigste Ziele
die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer
nachhaltigen Entwicklung hervorheben; und er zeigt
Wege für eine Globalisierung mit menschlichem, nicht
virtuellem Antlitz, er tritt für einen rationellen Umgang
mit den Ressourcen ein, und all dies selbstverständlich
im Rahmen des Impulses, der für die Demokratisierung,
den Rechtsstaat und den Kampf gegen Korruption auf
allen Ebenen notwendig ist – nicht nur in den
Entwicklungsländern, sondern insbesondere in unserer
westlichen Welt.
Mit diesem Bericht setzt das Europäische Parlament
entschlossen darauf, dass der anstehende Gipfel in
Johannesburg die Lösung der seit Rio offen gebliebenen
Fragen voran bringt und dass die auf dem Gipfel von
Durban – vor knapp einem Jahr – begangenen Fehler
korrigiert werden, als man auf Grund eines so erbitterten
wie unergiebigen Meinungsstreits bei der Verfolgung
der gesteckten Ziele nicht wie gewünscht vorankam.
4-028
Ferreira (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, meine Herren
Mitglieder der Kommission und des Rates, werte
15
Kolleginnen und Kollegen! Aus den Medien erfuhren
wir heute Morgen, dass sich in der Antarktis ein weiteres
Stück der Gletscherkappe gelöst hat, in der 90 % der
Süßwasservorräte
der
Erde
gespeichert
sind.
Überschwemmungen,
Wüstenbildung,
Umweltkatastrophen nehmen zu und beschleunigen sich,
und vor diesem Hintergrund, unter dem Druck einer
ablaufenden Uhr begeben wir uns im September nach
Johannesburg.
Herr Papayannakis und Herr Lannoye haben sehr gute
Berichte vorgetragen, deren Geist und deren
Verpflichtungen, wenn sie in absehbarer Zeit sowohl in
Europa als auch in den anderen Teilen der Welt
umgesetzt würden, zu mehr Optimismus für die Zukunft
Anlass gäben. Jedoch dient dieser Text lediglich der
Beschwichtigung unseres Gewissens, und die
nachhaltige Entwicklung wird eine Utopie bleiben,
solange wir nicht in der Lage sind, Einfluss auf die
Weltwirtschaft und die internationalen Finanzen
auszuüben. Vor zehn Jahren in Rio hatten wir bereits
gemeinsam Verpflichtungen definiert, die nicht
umgesetzt werden konnten. Heute stellen wir fest, dass
die liberale Wirtschaftspolitik die Gräben zwischen
unseren Ländern vertieft hat, indem sie die Reichen noch
reicher und die Armen immer ärmer werden lässt. Daran
ändert auch die Tatsache nichts, dass wir immer mehr
Reichtümer schaffen.
Die Europäische Union hat mutige Positionen bezogen,
die wir jedoch noch konkretisieren und durch weitere
ergänzen müssen. Dieses Modell werden wir nach
Johannesburg tragen, in der Hoffnung, dass möglichst
viele sich davon inspirieren lassen. Um jedoch Erfolg zu
haben, brauchen wir etwas anderes als unsere Reden und
unsere Texte. Wir brauchen Instrumente politischer,
wirtschaftlicher und finanzieller Art. Die politischen
Mittel bestehen in einer anderen Form des weltweiten
Regierens, das die Politiken der nachhaltigen
Entwicklung einbezieht und einbeziehen muss. Die
finanziellen
Mittel
schließen
natürlich
eine
umfangreichere Hilfe durch die reichen Länder ein, aber
auch eine Besteuerung der Finanztransaktionen, um den
Entwicklungsländern die Mittel in die Hand zu geben,
ihr soziales und demokratisches Niveau zu verbessern.
Heute stellt sich die Frage der künftigen Entwicklung
unseres Planeten. Der Druck auf all unsere
Gesellschaften und die Perspektivlosigkeit für unzählige
Menschen schüren neue Ängste und führen zur
Abschottung, weshalb wir die Versprechen einer
solidarischeren Welt nicht länger auf morgen
verschieben können.
4-029
Korhola (PPE-DE). – (FI) Frau Präsidentin, unsere
Kollegen stellen heute Berichte vor, die zu den
wichtigsten der Woche zählen. Sie rüsten die Vertreter
der EG, der weltweit führenden Gemeinschaft für die
Interessen einer nachhaltigen Entwicklung, für den
Gipfel in Johannesburg, und dies mit dem Ziel, den
hoffnungsvollen Aussichten, die 1992 auf dem Gipfel in
Rio geweckt worden sind, einen Schritt näher zu
kommen. Die stabile wirtschaftliche und soziale
16
Entwicklung
sowie
das
hohe
Niveau
des
Umweltschutzes müssen so miteinander in Einklang
gebracht werden, dass diese Teilfaktoren einander nicht
bremsen, sondern gemeinsam und besser den Wohlstand
beschleunigen, als es eine Komponente allein zu tun im
Stande wäre.
Der Berichtsentwurf ist etwas pessimistisch in seiner
Einschätzung der gegenwärtigen Entwicklung. Es liegt
auf der Hand, dass es seine Zeit braucht, um die in
rasantem Tempo fortschreitende negative Entwicklung
zu bremsen. Erst dann kommt die Phase, in der die
Wege der positiven Entwicklung sichtbar werden
können. Wir müssen jedoch dafür Sorge tragen, dass der
exponentiell negativen Entwicklung nicht mit einer sich
linear entwickelnden Politik begegnet wird; dann
bleiben wir immer hinter der Wirklichkeit zurück.
In Rio wurde der wichtige Grundsatz vereinbart, mit der
Basis der Zivilgesellschaften zusammenzuarbeiten.
Dieser Grundsatz ist der EU schon aus früheren
Zusammenhängen vertraut, aber er ist auch deshalb
wichtig, weil gerade dadurch die lineare Starrheit und
Langsamkeit der traditionellen Politik durchbrochen
werden kann. Die Partnerschaftsprojekte werden nach
dem Grundsatz geschaffen, dass gute Modelle leicht zu
kopieren sind. Die soziale, wirtschaftliche und
ökologische Entwicklung und die Demokratisierung der
Gesellschaften sind eng miteinander verwoben, was wir
oft an negativen Beispielen sehen durften.
Der jüngste Bericht des Entwicklungsprogramms der
UNO zeigt, dass erst die wenigsten Unternehmen der
Welt ausreichend Verantwortung für die Gesellschaft
tragen. Dennoch gibt es auch positive Beispiele. Von
erstrangiger Bedeutung ist, wie die verantwortungsvoll
handelnden
und
Verantwortung
anstrebenden
Unternehmen in der Europäischen Union behandelt
werden. Es ist wichtiger denn je, die Politik der
Gemeinschaft so zu gestalten, dass ein Unternehmen die
Möglichkeit hat, sie zu befolgen, und das ist auch im
Hinblick auf die Unternehmen günstiger. Entsprechend
konsequent müssen Anstrengungen unternommen
werden, um auf den globalen Märkten ein soziales und
ökologisches Dumping durch die in der WTO
vereinbarten Regeln zu verhindern. Das jüngste Beispiel
ist der Emissionshandel: für die Produkte aus nicht
beteiligten Drittländern müssen Gebühren und Zölle
entrichtet werden, die die Zusatzbelastungen der
Unternehmen im Emissionshandel ausgleichen.
16/05/2002
höheren Zweck nachhaltiger Entwicklung zu dienen
habe. Entgegen der Behauptung der Kommission, die
meisten Ursachen der globalen Ungleichheit hätten
nichts mit der Globalisierung zu tun, ist die Kluft
zwischen Reich und Arm genau darum größer
geworden, weil unregulierte Märkte und freie
Kapitalbewegung
gewöhnlich
solchen
Ländern,
Unternehmen und Personen Vorteile brachten, die diese
Kräfte zu ihrem eigenen Vorteil nutzen konnten, und
zwar auf Kosten jener, die über weniger Ressourcen
oder weniger politischen und wirtschaftlichen Einfluss
verfügen. Die beschleunigte Umweltverschlechterung in
den letzten Jahren ist eine direkte Folge der Zunahme
des Verbrauchs von Ressourcen und der wirtschaftlichen
Aktivität im Rahmen der Globalisierung.
Zweitens wird es den Herrn Kommissar nach dem, was
der Berichterstatter des Parlaments über die soziale
Verantwortung der Unternehmen gesagt hat, nicht
überraschen zu hören, dass sein Einsatz für die bloße
Durchsetzung der OECD-Leitlinien in multinationalen
Unternehmen ebenso wie der Beitrag der Europäischen
Union zur Entwicklung der globalen Verantwortlichkeit
von Unternehmen aus der Sicht des Parlaments völlig
unzureichend sind.
In der heutigen globalen Wirtschaft häufen sich die
Anzeichen dafür, dass multinationale Unternehmen, die
im Norden, mehrheitlich in der Europäischen Union,
eingetragen sind, in Entwicklungsländern echten
Schaden verursachen. Zu den Verstößen zählen der
Missbrauch der Rechte von Arbeitnehmern und die
Zufügung physischer Schäden an Arbeitnehmern, die
Zerstörung lokaler Ländereien und der Lebensgrundlage,
die Werbung für verbraucherschädliche Produkte, die
Übertretung nationaler Gesetze und die Untergrabung
lokaler Demokratie. Darum werden wir Ziffer 59 der
Entschließung unterstützen. Die EU sollte ihre
Entwicklungshilfe
und
andere
außenpolitische
Machtmittel nutzen, um das Ziel verbindlicher
Mindeststandards hinsichtlich der Leistung von
Unternehmen im sozialen und ökologischen Bereich zu
verfolgen.
Herr Kommissar, Sie können einen guten Anfang
machen, wenn Sie sich in Ihrer Antwort klar und
eindeutig dazu verpflichten, die vorgeschlagene
Rahmenvereinbarung über die Rechenschaftspflicht von
Unternehmen auf dem Gipfel in Johannesburg zu
unterstützen. Ich sehe Ihrer Antwort mit Interesse
entgegen.
4-030
Howitt (PSE).  (EN) Frau Präsidentin, ich gratuliere
dem Berichterstatter, Herrn Lannoye, und teile seine
Auffassung, dass die Mitteilung der Kommission zu sehr
beschreibend ist, die Maßnahmen aber zu kurz kommen.
Ich möchte zwei Bemerkungen machen.
Die erste betrifft den Abschnitt der Mitteilung über
Handel für nachhaltige Entwicklung. Die Kommission
neigt noch immer dazu, von der blinden Annahme
auszugehen, die Liberalisierung des Handels sei eher ein
Ziel an sich als vielmehr ein Werkzeug, das dem
4-031
Mantovani (PPE-DE). – (IT) Frau Präsidentin, meine
Herren Berichterstatter, ich danke Ihnen für die
ausgezeichnete Arbeit, die Sie geleistet haben, und ich
danke dem Herrn Kommissar Nielson, der stets auf die
Fragen betreffend die Entwicklungsländer bedacht ist.
Der in knapp vier Monaten in Südafrika, d. h. in
Johannesburg, stattfindende Weltgipfel wird zweifellos
für die gesamte internationale Gemeinschaft eine
Gelegenheit bieten, die Anstrengungen zu konkretisieren
16/05/2002
und die Verpflichtungen im Bereich der nachhaltigen
Entwicklung einzuhalten.
Obwohl in den letzten Jahren einige bedeutende
Forstschritte erzielt wurden, bleibt noch viel zu tun. Die
Inangriffnahme und der Versuch einer glaubwürdigen
und nachhaltigen Lösung der inzwischen nicht mehr
aufschiebbaren Probleme wie der Armutsbekämpfung,
verbunden mit der auch auf der letzten Tagung in
Brüssel
behandelten
essenziellen
Frage
der
Verschuldung, den enormen Schwierigkeiten im
sozialen und gesundheitlichen Bereich, mit denen die
ärmsten Länder der Welt konfrontiert sind, und natürlich
nicht zuletzt dem Umweltschutz, dem Handel und dem
Zugang zu den internationalen Märkten, wären ein
starkes und konsequentes Signal, das speziell die
Europäische Union als wichtigster Geldgeber als Erste
unterstützen müsste, getreu ihrer jüngsten Verpflichtung
zur
Aufstockung
der
Entwicklungshilfe
um
20 Milliarden Dollar bis 2006 und um 7 Milliarden
jährlich ab 2006.
Auf der anderen Seite wird es auch von entscheidender
Bedeutung sein, dass sich die Empfängerstaaten im
Rahmen eines regionalen Integrationsprozesses wirklich
zu effektiven Entwicklungspolitiken verpflichten. Ein
einseitiger Ansatz, der nicht mit einem konkreten
Engagement
der
Regierungen
und
örtlichen
Verwaltungen für ein entsprechendes Management und
wirksame innenpolitische Maßnahmen verbunden ist,
wäre nämlich wenig sinnvoll.
Erste positive Signale, die uns trotz allem zuversichtlich
stimmen, sind die Verpflichtungen, die in Barcelona –
und noch davor in Laeken, Göteborg und auf dem G8Gipfel in Genua - übernommen wurden und wonach
0,7 % des BIP für die Entwicklungshilfe zur Verfügung
gestellt werden sollen. Das ist ein positiver Trend, wir
brauchen jedoch ein Zwischenziel, d. h. die Etappe von
0,39 Prozent des BIP der einzelnen EU-Staaten, um
baldmöglichst das Ziel zu erreichen.
Alles in allem glaube ich, dass wir mit glaubwürdigen
Fristen und einem präzisen Zeitplan bis 2015 die
Halbierung der Armut erreichen werden.
17
kritisch
stellen.
Nur
so
werden
wir
die
Wahrscheinlichkeit erhöhen, die neuen Ziele zu
erreichen, nämlich ein Wirtschaftswachstum, das auf
sozialen Fortschritt ausgerichtet ist und dem
Umweltschutz gebührend Rechnung trägt. Dabei kommt
der Union mit den richtigen politischen Beschlüssen und
flankiert von der zielgerichteten praktischen Umsetzung
eine entscheidende Rolle zu. Die Union muss das Recht
auf Wachstum auch den Ländern zuerkennen, die sich in
diesem Prozess befinden, indem sie Maßnahmen ergreift
und mit gutem Beispiel auf allen mit der Nachhaltigkeit
verbundenen Gebieten vorangeht, so dass auch die
Teilnahme der Nichtregierungsorganisationen an allen
Entwicklungsvorhaben gewährleistet wird.
Wir müssen uns ernsthaft mit den Fragen
auseinandersetzen, die unmittelbar die Beseitigung der
Armut betreffen. Eine Strategie auf makroökonomischer
Ebene kann in dieser Hinsicht hilfreich sein.
Selbstverständlich bedarf es bei allen diesen und auch
den anderen von den Berichterstattern in ihren Berichten
erwähnten Themen außer dem politischen Willen auch
der entsprechenden finanziellen Mittel.
Abschließend möchte ich beiden Berichterstattern
danken und ihnen herzlich zu ihren so inhaltsreichen
Berichten gratulieren. Hoffentlich finden sie auch
praktische Umsetzung und bleiben nicht als bloße
Absichtsbekundungen lediglich auf dem Papier.
4-033
García-Orcoyen Tormo (PPE-DE). – (ES) Frau
Präsidentin,
es
zeigt
sich
eine
gewisse
Gipfelverdrossenheit, die auf die dürftigen praktischen
Ergebnisse dieser Gipfeltreffen zurückzuführen ist.
Dennoch war jeder Gipfel zur Entwicklung und Umwelt
ein wichtiger Wendepunkt in den Beziehungen des
Menschen zu seiner Umwelt.
Der Gipfel von Stockholm bewirkte eine allgemeine
Bewusstseinsbildung hinsichtlich der schwersten
Angriffe auf unsere Umwelt. Der Gipfel von Rio umriss
ein neues Szenario, das der nachhaltigen Entwicklung.
Dennoch hat das Konzept der geteilten, aber
differenzierten Verantwortung nicht die nötige
Unterstützung durch die reichsten Länder erhalten.
4-032
Malliori (PSE). – (EL) Frau Präsidentin, der Begriff der
nachhaltigen Entwicklung ist in der Politik der
Europäischen Union nicht neu. Täglich erinnern uns
Meldungen daran, dass wir unsere Bedürfnisse nicht
weiter befriedigen dürfen, indem wir die Zukunft
unserer Kinder, der kommenden Generationen, mit einer
schweren Hypothek belasten.
Auf der Konferenz von Rio über die nachhaltige
Entwicklung spielte die Union eine Vorreiterrolle und
zögerte nicht, in wichtigen Fragen Verpflichtungen
einzugehen. Heute müssen wir zugeben, dass zahlreiche
dieser Verpflichtungen nicht eingehalten worden sind.
Jetzt, 10 Jahre später, bereiten wir uns auf die
Gipfelkonferenz von Johannesburg vor und müssen alle
nicht eingehaltenen Beschlüsse bewerten und uns ihnen
Natürlich können die politischen Führer in der Welt
nicht gerade zufrieden sein, wenn sie an die unerfüllten
Versprechen von Rio erinnert werden. In den zehn
Jahren, die zwischen Rio und Johannesburg liegen, hat
sich ein wichtiger Wandel im Szenarium vollzogen, im
Szenarium einer globalisierten Gesellschaft, in der die
sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede eng mit den
Umweltproblemen und der Regierbarkeit aller Länder
verknüpft scheinen.
Die Beseitigung der Armut ist weltweit vorrangig, weil
wir nur so die Globalisierungsprozesse erfolgreich und
gerecht betreiben können. Die Tendenzen zeigen uns
jedoch, dass diejenigen, die in den reichen Ländern
leben, ihr Wohlstandsniveau erhalten wollen und die
18
16/05/2002
anderen 80 % der Bewohner dieses Planeten einen
menschenwürdigen Lebensstandard erreichen müssen.
den Einsatz von Naturreichtümern und die Sicherung der
Artenvielfalt festzulegen.
Die einzige Hoffnung für die Nachhaltigkeit auf globaler
Ebene ist folglich ein Wandel der Produktions- und
Verbrauchsformen. Wir wissen, auf welche Elemente es
bei einem gerechten Wachstum in dieser globalisierten
Welt entscheidend ankommt, aber wir wenden dieses
Wissen nicht entschlossen genug an. Von größter
Bedeutung sind dabei unter anderem: Transparenz und
Öffnung
der
Märkte,
Wissensmanagement,
Innovationsmanagement
und
Technologietransfer,
Effizienz unserer Verfahren und unserer Produkte,
Übernahme und Ausübung der gesellschaftlichen und
umweltpolitischen Verantwortung durch alle Sektoren.
Angesichts der bisherigen Versäumnisse bei der
Vorbereitung der Weltkonferenz und der Haltung der
Bush-Administration steht zu befürchten, dass
Johannesburg zu einem Fiasko wird. Europa obliegt die
enorme Aufgabe, in Johannesburg zu einem positiven
und verbindlichen Ergebnis zu gelangen.
Die Europäische Union hat klare Zeichen gesetzt, dass
sie in der Lage ist, diesen Prozess zu führen. Ich hoffe,
dass wir in Johannesburg unsere mutigen, großzügigen
und ehrenhaften Positionen, die uns als Vorreiter einer
neuen Weltordnung geziemen, zu verteidigen wissen
und verteidigen können.
4-034
Lund (PSE). - (DA) Frau Präsidentin, zunächst ein
Dankeschön an Herrn Kommissar Nielson und Danke
auch für zwei gute Berichte.
Obwohl schon vor zehn Jahren in Rio eine präzise
Agenda zur nachhaltigen Entwicklung festgelegt wurde,
ist die Entwicklung seither leider in die entgegengesetzte
Richtung verlaufen. Die Armut breitet sich weiter aus,
und die Kluft zwischen Arm und Reich wird von Tag zu
Tag größer. Der Verbrauch der natürlichen Ressourcen
nimmt täglich zu, die von Menschen verursachten
Klimaveränderungen halten unvermindert an, und mit
jedem Tag werden die Tier- und Pflanzenarten weniger,
und zwar unwiederbringlich. Es ist wirklich sehr
wichtig, dass die EU auf der Weltkonferenz in
Johannesburg eine globale Verantwortung übernimmt.
Es muss ein globales Abkommen mit einem konkreten
Arbeitsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung für die
kommenden Jahre erstellt werden, mit genauen
Zielsetzungen und exakten Zeitvorgaben. Ich möchte
einige einfache, entscheidende Elemente nennen.
Wir müssen einen entschlossenen Kampf gegen Armut
und Hunger führen, um die Zusagen an die UN in Bezug
auf die Entwicklungshilfe zu erfüllen, indem wir unter
anderem den Entwicklungsländern echte Chancen im
Welthandel
einräumen.
Wir
müssen
die
Wechselbeziehung zwischen Wirtschaftswachstum und
vermehrter
Umweltbelastung
unterbrechen,
insbesondere durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer
Energien und sauberer Technologien. In allen
Politikbereichen, bei Rechtsvorschriften ebenso wie bei
Handelsabkommen,
Investitionen
und
Entwicklungshilfe, müssen wir erreichen, dass die
Nachhaltigkeit Berücksichtigung findet. Wir brauchen
sichere und wirksamere Instrumente zur Umsetzung
internationaler
Umweltabkommen
sowie
Vereinbarungen im sozialen Bereich. Schließlich halte
ich es für unabdingbar, konkretere Ziele in Bezug auf
4-035
Flemming (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Auch ich
muss Frau González Álvarez sagen, dass das Wort
„Demokratie“ am häufigsten in den grauslichsten
kommunistischen Diktaturen in den Mund genommen
wurde,
und
dass
sich
die
schlimmsten
Umweltkatastrophen in kommunistischen Staaten
abgespielt haben – denken Sie an Tschernobyl –, in
jenen Staaten, wo man weder von der Wirtschaft noch
von der Ökologie irgend etwas versteht.
Rio war ein Meilenstein. Heute stehen wir da und sind
sehr traurig und haben nichts in der Hand. Und wer denn
außer der Europäischen Union sollte hier Vorreiter sein?
Wer hat denn die Möglichkeiten, wer hat das
Bewusstsein, wer hat das Können, das Wissen und die
wirtschaftlichen
Möglichkeiten
dazu?
Denn
Umweltschutz ohne eine starke Wirtschaft ist nicht
möglich. Und jetzt stehen wir vor Johannesburg und
müssen feststellen: Die Vorbereitungen laufen schlecht!
Erlauben Sie mir, dass ich wenige Worte zu dieser
Vorbereitungskonferenz in New York sage, die vom 25.
März bis 5. April stattgefunden hat. Man berichtet mir,
dass alles viel zu langsam, viel zu bürokratisch vor sich
geht. Man hat noch nicht einmal mit den Verhandlungen
begonnen. Man hat jetzt die nächste vorbereitende
Konferenz in Indonesien etwas verlängert. Sie wird jetzt
vom 24. Mai bis 7. Juni stattfinden. Wenn man auch hier
nicht weiterkommt, dann ist Johannesburg schon
gescheitert, ehe wir überhaupt dorthin gefahren sind.
Erlauben Sie mir, ein ganz wichtiges Thema für mein
Land anzusprechen. Es geht um die Berge. Die Schweiz
und Österreich haben in den vorbereitenden
Konferenzen ein starkes, eigenes Bergkapitel verlangt,
und die Europäische Union hat zugestimmt. Auch da
war es bei den Vorbereitungen nicht möglich
weiterzukommen. Die Länder, die wir hier vertreten,
haben alle die Alpenkonvention unterzeichnet. Bei der
Ratifizierung der Protokolle geht aber einfach nichts
weiter. Wenn wir bei einem internationalen Gipfel stark
auftreten und dort für unsere Berge etwas verlangen
wollen, dann müssen wir zuerst zu Hause unsere
Hausaufgaben machen. Ich bitte Sie alle, Ihre
Regierungen aufzufordern, dass die entsprechenden
Protokolle zur Alpenkonvention so rasch wie möglich
ratifiziert werden.
4-036
Deva (PPE-DE).  (EN) Frau Präsidentin, ich möchte
gern etwas eingehender über die soziale Verantwortung
von Unternehmen und die nachhaltige Entwicklung
sprechen, und zwar nicht von der linken, sondern von
16/05/2002
der rechten Seite dieses Plenums aus. Wenn die Fragen
der sozialen Verantwortlichkeit von Unternehmen nicht
richtig verstanden werden, wird das für die globale
Wirtschaft nur eine weitere Parole werden.
Globale Wirtschaft erfordert globale Regeln. Wenn man
keine globalen Regeln hat, um die Entwicklung unseres
Planeten aufrechtzuerhalten, werden wir am Ende vor
dem Problem stehen, dass die Reichen reicher und die
Armen ärmer werden, dass sich die Umwelt
verschlechtert und es mit der nachhaltigen Entwicklung
vorbei ist. Sechzigtausend Menschen werden im
September in Johannesburg ihre Zeit vergeuden.
Zuletzt gab es so etwas wie einen Anflug von globaler
Wirtschaft in der Epoche der Weltreiche, als die
britischen, französischen, italienischen und spanischen
Mächte auszogen und wirtschaftliche Aktivität
entfalteten. Aber selbst die britische OstindienKompanie
zeigte
soziale
unternehmerische
Verantwortung: Sie baute Schulen, sie schaffte Ordnung
in Bengalen, sie baute Eisenbahnen; sie entwickelte die
Infrastruktur und sie begründete Offset-Investments. Auf
diese Weise entwickelte sich die wechselseitige
Abhängigkeit zwischen den Wirtschaften der ärmeren
und der reicheren Länder.
Heutzutage müssen wir im Zusammenhang mit der
sozialen Verantwortung von Unternehmen zur Kenntnis
nehmen, dass der Umsatz der 200 größten
multinationalen Unternehmen zusammen genommen
größer ist als das Bruttosozialprodukt von 172 Ländern.
Die 200 Chefs dieser Unternehmen tragen also eine
riesige soziale Verantwortung. Wir müssen sie gewinnen
und eine Entwicklungspartnerschaft schmieden, sollten
an ihrem Tun nicht herumkritisieren, sondern ihnen
helfen, denn Shareholder Value ist, selbst in der City of
London, wesentlich vom ethischen Verhalten der
Unternehmen abhängig. Ich habe immer wieder erlebt,
dass Unternehmen mit einer ordentlichen Umwelt- und
Entwicklungspolitik höhere Aktiengewinne verzeichnen
als solche, die in anderen Teilen der Welt plündern und
rauben.
Ich bitte also die Kolleginnen und Kollegen zu meiner
Rechten, nicht die zu meiner Linken, die schon dort
angelangt sind, zu begreifen, dass wechselseitige
Abhängigkeit verlangt, dass wir den Blick auf unsere
eigene wirtschaftliche und Unternehmensentwicklung
richten und unsere Unternehmen auffordern, Partner in
diesem Entwicklungsprozess zu sein.
4-037
Nielson, Kommission.  (EN) Ich danke Herrn
Papayannakis und Herrn Lannoye für ihre umfassenden
und sehr anregenden Berichte.
Es ist bedauerlich, dass es mit den in Rio gesetzten
Zielen nur langsam vorangeht und die Bedingungen in
mancher Hinsicht heute schlechter als vor zehn Jahren
sind. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll und
hoffentlich auch nützlich, dass Johannesburg tatsächlich
stattfindet. Es ist eine Möglichkeit, um die
19
Aufmerksamkeit der Welt wieder auf diese Probleme zu
lenken. Wir sind entschlossen, daraus das Beste zu
machen.
Ich teile die Auffassung des Parlaments, dass der
Vorbereitungsprozess für den Weltgipfel nicht so gut
läuft, wie wir es gern hätten, aber die in Monterrey
verkündete Erhöhung der Entwicklungsausgaben sollte
den Fortschritt in Johannesburg begünstigen. Da wir
zumindest die Debatte über die Finanzierung der
Entwicklung mit einem gewissen realen Ergebnis hinter
uns haben, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass
man sich in Johannesburg auf die nachhaltige
Entwicklung konzentrieren kann.
Allerdings müssen wir auch kreativer sein und
innovative Mittel der Umsetzung und Finanzierung
finden. Es gibt noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass
das letzte Vorbereitungstreffen in Bali Ende Mai zu
Ergebnissen führt. Das ist keineswegs gewiss. Es geht in
der Debatte nicht um Zielsetzungen, da es einen
Konsens darüber zu geben scheint, dass die Beseitigung
der Armut sowie nachhaltiger Verbrauch und
nachhaltige Produktion die vorrangigen Ziele des
Gipfels sind, der  als ein generelles Charakteristikum 
weiterhin von der Verpflichtung geleitet ist, die
Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Wie
immer stellt sich die Frage, wie diese Ziele zu erreichen
sind.
Die Union befindet sich im Prozess der Festlegung einer
Reihe von Kernprioritäten für gemeinsames Handeln.
Diese leiten sich aus der Strategie für Nachhaltige
Entwicklung her. Die Kommission wird spezielle
Partnerschaftsinitiativen in den nachfolgend genannten
Bereichen fördern. Lassen Sie mich anmerken, dass es
so gut wie einerlei ist, ob wir von Partnerschaften oder
Geschäften reden. Diese Partnerschaften, die wir
fördern, ergeben zusammen etwas, das man sinngemäß
als einen „globalen Deal“ bezeichnen kann.
Zum Wasser  Mit Blick auf eine bessere
Bewirtschaftung der Ressourcen und den besseren
Zugang zu sicherem Trinkwasser und entsprechenden
sanitären Einrichtungen werden wir eine Initiative ins
Leben rufen, die auf einer integrierten Bewirtschaftung
der Flusseinzugsgebiete beruht.
Zur Energie  Die Kommission wird eine Initiative zur
Verbesserung der angemessenen, erschwinglichen und
nachhaltigen Versorgung mit Energie vorschlagen. Kern
der Initiative wird die Bereitstellung von technischer
Hilfe für Entwicklungsländer sein, um auf dem Wege
von Partnerschaften eine ordentliche Energiepolitik zu
installieren.
Zum Gesundheitswesen  Die Union wird in den
nächsten fünf Jahren den Umfang der Entwicklungshilfe
mit dem Ziel einer verbesserten Gesundheit erhöhen
sowie Empfängerländer und die internationale
Gemeinschaft auffordern, sich an diesen Bemühungen
zu beteiligen. Besondere Aufmerksamkeit wird der
Gesundheit der Mütter gelten. WTO-Mitgliedstaaten
20
sollten Differenzen über Zwangslizenzen beilegen und
dafür Sorge tragen, dass den Entwicklungsländern
pharmazeutische Produkte zum geringst möglichen Preis
zur Verfügung gestellt werden können. Ich erinnere das
Parlament daran, dass wir vor einem Jahr die
Beschränkungen für die Beschaffung wichtiger
Medikamente gegen Aids, Malaria und Tuberkulose,
soweit es die Kommission betraf, weltweit aufhoben.
Zum Bildungswesen  Die Union wird in den nächsten
fünf Jahren auch den Umfang der Entwicklungshilfe im
Bildungsbereich erhöhen und die Empfängerländer
auffordern, unterstützende politische Rahmenwerke zu
schaffen und entsprechende nationale Haushalte zu
bilden. Wir werden die schlagkräftige WeltbankInitiative „Bildung für alle“ unterstützen und
insbesondere Partnerschaften mit der UNESCO stärken,
um Kapazitäten aufzubauen und Fortschritte zu
verfolgen; wir werden auch der schulischen
Grundbildung und der Beseitigung der Unterschiede
zwischen Frauen und Männern Priorität einräumen.
Zum Handel  Damit die Globalisierung im Sinne einer
nachhaltigen Entwicklung wirkt, sind rasche Fortschritte
bei der mit der Entwicklungsagenda von Doha
begonnenen Arbeit und darüber hinaus gehende
konkrete Handelsinitiativen erforderlich. Die Union wird
sich dafür einsetzen, dass über Zugangsniveaus,
vergleichbar mit „Alles außer Waffen“, von allen
OECD-Ländern zugunsten der am wenigsten
entwickelten Länder entschieden wird.
Zum Wald – Die Union wird effektiv zu einer
verstärkten internationalen Zusammenarbeit bei der
Bekämpfung des illegalen Holzfällens und des illegalen
Holzhandels beitragen. Hierbei ist mehr als bloße
Überwachung notwendig. Wir brauchen polizeiliche
Kontrollen.
Zur Fischerei  Die Union beabsichtigt, einen
wirksamen Beitrag zur Erhaltung der biologischen
Vielfalt bei langfristiger Sicherung der Lebensfähigkeit
der Fischereiwirtschaft zu leisten. Wir werden illegales,
nicht gemeldetes und ungeregeltes Fischen bekämpfen
und
nachhaltige
Fischereipolitiken
in
Entwicklungsländern im Kontext der Strategien zur
Verringerung der Armut unterstützen. Zurzeit befinden
wir uns mit zahlreichen Ländern Afrikas und andernorts
im Prozess der Neuverhandlung der traditionellen
Fischereiabkommen. Dieser Erneuerungsprozess ist
notwendig, wenn wir uns in diese Richtung bewegen
wollen.
Zum Regieren  Die Union wird zur Stärkung von
globalen Regierungsstrukturen und Institutionen im
Wirtschafts-, Sozial- und Umweltbereich sowie deren
entsprechenden Verknüpfungen beitragen, um die
Kohärenz der Maßnahmen, Integration und höhere
Effizienz zu sichern. In diesem Zusammenhang werden
wir uns auch aktiv an der sich anbahnenden Debatte über
globale öffentliche Güter beteiligen und innovative
Mechanismen zur internationalen Finanzsolidarität und
für Anreize zur Reduzierung negativer Effekte, so
16/05/2002
genannter Externalitäten, erkunden. Wir werden eine
Task Force vorschlagen, die allen Akteuren offen steht
und die die relevanten globalen öffentlicher Güter
ermitteln und über deren angemessene Bereitstellung
diskutieren soll. Diesen Aspekt haben wir im Konsens
von Monterrey vermisst; doch haben die Kommission
und mehrere Mitgliedstaaten diese Frage während der
Woche in Monterrey andiskutiert und damit dafür
gesorgt, dass das, was nicht im Konsens von Monterrey
enthalten ist, noch während der Konferenz in die
internationale
Debatte
einfloss.
Wir
wollen
Johannesburg als Plattform nutzen, um diese Fragen auf
die internationale Agenda zu setzen.
Alle diese Initiativen werden im Rahmen der nationalen
und regionalen Strategien unserer Partnerländer zur
Verringerung der Armut einfließen, die die Grundlage
für nachhaltige Entwicklung bilden. Bei der Umsetzung
dieser Initiativen wird die Union Afrika und den
Bemühungen afrikanischer Länder um die Erreichung
einer
nachhaltigen
Entwicklung
besondere
Aufmerksamkeit widmen.
Zu den Beiträgen von Herrn Howitt und Herrn Deva:
Zusammen genommen stellen sie die Herausforderung
ausgewogen dar. Ich werde beiden Seiten dieses Hauses
in dieser Frage aufmerksam zuhören. Ich stimme beiden
zu, also sollte das grundsätzlich nicht unmöglich sein.
Das große Thema echten internationalen Regierens
kommt in Bewegung. Das ist auch der Hauptknackpunkt
zwischen Europa und den Vereinigten Staaten. Wir
sehen es als natürlich und notwendig an, mit dem
globalen Regieren in einer Vielzahl von Problemen
voranzukommen, bei denen die USA-Regierung, die
weniger multilateral eingestellt ist, einen anderen Kurs
bevorzugt. Darüber muss diskutiert werden. Wir
betrachten diese internationalen Konferenzen als
nützliche Foren, um diese Auffassungen durchzusetzen.
Mehrere Redner aus allen Fraktionen dieses Hauses
haben angesprochen, dass wir bei der Reform der
Landwirtschafts- und der Fischereipolitik in Europa
vorankommen müssen, um in diesen Bereichen
international glaubwürdig zu sein. Dem kann ich nur
zustimmen. Es handelt sich hier um zwei Bereiche, die
einen hohes Maß an Aufmerksamkeit verlangen. Die
Reform dieser beiden Bereiche ist, was die
internationalen Konsequenzen angeht, genauso wichtig
wie jeder andere Beitrag Europas zur globalen
Entwicklung.
Die Vorbereitungen auf Johannesburg werden im Juni
einer der Hauptdiskussionspunkte beim Europäischen
Rat in Sevilla sein. Lassen Sie uns dafür Sorge tragen,
dass die Europäische Union in Johannesburg eine
Vorreiterrolle bei der Erzielung eines anspruchsvollen,
aktionsorientierten Ergebnisses spielt.
Mehrere Redner sprachen davon, dass es an klaren
Entscheidungen hinsichtlich der Teilnahme höchster
Regierungsvertreter fehle. Lassen Sie mich bei dieser
Gelegenheit das Parlament darüber informieren, dass der
Präsident der Europäischen Kommission ganz eindeutig
16/05/2002
beabsichtigt, am Johannesburger Gipfel teilzunehmen.
Eine Reihe weiterer Kommissionsmitglieder wird
ebenfalls dabei sein und damit gewährleisten, dass bei
den
Verhandlungen
den
verschiedenen
Verantwortungsbereichen größtmögliche Beachtung
geschenkt wird.
Das Europäische Parlament ist stets für nachhaltige
Entwicklung und deren Einbindung in alle
Unionspolitiken eingetreten. Ihre Bemühungen tragen
dazu bei, in die Vorbereitungen auf Johannesburg ein
Moment der Dringlichkeit einzubringen. Das ist
notwendig. Ich danke dem Parlament für die heutigen
Beiträge.
4-038
Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kommissar
Nielson.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
4-039
Welternährungsgipfel (FAO)
4-040
Die Präsidentin. – Nach der Tagungsordnung folgt die
Erklärung der Kommission zum Welternährungsgipfel
(FAO).
4-041
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, die
Teilnehmer des Welternährungsgipfels 1996, zu denen
auch
die
Europäische
Kommission
gehörte,
verpflichteten sich, die Zahl unterernährter Menschen
bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Dieses Ziel wurde in der
von den Vereinten Nationen im September 2000
angenommenen
Millenniumserklärung
bekräftigt.
Derzeitige Informationen lassen jedoch erkennen, dass
der Hunger trotz erheblicher Anstrengungen vieler
Länder zur Verminderung der Armut und zur
Verbesserung der Ernährungssicherheit noch nicht rasch
genug verringert, um dem Aktionsplan des
Welternährungsgipfels gerecht zu werden.
In einer Welt wachsenden Wohlstands und reichlichen
Nahrungsmittelangebots ist es nicht hinnehmbar, dass
immer noch nahezu 800 Millionen Menschen an Hunger
und Unterernährung leiden. Die Beseitigung des
Hungers ist eine der wichtigsten Herausforderungen der
Menschheit und kann nur durch abgestimmtes Handeln
der nationalen Regierungen und der internationalen
Gemeinschaft erreicht werden. Dies hat die FAO
veranlasst, die Staats- und Regierungschefs fünf Jahre
später zum Welternährungsgipfel einzuladen, um die
Fortschritte in der Erreichung der Ziele von 1996 zu
beurteilen und um das politische Bekenntnis zur
Bekämpfung der Armut zu bekräftigen.
Die Kommission hat im Einklang mit den
Verpflichtungen von 1996 und ihrem Aktionsplan
beachtliche
Anstrengungen
unternommen.
Die
Verringerung der Armut wurde zum allgemeinen Ziel
der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft, und den
21
Zielen auf dem Gebiet der Ernährungssicherheit widmet
sich ein breites Spektrum von Maßnahmen und
Instrumenten. Der bevorstehende Welternährungsgipfel
bietet die Gelegenheit, die Verpflichtung der
Kommission zu erneuern, unsere Auffassungen
vorzutragen und über den erreichten Fortschritt zu
berichten.
Der Gipfel ist im größeren internationalen Kontext einer
Reihe hochrangiger Veranstaltungen zu sehen,
beispielsweise der Brüsseler Konferenz der am
wenigsten entwickelten Länder, der Konferenzen von
Doha, Monterrey und Johannesburg. Er gibt neuen
Schwung und bietet neue Chancen für Fortschritte in der
nachhaltigen Entwicklung. Ernährungssicherheit ist eine
wesentliche Dimension und ein Indikator bei der
Verringerung der Armut und stellt in diesem
Zusammenhang ein Schlüsselelement dar.
Der Gipfel wird auf den Verpflichtungen und
Ergebnissen verschiedenster internationaler Prozesse
aufbauen können und sollte die Zielsetzungen auf dem
Gebiet der Ernährungssicherheit fester in die
umfassendere Agenda der Verringerung der Armut
integrieren und die zum nachhaltigen Umgang mit
natürlichen Ressourcen und damit zur nachhaltigen
Entwicklung bestehenden Beziehungen verstärken.
Ernährungssicherheit/ländliche Entwicklung ist einer
von sechs Schwerpunktbereichen in der allgemeinen
Entwicklungspolitik.
Das Ergebnis des Gipfels wird eine unter den FAOMitgliedern ausgehandelte politische Erklärung sein. Die
Kommission und die Mitgliedstaaten bereiten einen
gemeinsamen Standpunkt vor. Die Erklärung wird zur
Stärkung des politischen Willens und zur Festlegung
geeigneter Maßnahmen zur Beschleunigung der
Umsetzung
des
Aktionsplans
aufrufen.
Die
abschließenden Verhandlungen mit den FAOMitgliedern werden vor dem eigentlichen Gipfel im
Ausschuss für Ernährungssicherheit stattfinden.
Abschließend möchte ich den politischen Willen der
Europäischen
Gemeinschaft
bekräftigen,
die
realistischen und nachhaltigen Empfehlungen auf dem
Welternährungsgipfel zu unterstützen und sich den
Herausforderungen des Kampfes gegen den Hunger auf
nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu stellen.
Dieser Gipfel wird eine erneute politische Gelegenheit
bieten, unseren Dialog mit den Entwicklungsländern
weiter zu verfolgen und unsere Solidarität mit den
weniger entwickelten Ländern und den armen
hungernden Menschen in aller Welt zu bezeugen.
4-042
Bowis (PPE-DE).  (EN) Frau Präsidentin, eingangs
möchte ich dem Herrn Kommissar für seine Erklärung
danken. Lassen Sie mich jedoch ihm gegenüber meine
Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass das Ergebnis von
Rom mehr als nur eine Erklärung sein möge. Ich hoffe,
es wird ein Programm entschlossenen Handelns sein.
22
Die Öffentlichkeit nimmt den Hunger sehr oft als
Fernsehnachricht über eine Hungersnot wahr. In den
letzten 25 Jahren setzte man das weitgehend mit
Konfliktsituationen gleich, aber das eigentliche Problem
ist die Unterernährung. Schlechtes Wasser führt zu
Krankheit, Behinderung und Tod und natürlich zum
Verlust einer produktiven Arbeitskraft. Das wiederum
führt zu niedrigem Einkommen, was Unterernährung zur
Folge hat, und das ist der Teufelskreis, den wir
durchbrechen wollen.
Die Situation verschlimmert sich, wenn humanitäre
Hilfe die Tätigkeit der einheimischen Landwirte und die
einheimische Wirtschaft untergräbt. Wir haben ein gutes
Gefühl, wenn wir unsere Lebensmittelüberschüsse an
Länder mit geringem Einkommen abgeben, ohne uns
bewusst zu sein, dass das den Produzenten von
Nahrungsmitteln in jenen Ländern eher schaden als
nützen kann. Sie verschlimmert sich weiter, wenn wir in
Europa den Landwirtschaftsexporten dieser Länder aus
völlig verständlichen Gründen der Hygiene und der
Lebensmittelsicherheit unsere Tore verschließen. So
schraubt sich die Problemspirale hoch. Das heißt, wir
hindern sie daran, genug zu verdienen, damit sie unseren
Standards gerecht werden können.
Als ich zur AKP-Tagung in Kapstadt war, fand ich es
absurd, dass mich lokale Produzenten um Hilfe baten.
Sie wollten, dass ihr hochwertiges Springbockfleisch
ebenso wie in ihren Fünf-Sterne-Hotels in Afrika auch in
Europa auf den Tisch kommt, aber sie konnten sich die
Ausrüstung zur Portionierung des Fleisches, wie die
Regelungen es verlangen, nicht leisten, und so blieb
ihnen der Markt verschlossen. Solchen Dingen müssen
wir vorbeugen.
Lassen
Sie
mich
auf
die
wesentlichen
Herausforderungen
zurückkommen.
Seit
einem
Vierteljahrhundert haben wir uns unsere Ziele gesetzt.
Wir haben gesagt, das Problem müssen wir lösen, und
dann, im Jahre 1996, stellten wir fest, dass es
800 Millionen unterernährte Menschen gibt. Wieder
haben wir uns ein Ziel gesetzt, nämlich diese Zahl bis
2015 zu halbieren: Das bedeutet über 20 Jahre hinweg
eine jährliche Verringerung um 22 Millionen. Doch wir
stehen bei 6 Millionen im Jahr und erreichen nach fünf
Jahren nicht unsere Zielsetzung. Wir werden sie
frühestens 2030 erreichen. Das Paradoxe ist, dass die
Nahrungsmittelproduktion in der Welt schneller
gewachsen ist als die Bevölkerung: Den 5,8 Milliarden
Menschen, die es heute in der Welt gibt, stehen
durchschnittlich 15 % mehr Nahrungsmittel pro Kopf
zur Verfügung als den 4 Milliarden vor 20 Jahren. Doch
die Pro-Kopf-Produktion von Nahrungsmitteln ist nicht
in den hochverschuldeten Ländern mit geringem
Einkommen gestiegen, insbesondere nicht im
subsaharischen Afrika. Darauf sollten wir unsere
Aufmerksamkeit richten.
Im Jahr 2000 haben von 5,8 Milliarden Menschen immer
noch 826 Millionen gehungert. Bei der derzeitigen Rate
werden im Jahr 2015  dem Jahr unserer Zielsetzung 
noch 580 Millionen Menschen an Hunger leiden. Ich
16/05/2002
bitte die Kommission und uns alle, sich daran zu
erinnern, dass die Lösung dieses Problems nach
Berechnungen des Entwicklungsprogramms der
Vereinten Nationen jährlich 13 Mrd. US-Dollar kosten
würde. 13 Mrd. US-Dollar im Jahr ist die Summe, die
wir in Europa und Amerika für Kosmetika ausgeben.
Denken Sie bitte daran, dass in den letzten 50 Jahren
weltweit fast 400 Millionen Menschen an Hunger und
mangelhafter Hygiene gestorben sind. Das sind drei Mal
so viele, wie in allen Kriegen des gesamten
20. Jahrhundert getötet wurden. Schließlich bitte ich Sie
daran zu denken, dass in jedem Jahr etwa neun
Millionen Menschen an Hunger sterben. Das sind
24 000 Tote täglich; alle 3,6 Sekunden ein Leben
weniger; in den drei Minuten meiner Rede waren es
50 Tote. Darüber sollten wir uns Gedanken machen,
wenn wir am 10. Juni in Rom sind, und darum fordere
ich zum Handeln auf und nicht nur zur Abgabe von
Erklärungen.
4-043
Garot (PSE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar!
Das Problem des Hungers in der Welt, über das wir
heute sprechen, kann niemanden gleichgültig lassen.
Und da es sich in immer größerer Schärfe stellt, ist ein
stärkeres politisches Engagement gefragt, vor allem im
Rahmen des bevorstehenden Welternährungsgipfels.
Vorrangig muss die Europäische Union bei diesem
Gipfeltreffen ihrer Rolle in diesem Kampf gerecht
werden, der es erforderlich macht, das Recht auf
Ernährung als ein grundlegendes Menschenrecht
anzuerkennen.
Das Problem des Hungers mag sich als eine schlechte
Verteilung der Lebensmittel zwischen den überernährten
und den unterernährten Ländern darstellen. In Wahrheit
liegt jedoch die Lösung nicht in erster Linie in einem
besseren Austausch zwischen den Regionen des
Überflusses und denen des Mangels. Vor allem geht es
darum, dort Lösungen zu finden und zu fördern, wo das
Problem sich stellt, um es nicht zu einem Bruch mit der
Ernährungskultur der betroffenen Bevölkerung kommen
zu lassen und um ihre ländliche Wirtschaft zu
konsolidieren.
Unter diesem Blickwinkel erfordert die Bekämpfung
von Hunger und Armut unbestreitbar einen
Schuldenerlass, die Förderung der allgemeinen und
beruflichen Bildung, die Verstärkung der technischen
Hilfe und die Investitionsförderung in diesen
rückständigen Ländern. Erforderlich sind zweifellos
auch die rationelle Verwendung des Wassers und die
Erhaltung der Artenvielfalt, die durch die internationale
Gemeinschaft zu „internationalen öffentlichen Gütern“
erklärt werden sollten. Vor allem aber kommt es darauf
an, die Fischerei und die Förderung der Entwicklung der
Nahrungsmittelkulturen nach einem nachhaltigen
Modell zu betreiben. In diesem Sinne gehören die
Anwendung von landwirtschaftlichen Praktiken, die im
Einklang mit den lokalen Bedingungen stehen, die
Verarbeitung der Erzeugnisse vor Ort, der Aufschwung
der nahegelegenen Märkte und die Wahlfreiheit der
Entwicklungsländer hinsichtlich der neuen Technologien
16/05/2002
zu den Prioritäten, die in den Hungerregionen umgesetzt
werden müssen und die stärker als bisher eine
spezifische und differenzierte Behandlung durch die
WTO erfordern.
Ich fordere also unseren Kommissar auf, auf dem
bevorstehenden Ernährungsgipfel die Ideen zu
verteidigen, die in der gemeinsamen Entschließung des
Europäischen Parlaments enthalten sind.
4-044
Mulder (ELDR). – (NL) Frau Präsidentin! An der
soeben von dem Herrn Kommissar abgegebenen
Erklärung ist so gut wie nichts auszusetzen. Sie enthält
Gemeinplätze. Mein einziger Kritikpunkt lautet, dass es
sich um Ausführungen handelt, die zeitlos sind. Ob ein
für die Entwicklungszusammenarbeit zuständiges
Kommissionsmitglied diese Erklärung vor 15 oder vor
10 Jahren abgegeben hätte oder sie nun heute abgibt,
inhaltlich wäre es das Gleiche gewesen. Meine
Kernfrage lautet: Worin bestehen die von der
Kommission vorgeschlagenen Verbesserungen denn nun
konkret?
Erstens: Wie schon gesagt wurde, sollte sich die
Kommission
auf
Afrika
konzentrieren.
Die
Agrarproduktion
hält
dort
nicht
mit
dem
Bevölkerungswachstum Schritt. Was muss die
Kommission unternehmen? Zunächst sollte sie über die
Delegationen und die Mitgliedstaaten dafür Sorge
tragen, dass in diesen Ländern eine vernünftige
Preispolitik für Agrarerzeugnisse betrieben wird.
Landwirte in aller Welt sind zu einer ausreichenden
Produktion bereit, vorausgesetzt, die natürlichen
Gegebenheiten lassen es zu und die Preise sind
akzeptabel. Stets bedarf es eines Interessenausgleichs
zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung, doch
steht außer Zweifel, dass bei nicht hinnehmbaren Preisen
für Agrarerzeugnisse kein Landwirt mehr produziert und
die Bevölkerung in zunehmendem Maße von Einfuhren
und von Nahrungsmittelhilfe abhängt. Und beides hat
häufig verhängnisvolle Folgen für die lokale
Nahrungsmittelproduktion. Nahrungsmittelhilfe wird
allzu leichtfertig unter anderem durch, wie ich meine,
die Amerikaner gewährt. Vielleicht kann die
Europäische
Union
im
Rahmen
der
Welthandelsorganisation mit den USA diesbezüglich ein
ernstes Wort reden. Künftig sollte die Union bei der
Leistung von Nahrungsmittelhilfe ebenfalls umsichtig
vorgehen.
Auf die Weltmarktpreise haben wir zwar keinen
Einfluss, wir können aber mit den Regierungen der
betreffenden Länder darüber diskutieren, dass sie eine
transparente Preispolitik betreiben sollten, damit sich die
Einfuhren aus dem Weltmarkt nicht nachteilig auf die
lokale Nahrungsmittelproduktion auswirken.
Noch zwei Punkte: Oftmals glauben wir, ein Problem
mit Geld lösen zu können. Man nimmt an, eine Lösung
wäre vielleicht möglich, wenn den Beratungsdiensten
ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt würden. Ich
bin nicht dieser Meinung. Wenn wir Mittel für fünf
23
Jahre bereitstellen, tritt das Problem nach fünf Jahren
erneut auf. Meines Erachtens sollte auch erörtert werden,
wie eine größere Eigenfinanzierung der Beratungssowie der Veterinärdienste erreicht wird. Wie können sie
in verstärktem Maße von der ortsansässigen
Bevölkerung selbst finanziert werden? Dabei denke ich
insbesondere an die Veterinärdienste, denn bei der
Nahrungsmittelproduktion in Afrika spielt Vieh die
Hauptrolle.
Gegenwärtig
nicht
für
die
Nahrungsmittelproduktion genutzte größere Gebiete
bieten unter der Voraussetzung einer besseren
veterinärmedizinischen Betreuung in Zukunft durchaus
eine solche Möglichkeit. Bei dieser Diskussion über
Selbstversorgung und Selbstfinanzierung fällt der
Kommission eine Führungsrolle zu, und dieses Konzept
ist weitaus wirksamer als lediglich die Bereitstellung
finanzieller Mittel.
4-045
Rod (Verts/ALE). – (FR) Natürlich begrüße ich die
Annahme einer Entschließung des Europäischen
Parlaments im Hinblick auf den Welternährungsgipfel
der FAO. Sie geht übrigens auf einen Antrag meiner
Fraktion zurück. Fünf Jahre nach dem ersten Gipfel sind
die erzielten Fortschritte – Verringerung der Zahl von
800 Millionen Hungernden um 40 Millionen – allerdings
gering, gemessen an dem Ziel, die Zahl der an
Unterernährung leidenden Menschen bis 2015 zu
halbieren.
Diese Entschließung enthält einige interessante
Abschnitte, so die notwendige Neuausrichtung der neuen
WTO-Verhandlungsrunde auf Fragen der Entwicklung
und der Ernährungssicherheit, die anstehenden
Reformen der GAP und der gemeinsamen
Fischereipolitik. Insgesamt steht dieser Kompromiss
jedoch auf recht schwachen Füßen: er erkennt nicht den
Vorrang
des
Rechts
auf
Ernährung,
auf
Ernährungssouveränität an und geht auch nicht auf die
strukturellen Ursachen für die Ernährungsunsicherheit
ein.
Bekanntlich besteht ja kein quantitativer Mangel an
verfügbaren Nahrungsgütern auf der Welt, sondern das
Problem liegt in der Verteilung unter der
Weltbevölkerung.
Daran
ändern
auch
neue
Vermehrungstechnologien, vor allem die genetisch
veränderten Organismen, nichts, ganz im Gegenteil.
Genetisch verändertes Saatgut und die entsprechenden
Techniken bringen die kleinen Landwirte und die
Bevölkerung des Südens in noch stärkere Abhängigkeit
von multinationalen Konzernen. Diese verstärken nicht
nur ihren Druck auf die Bauern, indem sie ihnen ihren
Zaubersamen verkaufen, sondern regen sie zudem an,
Lebensmittel für die Verbraucher im Norden auf Kosten
ihres eigenen Bedarfs zu produzieren. So sind drei
Viertel der Menschen, die in den Entwicklungsländern
Hunger leiden, Kleinbauern.
Es ist an der Zeit, den ungleichen Regeln und
Handelspraktiken im Agrarhandel ein Ende zu setzen.
Die Europäische Union sollte ab sofort alle
Exportsubventionen streichen. Es genügt nicht, von
24
16/05/2002
Kohärenz der Gemeinschaftspolitiken zu reden, man
muss sie auch umsetzen. Das Millenniumsziel besteht
darin, die Armut bis 2015 zu halbieren, und nicht darin,
unsere Landwirte, unsere Fischereiflotten und unsere
Nahrungsmittelindustrien zu schützen. Deshalb fordern
wir Sie auf, unsere Änderungsvorschläge zu
unterstützen.
und konkret umzusetzen. Der einzige Weg zu einer
dauerhaften
Lösung
für
das
Problem
der
Ernährungsunsicherheit in der Welt besteht in einer
Handelspolitik, die der lokalen Produktion, den
Einkommen der kleinen Landwirte, den Bedürfnissen
der Bevölkerung Rechnung trägt, und in einer
Zusammenarbeit auf gleichberechtigter Grundlage.
Das beste Mittel, den Hunger zu bekämpfen, besteht
doch darin, der Bevölkerung des Südens Zugang zu
Boden, zu Wasser, zu ihren genetischen Ressourcen zu
verschaffen und ihre Landwirte und ihre eigenen Märkte
zu schützen.
4-047
4-046
Boudjenah (GUE/NGL). – (FR) Das Recht auf eine
gesunde und ausreichende Ernährung überall und für alle
sollte in der Welt anerkannt und respektiert werden. Es
handelt
sich
dabei
um
ein
grundlegendes
Menschenrecht.
Die
Vorbereitung
des
Welternährungsgipfels sollte Anlass sein, dies nicht nur
zu bekräftigen, sondern es auch endgültig umzusetzen.
Denn die Zeit der Wünsche und Erklärungen, denen
allzu selten Taten folgen, ist vorüber, wenn
826 Millionen Menschen in der Welt weiterhin Hunger
leiden,
davon
fast
800 Millionen
in
den
Entwicklungsländern, und 2 Milliarden unterernährt
sind. Dabei ist nicht zu übersehen, dass Frauen und
Kinder die Hauptbetroffenen sind.
Wenn man sich bereits vor sechs Jahren verpflichtet hat,
bis zum Jahre 2015 die Zahl der Hungernden zu
halbieren, so lässt sich leicht errechnen, dass dieses Ziel
mit dem derzeitigen Tempo einer durchschnittlichen
Verringerung um 8 Millionen im Jahr nicht zu erreichen
ist.
Man muss also dringend darangehen, die Folgen dieses
Dramas zu beheben, natürlich durch Finanzhilfe,
Beiträge, Programme, doch genauso vorrangig ist es, die
Ursachen dieser Situation zu beseitigen. Die von der
WTO geförderte Politik der Liberalisierung und der
Marktöffnung in den Entwicklungsländern ebenso wie
die allgegenwärtige Schuldenproblematik stellen eine
gefährliche Bedrohung für die ohnehin notleidende
Bevölkerung dar. Die Ernährungssicherheit der Völker
wird durch Kriege, durch Hegemoniepolitik und das
Streben, um jeden Preis Absatzmärkte für die
Erzeugnisse des Nordens zu finden, sowie das
Profitstreben bis hin zur Privatisierung der natürlichen
Ressourcen des Südens gefährdet. Indem dem Handel
Vorrang gegenüber der Entwicklung eingeräumt wird,
wird der Abstand zwischen dem üppigen Reichtum und
der extremen Armut immer größer, und für den Süden
rückt die Möglichkeit in immer weitere Ferne, dass er
seine Ernährungssouveränität erlangt und diese auch
respektiert wird.
Jedes Land hat allerdings das Recht, frei zu wählen, auf
welche Weise es sich mit Nahrungsmitteln versorgt. Der
Zugang zu einer angemessenen Ernährung und zu
Produktionsmitteln sowie zu Ressourcen sind sichere
Mittel, um das Recht auf Ernährung zu gewährleisten
Belder (EDD). – (NL) Frau Präsidentin! In dieser Welt
gibt es nach wie vor unzählige hungernde Menschen, die
unserer Fürsorge bedürfen. Im vergangenen Jahrzehnt ist
die Zahl der Hungernden nicht rapide genug
zurückgegangen, um das Ziel, die Zahl der
Unterernährten bis zum Jahr 2015 zu halbieren,
fristgerecht zu erreichen. Ich unterstütze nachdrücklich
ein entschlosseneres Vorgehen. Der Umfang der
Entwicklungshilfe lässt eine solche Entschlossenheit
nicht erkennen. Wenn die reichen Länder ihre in
Monterrey gegebene Zusage einhalten, wird sich der
durchschnittliche Anteil der Entwicklungshilfe am BIP
der OECD-Länder bis 2006 auf 0,24 % erhöhen, was
immer noch wesentlich weniger ist als die 0,33 %
Anfang der 90er Jahre. Hier gilt es, größere
Anstrengungen zu unternehmen.
Neben der Entwicklungshilfe ist ein faires
Handelssystem eine unabdingbare Voraussetzung für
strukturelle Verbesserungen. Der FAO zufolge kommt
die Liberalisierung des Handels allen Ländern zugute.
Dabei sollten wir nicht vergessen, dass die
Entwicklungsländer gezwungen werden, ihre Märkte zu
öffnen, während sich die reichen Länder nicht selten
gegen eine solche Öffnung sperren. Unter anderem
aufgrund der Tatsache, dass sich die armen Länder
gegen billige Nahrungsmitteleinfuhren schützen müssen,
obliegt es der FAO, sich dafür einzusetzen, dass die
Arbeitsweise solcher Institutionen wie der WTO
transparent gestaltet wird. Welcher Platz wird übrigens
im Rahmen des Gesamtpakets oftmals exportorientierter
Maßnahmen der Selbstversorgung zugewiesen?
Kurzum, Frau Präsidentin, ich fordere die
Mitgliedstaaten auf, sich nachdrücklich für ausreichende
Nahrungsmittel, die für das menschliche Leben
essenziell sind, einzusetzen – nicht aus purem
Eigeninteresse, sondern weil wir dazu berufen sind und
über die entsprechenden Mittel verfügen.
4-048
Schierhuber (PPE-DE). - Frau Präsidentin, Herr
Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Angesichts der Tatsache, dass 826 Millionen Menschen
an chronischer Unterernährung leiden, begrüße ich, dass
das Parlament sich dieser Situation bewusst ist und eine
Entschließung
zum
bevorstehenden
Welternährungsgipfel in Rom verabschiedet. Beim
Welternährungsgipfel 1996 wurden vier Prioritäten
festgelegt:
Ernährungssicherheit,
internationaler
Agrarhandel, nachhaltiger Umgang mit natürlichen
Ressourcen sowie ländliche Entwicklung. Diese
Verpflichtungen der Mitgliedstaaten sollen heute
wiederum bekräftigt werden, und es sollen Aktionen
16/05/2002
verfolgt werden, um das Ziel einer Halbierung der
hungerleidenden Bevölkerung bis 2015 zu erreichen.
Ein weiterer bedeutsamer Punkt wird der Umgang mit
und das Management von Wasserressourcen sein.
Besonderes Augenmerk muss die EU weiterhin auf die
Bekämpfung der Armut und die nachhaltige
Entwicklung legen. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
die Achtung der Menschenrechte, eine gesunde
Wirtschaftspolitik,
Fragen
der
Geschlechtergleichstellung oder die Beachtung von
Umweltaspekten müssen im Vordergrund der
Entwicklung stehen. Der Zusammenhang zwischen
Hunger und Armut ist gegeben, und Hunger kann
sowohl Ursache als auch Resultat von Armut,
Konflikten und Krieg sein. Die Entwicklung ganzer
Regionen und im speziellen des ländlichen Raums hängt
davon
ab.
Hinzu
kommen
natürlich
die
Naturkatastrophen
sowie
Dürre
und
Überschwemmungen, welche die Not nur noch
vergrößern, und hier ist die internationale Gemeinschaft
zur Hilfe aufgerufen.
Herr Kommissar, die Politik der EU sollte so
ausgerichtet sein, dass wir weg von einer kurzfristigen
Lebensmittelhilfe und hin zu einer langfristigen
Unterstützung kommen, die den Bauern vor Ort die
nötige Innovation und das nötige Know-how liefert. Es
sollte unser Ziel sein, die Landwirtschaft in den
Entwicklungsländern so weit zu forcieren, dass sie die
eigene Bevölkerung ernähren kann und nicht von
internationaler Nahrungsmittelhilfe abhängig ist. Lassen
Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf die
Handelsbeschränkungen und Exporterstattungen der EU
hinweisen, die immer wieder heftig kritisiert werden.
Die Europäische Union hat ein Agrarmodell entwickelt,
das für die Bauern Rahmenbedingungen schaffen soll,
um allen Bauern in Europa zu ermöglichen, gleich, wo
sie ihre Höfe haben - auch in den benachteiligten und
den peripheren Regionen -, zu wirtschaften und ihr
Einkommen zu haben. Die Aufgabe der Bauern ist nicht
nur die Produktion von Lebensmitteln, sondern sehr
wohl auch die Pflege und der Erhalt der natürlichen
Ressourcen und der Landschaft.
Unser europäisches Landwirtschaftsmodell könnte
Vorbild sein in seiner Multifunktionalität mit all seinen
Besonderheiten und seiner Bedeutung für die
Gesellschaft. Die Landwirtschaft kann mit den anderen
Wirtschaftszweigen nicht direkt verglichen werden.
Bedenkt man auch noch, dass die EU der weltweit
größte Agrarimporteur ist, so glaube ich, kann man nicht
wie bisher Kritik an der GAP üben. Ich würde daher von
den Kritikern kreativere Ansätze fordern.
25
berührt das erste Grundrecht, das Recht auf Leben oder
auf ein Überleben, ein Überleben, das gegenwärtig leider
Hunderten Millionen Menschen versagt bleibt.
Die Beseitigung des Hungers und die Gewährleistung
der
Ernährungssicherheit
sind
unabdingbare
Voraussetzungen der Entwicklung, einer Entwicklung,
die
die
Unterernährung
verhindert.
Die
Ernährungssicherheit berührt überdies weitere Aspekte
der Entwicklung und der Nord-Süd-Beziehungen, wie
die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft und den
Welthandel.
Aus all diesen Gründen hat sich die Sozialistische
Fraktion speziell um diesen Entschließungsantrag
bemüht, in den wir Folgendes aufgenommen haben: das
Grundrecht auf Ernährungssicherheit, den Grundsatz der
Ernährungssouveränität und die Freiheit der Wahl
agrarbiologischer Technologien, die Erachtung des
Wassers und der Biovielfalt als unveräußerliche
öffentliche Güter, die Notwendigkeit der Kohärenz der
europäischen Politiken, insbesondere zwischen der
Entwicklungspolitik, der Handelspolitik und der
Gemeinsamen Agrarpolitik, den Grundsatz der
Produktion, der Umwandlung und der Vermarktung vor
Ort, und auch die Lebensmittelhilfe. Mit der Aufnahme
dieser Punkte ist es uns gelungen, sowohl
voluntaristischen
Tendenzen
als
auch
den
Liberalisierungseifer zu mäßigen.
Wir sind der Ansicht, dass der Gipfel von Rom zu einem
Erfolg werden muss, der die Millenniumsziele neu
belebt, zu denen die Halbierung des Hungers und der
Unterernährung in der Welt bis zum Jahre 2015 zählt,
ein Ziel, bei dem wir in Verzug sind, da sich, wie bereits
gesagt wurde, die Zahl der betroffenen Personen pro
Jahr um 6 Millionen verringert, während es 22 Millionen
sein müssten.
Insbesondere möchten wir die Kommission darauf
aufmerksam machen, dass im September die
Verhandlungen mit den AKP-Ländern zu den
Assoziierungsabkommen in der Wirtschaft beginnen,
und darauf, dass die Entwicklungspolitik und die
Haltung der Kommission in der WTO absolut kohärent
sein müssen.
Zu diesem Entschließungsantrag gibt es sechs
Änderungsanträge – alle von unserem Genossen Didier
Rod –, denen wir zustimmen und die wir unterstützen
werden. Lediglich zu Änderungsantrag 5, der die
Einfügung eines neuen Absatzes 14 a vorsieht, werden
wir die Abstimmung frei stellen.
4-050
4-049
Sauquillo Pérez del Arco (PSE). – (ES) Frau
Präsidentin, der im Juni in Rom stattfindende
Welternährungsgipfel fügt sich in eine Reihe von
internationalen Tagungen ein, auf denen die Parameter
der
gegenwärtigen internationalen Beziehungen
festgelegt werden, aber ich betrachte diesen Gipfel nicht
bloß als einen unter vielen: Der Ernährungsgipfel
Nielson, Kommission.  (EN) Zunächst möchte ich
sagen, dass ich den Äußerungen von Herrn Bowis von
Anfang bis Ende zustimmen kann. Wirklicher Hunger ist
in den meisten Fällen mit Konfliktsituationen
verbunden. Dies sind die Schwachpunkte. Aber das Ziel
der Halbierung der Ernährungsprobleme sollte auch
gerade deshalb erreichbar sein, weil diese Konflikte von
Menschen gemacht sind. Wir untersuchen jetzt die
26
Situation in Simbabwe sehr sorgfältig. Selbst wenn es in
der Region wirklich ein Dürreproblem gibt, zeigt unsere
Analyse, dass das Problem des Zugangs zu
Nahrungsmitteln in Zimbabwe weitestgehend vom
Menschen verursacht ist. Es ist eine politisch
geschaffene negative Situation. Das wird uns nicht von
der Durchführung unserer humanitären Mission
abhalten. Wir müssen uns nur im Klaren darüber sein,
was wir vor uns haben. Paradoxerweise liegt in der
Auffassung, dass Konflikte eine der Hauptursachen von
Hunger sind, ein gewisser Optimismus.
Herr Mulder sprach von der Notwendigkeit einer
korrekten Preispolitik in den Entwicklungsländern und
davon, dass man sich auf Afrika konzentrieren müsse.
Einverstanden. Einer der Gründe, warum wir mehr zu
Nahrungsmittelhilfen in Form von Geld übergehen
wollen, ist die Stimulierung der Entwicklung
angemessener Preisstrukturen und Marktbedingungen in
diesen Ländern.
Herr Mulder erwähnte
weiterhin, dass die
Nahrungsmittelhilfe als solche problematisch sein kann.
Er führte sowohl die Europäische Union als auch die
Vereinigten Staaten und deren Agrarpolitik als Teil des
globalen Problems an. Auch hier kann ich dem nur voll
und ganz zustimmen. Lassen Sie mich aus dem mit „Ein
schlimmes Landwirtschaftsgesetz“ überschriebenen
Leitartikel des gestrigen Herald Tribune zitieren:
„George W. Bush unterzeichnete am Montag ein
Landwirtschaftsgesetz, das einen Tiefpunkt in seiner
Präsidentschaft darstellt  eine verschwenderische
Wohlfahrtsmaßnahme für Unternehmen, die den
Steuerzahler und die Ärmsten der Welt bestraft, nur um
ein paar Wähler zu bestechen. Bush sagte, er tue es mit
Freuden, und gab eine kurze Erklärung ab, der zu
entnehmen war, dass er entweder unredlich ist oder
absolut nicht wusste, was er gerade getan hatte.“ Das
sind starke Worte. Auch Europa läuft Gefahr,
selbstzufrieden zu sein. Auch wir müssen in uns gehen
und uns in gewissem Sinne reformieren.
In Monterrey war es das Top-Management der
Weltbank, des IWF und der WTO, das den Anstoß gab
und in der Tat den Standpunkt vertrat, dass die globale
Verzerrung der Agrarpolitik in den reichen Ländern der
Welt ein Kernproblem darstelle. Die Zahlen sehen wir
folgt aus: Wir geben weltweit etwa 50 Mrd. US-Dollar
pro Jahr für Entwicklungshilfe aus, während wir mehr
als 300 Mrd. US-Dollar zur Subventionierung der
Landwirtschaft in den USA, Japan und Europa
aufwenden.
(Beifall)
Dieses sind Zahlen, die das Management jener
Institutionen bewusst verwendet hat, um der weltweiten
Diskussion über die Nord-Süd-Beziehungen etwas
Realismus,
Seriosität
und
Verhältnismäßigkeit
einzuimpfen. Das wird auch ein wichtiges Thema auf
dem Welternährungsgipfel in Rom sein. Wir in Europa
müssen natürlich die richtigen Schlussfolgerungen
ziehen.
16/05/2002
Abschließend
zur
Notwendigkeit,
auf
Nahrungsmittelsicherheit und langfristige Entwicklung
zu orientieren, anstatt weitere Lebensmittelhilfe nach
altem Muster zu leisten; auch damit bin ich völlig
einverstanden. Äthiopien war vor einigen Jahren
hoffentlich der letzte Fall, bei dem wir mehr oder
weniger genötigt wurden, Weizen hineinzupumpen,
anstatt das Problem an der Wurzel zu packen. Auch aus
diesem Grund hoffe ich, dass die Tagung in Rom
fassbare Ergebnisse zeitigt.
(Beifall)
4-051
Die Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kommissar
Nielson.
Mir liegen sechs Entschließungsanträge2 gemäß Artikel
37 Paragraf 2 der Geschäftsordnung vor.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 12.00 Uhr statt.
4-052
VORSITZ: GÉRARD ONESTA
Vizepräsident
4-053
Banotti (PPE-DE).  (EN) Herr Präsident, zur
Geschäftsordnung. Für den Fall, dass Sie zu höflich sind,
um es anzusprechen: Sie haben vielleicht den
fürchterlichen Gestank überall im Gebäude bemerkt. Ich
möchte Ihnen nur versichern, dass das Kollegium der
Quästoren der Sache nachgeht. Man glaubt, dass
irgendein Untier in den Versorgungsleitungen verendet
sein könnte – eine große Ratte oder vielleicht auch nur
eine kleine Maus –, aber wir hoffen, dass sich das bis
zum Nachmittag geklärt hat.
4-054
Der Präsident. – Alle können sich also an der Suche
nach dem toten Tier beteiligen!
4-055
Begrüßung
4-056
Der Präsident. – Im Namen unseres Präsidenten und in
Ihrer aller Namen begrüße ich auf der Ehrentribüne die
Mitglieder der Delegation des usbekischen Parlaments
anlässlich der dritten Tagung des parlamentarischen
Ausschusses für die Zusammenarbeit EU-Usbekistan,
die gerade in Straßburg stattgefunden hat. Diese
Delegation besteht aus sieben Mitgliedern und wird vom
Mitglied
des
Ausschusses
für
internationale
Angelegenheiten
und
interparlamentarische
Beziehungen des usbekischen Parlaments, Erkin
Vakhidov, geleitet.
(Lebhafter Beifall)
4-057
2
Siehe Protokoll.
16/05/2002
27
Abstimmungen
4-058
Bericht (A5-0039/2002) von Herrn Rothley im
Namen des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt
über Empfehlungen an die Kommission zur
Ausarbeitung einer Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Buchpreisbindung
(2001/2061 (INI))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Bericht (A5-0161/2002) von Herrn Trentin im Namen
des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über
die Empfehlung der Kommission betreffend die
Grundzüge
der
Wirtschaftspolitik
der
Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft für 2002
(KOM (2002) 191 – C5-0191/2002 – 2002/2075(COS))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Entschließungsantrag (B5-0249/2002), eingereicht
von Frau Maij-Weggen und Herrn Poos im Namen
des Ausschusses für konstitutionelle Fragen zur
Reform des Rates und zur Transparenz
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Bericht (A5-0133/2002) von Herrn Lamassoure im
Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen
der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten
(2001/2004 (INI))
4-059
- Zum Änderungsantrag 1:
4-060
MacCormick (Verts/ALE).  (EN) Herr Präsident,
Änderungsantrag 1 beginnt in den englischen Texten mit
dem Satz ‚Considers that there is a continuing
democratic deficit in the European Union‘, und dann
heißt es weiter: ‚we should democratise the institutions
therefore...‘.
In einigen Sprachfassungen wurde das englische Wort
‚continuing‘ mit ‚permanent‘ übersetzt, was zum
Beispiel im Spanischen einige Bauchschmerzen
verursachte. Englisch war die Ausgangssprache. Könnte
der Übersetzungsdienst bitte für eine Korrektur in den
anderen Sprachen sogen?
4-061
Der Präsident. – Werter Herr Kollege, ich werde Ihren
Beitrag natürlich dem Sprachendienst zuleiten, der sich
nach der ursprünglichen Fassung richten wird, also der
englischen Fassung.
- Zum Änderungsantrag 2:
4-062
Lamassoure (PPE-DE), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, ich möchte im Einvernehmen mit den
Koordinatoren des Ausschusses für konstitutionelle
Fragen einen mündlichen Änderungsvorschlag zu
Änderungsantrag 2 einbringen, der im Übrigen mit
Änderungsantrag 40 übereinstimmt.
Es handelt sich darum, diesen Änderungsantrag zu
verstärken. Die ursprüngliche Fassung von Ziffer 6, auf
den sich diese Änderungen beziehen, besagt, dass es das
Ziel dieses Vorgehens sein muss, das Gleichgewicht von
wirtschaftlicher und politischer Integration der Union
herzustellen.
Die Autoren des Änderungsantrags wollten auch die
soziale
Integration
ansprechen.
Um
den
Änderungsantrag zu verstärken, schlage ich also vor,
zwei
Wörter
hinzuzufügen,
so
dass
der
Änderungsvorschlag lauten würde: „zwischen der bereits
verwirklichten
wirtschaftlichen
Integration,
der
politischen Integration und der sozialen Integration“. Es
kämen also die beiden Wörter „bereits verwirklichten“
hinzu.
4-063
Der Präsident. – Ist jemand gegen die Berücksichtigung
dieses
mündlichen
Änderungsantrags
unseres
Berichterstatters?
(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen die
Berücksichtigung des mündlichen Änderungsantrags.)
- Zum Änderungsantrag 57:
4-064
Lamassoure (PPE-DE), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, ich wollte sagen, dass ich meinerseits für
diese Änderung war, allerdings unter der Bedingung,
dass es um eine Hinzufügung geht und nicht um eine
Streichung, da es dann heißen würde, dass wir „eine
einfache“, wie es im Originaltext heißt, „und präzise“
Aufteilung der Kompetenzen wünschen, wie die
Änderung lautet.
4-065
Der Präsident. – Wenn es keine Einwände in Ihrer
eigenen Fraktion gibt, die der Autor des
Änderungsantrags ist, und wenn andere Kollegen sich
nicht vehement dagegen aussprechen, schlage ich vor, so
zu verfahren.
- Zum Änderungsantrag 6:
4-066
Lamassoure (PPE-DE), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, was den Änderungsantrag 6 betrifft, so
möchte ich die Aufmerksamkeit des Plenums und vor
allem all jener, die sich der allgemeinen Philosophie des
Berichts anschließen und die a priori die Absicht haben,
dafür zu stimmen, darauf lenken, dass dieser
Änderungsantrag im völligen Widerspruch zum weiteren
Bericht steht. Wenn man also die Philosophie des
Berichts billigt, so möchte ich als Berichterstatter
28
wärmstens
abzulehnen.
16/05/2002
empfehlen,
diesen
Änderungsantrag
Bericht (A5-0157/2002) der Baroness Nicholson of
Winterbourne im Namen des Ausschusses für
auswärtige
Angelegenheiten,
Menschenrechte,
gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik
über die Lage im Irak elf Jahre nach dem Golfkrieg
(2000/2329(INI)
(Beifall)
4-067
- Zu Ziffer 19:
4-068
Leinen (PSE). - Herr Präsident! Der erste Satz von
Ziffer 19 ist in der deutschen Fassung falsch
wiedergegeben. Es heißt in der Sprache unseres
Berichterstatters Alain Lamassoure, dass die eigenen
Kompetenzen der Union gering in der Zahl bleiben
müssen. Im Deutschen heißt es hier, dass die eigenen
Kompetenzen der Union begrenzt bleiben müssen. Das
ist etwas anderes. Wenn die Union eine Kompetenz in
der Zollpolitik hat, dann hat sie die voll und nicht
begrenzt. Also, es muss im Deutschen heißen: "ist der
Auffassung, dass die Zahl der eigenen Zuständigkeiten
der Union begrenzt bleiben muss". Ich bitte, das zu
korrigieren.
4-069
Der Präsident. – Der Sprachendienst wird diesen Punkt
überprüfen, das verspreche ich Ihnen.
4-070
Dührkop Dührkop (PSE). – (ES) Herr Präsident, ich
bitte um dieselbe Korrektur in der spanischen Fassung,
da sie vom Original abweicht.
4-071
Der Präsident. – Alle Sprachfassungen
überprüft. Das verspreche ich Ihnen.
werden
4-072
- Nach der Abstimmung
Änderungsantrags 5:
und
Ablehnung
des
Der Präsident. – Herr MacCormick, Sie bitten ums
Wort, aber nach meinem Eindruck ist das etwas spät.
4-073
MacCormick (Verts/ALE).  (EN) Herr Präsident,
hoffentlich komme ich nicht zu spät. In einer Notiz bat
ich um eine mündliche Änderung. Es geht um die
Einfügung des Wortes „by (durch)“, so dass es heißen
würde „oder durch den Ausschuss der Regionen“. Das
wäre ein erheblicher Unterschied.
4-074
Der Präsident. – Nach dem Verfahren ist es
grundsätzlich schwierig, einen Änderungsvorschlag zu
einem Änderungsantrag einzubringen, der abgelehnt
wurde, es sei denn das Parlament ist der Auffassung,
dass es sich bei der Hinzufügung von Herrn
MacCormick um einen umfassenden und neuen
Änderungsvorschlag handelt.
Offensichtlich schließt sich das Plenum Ihrer
Auffassung nicht an, Herr MacCormick. Das tut mir
leid.
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
- Vor der Abstimmung
4-075
Nicholson
of
Winterbourne
(ELDR),
Berichterstatterin.  (EN) Herr Präsident, ich empfehle
dem Ausschuss einen mündlichen Kompromissantrag
zur Aktualisierung von Absatz 14. Vor zwei Tagen gab
es eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrats zum
Irak. Mit meinem mündlichen Änderungsantrag würden
Absatz 14 gestrichen und die Änderungsanträge 12, der
entfallen würde, 13 und zum Teil 15 berücksichtigt. Ich
empfehle, dass daraus ein neuer Absatz 6a wird, wie es
die PSE-Fraktion fordert: „Begrüßt – solange dies kein
Ansteigen der Militärausgaben zur Folge hat – die
Annahme der neuen Resolution (1409/2002) durch den
UN-Sicherheitsrat, die weniger schwerfällige Verfahren
für Waren zum Ankauf für den Irak schafft, die meisten
Restriktionen auf nichtmilitärische Güter und auf Güter
ohne doppelten Verwendungszweck sowie auf
Investitionen aufhebt, das Waffenembargo jedoch
aufrechterhält, was der Notwendigkeit, der humanitären
Krise im Bereich der Grundbedürfnisse zu begegnen,
Rechnung trägt; fordert die Vereinten Nationen auf, die
Kontrollen im Zusammenhang mit der Fähigkeit des
Irak, Waffen und waffenbezogene Güter einzuführen, zu
verschärfen und alle anderen Sanktionen aufzuheben.“
4-076
4-076-000_DEbhx.doc
Der Präsident. – Unsere Berichterstatterin schlägt uns,
um aktuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen, einen
ziemlich umfassenden mündlichen Änderungsantrag vor,
der mehrere Änderungsanträge und Ziffern ersetzen soll.
4-077
Sakellariou (PSE). - Herr Präsident! Wir sind für diesen
mündlichen
Änderungsantrag,
allerdings
als
Zusatzantrag. Wir möchten unbedingt unseren
Änderungsantrag 12 beibehalten.
4-078
Nicholson
of
Winterbourne,
(ELDR),
Berichterstatterin.  (EN) Herr Präsident, ich empfehle,
gegen Änderungsantrag 12 zu stimmen. Wir haben diese
Änderung in Nr. 6a untergebracht und somit der
Forderung der PSE-Fraktion entsprochen. Dies ist eine
sinnvolle Änderung, die alle Forderungen der PSEFraktion abdeckt. Ich würde gegen Änderungsantrag 12
stimmen.
4-079
Der Präsident. – Ich schlage Ihnen folgendes Verfahren
vor: Wenn sich niemand gegen den Änderungsantrag
unserer Berichterstatterin ausspricht, nehmen wir ihn
auf. Allerdings werden wir eine getrennte Abstimmung
zu Änderungsantrag 12 mit ablehnender Stellungnahme
16/05/2002
29
unserer Berichterstatterin durchführen. Ist Ihnen das
recht?
Albanien (KOM(2001) 300 -C5-0654/2001 -2001/2277
(COS))
(Das Parlament erhebt keine Einwände gegen das vom
Präsidenten vorgeschlagene Verfahren sowie gegen die
Berücksichtigung des mündlichen Änderungsantrags.)
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
- Nach der Abstimmung über die Erwägungsgründe:
4-080
Sakellariou (PSE). - Herr Präsident! Je nach Ausgang
dieser Abstimmung behalte ich mir das Recht vor, den
Vorsitzenden des Ausschusses zu bitten, nach Artikel
161 unserer Geschäftsordnung die Begründung zu
streichen.
***
Bericht (A5-0151/2002) von Herrn Papayannakis im
Namen des Ausschusses für Umweltfragen,
Volksgesundheit und Verbraucherpolitik über die
Mitteilung der Kommission an den Rat und das
Europäische Parlament: 10 Jahre nach Rio:
Vorbereitung auf den Weltgipfel für nachhaltige
Entwicklung im Jahr 2002 (KOM(2001) 53 -C50342/2001 - 2001/2142(COS))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
4-081
Brok (PPE-DE). - Herr Präsident! In unserer
Geschäftsordnung steht ausdrücklich, dass die
Begründung in die alleinige Verantwortung des
Berichterstatters fällt. Das trifft immer so zu, und
deswegen wäre es ungewöhnlich und falsch, sie hier
abzulehnen. Dies würde den Regeln widersprechen.
(Beifall)
4-082
Der Präsident. – Das fällt in die Zuständigkeit des
betreffenden Ausschusses und nicht des Plenums. Ich
schlage Ihnen also als Vorsitzender des zuständigen
Ausschusses vor, auf der Ebene des Ausschusses eine
Entscheidung zu fällen.
Zu
dem
mündlichen
Änderungsantrag 12:
Änderungsantrag
zu
4-083
Swoboda (PSE). - Herr Präsident! Ich wollte fragen: Ist
jetzt über den mündlichen Antrag abgestimmt worden
oder nicht, weil wir ja trotzdem abstimmen müssen,
auch wenn kein Widerspruch erhoben wird?
***
Bericht (A5-0142/2002) von Herrn Lannoye im
Namen des Ausschusses für Entwicklung und
Zusammenarbeit
über
die
Mitteilung
der
Kommission an das Europäische Parlament, den Rat,
den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den
Ausschuss der Regionen: Auf dem Weg zu einer
globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung
(KOM(2002) 82 - C5-0173/2002 -2002/2074(COS)
- Zu Ziffer 22:
4-086
Lannoye (Verts/ALE), Berichterstatter. – (FR) Herr
Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, zu Ziffer 22
gibt es zwei Änderungsanträge, einen, den ich im
Namen meiner Fraktion eingebracht habe, um einen
Vorschlag zu berücksichtigen, den der Berichterstatter
der PPE, Herr Wijkman, im Ausschuss eingebracht
hatte. Es ging darum, eine Bezugnahme auf eine
Besteuerung des CO2-Ausstoßes im Weltmaßstab
aufzunehmen.
4-084
Der Präsident. – Grundsätzlich gilt ein mündlicher
Änderungsantrag, wenn sich nicht zwölf Kollegen
dagegen ausgesprochen haben, als zur Abstimmung
zugelassen. Wenn das Plenum tatsächlich darauf besteht,
dass wir über die Entscheidung abstimmen, so bin ich
einverstanden. Aber offensichtlich war niemand
dagegen.
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
4-085
Bericht (A5-0118/2002) von Frau Pack im Namen des
Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten,
Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und
Verteidigungspolitik über den Bericht der
Kommission an den Rat über die Arbeit der
hochrangigen Lenkungsgruppe EU-Albanien zur
Vorbereitung der Verhandlungen über ein
Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit
Nach meinem Dafürhalten ist der Änderungsantrag der
PPE zur Streichung des Absatzes akzeptabel, wenn es
um eine Ergänzung geht. Sollte er jedoch eine
Streichung bezwecken, so kann ich ihn nicht
akzeptieren. Ich glaube, dass damit die Bedeutung des
Originaltextes vollkommen abgeschwächt wird. Wenn
die PPE einverstanden ist, würde ich beantragen, zuerst
über meinen Änderungsantrag abzustimmen, der de
facto auf Ersuchen der PPE eingebracht wurde, und dann
über den Änderungsantrag der PPE als Zusatz,
vorausgesetzt die PPE ist einverstanden.
4-087
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
***
Gemeinsamer
Entschließungsantrag3
Welternährungsgipfel
3
zum
Eingereicht von den Abgeordneten Bowis im Namen der PPE-DEFraktion, Garot und Sauquillo Pérez del Arco im Namen der PSE-
30
16/05/2002
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
Abstimmungsverhalten meiner Fraktion zum Bericht
Lamassoure über die Abgrenzung der Zuständigkeiten
und ihr ablehnendes Votum zu verstehen.
ERKLÄRUNGEN ZUR ABSTIMMUNG
4-090
- Bericht Rothley (A5-0039/2002)
4-088
Ebner (PPE-DE). - Herr Präsident! Mir ist schon
bewusst, dass diese Stimmabgabeerklärung im
allgemeinen Wirbel untergehen wird, aber vielleicht
reicht es für das Protokoll. Die Annahme des Berichts
des
Herrn
Kollegen
Rothley
in
Sachen
Buchpreisbindung setzt ein vorläufiges Ende unter eine
zum Teil sehr unangenehme Entwicklung. Es ist dem
Kollegen Rothley wie auch all jenen, die hierzu
beigetragen haben, wirklich zu danken, dass wir bei aller
Berücksichtigung des Wettbewerbs doch die Kultur als
ein wichtiges Gut ansehen und dass hier - der Auslöser
im Moment war ja die Buchpreisbindung in Deutschland
und in Österreich - eine sinnvolle Regelung, die letztlich
in Frankreich abgeschaut wurde, in Zukunft ermöglicht
wird.
Die Bemühungen der Kommission und der
Vorgängerkommission, den Wettbewerb weit über die
Kultur zu stellen, sind erfreulicherweise kürzlich
eingestellt worden, und in diesem Sinne kann man doch
behaupten, dass wir einen positiven Schritt gesetzt
haben.
(Beifall)
4-089
Bernié (EDD), schriftlich. – (FR) Ich habe ebenso wie
alle meine CPNT-Kollegen für diesen Bericht gestimmt.
Von der Sache her und hinsichtlich der Verteidigung der
Buchpreisbindung, die die Staaten in eigener
Zuständigkeit in ihren nationalen Rechtsvorschriften
vorsehen können, wie nachdrücklich betont wird, ist er
inhaltlich unanfechtbar. Bedauerlich hingegen ist, dass
eine solche vernünftige Position eines erneuten
Hinweises bedarf und zur Ausarbeitung einer Richtlinie
führen soll, die letztlich relativ schwerfällig ist, um
Auswüchsen der Wettbewerbspolitik und ihrer
Anwendung durch den Gerichtshof entgegenzuwirken.
Sanders-ten Holte (ELDR), schriftlich. – (NL) Im
Zusammenhang mit der Abstimmung über den Bericht
Rothley zur Buchpreisbindung möchte ich Folgendes
bemerken.
Die meisten Mitgliedstaaten haben bereits ein System
der Buchpreisbindung in der einen oder anderen Form
bzw. erwägen, ein solches noch einzuführen. In seiner
Entschließung vom Februar 2001 hat der Europäische
Rat auf den hohen kulturellen Wert des Buches und
seine Bedeutung für die Förderung der kulturellen
Vielfalt in der Europäischen Union hingewiesen.
Deshalb hat er die Europäische Kommission ersucht, bei
der Anwendung der Regeln für den Wettbewerb und den
freien Warenverkehr dieser Tatsache Rechnung zu
tragen und nur dann aktiv zu werden, wenn die
einzelstaatlichen Regelungen über die Buchpreisbindung
vorsätzlich umgangen wurden und somit der
Handelsverkehr
zwischen
den
Mitgliedstaaten
beeinträchtigt worden ist.
Die Europäische Kommission hat sich bei ihren
Vereinbarungen mit dem deutschen Buchsektor am 22.
März 2002 strikt an diese Linie gehalten. Infolgedessen
hat das Buch offensichtlich als Kulturgut ein
Existenzrecht und fällt unter Artikel 151 des EGVertrags. Deshalb fühle ich mich verpflichtet, für den
Bericht von Herrn Rothley zu stimmen, in dem darauf
hingewiesen wird, dass es jedem Mitgliedstaat freisteht,
ein nationales Buchpreissystem anzuwenden, jedoch bei
grenzüberschreitendem Handel und vor allem, wenn
gezielt eine Umgehung der nationalen Preisbindung
bezweckt wird, auf europäischer Ebene Vereinbarungen
zu treffen sind. Es geht darum, sämtlichen beteiligten
Marktteilnehmern durch einen stabilen wirtschaftlichen
und legislativen Rahmen Rechtssicherheit zu
gewährleisten, aber es ist ebenso wichtig, die kulturelle
Vielfalt, zu der das Kulturgut „Buch“ gehört, zu wahren
und zu fördern.
4-091
- Bericht Trentin (A5-0161/2002)
Es besteht für uns jedoch kein Anlass zum
Triumphieren, denn in der gestrigen Aussprache zeigte
sich der Kommissar vollauf zufrieden mit der
derzeitigen Rechtsprechung, und gestärkt durch ein
inakzeptables Monopol der Gesetzesinitiative scheint die
Kommission fest entschlossen zu sein, sich über diesen
Antrag auf der Grundlage von Artikel 192
hinwegzusetzen, der immerhin nur äußerst selten zur
Anwendung gelangt. Das bestätigt, dass es besser ist,
den gemeinschaftlichen Aktionsradius von vornherein
auf das strikt Notwendige zu beschränken, als später die
Schäden beheben zu müssen. In diesem Sinne sind das
Fraktion, Sanders-ten Holte u. a. im Namen der ELDR-Fraktion, Rod
u. a. im Namen der Verts/ALE-Fraktion, Miranda u. a. im Namen der
GUE/NGL-Fraktion, Berlato und Hyland im Namen der UEN-Fraktion
zur Ersetzung der Entschließungsanträge B5-0262, 0267, 0280, 0283,
0284 und 0285/2002 durch einen neuen Text.
4-092
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Die Grundzüge der
Wirtschaftspolitik im Jahr 2002 sind weniger attraktiv,
als die Kommission behauptet. In mehreren
Mitgliedsländern, darunter auch Frankreich, zeichnet
sich eine deutliche Inflationsdrohung ab, die die
Europäische Zentralbank veranlassen könnte, ihre
Zinsen zu erhöhen, was negative Auswirkungen auf das
Wachstum hätte. Dieses ist ohnehin nach wie vor gering,
denn die Wiederbelebung lässt in Europa noch auf sich
warten, während sie in den Vereinigten Staaten bereits
im Gange ist.
In diesen beiden Punkten hatte der Euro eine gemischte
bzw. ungünstige Wirkung: Die Euro-Bargeldeinführung
hatte
anscheinend
einen
hoffentlich
nur
16/05/2002
vorübergehenden Preisauftrieb zur Folge; hinsichtlich
des Wachstums warten wir immer noch auf den
„Dopingeffekt“, der nach Meinung ihrer eifrigen
Befürworter durch die Einführung der Einheitswährung
ausgelöst werden sollte.
Unter diesen ungünstigen Rahmenbedingungen leidet
Frankreich unter dem haushaltspolitischen Erbe der
sozialistischen Regierung. Die Mahnungen der
Kommission an die neue Regierung Raffarin, die deren
Spielraum noch weiter einengen werden, sollten allen
Franzosen klar machen, dass die uniformisierende
Zwangsjacke des Stabilitätspakts in bestimmten Fällen
dem nationalen Interesse zuwiderlaufen kann. Wir
stehen nun vor den verhängnisvollen, aber logischen
Konsequenzen der Abkommen, die wir in Maastricht
und danach unterschrieben haben.
4-093
Bordes (GUE/NGL), schriftlich. – (FR) Gegenüber dem
Rat und der Kommission, die die Regierungen vertreten,
soll das Europäische Parlament die demokratische
Stimme der gesamten Bevölkerung sein. Der Entwurf
des Berichts Trentin macht deutlich, dass das Parlament
zwar in allgemeinen Wahlen gewählt wird, jedoch die
Interessen, die es vertritt, ausschließlich die der
Unternehmerkreise sind und im Gegensatz zu denen der
arbeitenden Klassen in der Union stehen. Die vom
Berichterstatter
des
Parlaments
eingebrachten
Änderungen gehen alle in die Richtung einer
Verschlechterung der Situation der Arbeitnehmer.
Der
Bericht
verlangt
Flexibilität
im
Beschäftigungsbereich. Er tritt für ein „aktives Altern“
ein, wie er es unverfroren nennt, das heißt eine längere
Lebensarbeitszeit und eine Verschiebung des
Rentenalters.
Wenn von Sozialpolitik die Rede ist, wird mit zynischer
Brutalität unterstrichen, dass sie ein Produktivfaktor sein
muss. Wenn der Bericht beispielsweise eine Politik der
Fortbildung verlangt, so soll diese dazu dienen, den
Arbeitgebern mobile und nach deren Bedürfnissen
qualifizierte Arbeitskräfte bereitzustellen.
Im
Zusammenhang
mit
den
„Umstrukturierungsprozessen“, womit in Wahrheit
Massenentlassungen gemeint sind, begnügt er sich
damit, die vorherige Konsultation der Arbeitnehmer zu
fordern. Die einzige soziale Maßnahme dieses Berichts
besteht also in der Verpflichtung, die Arbeitnehmer über
ihre Entlassung zu unterrichten!
Wir werden deshalb gegen diesen Text stimmen, der für
die Unternehmer gemacht ist.
4-094
Caudron (PSE), schriftlich. – (FR) Heute, da in Europa
rechtsextreme Parteien in großer Zahl an die Macht
gelangen oder doch kurz davor stehen, ist es höchste
Zeit, sich nach den Gründen für diese für unsere
Demokratien so verhängnisvollen Entwicklungen zu
fragen …
31
Dessen ungeachtet überlassen sich die traditionellen
politischen Parteien weiterhin dem Selbstlauf, ohne sich
in Frage zu stellen, und schieben sich die Machtposten
zu …
Dessen ungeachtet setzen die Ökonomen, die
Regierungen und die Europäische Kommission
weiterhin ihre Flucht nach vorn in Richtung immer mehr
Liberalismus fort …
Wirtschaftliche „Sparsamkeit“ ist keine Antwort,
wenngleich sie eine der Voraussetzungen für eine
bürgernähere Gesamtpolitik ist …
Der Liberalismus könnte in bestimmten Bereichen ein
Vorteil sein, vorausgesetzt, er wird nach festen
Grundsätzen gelenkt und reguliert.
Vor allem müssen die Grundzüge der Wirtschaftspolitik
heute anders gestaltet werden, um Arbeitslosigkeit und
Elend auszumerzen.
Ich vermisse diese Ambition in den uns vorliegenden
Dokumenten.
4-095
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. - (PT) Unsere
Gegenstimme zeugt von unserer Ablehnung sowohl der
Leitlinien für die auf dem Stabilitätspakt beruhenden
wirtschaftspolitischen Maßnahmen als auch der im
Bericht enthaltenen Änderungsanträge, die dieser Linie
folgen. Leider beharren die Gemeinschaftsorgane und
namentlich das EP darauf, an der Ausrichtung der
makroökonomischen Politik trotz aller Hinweise und
Erfordernisse für Wachstum und Beschäftigung in der
Europäischen Union festzuhalten. Angesichts der
wirtschaftlichen Rezession, der auf internationaler
Ebene fortbestehenden Risikofaktoren und der
ansteigenden Arbeitslosigkeit müsste man doch nun den
entgegengesetzten Weg einschlagen, nämlich verstärkt
investieren, insbesondere aus der öffentlichen Hand.
Der Bericht Trentin ruft zur Einhaltung der Strategie von
Barcelona auf, die die liberale Tendenz von Lissabon
bestätigt. Er befürwortet die Flexibilisierung des
Arbeitsmarktes und akzeptiert die Lohnzurückhaltung,
obwohl er die Möglichkeit eines Lohnanstiegs
entsprechend der Produktivitätsentwicklung nennt und
dabei außer Acht lässt, dass die Übertragung der Löhne
auf die Gewinne nicht zu mehr Investitionen und
Arbeitsplätzen geführt hat. Außerdem plädiert er für
Flexibilität und Mobilität der Arbeit und will eine
höhere Qualität der Arbeitsplätze erreichen, was ein
Widerspruch ist. Es wird nur mehr Arbeitsplätze mit
größeren Investitionen und höherer Qualität geben, wenn
die Arbeitsverhältnisse nicht befristet, gefährdet und
schlecht bezahlt sind, was der Bericht leider nicht zeigt.
Sogar einige positive Aspekte, die er angesprochen
hatte, fielen der Abstimmung im Parlament zum Opfer.
4-096
- Reform des Rates (B5-0249/2002)
4-097
32
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Der Bericht Solana, der
dem Europäischen Rat auf seiner Tagung in Sevilla im
Juni vorgelegt werden soll, schlägt Reformen in der
Arbeitsweise des Rates vor, die uns angebracht scheinen.
Wir billigen vor allem die Maßnahmen für mehr
Transparenz (Öffentlichkeit der Beratungen der
Ratstagungen, wenn es um Legislativakte geht), die
Neuausrichtung des Europäischen Rates auf seine Rolle
als Impulsgeber, für mehr Effizienz durch Aufgliederung
des bisherigen Rates Allgemeine Angelegenheiten in
zwei Formationen: einen Rat für allgemeine
Koordinierung (mit den nationalen Ministern für
europäische Angelegenheiten) und einen Rat für
Außenbeziehungen (mit den Außenministern).
Im Übrigen mag zwar die rasche Rotation des
Ratsvorsitzes der Kontinuität der Arbeiten des Rates
abträglich sein, zugleich trägt sie aber zur
Identifizierung der Öffentlichkeit mit der Institution und
ihrem Erfolg bei. Unserer Meinung nach ließe sich dies
miteinander vereinbaren, indem man 1. den Vorsitz in
allen technischen Ratsformationen verlängert (z. B. auf
drei Jahre) und dieses Amt jeweils dem Land überträgt,
das am besten dafür qualifiziert ist, aber auch indem
man 2. die Rotation des Vorsitzes für den Europäischen
Rat beibehält und vielleicht auch für den neuen Rat für
allgemeine Koordinierung einführt – möglicherweise mit
einem noch kürzeren Rhythmus (drei Monate), um der
Erweiterung Rechnung zu tragen.
4-098
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. - (PT) Die heute
im
Europäischen
Parlament
angenommene
Entschließung folgt der föderalistischen Linie. Ein
Beispiel dafür ist der Versuch einer Annäherung der
Funktionsweise des Rates in seiner Funktion als
Gesetzgeber an die Arbeitsweise eines Parlaments,
indem man ihn einer zweiten parlamentarischen
Kammer auf der Ebene der Europäischen Union
angleicht.
Grundsätzlich ist jedoch hervorzuheben, dass sie an den
zentralen Fragen vorbeigeht, die der Rat heute bereits
debattiert, insbesondere das Modell des rotierenden
Vorsitzes, die Arbeitssprachen u. a. m.
Außerdem hat Javier Solana in seiner Erklärung, die er
gestern vor dem Parlament abgegeben hat, erneut
versichert, es sei nicht möglich, das gegenwärtige
halbjährliche
System
der
Rotation
der
Ratspräsidentschaft beizubehalten, und griff dabei auf
das Scheinargument der EU-Erweiterung zurück. Diese
Frage wird die Möglichkeit eröffnen, neue, insbesondere
auf Wahlen beruhende Modelle einzuführen, die den
Einfluss und die Macht der „Großen“ zum Nachteil der
allumfassenden und tatsächlichen Gleichberechtigung
der Staaten stärken würden, was wir entschieden
ablehnen. Das Gleiche lässt sich über die
Arbeitssprachen sagen, in diesem Bereich ist der
Grundsatz der Gleichheit zwischen den Staaten
gefährdet, und auch das lehnen wir ab.
16/05/2002
Andererseits ist bezeichnend, dass der von Javier Solana
auf der Tagung des Rates in Barcelona unterbreitete
Vorschlag über die Reform des Rates nicht
veröffentlicht wurde (und wir können uns nach den
Gründen für diesen Sachverhalt fragen). Dieser Punkt
steht auf der Tagesordnung des Gipfels von Sevilla, der
im Juni dieses Jahres stattfindet.
4-099
Heaton-Harris (PPE-DE), schriftlich. (EN) Die
britischen Konservativen enthalten sich zu dieser
Entschließung. Wir sind stets konsequent für mehr
Transparenz,
Offenheit
und
Verantwortlichkeit
eingetreten, aber das ist etwas anderes als die Forderung
nach Vorrang der Gemeinschaftsmethode bezüglich aller
Beschlussfassungsverfahren in der Europäischen Union.
4-100
Bericht Lamassoure (A5-0133/2002)
4-101
Nogueira Román (Verts/ALE). - (PT) Herr Präsident!
Gestatten Sie mir zunächst die Feststellung, dass der
Bericht Lamassoure vom Standpunkt der Reform der
Verträge ausgeht und dass die hypothetische Annahme
einer Verfassung der Union zu den Erfordernissen
gehört, die auf den historischen Erfolg der Errichtung
der
Europäischen
Union
zurückgehen.
Diese
Ausrichtung darf nicht von Umständen beeinträchtigt
werden, die mit der unmittelbaren Wirtschaftslage im
Zusammenhang stehen und nichts mit den europäischen
Institutionen zu tun haben, wohl aber mit gewissen
Erscheinungen des Chauvinismus und Extremismus und
mit dem negativen und vor allem zunehmenden Verzicht
auf den Wohlfahrtsstaat als Orientierung staatlicher
Politik. Der Bericht Lamassoure befasst sich mit diesen
Erfordernissen und liefert dem Konvent wertvolle
Einzelheiten zur zentralen Frage der Aufteilung der
Zuständigkeiten zwischen den Institutionen der
Europäischen Union.
In meiner kurzen Wortmeldung möchte ich hervorheben,
dass der Bericht in seinem ursprünglichen Entwurf über
das Konzept von Partnerregionen der Union die Präsenz
der Gebietskörperschaften mit Legislativbefugnissen in
den Organen der Europäischen Union institutionalisieren
wollte. Das betrifft die Nationalitäten und die
Verfassungsregionen, Bundesländer und Bundesstaaten,
die einen konstitutionellen Charakter und in bestimmten
Fällen eine historische und politische Eigenständigkeit
als Nationen besitzen, die im Europa der Einheit in der
Vielfalt nicht ignoriert oder negiert werden darf.
Im endgültigen, heute angenommenen Bericht erscheint
dieses so sachgerechte und unentbehrliche Konzept
jedoch nicht. Allerdings wurde eindeutig auf die
Notwendigkeit
hingewiesen,
die
Rolle
der
Gebietskörperschaften anzuerkennen, indem man auf
ihre Mitwirkung bei der Umsetzung der Politiken der
Union achtet und die Mitgliedstaaten auffordert, sie an
den Entscheidungen der Union zu beteiligen, die sie
unmittelbar betreffen.
16/05/2002
Von besonderer Bedeutung ist, so meine ich, dass im
Bericht Lamassoure der Ausschuss für konstitutionelle
Fragen des Europäischen Parlaments ersucht wird, einen
Sonderbericht auszuarbeiten, um so die regionalen
Parlamente mit Gesetzgebungskapazität am Ausschuss
für Regionalpolitik des Europäischen Parlaments zu
beteiligen.
Meine Fraktion, der Vertreter von Nationen ohne Staat
angehören, wie etwa meine Heimat Galicien ...
(Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.)
4-102
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, gestern
Abend nahm ich wie viele von uns auf Einladung des
Bürgermeisters von Straßburg an dem üblichen
jährlichen Spargelfest teil: ein äußerst gelungenes
Treffen, für das ich dem Bürgermeister und der
Stadtverwaltung von Straßburg bei dieser Gelegenheit
danken
möchte.
Während
dieser
gelungenen
Veranstaltung dachte ich darüber nach, wie ich mich bei
der Abstimmung über den wichtigen Bericht von Herrn
Lamassoure über die Abgrenzung der Zuständigkeiten
verhalten sollte. Ich muss sagen, ich hatte eine
hervorragende Idee: Ich halte die Frage für sehr
bedeutend und habe deshalb beschlossen, für den
Bericht zu stimmen, allerdings als Zeichen der
Ermutigung, damit man sich zumindest in einigen
Bereichen in Richtung auf die ausschließliche
Zuständigkeit des Europäischen Parlaments bewegt.
33
Sicherheitspolitik oder der gesamte dritte Pfeiler in die
Zuständigkeit der Union übergehen. Des Weiteren sind
wir dagegen, dass das Europäische Parlament die
Regionen ungleich behandelt, indem gesetzgebende
regionale Parlamente die Möglichkeit zur Teilnahme an
der Arbeit der Ausschüsse des Europäischen Parlaments
erhalten. Wir können nicht akzeptieren, dass der Bericht
für die Institutionen der Union und für die
Mitgliedstaaten das Recht fordert, eine Überprüfung von
Rechtsvorschriften durch den Europäischen Gerichtshof
hinsichtlich der Grundsätze der Subsidiarität und der
Verhältnismäßigkeit zu erzwingen. Die Befolgung und
Respektierung dieser Grundsätze ist sehr wichtig, aber
es sind politische Grundsätze und keine juristischen.
4-105
Arvidsson, Cederschiöld, Grönfeldt Bergman und
Stenmarck (PPE-DE), schriftlich.  (SV) Wir möchten
unterstreichen, dass, auch wenn die Finanzierung des
Gemeinschaftshaushalts in die Zuständigkeit der Union
übergeht, dies nicht einmal auf lange Sicht zu einer
eigenen Steuerbefugnis der Union führen sollte.
4-106
Berthu (NI), schriftlich. – (FR) Wir haben gegen den
Bericht Lamassoure gestimmt. Die Gründe hierfür
finden Sie in unseren Antworten auf den Fragebogen des
Konvents zu den Aufgaben der Union. Dieser Bericht
hat
in
keiner
Weise
unsere
zahlreichen
Änderungsanträge berücksichtigt, die wir im Ausschuss
eingereicht haben, die aber dort durch die föderalistische
Mehrheit abgelehnt wurden.
4-103
Der Präsident. – Danke, Herr Fatuzzo. Wir nehmen
Ihren Vorschlag zur Kenntnis, den Spargel in die
Kompetenzen der Stadt Straßburg aufzunehmen.
4-104
Andersson, Färm, Hedkvist Petersen, Hulthén und
Hans Karlsson (PSE), schriftlich.  (SV) Der Bericht
Lamassoure (A5-0133/2002) behandelt die Abgrenzung
der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union
und den Mitgliedstaaten, die eine der grundlegendsten
Fragen des Konventes darstellt. In wesentlichen Teilen
bestätigt und verdeutlicht der Bericht die bestehende
Situation, aber er fügt auch wichtige Aspekte hinzu, wie
die Ermahnung, dass die offene Koordinierung
nationaler Politiken auch von parlamentarischer
Kontrolle flankiert werden muss.
Im Wesentlichen befürworten wir den Bericht und sein
Streben, einen Verfassungstext zu schaffen, der deutlich
macht, auf welchen Gebieten die Union ausschließliche
Zuständigkeiten besitzt und auf welchen sie sich die
Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten teilt, ohne
dadurch die zukünftige Entwicklung der Europäischen
Integration starr festzulegen.
In manchen Punkten können wir jedoch dem Bericht
nicht zustimmen. Wir sind nicht der Meinung, dass die
Pfeilerstruktur ohne weiteres abgeschafft werden sollte,
wie es der Bericht anscheinend befürwortet. Unserer
Meinung nach sollte weder die Finanzierung des
Gemeinschaftshaushalts noch die Außen- und
Diese Änderungsanträge enthielten vor allem einen
Appell für einen Grundlagenvertrag, der die vorrangige
Rolle der nationalen Demokratien anerkennt und die
logischen Konsequenzen für die Institutionen der Union
zieht, insbesondere im Sinne einer echten Kontrolle der
Subsidiarität. Die Abgeordneten des MPF haben einen
solchen Grundlagenvertrag in seinen Grundzügen
abgefasst, der in unserem Sekretariat für die
Öffentlichkeit verfügbar ist.
Weiterhin forderten wir, dass in den Vertrag zwischen
der
gemeinschaftlichen
Säule
und
der
intergouvernementalen Säule eine interparlamentarische
Säule aufgenommen wird, wo die europäischen
Entscheidungen durch die miteinander vernetzten
nationalen Parlamente getroffen werden. Diese Säule
würde die nationalen Souveränitäten genauestens
respektieren. Darunter würden zahlreiche Fragen auf
nationaler Ebene fallen, die jedoch einen europäischen
Austausch verdienen, beispielsweise bestimmte Aspekte
der Koordinierung des Sozialrechts. Das wäre zugleich
eine privilegierte Plattform für die Behandlung aller
Fragen im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von
Personen und der Zuwanderung, die teilweise auch in
der gemeinschaftlichen Säule angesiedelt sein müssten.
4-107
Caullery (UEN), schriftlich. – (FR) Die französische
Delegation
meiner
Fraktion
kann
den
Schlussfolgerungen dieses Initiativberichts auf keinen
Fall zustimmen.
34
Gewiss ist das derzeitige System der Verteilung der
Zuständigkeiten entsetzlich kompliziert. Wir pflichten
dem Berichterstatter bei, wenn er sagt, dass die
Mitgliedstaaten
„über
eine
gemeinrechtliche
Zuständigkeit verfügen“ müssen und die Union nur über
zugewiesene Zuständigkeiten verfügen darf. Ganz
unleugbar besteht eine zunehmende Diskrepanz
zwischen den Erwartungen, die die Bürger in Europa
setzen, und den Problemen, die effektiv auf dieser Ebene
behandelt werden.
Es ist jedoch durch nichts gerechtfertigt, dass die Regeln
zur Klarstellung der Verteilung der Zuständigkeiten in
eine „europäische Verfassung“ aufgenommen werden,
für deren Erarbeitung weder unser Parlament noch der
Konvent ein Mandat der Völker erhalten hat.
So notwendig es auch ist, eine Hierarchie der
gemeinschaftlichen Normen festzulegen, so darf dies
doch nicht in eine Ausweitung der legislativen
Kompetenzen
des
Parlaments
münden.
Die
demokratische Legitimität der Union ergibt sich
ausschließlich aus der Zustimmung der Völker zu dem
laufenden Prozess und ihrer Mitwirkung an diesem. Sie
liegt also auf der Ebene des Europäischen Rates, des
Ministerrates und der nationalen Parlamente. Letztlich
lehnen wir diesen Bericht ab, weil der Berichterstatter
unter dem Vorwand, die Zuständigkeiten besser zu
verteilen, nur bestrebt ist, die Zuständigkeiten der Union
und des Parlaments auszuweiten. ...
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 137
Abs. 1 der Geschäftsordnung)
4-108
Dehousse (PSE), schriftlich. – (FR) Der dem Parlament
von Herrn Lamassoure vorgelegte Bericht war in
sozialer Hinsicht äußerst schwach, und die Abstimmung
von heute Vormittag hat dieses Übel keineswegs
behoben, sondern eher noch verschlimmert.
An keiner Stelle ist in diesem Bericht davon die Rede,
für alle ein hohes Sozialschutzniveau zu garantieren oder
einen koordinierten Ansatz für die Lohnentwicklung
umzusetzen oder auch nur bezifferte und überprüfbare
Ziele im Kampf gegen Armut und Ausgrenzung
festzusetzen.
Die Mehrheit, die hier zu Wort gekommen ist,
berücksichtigt also nicht im Geringsten die so
tiefgreifende und legitime Forderung der Bürger nach
einer Verbesserung der sozialen Situation in der Union
und nach Schaffung einer echten Wirtschafts- und
Sozialregierung innerhalb der EU.
Das Europäische Parlament verteidigt gerade einmal den
sozialen Status quo, der wahrlich unzureichend ist, und
beschränkt sich darauf, weiter das Image eines
bürokratischen Europas im Dienste der Interessen der
Hochfinanz zu vermitteln. Damit sendet es ein
schlechtes Signal an den Konvent zur Zukunft Europas.
16/05/2002
Meine Kollegen und ich haben es abgelehnt, uns diesem
schändlichen Treiben anzuschließen.
4-109
Farage (EDD), schriftlich.  (EN) Aus der Sicht der
britischen Independence Party kommt für mich eine
Formalisierung der Abgrenzung von Zuständigkeiten
zwischen der Europäischen Union und den
Mitgliedstaaten unmöglich in Betracht.
Nach unserer Auffassung ist in einem stabilen,
gedeihlichen Europa kein Platz für die Art
Supranationalismus, wie sie die Europäische Union
verkörpert. Wir teilen nicht die Meinung, dass es, um in
Harmonie zu leben, notwendig sei, eine zentrale
Autorität mit Zuständigkeiten auszustatten, die über die
des Nationalstaats  den wir als Grundpfeiler der
Demokratie betrachten  hinausgehen.
Vielmehr befürworten wir uneingeschränkt die Art
Intergouvernementalismus, wie ihn der Europarat und
das Commonwealth verkörpern, in deren Rahmen
unabhängige
Nationalstaaten
in
Fragen
von
gemeinsamem
Interesse
aus
freien
Stücken
zusammenarbeiten.
Hier
sollte
nach
unserer
Überzeugung das Vereinigte Königreich dem Ethos
gehorchen, ein „guter Nachbar“ zu sein, der die Rechte
und die Unabhängigkeit anderer Nationalstaaten achtet
und
in
der
globalen
Gemeinschaft
eine
verantwortungsvolle Rolle spielt.
Insofern richtet sich daher der in diesem Bericht
unternommene  wenngleich wohlbegründete 
Versuch, die Zuständigkeiten der Gemeinschaft zu
umschreiben oder besser zu definieren, gegen unsere
Grundauffassung von einer Zusammenarbeit von
Nationalstaaten. Darum haben wir gegen diesen Bericht
gestimmt.
4-110
Ferrer (PPE-DE), schriftlich. – (ES) Im Rahmen der
Arbeiten des Konvents und im Zusammenhang mit der
Ausarbeitung einer Verfassung, die nicht nur die
erfolgreiche
Durchführung
des
laufenden
Erweiterungsprozesses, sondern vor allem die
Ausstattung der Europäischen Union mit einer
demokratischen und effizienten Regierung ermöglicht,
die Antworten auf die Herausforderungen und Anliegen
der globalen Welt, in der wir leben, bereithält, ist eine
Abgrenzung der Zuständigkeiten der Europäischen
Union und der Mitgliedstaaten unerlässlich, denn um ein
gutes Funktionieren der Union zu gewährleisten, müssen
die Verantwortlichkeiten aller Institutionen, aus denen
die Union gebildet wird, unbedingt festgelegt werden.
All jenen, die wie wir für ein föderatives Modell
eintreten, ermöglicht diese Zuständigkeitsabgrenzung
überdies die Errichtung von Beziehungen der Föderation
und nicht der Unterordnung zwischen der Union, den
Mitgliedstaaten und den territorialen Gemeinschaften
mit Gesetzgebungskompetenzen. Solche Beziehungen
bilden
das
Fundament
eines
auf
dem
Subsidiaritätsprinzip beruhenden föderalen Europas.
Daraus ergibt sich die Bedeutung des hervorragenden
16/05/2002
Berichts von Herrn Lamassoure, und deshalb gebe ich
ihm meine Stimme.
Schade nur, dass der Vorschlag zur Schaffung des
Statuts einer mit der Europäischen Union assoziierten
Region letztendlich von der Opposition abgewiesen
wurde, das heißt, von denen, die nicht begreifen wollen,
dass die Europäische Union ein globales Ganzes
darstellt, das nicht an den Grenzen der einzelnen
Mitgliedstaaten endet. Gleichwohl muss man
anerkennen, dass wir uns mit dem Bericht Lamassoure
einen Schritt in die richtige Richtung bewegt haben. Die
Grundsatzdokumente der Europäischen Union können
zukünftig die Existenz und die Funktion der Regionen
mit Gesetzgebungskompetenzen, die wie im Fall von
Katalonien die Frucht ein unverzichtbaren Gefühls
kollektiver Identität sind, nicht länger ignorieren, weil
diese Regionen für die Verwaltung eines erheblichen
Teils der Gemeinschaftspolitiken zuständig sind und
weil Europa an den Völkern, die dieses Europa bilden,
nicht vorbeiexistieren kann.
4-111
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. - (PT) Die im
vorliegenden Bericht enthaltenen Vorschläge folgen der
in Maastricht eingeleiteten Dynamik und vertiefen sie.
Dort wurde der Föderalismus als Leitlinie für die
Ausrichtung
der
gegenwärtigen
„europäischen
Integration“ festgelegt. Der Bericht bringt Vorschläge,
die die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten der
EU untergraben und die wir ablehnen, insbesondere den
Vorschlag, dass die Außenpolitik und die Definition der
Rechtsgrundlage eines „gemeinsamen Raums der
Freiheit und Sicherheit“ in die ausschließliche
Zuständigkeit der EU übergehen. Diese Vorschläge
gehen viel zu weit, misst man sie an anderen, die für
eine Aufteilung der Zuständigkeiten plädieren.
Hervorzuheben ist außerdem der Vorschlag, dass die
Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts in der
ausschließlichen Verantwortung der EU liegen soll, was
die Einführung solcher Instrumente wie der
„Europasteuer“ zur Folge hätte, und das lehnen wir
ebenfalls ab.
Allgemein
stellt
der
Bericht
auf
die
Konstitutionalisierung der Verträge ab und setzt sich
damit bei grundlegenden Zuständigkeiten über die
nationalen Verfassungen hinweg. Selbst im Fall der
zwischen der EU und den Mitgliedstaaten aufgeteilten
Zuständigkeiten stellt seine Definition die EU als das
Organ dar, das „die Regeln festlegt“, „koordiniert“ oder
„ergänzend tätig wird“. Den Nationalstaaten würde so
quasi nur die Aufgabe übrig bleiben, die Regeln
umzusetzen oder die Orientierungen unter Einsatz der
ihnen zur Verfügung stehenden Haushalts- und
Steuermittel anzuwenden, wie im bezeichnenden
Beispiel des Versuchs, die Kosten der Gemeinsamen
Agrarpolitik zu renationalisieren.
4-112
Frahm, Herman Schmid und Seppänen (GUE/NGL),
schriftlich.  (SV) Wir teilen in keiner Weise die
Ansichten, die in diesem Bericht zum Ausdruck
kommen.
35
In Punkt 30 des Berichts heißt es, „dass die
Wahrnehmung der Zuständigkeiten durch die Union,
seien es ausschließliche, geteilte, ergänzende oder
koordinierende Zuständigkeiten, nicht mehr durch
lähmende (fehlende Initiativbefugnis, einstimmige
Beschlussfassung,
Ratifizierung
durch
die
Mitgliedstaaten) ...Verfahren beeinträchtigt werden darf,
...”
Das bedeutet, dass die Union durch Mehrheitsbeschlüsse
auf allen Gebieten, zu denen sie sich berufen fühlt, die
Initiative ergreifen kann, ohne dass die Mitgliedstaaten
diese Initiative bremsen oder ihre Parlamente oder die
europäische Bevölkerung befragen können. Ungeachtet
der schönen Reden über die Annäherung der Union an
ihre Bürger sollen diese beim Bau der politischen
Projekte der Union dennoch nicht nach ihrer Meinung
gefragt werden.
Der Bericht möchte die Beschäftigungspolitik in die
Verfassung der Union aufnehmen. Auf längere Sicht
würde dies eine Zentralisierung der Arbeitsmarktpolitik
bedeuten und die Anpassung an eine einseitige
Wirtschaftspolitik. Wir sind nicht der Meinung, dass
dies der richtige Weg ist, um das europäische Ziel der
Vollbeschäftigung zu erreichen.
Damit sie effizient sein kann, muss die
Beschäftigungspolitik an die lokalen Bedürfnisse
angepasst werden können. Die gegenwärtig im
Beschäftigungsbereich angewandte Methode der offenen
Koordinierung erlaubt eine Anpassung und die
Verankerung bei lokalen Akteuren und sollte daher
verstärkt und nicht, wie im Bericht vorgeschlagen,
gestrichen und aus der Gemeinschaftspolitik verbannt
werden.
4-113
Goebbels (PSE), schriftlich. – (FR) Ich habe nicht für
den Bericht Lamassoure gestimmt, weil er den laufenden
Arbeiten des Konvents vorgreift. Man kann nicht
Vertreter der Regierungen, der nationalen Parlamente
und des Europäischen Parlaments auffordern, die
künftige Architektur der Europäischen Union neu zu
gestalten, und gleichzeitig versuchen, ausschließlich auf
der Ebene des Europäischen Parlaments die Baupläne
für das Haus Europa festzulegen. Es ist wesentlich, so
klar wie möglich festzulegen, wer in Europa was tut und
warum, doch das Europäische Parlament kann dies nicht
einseitig tun.
4-114
Krarup und Okking (EDD), schriftlich. – (DA) Dieser
Bericht zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, dass sich
die Europäische Union zu einem Bundesstaat entwickelt
– mit katastrophalen Folgen für die nationale
Selbstständigkeit, so auch für die dänische Demokratie.
Nicht minder schockierend ist der Nachweis, dass die
Dominanz der EU über die nationalen Demokratien im
Prinzip keine Grenzen kennt.
Obwohl wir einige der von der Ausschussminderheit
angeführten Kritikpunkte unterstützen, haben auch wir
36
gegen die unter anderem von J. P. Bonde eingebrachten
Änderungsanträge gestimmt. Wir protestieren dagegen,
dass diese Anträge im Namen der EDD-Fraktion gestellt
wurden, da in der Fraktion darüber keine Gespräche
geführt worden sind und mehrere Untergruppen,
darunter die Volksbewegung, die Kernaussage der
Anträge nicht mittragen können, nämlich die
Vorstellung von einer „light“-Version der EU.
16/05/2002
Eine obligatorische Koordinierung der Haushalts- und
Steuerpolitiken kann ich ebenfalls nicht akzeptieren.
Das Parlament sollte sich in seiner Stellungnahme zum
Konvent statt dessen auf diejenigen Veränderungen
konzentrieren, die nötig sind, um die Beschlussfassung
in einer erweiterten Union zu ermöglichen.
4-117
4-115
Meijer
(GUE/NGL),
schriftlich.
–
(NL) Die
gegenwärtige Gemeinschaftsgesetzgebung stellt einen
Flickenteppich aus Einzelverträgen, -verordnungen und richtlinien dar, zu denen noch eine separate Charta der
Grundrechte ohne eindeutigen Status hinzukommt. Ein
Teil der der Union zugewiesenen Kompetenzen wird
offensichtlich weitgehend nach dem Zufallsprinzip
zugeordnet und geht über die Zuständigkeiten von
Bundesstaaten hinaus. Außerdem werden einige der
vermeintlichen Befugnisse der Mitgliedstaaten in der
Praxis von den Teilstaaten ausgeübt, die vielfach eine
eigene Sprache und Kultur besitzen und danach streben,
selbst Vollmitglied der EU zu werden. Deshalb wäre es
durchaus vertretbar, der breiten Öffentlichkeit einmal
eine Übersicht darüber zu verschaffen, welche
Beschlüsse im Laufe der Jahre gefasst wurden, welche
Ziele damit verfolgt worden sind und ob sie kohärent
und effizient wirksam werden. Leider möchte Herr
Lamassoure weitaus mehr als die von ihm geforderte
genaue „Anleitung“, die der Stärkung der Demokratie
dienen soll. Er möchte anstelle eines „diplomatischen
Aktes“, wie er es nennt, eine Verfassung für einen
europäischen Superstaat. Soll damit versucht werden,
das Ergebnis des Konvents über die Zukunft Europas
vorwegzunehmen, oder soll den diesem Konvent
angehörenden EP-Mitgliedern ein Abstimmverhalten
vorgeschrieben werden? Das wäre dann ein voreiliges,
nicht transparentes Vorgehen, das ich nicht gutheiße.
- Bericht Nicholson of Winterbourne (A5-0157/2002)
4-118
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),
schriftlich. – (FR) Dieser Bericht zieht eine
niederschmetternde Bilanz zur Situation der irakischen
Bevölkerung elf Jahre nach dem Golfkrieg, die man nur
teilen kann. Andererseits erwähnt er in keiner Weise die
Verantwortung der imperialistischen Mächte sowohl für
diesen Krieg als auch für seine noch immer
schrecklichen Folgen für die irakische Bevölkerung, die
ja auf diese Weise ein zweites Mal durch die
Großmächte bestraft wird, nachdem sie bereits eine
schändliche Diktatur zu erdulden hat.
Und schlimmer noch, unter dem Vorwand der Existenz
dieser Diktatur erwägt und rechtfertigt dieser Bericht im
Voraus eine neue Militärintervention, soweit sie durch
die Vereinten Nationen gedeckt wäre. Man weiß ja aber,
dass das irakische Volk das erste Opfer wäre.
Die humanitären Erwägungen, mit denen sich dieser
Bericht schmückt, sind nichts als ein scheinheiliges und
allzu fadenscheiniges Feigenblatt, um die Barbarei der
Großmächte und der Weltordnung, die sie den Völkern
aufzwingen, zu kaschieren. Wir haben für den einzigen
Änderungsantrag gestimmt, der sich gegen diese
geplante kriegerische Barbarei ausspricht, und folglich
diesen Bericht abgelehnt, der sie rechtfertigen soll.
4-119
4-116
Theorin (PSE), schriftlich.  (SV) Aus folgenden
Gründen kann ich nicht für den Bericht Lamassoure
stimmen:
Der Bericht hat einen eindeutig überstaatlichen
Charakter. Ich unterstütze eine zwischenstaatliche
Zusammenarbeit, aber nicht die Überstaatlichkeit, die
der Berichterstatter befürwortet. Auch in der
Öffentlichkeit gibt es keine Unterstützung für eine
Föderation, wie die letzte Wahl zum Europäischen
Parlament auch deutlich gezeigt hat.
Ich wende mich des Weiteren gegen die Forderungen,
die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu einer
Angelegenheit der Union zu machen, beim Gerichtshof
eine Kammer für Verfassungs- und Grundrechtsfragen
der Union einzurichten und den Grundsatz der
Einstimmigkeit im Ministerrat abzuschaffen.
Auch akzeptiere ich nicht, dass gesetzgebenden
regionalen Parlamenten die Möglichkeit zur Teilnahme
an der Arbeit der Ausschüsse des Europäischen
Parlaments gegeben werden soll.
Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. - (PT) Unsere
Stimmenthaltung bei diesem Bericht über die Lage im
Irak erklärt sich grundsätzlich aus den darin
fortbestehenden
Widersprüchen,
wobei
zwei
Hauptgründe hervorzuheben sind:
Der erste betrifft einige positive Aspekte des Berichts,
insbesondere die Unterstützung für die Entscheidung,
mit Ausnahme des Waffenembargos die Sanktionen
gegen den Irak aufzuheben, wenn auch in einer
abgeschwächten Formulierung. Doch die dramatische
Lage, in der sich das Land befindet, macht es
erforderlich, dass man sich mit vereinten Kräften
bemüht, aus humanitären Gründen die Wirtschafts- und
Handelssanktionen zu beenden.
Der zweite hat mit den negativen Aspekten zu tun, weil
er zeigt, wie schwer es der Europäischen Union fällt,
sich aus der Abhängigkeit von den amerikanischen
Interessen zu lösen. Ein Beispiel dafür ist die Ablehnung
der von uns eingereichten Änderungsanträge durch das
Parlament, vor allem des Vorschlags, eine internationale
Untersuchung über die vor allem auf den Einsatz von
Waffen mit abgereichertem Uran zurückzuführenden
16/05/2002
Folgen
der
amerikanischen
und
britischen
Bombenangriffe von 1991 für Volksgesundheit und
Umwelt vorzunehmen. Ebenso negativ ist, dass die
Bombenangriffe, denen der Irak weiter in regelmäßigen
Abständen ausgesetzt ist, nicht eindeutig verurteilt
werden.
4-120
Korakas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der heute
vom Europäischen Parlament angenommene Bericht
Nicholson of Winterbourne übernimmt im Wesentlichen
die
amerikanische
Argumentation
zum
Irak
(Schurkenstaat usw.) und stellt sich damit praktisch
hinter die geplante Intervention der USA. Die
dramatischen Folgen des Embargos gegen das irakische
Volk rufen kein Mitgefühl hervor. Vorbehaltlos wird
gerechtfertigt, dass es verhängt worden ist. Es wird
eingestanden, dass das Hauptziel in der Entmachtung
von Saddam Hussein bestand, während die für seinen
Sturz gestellten Bedingungen und Voraussetzungen
darauf hinauslaufen, dass er nicht gestürzt wird.
Der Text strotzt vor provozierenden Vorschlägen zu
einer brutalen Einmischung in die inneren
Angelegenheiten eines anderen Landes und lässt außer
Acht, dass die bisherigen Interventionen das
diktatorische Regime von Saddam Hussein im Grunde
nur gestärkt haben.
Bezeichnend für die Haltung der EU gegenüber dem
Drama des palästinensischen Volkes ist, dass die
Aktivitäten
der
Selbstmordkommandos
als
„palästinensische Terrorakte in ihrer schlimmsten Form“
bezeichnet werden.
37
aufrechtzuerhalten, eingestanden, dass dieses generelle
Embargo sein eigentliches Ziel nicht erreicht hat: den
Irak daran zu hindern, wieder zu einer Macht zu werden,
die die Sicherheit anderer Staaten bedroht, und das eine
solche Empfehlung rechtfertigen würde? Warum erkennt
man nicht gleichzeitig die schlimmen negativen Effekte
dieses Embargos an, die zu einer gefährlichen
Frustration führen können: Verschlechterung der
Ernährungsund
Gesundheitssituation
der
Zivilbevölkerung, Zerstörung des wirtschaftlichen
Gefüges und der Infrastrukturen, Entwicklung einer
ungesunden Wirtschaft, die von der Umgehung des
Embargos lebt? Das ist nicht mehr eine Politik ...
(Erklärung zur Abstimmung gekürzt gemäß Artikel 137
Abs. 1 der Geschäftsordnung)
4-122
- Bericht Pack (A5-0118/2002)
4-123
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, nachdem sie
über einen Fehler in der Mitteilung einer Tagesordnung
berichtet hatte, wurde die Berichterstatterin, Frau Doris
Pack, nun als „Berichterstatterin zum Stabilitätspakt“
bezeichnet, weil wir alle ihre einschlägige Kompetenz in
Bezug auf die Balkanregion im Zusammenhang mit dem
Stabilitätspakt kennen. Deshalb ist es vielleicht gar nicht
so falsch, Doris Pack „Frau Stabilitätspakt“ zu nennen,
worüber sie sich, da bin ich mir sicher, nicht ärgern
wird. Aber die Wortspiele einmal beiseite gelassen,
möchte ich gleichwohl hervorheben, wie wichtig dieses
Dokument dafür ist, dass Albanien seine richtige Rolle
in dem neuen Europa finden kann.
4-124
Die Kommunisten wissen sehr wohl um die groben
Verletzungen der demokratischen Rechte und die
Verfolgungen von Kämpfern aus dem Volk und von
Kommunisten, die dem Regime von Saddam Hussein als
Erste zum Opfer fielen. Nach unserer Ansicht ist der
Kampf gegen undemokratische Regimes allerdings die
Angelegenheit der darunter leidenden Volksbewegung.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die internationalistische
Solidarität, von der aber die EU ganz sicher nicht
durchdrungen ist. Aus diesen Gründen besteht das
Mindeste, was wir tun können, darin, gegen den Bericht
zu stimmen.
4-121
Souchet (NI), schriftlich. – (FR) In der Hoffnung, dass
die Scheren der Zensur, die einige Beamte gegenüber
den Mitteln ausüben, über die die in allgemeiner Wahl
gewählten Abgeordneten verfügen, um ihre Positionen
denen bekannt zu machen, die sie demokratisch als ihre
Vertreter im Europäischen Parlament gewählt haben,
von dieser Stimmerklärung soviel übrig lassen, dass sie
ein Minimum an Kohärenz aufweist, möchte ich
unterstreichen, dass der Bericht Nicholson gewiss an
Glaubwürdigkeit gewonnen hätte, wenn er die Frage,
inwieweit es angebracht ist, das Embargo gegen den Irak
heute noch aufrechtzuerhalten, klarer gestellt hätte.
Warum wird nicht neben der vernünftigen Empfehlung,
die meisten wirtschaftlichen und kommerziellen
Restriktionen aufzuheben und nur das Waffenembargo
- Bericht Papayannakis (A5-0151/2002)
4-125
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, ich frage
mich immer, ob es richtig ist, dass bei den Diskussionen
über die nachhaltige Entwicklung in der Welt nie
darüber gesprochen wird, dass ein sehr wichtiger Aspekt
im Dasein der Männer und Frauen Europas die
Lebensqualität in den verschiedenen Phasen ihres
Lebens ist. Viele von uns, denen es als junge Menschen
sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitlich gut geht,
obwohl sie arbeiten, haben dann im Alter nicht mehr
denselben Lebensstandard. Warum setzen wir uns nicht
auch dafür ein, die Unterschiede im Lebensstandard.
d. h. im wirtschaftlichen und sozialen Niveau der
verschiedenen Lebensabschnitte, als junge Leute, als
Arbeitnehmer im mittleren Alter und als Senioren,
abzubauen?
4-126
Caudron (PSE), schriftlich. – (FR) Dieser Bericht wirft
ganz ungeschminkt die Frage nach der Zukunft unserer
Erde im Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung
auf.
10 Jahre nach Rio ist die Situation alles andere als rosig.
Die erreichten Fortschritte werden den Problemen nicht
gerecht, und die natürlichen Entwicklungsperspektiven
38
16/05/2002
von Schwellenländern (man bedenke, welche
Umweltverschmutzung in einem Land wie China
bevorsteht, wenn es erst unser Entwicklungsniveau
erreicht haben wird) können die Umweltsituation nur
noch verschärfen.
Ich weiß nicht, ob das Europäische Parlament die finale
Katastrophe verhindern kann… Aber es kann auf alle
Fälle einen positiven Beitrag leisten.
4-127
- Bericht Lannoye (A5-0142/2002)
4-133
Partnerschaft EU/UNO
4-134
Der Präsident. - Nach der Tagesordnung folgt die
Aussprache über den Bericht (A5-0128/2002) von Herrn
Miranda im Namen des Ausschusses für Entwicklung
und Zusammenarbeit über die Mitteilung der
Kommission an den Rat und das Europäische Parlament
über den Aufbau einer effizienten Partnerschaft mit den
Vereinten Nationen in den Bereichen Entwicklung und
humanitäre Hilfe (KOM(2001) 231 - C5-0396/2001 2001/2154(COS)).
4-128
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, es scheint, als
sei Herr Lannoye gezielt als Berichterstatter für diesen
Vorschlag benannt worden, mit dem eine globale
Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung in der Welt
angestrebt wird, wo leider noch viele Menschen, um
nicht zu sagen sehr viele, kümmerlich ihr Leben fristen.
Diese Benennung erfolgt in dem Wunsch und in der
Hoffnung, Herrn Lannoye, der bekanntlich traditionell
Berichterstatter über die Richtlinien für Schokolade,
Butter und Marmelade ist, Lebensmittel also, die uns
täglich zur Verfügung stehen, möge dies auch für die
Entwicklungsländer gelingen. Hoffen wir, dass dem so
ist!
4-129
- Welternährungsgipfel (FAO) (B5-0262/2002)
4-130
Bordes, Cauquil und Laguiller (GUE/NGL),
schriftlich. – (FR) Die Bilanz dieser gemeinsamen
Entschließung ist niederschmetternd: 1,2 Milliarden
Menschen leben von weniger als einem Dollar pro Tag,
815 Millionen leiden an chronischer Unterernährung
usw.
Für die Unterentwicklung und das Elend, in dem drei
Viertel der Menschheit leben, gibt es Ursachen und
Verantwortliche, die von den Unterzeichnern dieses
Textes tunlichst verschwiegen werden: die großen
Industrie- und Finanzkonzerne und die in ihrem Dienst
stehenden
imperialistischen
Staaten,
die
die
Weltwirtschaft und letztlich die Existenz der
Weltbevölkerung dem Profitstreben unterordnen.
Wir haben zwar für die Änderungsanträge gestimmt, die
verschiedene Konsequenzen dieser Jagd nach Profit
verurteilen, jedoch insgesamt nicht für diese
gemeinsame Entschließung, die selbst hinsichtlich der
Hilfen nur nichtssagende Versprechen, jedoch keine
konkreten Verpflichtungen enthält und die nur dazu
dient, die Realität einer vom kapitalistischen Profit
bestimmten Gesellschaft und derer, die die einzigen
Nutznießer sind, mit einem Mäntelchen der
Nächstenliebe zu kaschieren.
4-131
(Die Sitzung wird um 13.35 Uhr unterbrochen und um
15.00 Uhr wieder aufgenommen.)
4-132
VORSITZ: INGO FRIEDRICH
Vizepräsident
4-135
Miranda (GUE/NGL), Berichterstatter. - (PT) Herr
Präsident! Wir sind gewiss nicht viele, doch ich bin
sicher, dass wir gut sind! Herr Kommissar Poul Nielson,
ich glaube, zwischen uns besteht ein umfassender
Konsens über die Notwendigkeit, eine effiziente
Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und den
Vereinten Nationen zu gestalten, was selbstverständlich
auch die Bereiche humanitäre Hilfe und Entwicklung
betrifft. Gerade dies zeigte sich eindeutig in der
Aussprache und Abstimmung, die wir im Ausschuss für
Entwicklung und Zusammenarbeit vorgenommen haben,
und ich erwarte, dass jetzt das Gleiche geschieht. Etwas
anderes wäre auch unverständlich angesichts der in
diesen Bereichen allgemein verkündeten Ziele,
insbesondere die Herausforderungen und Ziele der
Millenniumserklärung, und zugleich des offenkundigen
Fehlens einer Koordinierung für ihre Verwirklichung
und der offenkundigen Knappheit der Mittel, die bisher
bereitgestellt wurden.
Bedauerlich ist jedoch, dass die Kommission nicht schon
jetzt einen umfassenden und integrierten Ansatz für
diese Partnerschaft gewählt und die Fragen der
Sicherheit, der Erhaltung des Friedens, der
Konfliktverhütung und der Krisenbewältigung auf einen
späteren Zeitpunkt verschoben hat, zumal ja bekannt ist,
dass diese Aspekte mit denen zusammenhängen, die den
Anstoß für die vorliegende Mitteilung gaben. Dennoch
halte ich die allgemeine Ausrichtung dieser Mitteilung
für positiv, insbesondere wenn man die Vereinten
Nationen als Bezugsgröße und Grundpfeiler für die
Verfolgung der Ziele und Gemeinschaftspolitiken in
solchen Bereichen betrachtet.
Man muss jedoch betonen, dass es notwendig ist, heute
festzustellende Widersprüche zu überwinden, die sich
ganz eindeutig einerseits aus der wichtigen Rolle
ergeben, die die Mitgliedstaaten in den Vereinten
Nationen spielen, und zwar vor allem bei der
finanziellen Beteiligung an den jeweiligen Aktionen und
an ihrem Haushalt oder auch bei dem wesentlichen
Beitrag der einzelnen Mitgliedstaaten und der
Europäischen Union zu den verschiedenen Fonds der
Vereinten Nationen, und andererseits aus den
offenkundig
schwachen
politischen
Einflussmöglichkeiten beider, und zwar auch in den
Spezialorganen.
16/05/2002
Diese Situation muss sich ändern. Dazu bedarf es eines
stärkeren
Zusammenwirkens
zwischen
den
Mitgliedstaaten selbst und einer intensiveren Beteiligung
dieser Staaten und der Europäischen Union an den
einzelnen Phasen der Programme der Vereinten
Nationen. Vor allem geht es um eine umfassendere
Einbeziehung
in
die
Festlegung
der
Entwicklungsstrategien sowie in die Planung und
Umsetzung der Aktionen in diesem Bereich. Auf diese
Weise lässt sich dann auch ein Höchstmaß an Kohärenz
und die Optimierung ihrer Wirkung gewährleisten.
In der Mitteilung der Kommission, die als Grundlage für
das Erreichen der in dieser Partnerschaft verkündeten
Ziele dienen soll, wird die Notwendigkeit eines
administrativen Rahmens betont, und zwar entweder
durch den schnellen und positiven Abschluss der
laufenden Verhandlungen über die so genannte
„Überprüfungsklausel“, die es ermöglichen wird,
zufrieden stellende Informationen über die Verwendung
der verfügbaren Gemeinschaftsmittel zu sichern, oder
durch die Neuverhandlung des Rahmenabkommens
zwischen der Gemeinschaft und der UNO von 1999 mit
dem Ziel eines Konzepts, das stärker auf die
Kofinanzierung, die Haushaltsplanung auf der
Grundlage der Ergebnisse und der vorgeschalteten
Finanzierung der Programme ausgerichtet ist. Wir
beobachten diese Bemühungen und Stellungnahmen,
betonen aber gleichzeitig, dass der Aufbau einer
effizienten Partnerschaft sowie die Anpassung der
Strukturen und Verwaltungsverfahren auf drei Ebenen
gefördert werden muss: mit der Intensivierung des
strategisch-politischen Dialogs zur Festlegung der
Politiken und Programme, mit dem Ausbau der
Zusammenarbeit in den Entwicklungsländern selbst, um
die Komplementarität und Kohärenz bei der eigentlichen
Arbeit zu gewährleisten, und mit der Schaffung eines
soliden Finanzrahmens mit einheitlichen Regeln und
Grundsätzen für beide Institutionen wie auch
selbstverständlich
des
erwähnten
neuen
Rahmenabkommens.
Wie im Ansatz der Kommission hervorgehoben wird,
muss auf jeden Fall der erste Schritt für diese
Zusammenarbeit in einer Auswahl der geeignetsten
Partner innerhalb des Systems der Vereinten Nationen
bestehen. Ferner sind auf Gemeinschaftsebene die
Prozesse der Dezentralisierung und der Dekonzentration
der Verwaltung und Entscheidungsfindung zügig
abzuschließen, und es ist die demokratische Mitwirkung
der sozialen Bewegungen und allgemein der so
genannten Zivilgesellschaft zu gewährleisten. Wir
können doch kaum Fortschritte erreichen, wenn wir
unser eigenes Haus nicht in Ordnung bringen! Deshalb
ist die entschlossene Durchführung der laufenden
Reform auch in diesem Bereich unerlässlich.
Abschließend möchte ich erklären, dass unser
Engagement in dieser Partnerschaft und der Wunsch,
den entsprechenden Durchführungsprozess zu begleiten,
uns veranlassen, die Kommission zu bitten, uns
sachgerecht und beizeiten über den Fortgang dieses
Prozesses zu informieren. Vor allem schlagen wir vor,
39
dass die Kommission in ihren Jahresbericht über die
Politik der Zusammenarbeit spezielle Informationen
über die bei diesem Prozess erzielten Fortschritte
aufnimmt.
4-136
García-Orcoyen Tormo (PPE-DE). – (ES) Herr
Präsident, meine Fraktion wird dem Bericht von Herrn
Miranda über den Aufbau einer effizienten Partnerschaft
zwischen der Europäischen Union und den Vereinten
Nationen in den Bereichen Entwicklung und humanitäre
Hilfe zustimmen. Ich persönlich möchte den
Berichterstatter beglückwünschen und für die Aufnahme
aller Änderungsanträge danken, die meine Fraktion zur
ursprünglichen Fassung vorgelegt hat.
Der Berichterstatter spricht sich in seinem Bericht für
eine wirksamere Beteiligung der Union an der
Koordinierung ihrer Aktivitäten mit den Vereinten
Nationen aus, und das nicht nur im politischen Bereich
und bei der Beschlussfassung, sondern auch auf
operativer Ebene, bei der Projektumsetzung sowie bei
konkreten Aktivitäten.
In einem unserer in den Text aufgenommenen
Änderungsanträge fordern wir, dass diese operative
Beteiligung vom Beginn der Auswahl der
durchzuführenden Projekte an erfolgen muss, so dass die
generelle Ausrichtung der Hilfe, soweit das uns möglich
ist, mit den Zielen der Entwicklungshilfe der
Europäischen Union übereinstimmt. Dies um so mehr,
wenn man in Rechnung stellt, wie bedeutend der
ökonomische und finanzielle Beitrag der Europäischen
Union von seinem Umfang her ist. Nicht geringer ist ihr
Beitrag in qualitativer Hinsicht im Bereich der
materiellen Mittel und der Humanressourcen. Diese
Koordinierung muss zwangsläufig über eine Stärkung
des multilateralen institutionellen politischen Dialogs
und eine engere Kooperation erfolgen, durch die die
Aspekte der Zusätzlichkeit und der Komplementarität
sowohl der bilateralen als auch der multilateralen
Entwicklungshilfe vervollkommnet werden. Dies wird
ohne die Schaffung eines stabilen Finanzrahmens für die
Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den
Vereinten Nationen nicht möglich sein.
In diesem Zusammenhang möchte ich die auf dem
jüngsten Gipfel von Monterrey erzielten Erfolge
hervorheben, von denen Präsident Fox vor diesem
Plenum sprach. Es trifft zu, dass die Ergebnisse von
Monterrey in mancher Hinsicht als unzureichend
eingeschätzt werden können. Es trifft aber auch zu,
dass, besonders von europäischer Seite, positive
Schritte
getan
wurden,
indem
konkrete
Verpflichtungen hinsichtlich der Höhe der Hilfe und
eines Zeitplanes eingegangen wurden. Allerdings
muss ich sagen, dass wir von den 0,7 %, zu denen wir
uns verpflichtet haben und von denen wir nicht
abrücken können, noch weit entfernt sind.
Mit den verfügbaren Mitteln wird es nicht möglich sein,
das Ziel der Beseitigung der Armut in der Welt bis 2015,
40
zu dem wir uns verpflichtet haben, zu erreichen, und das
kann man nicht hinnehmen.
Ich möchte abschließend sagen, dass einige der von
meiner Fraktion beantragten Änderungen auf eine
größere Wirksamkeit der Hilfe, auf flexiblere
Verfahrensweisen und auf eine größere Transparenz bei
der Mittelverwendung gerichtet sind, also auf die
gleichen
Ziele,
die
von
der
spanischen
Ratspräsidentschaft vor dem Ausschuss für Entwicklung
dieses Parlaments und von Ministerpräsident Aznar in
seiner Rede auf dem Gipfel von Monterrey vertreten
wurden.
4-137
Martínez Martínez (PSE). – (ES) Herr Präsident, Herr
Kommissar, Kolleginnen und Kollegen! Wenngleich wir
uns der Notwendigkeit bewusst sind, bei der Vertiefung
der Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und
den Vereinten Nationen voranzukommen, so sollten wir
uns doch an eine Reihe genereller Prinzipien erinnern,
die unsere Politik gegenüber der UNO bestimmen
sollten und die Unzulänglichkeiten aufzeigen, die wir
gegenwärtig bei ihrer Umsetzung feststellen müssen.
Das Erste, was im Bericht nachgewiesen und aufgedeckt
wird, ist die nicht zu rechtfertigende Diskrepanz
zwischen dem umfangreichen wirtschaftlichen Beitrag
der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten zu
den Aktivitäten der UNO einerseits und dem geringen
politischen Einfluss, den die Union andererseits trotz
dieses Beitrages bei der Festlegung und Durchführung
dieser Aktivitäten ausübt. So dürften die Beiträge der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union etwa 37 % des
Haushalts der UNO und mehr als 40 % ihrer für
friedenserhaltende Maßnahmen bestimmten Ausgaben
ausmachen. Wenn man außerdem die direkten Beiträge
der Union hinzuzählt, dann übersteigen unsere Beiträge
50 % der Mittel für die verschiedenen Fonds und
Programme, die von der UNO für die Entwicklung
sowie
die
humanitäre
und
Lebensmittelhilfe
bereitgehalten werden.
Im Gegensatz dazu stehen ein Status der Union, der im
Vergleich zu dem der Vereinten Nationen unbedeutend
ist, ein politischer Einfluss auf sehr niedrigem Niveau
und eine wahrhaft minimale Sichtbarkeit unseres
Auftretens. Zusammengefasst verfolgen wir auch hier
die inakzeptable Praxis des paying but not playing.
Die Mitteilung der Kommission lässt einen gewissen
Wandel in Richtung auf anspruchsvollere Strategien und
Zielsetzungen vermuten, die eher dem entsprechen, was
Europa auf der internationalen Bühne darstellen sollte.
Das Parlament stimmt mit der von der Kommission
vertretenen Position überein und würde sie vielleicht
noch etwas energischer formulieren. So bekräftigen wir
unsere Überzeugung von der Notwendigkeit einer
multipolaren Weltordnung, in welcher der Rechtsstaat
herrscht und in der die Vereinten Nationen, eine UNO
mit mehr Kompetenzen, mit einer höheren
Glaubwürdigkeit und auch mit mehr Mitteln einfach
unverzichtbar sind.
16/05/2002
Mit diesem Bericht verweisen wir ferner auf die
dringende Notwendigkeit, dass die Europäischen Union
eine juristische Persönlichkeit erlangt, um so wirksam
mit den Vereinten Nationen und ihren verschiedenen
Organen zusammenarbeiten zu können.
Und schließlich setzt die Entschließung Ziele wie die
Erfüllung
der
mit
der
Millenniumserklärung
eingegangenen Verpflichtungen, speziell auf diesem
Gebiet, auf dem die Europäische Union zu einem
kohärenten, mächtigen Hebel zur Stärkung der Rolle der
UNO als Garant des Friedens und der Solidarität, des
internationalen
sozialen
Zusammenhalts,
der
Gerechtigkeit und des Fortschritts der Menschheit
werden muss.
4-138
Korhola (PPE-DE). – (FI) Herr Präsident, auch ich
möchte Kollegen Miranda gratulieren. Er hat einen
Bericht vorgelegt, der in bedeutendem Maße darauf
hinausläuft, die Verständigung zwischen der EU und der
UNO zu festigen und die Ansätze abzustimmen, die für
die eingesetzten Ressourcen die besten Ergebnisse
bringen. Das sollte hinsichtlich des Ausgangspunkts
nicht schwierig sein, denn die UNO und die EU sind
natürliche Verbündete. Sie haben die gleichen Ziele und
Prioritäten, wie es bereits im Zusammenhang mit der
Millenniumserklärung im Herbst 2000 zum Ausdruck
gekommen ist.
Im Bericht wird zu Recht darauf verwiesen, dass erst
dann ein Fortschritt in der Partnerschaft und
insbesondere bei der Umsetzung der Ziele erreicht
werden kann, wenn grundlegende Analysen erfolgt sind.
Dennoch reicht es nicht aus, die bisherigen Ergebnisse
der Partnerschaft zu bewerten, obwohl dies natürlich
auch unbedingt wichtig ist. Zu analysieren wären
darüber hinaus die unersetzlichen Werte im
Zusammenhang mit der Demokratie und den Ansichten
der Menschen, die für die Entwicklung unabdingbar
sind. Eigentlich sind wir uns nur ausgesprochen mäßig
dieser Werte bewusst, die auch Grundlage der
Entwicklung der EU selbst zu einem führenden
politischen und wirtschaftlichen Akteur der Welt in
einem durch Kriege in vielerlei Hinsicht ramponierten
Europa ist.
Die EU ist derzeit ein wirklich gewichtiger
Verhandlungspartner am Tisch der Politik. Es gibt
jedoch einen Bereich, in dem die UNO ein
unverzichtbarer Partner ist: an der Basis genießt sie
überall auf der Welt eine große Wertschätzung, während
die EU dies noch nicht in allen Mitgliedsstaaten erreicht
hat. Wenn ein Begriff aus der Wirtschaft gestattet ist,
dann stellt die UNO geradezu ein Markenprodukt dar.
An der Autorität des Markenprodukts UNO muss die EU
als bedeutender Geldgeber selbstverständlich besonders
interessiert sein. Das Ansehen und das Vertrauen, das
die UNO an der Basis genießt, ist eine Ressource, die
weder mit Geld gemessen noch aufgewogen werden
kann.
16/05/2002
Die EU und ihre Mitgliedstaaten setzen gewaltige
Ressourcen für die Entwicklungsarbeit ein. Obwohl es
um enorme Mittel geht, sind sie angesichts der Probleme
jedoch sehr gering. Deshalb ist jede Art von
Rationalisierung auch willkommen. Eine Maßnahme, bei
der die Ressourcen effizient eingesetzt werden, wäre vor
allem eine gemeinsame Vertretung in der UNO und
ihren Spezialorganisationen. Ab 2004, wenn die Zahl der
EU-Mitglieder weitaus größer ist als heute, wird das
notwendiger denn je. Und was unsere Hilfe anbelangt –
0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts – muss sie nach
wie vor als menschliches Ziel betrachtet werden, anders
geht es nicht.
4-139
Der Präsident. - Heute Nachmittag hätten wir sehr viel
Zeit. Bisher nutzen die Redner ihre Redezeit gar nicht
aus. Sonst ist es immer umgekehrt, aber heute sind Sie
fast zu kurz, meine Damen und Herren. Aber Sie sind
eben korrekt!
4-140
McCartin (PPE-DE).  (EN) Herr Präsident, in der
parlamentarischen Tradition, aus der ich komme,
mussten wir uns nicht auf Minuten beschränken. Sehr oft
wurden wir kurzfristig gebeten, in den Plenarsaal zu
eilen und eine Stunde oder so zu allen möglichen
unbedeutenden Themen zu sprechen. Hier ist die
Situation anders.
Ich freue mich, einen Beitrag zu diesem Thema leisten
zu können, denn ich gehöre zwar nicht dem zuständigen
Ausschuss an, habe mir aber dennoch über den
Gegenstand der Debatte Gedanken gemacht.
Als wir heute Vormittag den Bericht Lamassoure über
die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Europäischen
Union diskutierten, dachte ich daran, dass wir von Zeit
zu Zeit die verschiedenen Zuständigkeiten der Union
überprüfen sollten. Vielleicht haben wir uns mit den
Jahren zu viele Zuständigkeiten eingeräumt und zu viel
Verantwortung in Bereichen übernommen, wo es
überhaupt nicht sinnvoll war, ja woran die Unionsbürger
Anstoß nehmen könnten.
Oft
habe
ich
indes
gedacht,
dass
die
Entwicklungszusammenarbeit ein Gebiet ist, auf dem
wir unsere Zusammenarbeit verbessern könnten. Ich
hätte sagen sollen, dass ich Herrn Miranda zu seinem
Bericht gratuliere. Aus seiner Begründung geht genau
hervor, was wir zurzeit tun, und in seinem
Entschließungsantrag hat er eine Strategie für eine
wirksamere grundsätzliche Zusammenarbeit zwischen
uns und den Vereinten Nationen entwickelt.
Es gibt einen Punkt, den wir erreichen müssen, ehe diese
Zusammenarbeit wirklich effektiv werden kann. In der
Europäischen Union geben wir etwa 0,3 % unserer
Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit insgesamt
aus. Wie meine Vorrednerin sagte, wären ca. 0,7 %
ideal. Ich glaube, nur Schweden und Dänemark liegen
darüber, im Durchschnitt stellen die europäischen
Staaten etwa 0,3 % bereit; wir befinden uns also auf
halbem Wege zur Idealvorstellung.
41
In den Voranschlag für den europäischen Haushalt
haben wir in diesem Jahr etwa 4,6 Milliarden Euro
eingestellt. Das scheint sehr wenig, aber wir haben die
Erfahrung gemacht, dass wir die bereitgestellten Mittel
aus vielerlei Gründen nicht ausgeben konnten. Sollten
wir uns nichtsdestotrotz in diesem Bereich ein Ziel
setzen, dann das, unsere Kraft im wirtschaftlichen
Handel und unsere ökonomischen Ressourcen für die
Verbesserung der Dritten Welt einzubringen.
Wenn wir uns unsere Diskussion vergegenwärtigen,
dann stellen wir fest, dass die Probleme, die wir heute in
der Union haben – das Aufkommen der Rechtskräfte
oder wie man sie auch immer bezeichnen mag, das
langsame Wirtschaftswachstum, die in Teilen der
Europäischen Union bestehende Arbeitslosigkeit –,
eigentlich überhaupt keine gravierenden Probleme sind.
Und wir sollten unseren Menschen in Westeuropa heute
ohne Scheu sagen, dass sie ein besseres Leben führen,
als jede vorangegangene Generation wo auch immer.
Worin besteht somit unsere Verantwortung? Die größte
Verantwortung, die wir als Europäische Union besitzen
– so sagte es der Vorsitzende meiner Partei, Herr Bruton,
in seiner Rede als amtierender Ratspräsident vor diesem
Parlament –, besteht darin, unser Glück auf die weniger
glücklichen Völker der ganzen Welt auszudehnen. Wenn
wir eine gemeinsame Politik entwickeln, wenn wir
unsere Ressourcen zusammenlegen und dieses Ziel von
0,7 % erreichen könnten, dann würden wir etwa
70 Milliarden Euro überall in der Welt ausgeben können.
Mit diesem Geld könnten wir den Kindern vieler DritteWelt-Länder eine ähnliche Hoffnung vermitteln wie
unseren
eigenen
Kindern,
eine
ähnliche
Lebenserwartung und ähnliche Bildungschancen. Wir
könnten die Welt revolutionieren. Das sollten wir nicht
vergessen.
Vor einigen Tagen habe ich mir ein paar Zahlen
angeschaut. Es gab vor 120 Jahren auf der Welt
1,6 Milliarden Menschen. Europa machte ein Viertel der
ganzen Welt aus. Heute leben auf der Welt
6,5 Milliarden Menschen, davon in Europa nur neun
Prozent. Wir werden zu einem kleineren Bestandteil der
gesamten Welt. Es besteht die Gefahr, dass wir
unbedeutend werden. Wenn es etwas gibt, das wir tun
sollten, solange wir noch Macht und Einfluss in der Welt
besitzen, solange wir noch Reichtümer haben, von denen
die allermeisten Menschen, die heute auf dieser Erde
leben, nicht einmal träumen können, wenn es ein Ziel
gibt, das wir uns als historische Errungenschaft eines
geeinten Europa setzen könnten, dann dies: den weniger
glücklichen Völkern der Welt zu helfen. Solange jeder
Einzelstaat in dieser Union seinen eigenen Weg gehen
und seine eigene Politik der Auslandshilfe gestalten will,
werden wir ohne politischen Einfluss sein, und es wird
keine materielle Auswirkung auf den Wohlstand der
Menschen haben, denen wir Hilfe leisten.
Ein Zusammenlegen unserer Mittel ist ein idealer
Vorschlag dieses Hohen Hauses. Wir müssen nicht
42
notwendigerweise alles von Brüssel aus verwalten. Wir
können auf die Expertise der verschiedenen Länder in
verschiedenen Regionen der Welt zurückgreifen. Wir
können die Verantwortung auf die einzelnen
Mitgliedstaaten aufteilen, aber wir brauchen eine
abgestimmte Politik. Wir dürfen nicht miteinander
konkurrieren, und wir dürfen nicht von den Vereinigten
Staaten – oder von einem anderen Land, das im
Vergleich zu uns viel geringere Anstrengungen
unternimmt – abhängig sein, wenn es um die
Entwicklung von Maßnahmen geht, zu denen wir
unseren Beitrag leisten.
Herr Präsident, wir könnten über dieses Thema noch
lange und ergiebig diskutieren. Ich möchte Ihnen dafür
danken, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, meine
Gedanken zumindest etwas ausführlicher darzulegen, als
mir in diesem Hohen Hause jemals gestattet wurde.
4-141
Martínez Martínez (PSE).  (EN) Herr Präsident,
hätten wir gewusst, dass die Redezeit am heutigen
Nachmittag „duty-free“ ist, dann hätten wir alle die
Gelegenheit genutzt, um nicht nur länger zu reden,
sondern auch um uns, dem Thema angemessen,
eingehender und präziser zu äußern. In meiner Fraktion
sind wir gegen die Ungleichheiten zwischen dem
Norden und dem Süden. Wir sind auch dagegen, dass die
eine Fraktion oder der eine Redner in Bezug auf die
gewährte Redezeit ungleich behandelt wird.
Für die Zukunft möchte ich dem Präsidium dringend
nahe legen, sich mit den Fraktionen zu beraten, wenn
sich noch einmal eine solch ideale Gelegenheit wie diese
ergeben sollte, so dass jeder die Möglichkeit hat, von der
Großzügigkeit des Präsidiums zu profitieren.
4-142
Der Präsident. - Herr Martinez, Sie sehen, ich habe
heute Nachmittag niemanden an seiner Redezeit
gehindert. Das hat sich erst mittags ergeben dadurch,
dass die Berichte länger diskutiert wurden. Wenn Sie
sich erinnern, ist die Abstimmung erst um 12.15 Uhr
losgegangen. Diese Viertelstunde, die wir vormittags
länger diskutiert haben, statt bis 13.00 Uhr bis 13.15
Uhr, haben wir jetzt nachmittags mehr. Ich nehme auch
ein bisschen Rücksicht auf die vielen Gäste, die wir
haben, denn wenn wir jetzt die Unterbrechung machen
müssen, ist es ja für die Gäste weniger interessant.
Deswegen habe ich heute Nachmittag, ohne dass ich die
ganz hochkarätigen Fraktionen habe informieren
können, das Ganze einfach etwas locker gehandhabt.
Niemand wurde heute gebremst, und wenn jemand noch
einmal etwas sagen möchte, darf er es jetzt auch. Aber
ich sehe, das ist nicht der Fall. In einem spontanen
Parlament der westlichen Demokratie kommt alles
einmal vor, auch die Situation, dass man mehr Zeit hätte,
als man gedacht hat. Ist noch jemand bereit, in der Lage
oder will jemand unbedingt noch etwas sagen? Das ist
nicht der Fall. Dann darf ich jetzt Herrn Kommissar
Nielson bitten. Ich will jetzt nicht sagen, dass Sie
unbegrenzt Zeit haben, aber so kurz wie sonst müssen
Sie sich heute nicht fassen.
16/05/2002
4-143
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, ich möchte
eingangs auf einige Punkte eingehen, die heute
Nachmittag angesprochen wurden. Da ist zunächst der
Wunsch von Herrn Miranda, dass das Parlament über
Fortschritte in unseren Beziehungen zur Familie der
Vereinten Nationen stets umfassend informiert wird und
dass das in unseren Jahresbericht aufgenommen wird.
Dem stimme ich voll und ganz zu. Ich bin Herrn
Miranda dankbar, dass er auf den Jahresbericht verweist,
denn seine Erstellung bedeutet einen ziemlichen
Aufwand, und daher bin ich über seine Erwähnung
hocherfreut. Dann und wann mag er auch in direkten
Diskussionen in den Parlamentsausschüssen von Nutzen
sein.
Frau García-Orcoyen Tormo wünschte sich eine stärkere
Betonung des operationellen Aspekts, selbst auf der
Ebene der Projektauswahl mit den UN-Organisationen.
Grundsätzlich ziehen wir es vor, zusammen mit anderen
an der Projektauswahl oder der Formulierung von
Sektorprogrammen zu arbeiten, an etwas, was in der
Politik der Regierung des Gastlandes wurzelt. So stellen
wir und andere Geber sozusagen pauschal Mittel bereit,
um eine Regierung in die Lage zu versetzen, ihre
Bildungspolitik,
ihre
Gesundheitspolitik
usw.
durchzuführen, anstatt dass die Geber gemeinsam über
ein Projekt entscheiden. Dabei muss man flexibel sein,
um allen Gegebenheiten gerecht zu werden, aber diese
problematischere Form der Planung ist auch etwas, was
wir mit der UNO-Familie diskutieren.
Ein großes Problem besteht heute darin, dass die
Ausgabenbeschränkungen im Rahmen der derzeitigen
Haushaltsordnung die Kommission zwingen, spezifische
Projekte
ausschließlich
fallweise
über
UNOrganisationen zu finanzieren. Dadurch werden wir zu
einem
ungeeigneten
und
mitunter
sogar
unwillkommenen
Partner,
weil
es
uns
an
Berechenbarkeit und einer längerfristigen Perspektive
mangelt. Bei alledem verpflichten uns die bestehenden
Regelungen und Verordnungen auch noch zur
Berichterstattung, zur Abrechnung und wirtschaftlichen
Prüfung der über eine UN-Formation vorgenommenen
Finanzierung gemäß unseren Regelungen. Es ist uns im
Unterschied zu unseren Mitgliedstaaten nicht gestattet,
deren Art der Berichterstattung zu akzeptieren. Das sind
im Kern die Änderungen, die wir den Mitgliedstaaten
vor knapp zwei Jahren vorschlugen. Ich werde darauf
noch zurückkommen.
Herr McCartin, es ist absolut richtig, dass die
Umsetzungsgeschwindigkeit für uns immer noch ein
Problem darstellt. Als jedoch diese Kommission Ende
1999 ihr Amt antrat, dauerte die Umsetzung der
Verpflichtungen 4,6 Jahre. Im darauf folgenden Jahr
hatte sich dieser Zeitraum auf 4,1 Jahre verringert, und
Ende 2001 waren wir bei 3,6 Jahren angelangt. Wir
graben uns somit durch den Berg nicht realisierter
Mittelbindungen. Wir sind noch nicht hindurch, aber es
geht voran.
16/05/2002
Zur Frage der Gestaltung einer gemeinsamen Politik
haben wir ein Gesamtstrategiepapier über die
Entwicklungszusammenarbeit, das im November 2000
von den Mitgliedstaaten einmütig verabschiedet wurde.
Auch das Parlament hat diese Politik einstimmig
gebilligt. Darüber sind wir sehr froh. Gemäß dieser
Politik soll der Schwerpunkt eindeutiger auf der
Verringerung oder Beseitigung der Armut als
Leitprinzip all unseres Tuns liegen. Bislang hatten wir
nichts dergleichen. Es umfasst unsere globalen
Aktivitäten, so dass die Mitgliedstaaten eine Richtschnur
haben. Die Wirklichkeit kann sich allerdings anders
darstellen.
Gestatten Sie mir, den positiven, konstruktiven Bericht
von Herrn Miranda zu loben. Wir begrüßen die
Unterstützung dieses Parlaments für das auf eine
wirksamere Partnerschaft mit den Vereinten Nationen
gerichtete Vorgehen der Kommission. Mir gefiel der in
allen Redebeiträgen des heutigen Nachmittags
anklingende positive Grundton. Das war nicht immer so.
Es zeugt von Reife und gesundem Selbstbewusstsein
unsererseits in Europa, dass wir an diese Frage jetzt
aktiver herangehen.
Aufgrund ihres globalen Mandats, ihrer ureigenen
Legitimation und ihrer operativen Stärke auf zahlreichen
Gebieten bieten die Vereinten Nationen einen
unersetzlichen Rahmen, um den Herausforderungen zu
begegnen, vor denen die internationale Gemeinschaft
steht. Die Verstärkung des Dialogs und der
Zusammenarbeit zur Errichtung einer strategischen
Partnerschaft zwischen der Gemeinschaft und den
Vereinten Nationen wird zur besseren Wirksamkeit und
zur erhöhten Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit
und der humanitären Hilfe führen und auf diese Weise
den Beitrag der Gemeinschaft zur Verringerung der
Armut und zur Sicherheit der Menschen stärken.
Uns sind allerdings Grenzen gesetzt. Es heißt schließlich
Vereinte Nationen und nicht „Vereinte Kommissionen“.
Unsere Mitgliedstaaten sind die wahren Eigentümer der
Vereinten Nationen als Organisation. Doch gibt es noch
große Möglichkeiten für Verbesserungen und auf beiden
Seiten ein sehr starkes Interesse, sich in diese Richtung
zu bewegen. Eine aktivere und spürbarere Präsenz der
Kommission in der UNO wirkt sich auch positiv auf die
Fähigkeit der Europäischen Union als solcher aus, bei
globalen Angelegenheiten geschlossen zu handeln und
mit einer Stimme aufzutreten. Dies ist ein sehr wichtiger
und auch ein sehr realer Aspekt. Das hat sich in
Monterrey gezeigt, und es ist die Absicht der
Kommission, in dieser Richtung weiterhin zu wirken.
Wir streben konkrete Ergebnisse auf strategischer und
auf operativer Ebene an. Auf strategischer Ebene werden
wir die Einbeziehung der Gemeinschaft in den
vorgelagerten politischen Dialog mit den verschiedenen
Gliedern des Systems der Vereinten Nationen
verstärken. Auf operativer Ebene werden wir auf eine
transparente, finanziell glaubwürdige, berechenbare und
leichter zu überwachende strategische Partnerschaft mit
43
ausgewählten Organen, Fonds und Programmen der
Vereinten Nationen hinwirken.
Die Nachfolgearbeiten im Zusammenhang mit der
Mitteilung, über die wir hier diskutieren, sind bereits
weit gediehen. Mit einer Reihe von UNO-Organen
wurden bereits bilaterale Treffen abgehalten: Beispiele
dafür sind Fonds und Programme und die von ECHO
eingeleiteten strategischen Programmdialoge.
Für die Länderstrategiepapiere ist die Konsultation mit
den im Lande befindlichen UN-Gremien nunmehr
obligatorisch. Hier trifft die Art der Zusammenarbeit zu,
von der ich in meiner Antwort an Frau García-Orcoyen
Tormo sprach. Wir diskutieren zurzeit mit dem
Sekretariat der Vereinten Nationen weitere Schritte.
Im November 2001 führten wir eine umfassende
Untersuchung über Mandate und Kapazitäten
potenzieller UN-Partner durch, um herauszufinden, wie
ihre
Schlüsselkapazitäten
unseren
Prioritäten
entsprechen. Die ersten Ergebnisse dieser Studie werden
im Juni vorliegen.
Voraussetzung für eine wirksamere Partnerschaft mit der
UNO ist ein geeignetes und günstiges rechtliches und
finanzielles Umfeld.
Wir verhandeln zurzeit die Überarbeitung des EG-UNRahmenabkommens und wollen das alles bis zum
Jahresende
abschließen.
Die
Neufassung
der
Änderungen in der Haushaltsordnung befindet sich
jedoch, wie ich bereits sagte, im Rat noch in der
Diskussion. Diese Arbeiten müssen vollständig
abgeschlossen sein, damit die Intentionen der Mitteilung
Realität werden können. Das ist der Flaschenhals.
Die mit „Eine Vision der Partnerschaft“ bezeichnete
Reaktion der Vereinten Nationen geht mit der Mitteilung
weitgehend konform und geht sogar noch weiter. Die
Kommission arbeitet gegenwärtig an einer weiteren
Mitteilung, in der, wie auch Ihre Entschließung nahe
legt, die Beziehungen zwischen der EU und den
Vereinten Nationen auf einer umfassenderen Ebene
behandelt werden. Bei der Ausarbeitung dieser
Mitteilung werden wir die in dieser Aussprache vom
Parlament vorgetragenen Probleme berücksichtigen. Wir
freuen uns darauf, im Rahmen dieses Prozesses Hand in
Hand mit dem Parlament an der Stärkung unseres
Einflusses in der Welt zu wirken.
4-144
Der Präsident. - Vielen Dank, Herr Kommissar
Nielson.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 17.30 Uhr statt.
Damit sind wir an dem Punkt, den ich vorhin schon als
Befürchtung angedeutet habe - wir müssen jetzt die
Sitzung für 20 Minuten unterbrechen.
44
Herr Posselt meldet sich zur Geschäftsordnung. Ich weiß
auch schon, was er sagen wird, weil es vorhin schon mal
angesprochen wurde.
4-145
Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Zwei Dinge: Das
eine ist, ich würde wirklich bitten, die Fraktionen darauf
hinzuweisen, dass sie ihre Redner dazu anhalten sollen,
auch präsent zu sein. Es gab nämlich viele Redner - auch
in unserer Fraktion -, die in dieser wichtigen Debatte und ich möchte dem Kommissar zu seinen
hervorragenden Ausführungen gratulieren -, gerne das
Wort ergriffen hätten und die nicht die Redezeit
bekommen haben, und die Kollegen, die sie bekamen,
sind dann abgereist. Ich möchte wirklich darum bitten,
dass man dies offiziell einmal von Seiten des Präsidiums
den Fraktionen als Kritik mitteilt.
Zweiter Punkt, den ich anschneiden wollte: Ich bitte
wirklich, die Planung in Zukunft so zu gestalten, dass sie
einigermaßen
aufgeht.
Wir
mussten
unsere
Dringlichkeitsdebatte heute Nachmittag von drei
Stunden auf anderthalb Stunden kürzen, und jetzt sehen
wir, dass wir eine Unterbrechung haben, und wir sehen,
dass wir um 17.30 Uhr statt wie früher um 18.30 Uhr
Abstimmung haben. Wir hätten in der Zeit zwischen
jetzt und der alten Abstimmungsstunde um 18.30 Uhr
mühelos die drei Stunden Dringlichkeitsdebatte
untergebracht,
die
eigentlich
in
unserer
Geschäftsordnung vorgesehen sind. Ich bitte Sie, auch
dies der Konferenz der Präsidenten und dem Präsidium
mitzuteilen. Es bestand überhaupt kein Grund für die
Vornahme dieser Kürzung. Natürlich, wenn man keinen
Stoff hat, braucht man auch nicht weiterzudebattieren,
aber wenn man zu wenig Zeit hat, wie das bei den
Dringlichkeiten diesmal der Fall ist, besteht doch kein
Grund, nicht die volle Zeit bis 18.30 Uhr zu nutzen,
zumal die Leute, die jetzt da sind, auch morgen da sind,
und die anderen sind sowieso schon weg.
4-146
Theato (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich möchte mich
gerne den Worten des Kollegen Posselt anschließen. Wir
haben auf der einen Seite eine derart gedrängte
Tagesordnung, wenn wir den Dienstag und den
Mittwoch betrachten. Wir haben Nachtsitzungen und
praktisch keine Möglichkeit, auch mit Besuchergruppen
in Kontakt zu treten, die hierher kommen. Wir haben
kaum die Möglichkeit, eine Arbeit am Schreibtisch zu
machen, die auch während der Plenarwoche notwendig
ist. Dann haben wir hier so Stückwerke am
Donnerstagnachmittag, die eine verlorene Zeit sind.
Auch wenn ich um mich schaue, sehe ich wesentlich
mehr Besucher auf der Tribüne als Abgeordnete, überall
leere Stühle, leere Sitze. Ich glaube, es schadet dem
Ansehen des Parlaments, wenn wir hier die Planung
weiter so unausgewogen machen. Ich bitte doch, dies
auch sehr klar zu beachten im Hinblick auf den Kalender
für das nächste Jahr, der mir als Vorentwurf in mehreren
Versionen vorliegt und wo es mir scheint, dass wir mit
der Zeit, die wir zur Verfügung haben, sparsamer, aber
auch effizienter umgehen sollten. Also auch von mir die
herzliche Bitte, dies doch wirklich in allem Ernst zu
16/05/2002
bedenken und dann auch die Planung entsprechend
einzurichten.
Das Zweite wäre eine Frage an Herrn Nielson, wenn es
gestattet ist. Herr Nielson, Sie haben eben von der
Haushaltsordnung gesprochen, die die Grundlage für
Ihre Bemühungen in dem Bereich der Ernährungshilfe
sei. Jetzt hätte ich natürlich ganz gerne eine kleine
Erläuterung dazu bekommen. Ich selber bin nun seit
Monaten auch in dem Ausschuss, den ich vertrete, mit
der Haushaltsordnung befasst. Wir wissen, es hängt im
Augenblick im Rat, aber auch vom Parlament her
wurden natürlich Dinge eingebracht, die wir dann gerne
in der Haushaltsordnung verankert sähen. Wir sehen,
dass sich das hinzieht. Aber vielleicht können Sie noch
einmal etwas deutlicher machen, was das für Sie und
Ihren Bereich bedeutet. Ich glaube, es wäre auch für uns
hilfreich.
4-147
Der Präsident. - Herr Kommissar, vielleicht darf ich
erst auf die beiden Geschäftsordnungsaspekte eingehen.
Diese Planungsproblematik geben wir gern weiter,
wobei das natürlich nicht immer ganz genau aufgehen
kann. Ich habe es ja vorhin erläutert. Herr Posselt, da
waren Sie noch nicht im Saal. Wir haben heute Mittag
statt um 12.00 Uhr um 12.14 Uhr aufgehört. Diese
vierzehn Minuten haben heute Nachmittag gefehlt.
Heute Nachmittag hat von den ausgewiesenen Rednern mir ist nicht bekannt, wer nicht erschienen ist - also von
denen, die heute auf der Liste waren, zum ersten Mal,
seit ich präsidiere, jeder kürzer gesprochen, als er laut
Rednerliste hätte sprechen können, mit Ausnahme von
Herrn McCartin. Wenn Sie das zusammenzählen, haben
Sie praktisch die sechzehn Minuten von den
zweiundzwanzig erklärt.
Allerdings war zum Beispiel auch die Nachtsitzung bis
Mitternacht geplant. Sie endete aber schon um 23:20
Uhr. Man kann es nicht immer ganz genau machen.
Übrigens, die Nachtsitzung von gestern auf heute war
nach Aussage der Beteiligten außerordentlich
hochkarätig. Es waren zwar nur wenige Gäste da, aber
die Diskussion war außerordentlich hochkarätig, wurde
mir berichtet.
Nun bitte ich darum, dass Herr Kommissar Nielson auf
die Frage von Frau Theato antwortet. Unabhängig davon
nehmen wir die Kritik für die Zeitplanung am
Donnerstag mit.
4-148
Nielson, Kommission.  (EN) Die Hauptprobleme bei
der
derzeitigen
Finanzverordnung
sind
die
Ausgabenbeschränkungen. Wir wollten das geändert
haben in unserer Zusammenarbeit mit der UN-Familie
und dem Roten Kreuz, aber nicht mit anderen.
Wir wollen uns nicht auf eine Kernfinanzierung
einlassen, denn wir sind kein Land. Aber wir wollen eine
Finanzierung auf der Grundlage von mehrjährigen
Programmen – sagen wir, bis zu drei Jahren – und die
Abrechnung und Prüfung bei einer Kanalisierung der
Mittel über die UNO oder das Rote Kreuz genauso
16/05/2002
45
vornehmen wie die Mitgliedstaaten. Das wird ihnen die
Möglichkeit geben, uns besser zu nutzen. Mitunter
fordert man uns wegen dieses Problems nicht zur
Beteiligung an einem Konsortium auf, so dass wir
schließlich weniger interessante Dinge tun. Das ist ein
echtes Problem. Auch aus Gründen der Effizienz wäre
das sinnvoller, ganz zu schweigen vom Einfluss.
–
B5-0290/2002 von den Abgeordneten Sylla und
Sjöstedt im Namen der GUE/NGL-Fraktion zur Lage in
Madagaskar;
Es gibt noch andere Probleme. Da ist unsere hohe Zahl
von Haushaltslinien und –instrumenten mit der
absoluten Trennung zwischen den Mitteln des
Europäischen
Entwicklungsfonds
und
den
Haushaltsmitteln, die nicht vermischt werden dürfen.
Das hat für unsere Entscheidungen und für die
Berichterstattung an das Parlament enorme Probleme
verursacht.
Wenn
wir
beispielsweise
das
Agrarforschungsnetz, das global wirkt, finanzieren
wollen, müssen wir einen Teil des Geldes vom EEF und
einen anderen Teil aus dem Haushalt abzweigen. Das ist
rechtlich und technisch unglaublich schwierig.
–
B5-0302/2002 des Abgeordneten Van den Bos
im Namen der ELDR-Fraktion zur politischen Lage in
Madagaskar;
Dasselbe trifft für unseren Beitrag zum globalen
Gesundheitsfonds zur Bekämpfung von AIDS, Malaria
und Tbc zu. Unsere Kollegen können nicht begreifen,
warum es so schwierig ist, mit uns zu arbeiten. Deshalb
haben wir die Mitgliedstaaten um die Änderungen in
meinem Arbeitsbereich ersucht.
Ich weiß nicht, warum wir mit den Mitgliedstaaten nur
so langsam vorankommen. Es geht langsamer voran, als
ich mir das je vorgestellt hätte, und ich freue mich nicht
auf das zweijährige Jubiläum im Juli. Ich weiß, das
Parlament steht in dieser Frage an der Seite der
Kommission, und wir müssen uns bemühen, das mit den
Mitgliedstaaten zu klären.
4-149
(Die Sitzung wird um 15.50 Uhr unterbrochen und um
16.00 Uhr wieder aufgenommen.)
4-150
VORSITZ: ALONSO JOSE PUERTA
Vizepräsident
4-151
Dringlichkeitsdebatte
4-152
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
Debatte über aktuelle, dringliche und wichtige Fragen.
4-153
–
B5-0301/2002 von den Abgeordneten Rod,
Maes und Isler Béguin im Namen der Verts/ALEFraktion zur Lage in Madagaskar;
–
B5-0305/2002 von den Abgeordneten Fruteau,
Kinnock, Carlotti, Van den Berg und Scarbonchi im
Namen der PSE-Fraktion zur Lage in Madagaskar.
4-155
Morillon (PPE-DE). – (FR) Die Situation in
Madagaskar verschlechtert sich zusehends trotz der
Bemühungen der internationalen Organisationen und der
immer wieder bekundeten Verpflichtungen der beiden
Protagonisten. Heute ist das Land praktisch gespalten,
und der Hauptstadt droht eine Lähmung mit allen
Folgen, die dies für die Bevölkerung hat. Diese Situation
erinnert mich an die Zeit vor zehn Jahren, als ich mich
mit den Prämissen des Dramas konfrontiert sah, das vier
Jahre lang das Leben der Einwohner von Bosnien und
Herzegowina zur Hölle machte: die Errichtung von
Barrikaden, um Hoheitsgebiete abzustecken, die
allmähliche Aufteilung des Landes in Zonen, in denen
die Kriegsherren ihr Gesetz diktierten. Dieses höllische
Räderwerk ist heute auf der Insel im Gange.
Deshalb möchte ich von hier aus einen Appell an Herrn
Ratsiraka und Herrn Ravalomanana richten, solange es
noch nicht zu spät ist, zu den notwendigen Konzessionen
bereit zu sein, um das Schlimmste zu verhindern. Die
Europäische Gemeinschaft kann sich den Bemühungen
der Organisation für Afrikanische Einheit und ihres
Präsidenten Wade nur anschließen. Die Entschließung,
über die das Parlament nachher abstimmen wird, fordert
also beide Seiten auf, die am 18. April in Dakar
geschlossene Vereinbarung vollständig umzusetzen, die
bis heute leider immer noch nicht eingehalten worden
ist. In diesem Sinne ersucht sie die Kommission und den
Rat, sich aktiv dafür einzusetzen, dass die
Verhandlungen wieder aufgenommen werden, falls
notwendig auch durch die Entsendung von Beauftragten,
die eine Vermittlerrolle übernehmen.
4-156
Lage in Madagaskar
4-154
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame
Aussprache
über
folgende
Entschließungsanträge:
–
B5-0289/2002 von den Abgeordneten Morillon,
Bowis, Posselt und Gemelli im Namen der PPE-DEFraktion und von dem Abgeordneten Andrews im
Namen der UEN-Fraktion zur Lage in Madagaskar;
Gillig (PSE). – (FR) Herr Präsident, wie Herr Morillon
soeben ausführte, erlebt Madagaskar eine äußerst
schwierige wirtschaftliche und politische Situation. Die
Hauptmerkmale sind die große Armut, die Spannungen
zwischen den Stämmen und Ethnien sowie die
Korruption auf allen Ebenen in den Regionen, in denen
die Autonomie- und Teilungsbestrebungen die Oberhand
gewonnen haben. Infolge der politischen Situation nach
dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in
Madagaskar ist der soziale Zusammenhalt des Landes
weiter zerbröckelt, und es besteht die Gefahr einer
völligen Isolierung, wie es in der Hauptstadt bereits der
Fall ist. Schwere innere Erschütterungen mit
46
dramatischen humanitären Konsequenzen sowie eine
beträchtliche Verschlechterung der Wirtschaftslage
haben es dem madagassischen Volk unmöglich gemacht,
wirklich seinen Präsidenten zu wählen.
Aus meiner Sicht sollten in der Entschließung, die wir
heute vorlegen, drei Punkte besonders hervorgehoben
werden.
Erstens die politische Rückendeckung für alle
Bemühungen der OAU. Nur wenn wir alle Initiativen
unterstützen, die die Organisation für Afrikanische
Einheit ergriffen hat, um die Protagonisten zu einer
friedlichen Lösung aufzurufen, werden wir eine Lösung
des Konflikts erreichen können. Hinzu kommt, wie es in
unserem Vorschlag heißt, dass diese Regelung nur unter
der Voraussetzung erfolgreich sein kann, dass kein
anderer Staat einseitig dem einen oder anderen
Protagonisten eine Legitimität zuerkennt. Wir wissen,
wozu dies in anderen Regionen der Welt geführt hat.
Natürlich ist es nicht Sache der Europäischen Union,
zwischen Korruption und Vetternwirtschaft des Einen
und einer völkerrechtlich nicht hinnehmbaren
Selbstproklamierung des Anderen zu richten. Hingegen
ist es sehr wohl unsere Aufgabe, unsere volle und
uneingeschränkte Unterstützung für die in Dakar am
18. April 2002 getroffenen Vereinbarungen zu
bekunden, die die Einsetzung einer Regierung der
Versöhnung, vor allem aber eine erneute, diesmal
unanfechtbare Befragung der madagassischen Bürger
vorsehen. Voraussetzung für die Rückkehr zur
Normalisierung der demokratischen Praxis ist
selbstverständlich die Einstellung jeder Form der Gewalt
und der Verletzung der Menschenrechte.
Der zweite wichtige Punkt ist, dass wir eine humanitäre
Soforthilfe garantieren müssen, um der dramatischen
Situation abzuhelfen, in der die Bevölkerung seit einigen
Monaten lebt.
Als dritten Punkt möchte ich hervorheben, dass es auch
unsere Pflicht ist und in unserer Verantwortung liegt, mit
allen notwendigen Mitteln finanzieller und politischer
Art die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen und
sozialen Aktivitäten zu fördern. Dies ist die einzige
Garantie für die Entwicklung des Landes im Sinne der
Befriedigung der realen Bedürfnisse der Einwohner. Wir
sollten unsere Hilfs- und Kooperationsprogramme also
nicht aussetzen. Auf diese Weise wird aus meiner Sicht
die Europäische Union ihrer Rolle voll gerecht werden.
4-157
Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Es gibt in
Deutschland ein Matrosenlied, das fängt mit den Worten
an: „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an
Bord.“ Wenn man sich die aktuelle Lage in Madagaskar
anschaut, dann hat man das Gefühl, die ganze Insel hat
momentan die Pest an Bord. Nicht nur, dass die
humanitäre und wirtschaftliche Lage mindestens so
katastrophal
ist,
wie
im
vorliegenden
Entschließungsantrag geschildert, sondern dieses Land
ist auch noch am Rande der Spaltung und mitten in
einem blutigen Bürger- und Machtkrieg. Deshalb ist es
16/05/2002
umso schlimmer, dass in diesen Tagen jetzt noch eine
Überschwemmungskatastrophe hinzugekommen ist. Seit
gestern gibt es gewaltige Überschwemmungen in
Madagaskar, und man hat das Gefühl, dass dieses Land
von allen Plagen gleichzeitig geschlagen ist. Deshalb
haben wir eine humanitäre Dringlichkeitsverpflichtung
gegenüber Madagaskar, einem alten Königreich mit
einer großen Geschichte, mit einer ungeheuren Vielfalt
an
Kulturen,
einer
weltweit
einzigartigen
Naturschönheit.
Ich glaube, dass wir erstens humanitäre Soforthilfe für
die Flutopfer leisten und zweitens unverzüglich tätig
werden müssen, um etwas gegen die Krise bei der
Medikamentenversorgung zu tun. Drittens haben wir die
Verpflichtung, wirtschaftliche Aufbauhilfe zu leisten
angesichts des massenhaften Zusammenbruchs von
Betrieben, und letztens, Herr Präsident, haben wir die
Pflicht, in diesem Bürgerkrieg zu schlichten und hier vor
allem die afrikanischen Bestrebungen des Präsidenten
von Senegal zu unterstützen.
4-158
Nielson, Kommission.  (EN) Die Kommission teilt die
Besorgnis des Parlaments über die Lage in Madagaskar.
Sie bedauert die dramatischen Folgen der derzeitigen
Krise für die Bevölkerung und befürchtet, die
politischen Spannungen könnten in einen ethnischen
Konflikt ausarten.
Die Kommission verfolgt die Entwicklungen in
Madagaskar aufmerksam. Sie unterstützt und begrüßt die
Vermittlungsbemühungen von OAU-Präsident Wade
und den Vereinten Nationen zur Ermöglichung eines
demokratischen Dialogs zwischen den Parteien mit
Blick auf eine friedliche, umfassende und dauerhafte
Überwindung der Krise.
In Übereinstimmung mit diesem Ziel hat die Union das
zwischen den beiden Führern am 18. April in Dakar
unterzeichnete Abkommen zur Herbeiführung einer
nationalen Versöhnung begrüßt. Die Kommission
bedauert, dass die Konfrontation ungeachtet des
Abkommens von Dakar anhält. Sie ist von der
Wichtigkeit eines umfassenden Dialogs zwischen den
beiden Führern überzeugt und ist der Auffassung, dass
nur eine Übereinkunft zwischen den Parteien und die
nationale Versöhnung eine Überwindung der derzeitigen
Krise und die Bewahrung der Integrität und der Einheit
des Landes ermöglichen werden.
Die Kommission ist der Überzeugung, dass das
Abkommen von Dakar weiterhin den geeigneten
Rahmen für einen demokratischen Dialog und zur
Herbeiführung einer Lösung bildet. Wir begrüßen die
neuerlichen Bemühungen von Präsident Wade und der
OAU um die Organisierung eines weiteren
Zusammentreffens zwischen den beiden Führern, um die
Verwirklichung der Zielsetzungen des Abkommens von
Dakar zu befördern.
Die Union ist bereit, politische und technische Hilfe zu
leisten, um den Bürgerfrieden und den Grundsatz der
16/05/2002
47
Demokratie wiederherzustellen und um einen politischen
Ausweg aus der Krise zu finden. Darüber hinaus wird
die
Umsetzung
des
substanziellen
Gemeinschaftsprogramms auf dem Gebiet der
Zusammenarbeit dazu beitragen, die im Lande
herrschende Wirtschaftskrise zu überwinden. Die
Kommission hat bereits die Wiederherstellung der
ungehinderten Bewegungsfreiheit für die notwendigsten
Waren und für Personen durch die Wiederherrichtung
von Straßen und Brücken ins Auge gefasst. Außerdem
hat die Kommission zusammen mit mehreren
Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Lieferung von
Nahrungsmitteln und Medikamenten und zur Errichtung
eines
Netzes
zur
Gewährleistung
der
Lebensmittelsicherheit ergriffen.
–
B5-0296/2002 von den Abgeordneten Di Lello
Finuoli und Erikson im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zur Lage auf den Molukken und in Aceh (Indonesien);
Weiterhin
berät
die
Kommission
das
„Dringlichkeitsprogramm zur Haushaltshilfe“ auf der
Grundlage einer Analyse der Weltbank zur
gegenwärtigen Lage und in Zusammenarbeit mit der
Bank und mehreren Mitgliedstaaten. Darüber hinaus
sind im 9. EEF 327 Mio. Euro für die Zusammenarbeit
mit Madagaskar vorgesehen; dieser Betrag stellt eine
wichtige Voraussetzung dar, um künftig die
dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen.
4-162
Zu diesem Zeitpunkt erscheint es nicht als sinnvoll,
Beziehungen oder ein Referendum zu organisieren. Ich
stimme dem zu, was hier geäußert wurde, nämlich dass
wir vorsichtig sein müssen und nicht einseitig sein
dürfen. Nur eine politische Lösung und eine nationale
Aussöhnung können den zivilen Frieden wieder
herstellen
und
zur
Wiederaufnahme
der
Wirtschaftstätigkeit führen.
Meine Analyse ist vielleicht nicht sehr maßgeblich oder
aktivierend, aber sie lässt sich wie folgt
zusammenfassen: Wie man auch zur Frage eines
Wählerreferendums oder zur Entscheidung des Obersten
Verfassungsgerichts stehen mag, die Bemühungen
müssen sich auf eine Aussöhnung konzentrieren. Das ist
eine sinnvolle Botschaft, auf die wir zurzeit Nachdruck
legen sollten.
4-159
Der Präsident. – Die gemeinsame Aussprache ist
geschlossen.
Die Abstimmung findet um 17.30 Uhr statt.
4-160
Indonesien (Molukken/Aceh)
4-161
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame
Aussprache
über
folgende
Entschließungsanträge:
–
B5-0288/2002 von den Abgeordneten MaijWeggen, Bowis, Posselt und Sacrédeus im Namen der
PPE-DE-Fraktion sowie von dem Abgeordneten Belder
im Namen der EDD-Fraktion zu den Molukken
(Indonesien);
–
B5-0297/2002 des Abgeordneten Van den Bos
im Namen der ELDR-Fraktion zur Lage auf den
Molukken und in Aceh (Indonesien);
–
B5-0306/2002
von
den
Abgeordneten
Menéndez del Valle und Van den Berg im Namen der
PSE-Fraktion zur Lage auf den Molukken (Indonesien);
–
B5-0307/2002 von den Abgeordneten Wuori
und McKenna im Namen der Verts/ALE-Fraktion zu
Indonesien.
Bowis (PPE-DE).  (EN) Herr Präsident, Indonesien ist
sowohl hinsichtlich seiner Bevölkerungszahl als auch
hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung ein
riesiges Land. Es ist darüber hinaus ein Land mit vielen
Ethnien, vielen Religionen und vielen Regionen, und
jede indonesische Regierung kann bei ihren
Bemühungen um das Zusammenhalten ihrer verstreuten
Regionen, Religionen und Kulturen auf unsere
Sympathie und unseren guten Willen zählen. In diesem
Bemühen muss sie sich, wie aus unserem
Entschließungsantrag hervorgeht, den Ursachen der
Zwietracht stellen und sich jenen Ursachen, denen eine
böswillige Absicht zugrunde liegt, entgegenstellen.
Ich war kürzlich als Chefbeobachter der in Osttimor und
habe mit eigenen Augen gesehen, in welche
Verderbtheit eine aus der Kontrolle geratene Lage im
dortigen Teil der Welt aufgrund des Terrors der Milizen,
der von ihnen herbeigeführten Zerstörungen und ihrer
Morde, während das Militär zusieht, sinken kann. Ich
hoffe, Indonesien wird jetzt einerseits ein Beispiel
setzen, indem es der neuen Nation von Timor Loro Sae,
die am 20. Mai in ihre Unabhängigkeit entlassen wird,
die Hand der Freundschaft entgegenstreckt, und ich
hoffe andererseits, dass es von Timor auch lernen wird,
wie es mit anderen Teilen Indonesiens, insbesondere mit
den Molukken, mit Papua, Sulawesi und Aceh,
umzugehen hat.
Für die drei erstgenannten stellt Laskar Jihad eine
Bedrohung dar. Auf der Website von Laskar Jihad
brüstete man sich der Verbindungen zu Terrorgruppen
von Bin Laden. Wir wissen, dass 5 000 Bewohner der
Molukken ums Leben gekommen sind. Weitere zwölf
Christen starben kürzlich an dem Tag, an dem der
Führer von Laskar Jihad, Thalib, den neuerlichen Jihad
ausrief. Nunmehr, am 4. Mai, hören wir von seiner
Festnahme. Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr seit
seiner vorherigen Verhaftung vergangen  und was
geschah? Es gab keinen Prozess, keine Verurteilung. Er
wurde, als die Welt nicht mehr zusah, in aller Stille frei
gelassen. Wir müssen sicherstellen, Herr Kommissar,
dass die Welt diesmal nicht wieder wegsieht. Wir wollen
sicherstellen, dass etwas geschieht.
48
Wir wollen, dass die dortigen Behörden die
Verbindungen zum Militär untersuchen. Wie gelangten
Waffen und Munition der indonesischen Armee  vor
mir liegen die Fotos  in die Hände von Laskar Jihad?
Wie kommt es, dass in Papua sechs Angehörige der
Spezialtruppen der Armee jetzt angeklagt werden, an der
Ermordung eines Papua-Führer beteiligt gewesen zu
sein? Wer gab die Befehle? Wir sind stolz darauf,
Freunde Indonesiens zu sein, aber wir können nur
Freunde eines Landes sein, das aufrichtig nach
Gerechtigkeit, Versöhnung, Frieden und Sicherheit
strebt und sich um das Vertrauen seines eigenen Volkes
bemüht.
4-163
Gillig (PSE). – (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar,
werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Machtantritt
von Präsident Wahid in Indonesien, der zu den
Verteidigern der Menschenrechte gehört, sich gegen
jedes Sektierertum ausspricht und für die religiöse
Neutralität des Staates eintritt, verband sich für uns
Europäer die Hoffnung auf eine Verbesserung des
politischen Klimas in diesem Lande. Trotz bestimmter
Fortschritte und trotz ermutigender Zeichen, die wir hier
aus Zeitgründen nicht anführen können, kommt es in
Indonesien heute zu schrecklichen Gewaltakten, und das
Land befindet sich in einem Prozess des Zerfalls und
interreligiöser Konflikte.
Heute muss unserer Europäisches Parlament mit all
seinen Tendenzen und Fraktionen einen echten Konsens
zu den unterbreiteten Vorschlägen erzielen. Mein
Kollege hat gerade daran erinnert, dass die Gewalttaten
im Norden von Sumatra, in der Provinz Aceh, in Papua
oder auf den Molukken, die wiederholten Massaker
zwischen Religionsgemeinschaften, mit Aufrufen zum
heiligen Krieg auf beiden Seiten, der moslemischen wie
der christlichen Extremisten, nun schon seit 1999
andauern. Diese Massaker und Ausschreitungen sind
absolut nicht hinnehmbar, und unser Parlament hat sie
bereits verurteilt.
In der neuen Entschließung, die wir heute vorschlagen,
ruft die Europäische Union vier wesentliche Punkte in
Erinnerung.
Erstens können wir die Forderung, die von mehreren
Verantwortlichen, besonders religiösen Vertretern,
erhoben
wurde,
nur
unterstützen,
die
den
Generalsekretär der Vereinten Nationen aufrufen, der
indonesischen Regierung zu Hilfe zu kommen, um neue
Massaker zu verhindern.
Zweitens ist die Verhaftung der Kriegsherren, die offen
zu Bürgerkrieg und Religionskrieg aufrufen, zu
begrüßen, die deutlich macht, dass die indonesischen
Behörden gewillt sind, einen Friedensprozess in allen
betroffenen Regionen zu fördern. Wir müssen die
Anstrengungen dieser Behörden unterstützen.
Drittens haben diese Initiativen nur Sinn, wenn die
wirtschaftliche Situation der Inselgruppe tatsächlich
verbessert werden kann. Deshalb ist unsere Intervention,
16/05/2002
auch finanzieller Art, erforderlich, um beim
Wiederaufbau einer wirklichen Zivilgesellschaft unter
Achtung besonders der religiösen Rechte der
Bevölkerungsgruppen dieses Landes mitzuhelfen. Ohne
diese politische und finanzielle Unterstützung von
unserer Seite besteht die Gefahr, dass sich die
Gegensätze in der indonesischen Gesellschaft erneut
verhärten,
was
dem
noch
jungen
Demokratisierungsprozess ein Ende setzen würde.
Viertens schließlich müssen in dieser äußerst
undurchsichtigen
Situation
alle
begangenen
Ausschreitungen
aufgeklärt
werden.
Nur
ein
unabhängiges Untersuchungsteam aus internationalen
Menschenrechtsexperten ist dazu in der Lage. Wir
fordern in unserer Entschließung die indonesische
Regierung auf, eine solche Untersuchungskommission
einzusetzen.
4-164
Sacrédeus (PPE-DE).  (SV) Herr Präsident! Im
Schatten des Nahostkonflikts geschehen auf den
Molukken in Indonesien grauenvolle Dinge. Die
terroristische Vereinigung Laskar Jihad – und es handelt
sich dabei um eine terroristische Vereinigung – zerstört
alles religiöse Leben. Diese Gruppe unterminiert auch
den Islam und hat gezeigt, dass sie nur für Hass und
Gewalt steht und für das unverblümte Töten der
christlichen Bevölkerung auf den Molukken.
Ich möchte an dieser Stelle in Anwesenheit des Herrn
Kommissar Nielson an die Kommission und an den Rat
appellieren, nicht zuzulassen, dass die gegenwärtige an
den Christen auf den Molukken verübte ethnische und
religiöse Säuberung wegen des Konflikts im Nahen
Osten im Dunkeln bleibt, sondern diese Säuberung ans
Tageslicht zu bringen. Es muss mit aller Kraft dafür
gearbeitet werden, dass die indonesische Regierung der
christlichen Bevölkerung jeden rechtmäßigen Schutz
gewährt.
Ich möchte außerdem betonen, dass auch viele Muslime
auf den Molukken von dem Vordringen der
Terrorgruppe Laskar Jihad betroffen sind. Christen und
Muslime haben früher friedlich zusammengelebt, und
plötzlich verbreiten Kämpfer im Namen Gottes und
Allahs Hass, Gewalt und Tod. Bisher gab es 5 000 bis
10 000 Tote und 25 000 Verletzte. 350 000 der
10 Millionen Einwohner der Molukken sind auf der
Flucht. 400 Kirchen und 80 Moscheen wurden
niedergebrannt. Ich habe persönlich den katholischen
Bischof Mandagi und den Führer der protestantischen
Kirchen Hendrix getroffen und ihr Leid gesehen.
Kommissar Nielson, tun Sie alles, was in der Macht der
Union steht, damit Indonesien eine Region des Friedens
wird! Finden Sie heraus, wer diese Kriegsfürsten des
Terrorismus finanziert.
4-165
Belder (EDD). – (NL) Kein Mensch, auch kein Staat,
kann sich so ohne weiteres seiner Vergangenheit
entledigen. Das gilt auch für die Republik Indonesien.
Ihr Unabhängigkeitskampf wirkt bis heute in der
nationalen Politik nach. Noch immer bedienen sich die
16/05/2002
Parteien der bewährten Guerillataktik und wird
Gewaltanwendung als Druckmittel benutzt – nach
westlichen Maßstäben unüberwindbare Hindernisse auf
dem Weg zu einem Rechtsstaat.
Noch gravierender wird die Situation, wenn prominente
Politiker enge Beziehungen zu extremistischen
Gruppierungen unterhalten. Die von dem indonesischen
Vizepräsidenten Hamzah Haz vertretene Position gießt
Öl in das religiöse Feuer der Molukken. Nach eigenem
Bekunden möchte er auf parlamentarischem Weg einen
Sharia-Staat auf dem Archipel errichten. Seine
persönlichen Kontakte zu den Führern des Laskar Jihad
legen die Vermutung nahe, dass hier vielmehr ein
politisches Doppelspiel getrieben wird.
Mit einer solchen provokanten Haltung wird eine
Zeitbombe unter die Malino-II-Friedensvereinbarung
gelegt. Deshalb ersuchen wir den Rat und die
Kommission, abermals energisch auf die Regierung in
Jakarta einzuwirken, diesen schwierigen Friedensprozess
nach besten Kräften zu fördern. Das bedeutet, die
Regierung muss entschlossen gegen sämtliche
Unruhestifter ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit
vorgehen.
Eine zentrale Rolle fällt dabei der indonesischen Armee
zu. Leider gibt es hinreichende Indizien dafür, dass
bestimmte Teile der dortigen Streitkräfte die politischen
und
religiösen
Gegensätze
in
den
großen
Problemgebieten des Landes schüren – zugunsten ihrer
Machtposition, ihrer wirtschaftlichen Interessen sowie
der Vorstellung von einem monolithischen Einheitsstaat.
Hier ist also zwingend die wirksame Unterstützung der
gemäßigten, loyalen Kräfte in der Armee, die es
durchaus gibt, durch die Europäische Union geboten –
keine ganz leichte Aufgabe übrigens für den Rat und die
Kommission.
Die gleiche Unterstützung sollte auch den Wortführern
der einheimischen Bevölkerung von Papua zuteil
werden. Zusammen mit ihren Mitbürgern sind sie über
die
Feststellungen
des
nationalen
Untersuchungsausschusses
zur
Ermordung
des
papuanischen Stammesführers Theys Hiyo Eluay am 10.
November 2001 zutiefst geschockt. Der Ausschuss
spricht von einem kriminellen Akt. Die Führer und die
Bevölkerung von Papua sind jedoch anderer Meinung.
Ihrer Ansicht nach handelt es sich um einen regelrechten
politischen Mord. In einem gemeinsamen Schreiben
haben sie deshalb gestern Präsident Megawati
Sukarnoputri nachdrücklich aufgefordert, eine wirklich
unabhängige Untersuchung einzuleiten. In Ziffer 10 des
vorliegenden Entschließungsantrags schließt sich das EP
diesem in jeder Hinsicht berechtigten Wunsch an. Wir
richten an den Rat und an die Kommission den
eindringlichen Appell, ebenfalls so zu verfahren, um der
Ruhe im Lande wie auch um der politischen Einheit des
Archipels willen.
4-166
Coelho (PPE-DE). - (PT) Herr Präsident, Herr
Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder
49
einmal befasst sich das Europäische Parlament mit der
Lage in Indonesien. Uns beunruhigt, dass es unter dem
Vorwand
regionaler
und
religiöser
Auseinandersetzungen ständig zu Gewaltakten gegen
schutzlose Zivilisten kommt. Uns ist jedes einzelne
Leben wichtig und heilig, aber die Lage in Indonesien
hat schon Tausende Todesopfer gefordert. Wir bedauern,
dass radikale muslimische Führer zum Massenmord an
Christen aufhetzen, und verweisen auf das
Gegenbeispiel der Toleranz und des demokratischen
Geistes in Osttimor. In einem Staat, in dem über 95 %
der Bevölkerung der katholischen Kirche angehören, ist
der derzeitige Ministerpräsident ohne Probleme und
nach demokratischen Wahlen ein Mohammedaner.
Wir würdigen die Initiativen der gegenwärtigen
indonesischen Führung, die Beziehungen zu Osttimor
und Portugal zu normalisieren. Die symbolische Geste
der Anwesenheit von Vertretern dieses Landes bei der
Eröffnung der neuesten, mit Unterstützung der Botschaft
Portugals
in
Indonesien
durchgeführten
Kulturveranstaltung blieb nicht unbemerkt. Wir
appellieren jedoch an die indonesische Regierung, mit
den Maßnahmen fortzufahren, die es ermöglichen, die
Bevölkerung zu schützen und die Verantwortlichen für
die Verletzungen der Menschenrechte ausfindig zu
machen und zu bestrafen. Es darf keine allgemeine
Straffreiheit geben, vor allem dann nicht, wie ja in
einigen Fällen bereits bewiesen wurde, wenn
Angehörige der Streitkräfte oder der Polizei beteiligt
sind. In diesem Rahmen ist die Einbeziehung der
Staatengemeinschaft in unabhängige Untersuchungen
wünschens- und empfehlenswert, um in einigen
öffentlich bekannt gewordenen Fällen die Wahrheit
aufzuklären.
Wir appellieren an die indonesische Regierung, die
Bemühungen fortzusetzen, für die bestehenden
Konflikte politische Lösungen zu finden. Wir
respektieren den Willen, die territoriale Integrität zu
wahren, betonen aber, dass für die ethnischen, religiösen
und regionalen Auseinandersetzungen, die diesen Staat
nicht zur Ruhe kommen lassen, andere Lösungen als die
bloße Gewaltanwendung gefunden werden müssen.
Abschließend
fordern
wir
die
Menschenrechtskommission der UNO auf, ihr
unerklärliches Schweigen angesichts der Ereignisse in
Indonesien aufzugeben.
4-167
Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Der Konflikt in
Indonesien ist genauso wenig ein Religionskonflikt wie
jener in Nordirland. Der Fanatismus kleidet sich nur in
ein religiöses Gewand. In Wirklichkeit handelt es sich
um ethnische Konflikte, die eine sehr tiefe Wurzel
haben, nämlich das so genannte Transmigrasi-Programm
der indonesischen Regierung, mit dem man versucht, die
Bevölkerung der Hauptinseln systematisch auf anderen
Inseln anzusiedeln. Der Beweis für meine These ist darin
zu sehen, dass es auf den Molukken, den alten
christlichen Gewürzinseln, Konflikte zwischen Christen
und muslimischen Einwanderern gibt. In Borneo gibt es
50
denselben
Konflikt
zwischen
Anhängern
der
Naturreligionen auf der einen Seite und muslimischen
Einwanderern auf der anderen Seite. In Aceh gibt es
dasselbe Problem zwischen alten einheimischen
muslimischen Untertanen dieses alten Sultanats Aceh
und Einwanderern von den Hauptinseln wie Java und
Sumatra. Deshalb glaube ich, ist es auch nötig, die
Regierung darauf hinzuweisen, dass sie Schluss machen
muss mit diesen Bevölkerungsbewegungen, mit diesen
künstlichen Siedlungsprogrammen, weil ansonsten ein
riesiges Land, das von Australien bis hin zum
asiatischen Festland reicht, nicht zusammengehalten
werden kann, sondern vom Zerfall bedroht ist.
(Beifall)
4-168
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, die
Kommission teilt die Besorgnisse der Damen und
Herren Abgeordneten über die andauernde Gewalt in
Teilen Indonesiens voll und ganz.
Zusammen mit den diplomatischen Missionen der EU in
Jakarta haben wir seit Anfang 1999 die Lage auf den
Molukken verfolgt, und wir haben an zwei
Informationsmissionen Ende 2000 und Anfang 2001
teilgenommen. Die Kommission hat sich darüber hinaus
an mehreren EU-Démarchen bei den indonesischen
Behörden beteiligt, um ihre Besorgnis über die
andauernden Konfliktsituationen in verschiedenen
Landesteilen zum Ausdruck zu bringen. Außerdem hat
die Kommission der Bevölkerung der Molukken seit
Mai 1999 über 4,6 Mio. Euro an humanitärer Hilfe zur
Verfügung gestellt.
Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten haben wir in einer
Erklärung die Malino-II-Friedensvereinbarung begrüßt
und auf ihre uneingeschränkte Verwirklichung gedrängt.
Gleichzeitig haben wir die Regierung Indonesiens
aufgefordert, geeignete Maßnahmen zur Unterstützung
des Friedensprozesses zu ergreifen. Seither haben wir
aufmerksam verfolgt, wie es der Regierung gelang, mit
neuen Ausbrüchen von Gewalt fertig zu werden. Zu den
Bemühungen zählte auch die Festnahme von Ja’far
Umar Thalib am 4. Mai wegen Anstiftung zur Gewalt.
Auch die Lage in Aceh beunruhigt uns seit einiger Zeit.
Sie war ebenfalls Gegenstand von EU-Démarchen bei
den indonesischen Behörden. EU-Missionschefs
besuchten im Oktober 2001 die Region. Daher begrüße
ich mit besonderer Freude die gemeinsame Erklärung,
die die indonesische Regierung und die Bewegung zur
Befreiung von Aceh (GAM) nach zweitägigen vom
Centre Henri Dunant in Genf ermöglichten
Konsultationen am 10. Mai veröffentlichten. In der
gemeinsamen Erklärung werden das Sondergesetz über
die Autonomie als Ausgangspunkt für weitere
Verhandlungen im Rahmen eines allumfassenden
Dialogs anerkannt und die Absicht beider Seiten
bekräftigt, am Zustandekommen eines Abkommens über
die Einstellung der Feindseligkeiten mitzuwirken. Wir
sind seit längerer Zeit der Auffassung, dass die
umfassende Verwirklichung der Sondergesetzgebung
16/05/2002
über die Autonomie der Schlüssel zu einer dauerhaften
Überwindung der gegenwärtigen Lage sein wird.
Auch Papua galt unser stetes Augenmerk, und es war
Gegenstand von EU-Démarchen. Die EU verurteilte die
Entführung und Ermordung von Theys Eluay im
November 2001 und rief die indonesische Regierung
auf, die uneingeschränkte Untersuchung dieses
entsetzlichen Vorfalls zu veranlassen und die Täter vor
Gericht zu bringen. EU-Missionschefs in Jakarta
besuchten im Februar dieses Jahres auch Papua. Auch
im Fall von Papua ist es klar, dass die umfassende
Verwirklichung der Sondergesetzgebung über die
Autonomie der Schlüssel für die Überwindung der
dortigen Lage sein wird.
Die Kommission hat in ihrem Länderstrategiepapier für
Indonesien, das sich kurz vor seiner Fertigstellung
befindet, besonderen Nachdruck auf die Schaffung der
institutionellen Kapazität, auf gutes Regieren und
Rechtsstaatlichkeit sowie auf die Konfliktverhütung
gelegt. Finanzhilfe wurde bereits für das vom UNEP
geleitete Programm Partnerschaft zur Reform des
Regierens bereitgestellt, und technische Hilfe erhielt das
Büro des Generalstaatsanwalts. Im Entwurf des
Nationalen Indikativprogramms für den Zeitraum 20022004 ist ein spezielles Programm für die Unterstützung
der Politik der Regierung zur Dezentralisierung in
Indonesien und zur Förderung guten Regieren auf
lokaler Regierungsebene vorgesehen.
Unterdessen haben wir auch Maßnahmen zur direkteren
Unterstützung der Prozesse der Konfliktbewältigung
ergriffen. Nach Gesprächen zwischen Kommissar Patten
und dem indonesischen Außenminister, Herrn Wirajuda,
im November vergangenen Jahres besuchte eine
unabhängige Mission zur Konfliktverhütung in
Indonesien
im
Rahmen
des
schnellen
Eingreifmechanismus der Kommission im Februar 2002
die Molukken, Sulawesi und Papua. Die Mitglieder der
Expertenmission führten Gespräche mit zahlreichen
Regierungsvertretern auf zentraler und lokaler Ebene
sowie mit in diesen Gebieten tätigen NRO. Auf der
Grundlage des Missionsberichts wird zurzeit ein Paket
von Projekten für die Molukken und Papua
ausgearbeitet. Auf den Molukken werden sich die
Projekte vornehmlich auf die Unterstützung der
Einbeziehung der Zivilgesellschaft konzentrieren. Mit
den Projekten für Papua sollen sowohl die Behörden als
auch die Zivilgesellschaft unterstützt werden.
Mit allen diesen Maßnahmen befindet sich die
Kommission im Einklang mit der erklärten Position der
EU, die auf eine entschiedene Unterstützung der
territorialen Integrität Indonesiens gerichtet ist, während
der Regierung nahegelegt wird, dringende Bemühungen
zur friedlichen Lösung der inneren Probleme
Indonesiens,
seien
sie
separatistischer
oder
sektiererischer Natur, zu unternehmen. Wir werden
daran festhalten und jede mögliche Hilfe leisten, damit
diese äußerst schwierigen Situationen konstruktiv
überwunden werden können.
16/05/2002
51
4-169
Der Präsident. – Die gemeinsame Aussprache ist
geschlossen.
Die Abstimmung findet um 17.30 Uhr statt.
4-170
Lage in Indien
4-171
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame
Aussprache
über
folgende
Entschließungsanträge:
–
B5-0287/2002 von den Abgeordneten Tannock
und Martens im Namen der PPE-DE-Fraktion zu den
Vorfällen religiös motivierter Gewalt in Indien;
–
B5-0291/2002 von den Abgeordneten Vinci,
Sjöstedt und Seppänen im Namen der GUE/NGLFraktion zur Gewalt im Bundesstaat Gujarat (Indien);
–
B5-0298/2002 des Abgeordneten Van den Bos
im Namen der ELDR-Fraktion zur Gewalt zwischen den
Glaubensgemeinschaften im Bundesstaat Gujarat
(Indien);
–
B5-0299/2002 von den Abgeordneten Lambert
und Messner im Namen der Verts/ALE-Fraktion zu
Indien;
–
B5-0304/2002
von
den
Abgeordneten
Sakellariou und Carrilho im Namen der PSE-Fraktion
zur Lage in Indien.
Kein Regierungssystem ist perfekt, aber seit die Armee
herbeigerufen wurde, gab es 30 000 Verhaftungen.
Achtzig Prozent der Festgenommenen sind Hindus. Von
Bedeutung ist ferner, dass die Gewalt nicht auf andere
Teile Indiens übergegriffen hat und große Gebiete
Gujarats ruhig geblieben sind. Die Regierung machte
sich einen im indischen Parlament von der
oppositionellen Kongresspartei eingebrachten Antrag zu
Eigen, den sie mit Unterstützung aller Parteien als
Diskussionsgrundlage übernahm. Sie bekräftigte ihr
Bekenntnis zum demokratischen Pluralismus und ihre
Achtung der Minderheiten in einem riesigen Land mit
über einer Milliarde Menschen unterschiedlicher
Herkunft und Rasse, und nunmehr erstattet der
unabhängige Ausschuss von Richter Verma der
Regierung Bericht.
Natürlich müssen daraus Lehren gezogen werden, aber
wir sollten nicht vergessen, dass Indien zurzeit unter
einer Serie von grausamen Terrorangriffen durch
Extremisten des islamischen Jihad leidet. Jüngst erst
wurden in den Außenbezirken von Jammu dreißig
Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder, ermordet und
Hunderte verwundet. Dieser Angriff erhöht die drohende
Gefahr eines Krieges zwischen den Nuklearmächten
Indien und Pakistan, wobei Pakistan leider bis vor
kurzem islamische Terroristen aktiv unterstützte.
Die internationale Gemeinschaft muss dringend alles
unternehmen, um jegliche weitere Eskalation von
Gewalt, die eine Bedrohung des Weltfriedens darstellen
könnte, zu verhindern.
4-173
4-172
Tannock (PPE-DE).  (EN) Herr Präsident, wir sind
hier, um unserer Sorge über den jüngsten
Gewaltausbruch zwischen den Gemeinschaften im
indischen Bundesstaat Gujarat Ausdruck zu verleihen,
eine Gewalt, die Hunderte Menschenleben gefordert und
Tausende obdachlos und bettelarm zurückgelassen hat.
Ich bin sicher, das Parlament wird sich meiner
Beileidsbekundung und dem tiefen Mitgefühl für die
Angehörigen beider Gemeinschaften, die Verluste
erlitten haben und um die Ihren trauern müssen, unter
ihnen auch Einwohner meines Londoner Wahlkreises,
anschließen.
Die Gewalt zwischen den Glaubensgemeinschaften in
Gujarat hat eine gewisse Geschichte. Zu ihr gehört, das
muss gesagt werden, auch die Verfolgung von Christen
durch Hindu-Extremisten. Der letzte Gewaltausbruch
setzte ein, nachdem extremistische Moslems in einem
Zug nahe Godhra 58 Hindu-Pilger getötet hatten,  eine
zutiefst barbarische Tat, die eine Spirale von Vergeltung
und Wiedervergeltung auslöste. Diese Kette von
Ereignissen hat Indien, ein Land, das auf
Rechtsstaatlichkeit und säkularer Demokratie beruht, zu
erheblichem Nachdenken veranlasst, und es gab
Vorwürfe, die staatlichen Behörden hätten nicht rasch
genug auf das Ausmaß der Ereignisse reagiert.
Marset Campos (GUE/NGL). – (ES) Herr Präsident, es
ist besorgniserregend, wie sich in der ganzen Welt, vor
allem aber auf dem indischen Subkontinent, das Klima
der Gewalt zwischen Religionen, ethnischen Gruppen
und Zivilisationen verschärft.
Sehr beunruhigend sind auch andere Einflüsse, die zu
einer Verschlechterung dieses Klimas führen und dafür
sprechen, dass es sich nicht um eine völlig spontane
Erscheinung oder um ein bloßes Ergebnis von
Auseinandersetzungen handelt, sondern dass diese
Situation oftmals herbeigeführt wird, um von den
wirklichen sozialen Problemen abzulenken, denen sich
diese oder jene Seite ausgesetzt sieht. Wir müssen uns
dieses Klima extremer Spannung und Gewalt, das jetzt
herrscht und das sich, wie ich glaube, seit dem
11. September verstärkt hat, bewusst machen, diese
vermeintliche Gewalt zwischen den Zivilisationen, den
Krieg in Afghanistan und alles, was da mitspielt, weil
alles darauf hinweist, dass hier die Folgen des Prozesses
der so genannten Globalisierung zu Tage treten, die
allmählich zu einer Zunahme der Ungleichheiten und der
Spannungen
und
schließlich
zu
den
Auseinandersetzungen
zwischen
Gemeinschaften
führen.
Ich bin daher der Auffassung, die Europäische Union
muss  wie der Herr Kommissar schon sagte  diese
Erscheinungen
aufmerksam
verfolgen,
die
52
Anstrengungen verdoppeln und sich nicht nur an die
entsprechenden Orte begeben, sondern sich auch an die
Vereinten Nationen wenden, damit das Problem in
seiner ganzen Dimension angegangen werden kann.
Derartige Geschehnisse werden sich mehren, und wir,
die Europäische Union als internationale Instanz, tragen
eine größere Verantwortung. Zugleich haben wir die
Möglichkeit zu handeln, nicht nur über die
Wirtschaftshilfe, sondern indem wir  wie bereits gesagt
 die Wirkung und den Prozess der Globalisierung, der
so viele Völker in aller Welt berührt, korrigieren.
4-174
Beysen (ELDR). – (NL) Herr Präsident! Die
Gewalttätigkeiten
zwischen
den
verschiedenen
Bevölkerungsgruppen in Indien darf die Europäische
Union nicht kommentarlos zur Kenntnis nehmen.
Selbstverständlich geht es um ein außerordentlich
wichtiges Thema, bei dem die Bedeutung Indiens – nicht
nur in Asien, sondern weltweit – nicht außer Acht
gelassen werden kann. Vergessen wir nämlich nicht,
dass Indien nicht nur eine Großmacht mit einem
enormen wirtschaftlichen Potenzial, sondern auch eine
Atommacht
ist.
Dem
gemeinsamen
Entschließungsantrag gebührt das Verdienst, dass man
sich nicht hat dazu hinreißen lassen, radikale Positionen
zu vertreten. Alle sollten sich nämlich im Klaren darüber
sein, dass in Indien mitnichten von einem clash der
Kulturen gesprochen werden kann. Es sei darauf
hingewiesen, dass Muslime in der indischen Gesellschaft
weitgehend integriert sind. Diese so genannte
multikulturelle Gesellschaft wird konkret dadurch
veranschaulicht, dass Muslime hohe Regierungsämter
bekleiden. Gleichwohl bedaure ich die Vorfälle im
Unionsstaat Gujarat zutiefst, möchte allerdings hierzu
anmerken, dass die Ausschreitungen in Gujarat nicht auf
andere Landesteile übergegriffen haben. Meiner Ansicht
nach wird damit bewiesen, dass die hinduistischmoslemische Koalition die demokratischen Werte nach
wie vor achtet. Andererseits erfüllt uns der sich
verschärfende muslimische Fundamentalismus, der
täglich in Kaschmir zuschlägt, mit Sorge. Vorgestern hat
es bei einem Anschlag auf eine indische Kaserne wieder
neun
Tote
gegeben.
Extremistische
Milizen
muslimischer Aktivisten, die den Anschluss an Pakistan
fordern, sind hier überaus aktiv. Am Dienstag
vergangener Woche sind in einem indischen
Armeecamp bereits 32 Personen getötet worden.
Diesmal waren es indische Frauen und Kinder, die in
dem Lager Zuflucht gesucht hatten. Auch auf diese
Geschehnisse muss die internationale Gemeinschaft mit
dem vorliegenden Entschließungsantrag aufmerksam
gemacht werden. Dieser tragische Vorfall unterstreicht
nochmals die enorme Gefahr, die von dem weiter
eskalierenden Terrorismus ausgeht. Meiner Auffassung
nach haben die Europäische Union und das Europäische
Parlament größtes Interesse daran, Indien als einen
Rechtsstaat,
in
dem
Hindus
und
Muslime
gleichberechtigt behandelt werden, in seinem Bemühen
um Einhaltung der demokratischen Grundsätze weiterhin
zu unterstützen.
4-175
16/05/2002
Lambert (Verts/ALE).  (EN) Herr Präsident, ich stehe
zwar auf der Liste als einer der Verfasser, doch gehört
meine Fraktion nicht zu den Unterzeichnern dieser
Gemeinsamen Entschließung, obwohl wir sie
wahrscheinlich unterstützen werden.
Wie Redner vor mir sagten, würde wohl niemand von
uns in diesem Plenarsaal die verheerenden Folgen von
religiösem Extremismus bestreiten. Im Fall von Gujarat
handelt es sich, wie Herr Tannock erwähnte, um HinduExtremismus. Es war die Tat jener so genannten Pilger,
die zu einem entsetzlichen Massaker an 58 Menschen
führte. Wir haben die Auswirkungen einer
euphemistisch
als
„Gewalt
zwischen
den
Gemeinschaften“ bezeichneten Situation gesehen.
In der Entschließung heißt es, dass zahlreiche
unabhängige
Untersuchungen
durch
Menschenrechtsorganisationen die Verwicklung von
Staatsbediensteten und der Polizei von Gujarat in die
Zusammenstöße bestätigen. Diese Verstrickung reicht
weit. Es handelt sich nicht um eine zufällige
Straßenschlägerei, sondern um eine lang andauernde
orchestrierte Gewalt und Einschüchterung.
Im Bericht von Human Rights Watch wird festgestellt,
dass die Regierung von Gujarat die Gewalttätigkeiten als
spontane Reaktion auf die Vorfälle von Godhra beurteilt.
Untersuchungen von Human Rights Watch sowie die
zahlreicher
indischer
Organisationen
für
Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten und des
Großteils der indischen Presse belegen, dass die
Angriffe auf Moslems im gesamten Bundesstaat weit vor
den Geschehnissen von Godhra geplant und mit
umfassender
Polizeibeteiligung
und
in
enger
Zusammenarbeit mit Beamten der BJP-Regierung des
Bundesstaates organisiert waren.
Am 3. April veröffentlichte Indiens nationale
Menschenrechtskommission die vorläufigen Ergebnisse
ihres Berichts über die Gewalt. Sie stellen eine schwere
Anklage gegen die Regierung von Gujarat dar, bei der
Eindämmung der Gewalt versagt zu haben. Eben jene
Behörden, deren Schutz sich die Menschen hätten
anvertrauen sollen, zeigten sich in vielen Fällen als
Komplizen bei verheerenden Übergriffen und bei der
Eskalation von Umfang und Schärfe der Gewalt, durch
die sich jeder Bürger, gleich welcher Religion oder
Herkunft, bedroht fühlt.
Bis jetzt haben NRO in dem Gebiet etwa Hundert
Flüchtlingslager eingerichtet. Nur eine Handvoll erfährt
Unterstützung seitens der Regierung des Staates Gujarat.
Diese Behörde trägt jetzt und in Zukunft eine
Verantwortung für das Wohlergehen und die Betreuung
dieser Menschen.
Der
indischen
Regierung
obliegt
eine
Gesamtverantwortung dafür, dass Recht geschieht und
die Anstifter, Organisatoren und Verursacher dieser
Gewalt vor Gericht gestellt werden. Sie wird auch Sorge
dafür tragen müssen, dass der Polizei in Gujarat klar
gemacht wird, dass sie eine Pflicht gegenüber allen
16/05/2002
Menschen hat, die bedroht oder angegriffen werden,
nicht nur gegenüber ihren eigenen Leuten.
Von der Regierung sind klare Signale nötig  und es gab
in der Tat einige  , dass religiöse Intoleranz und
Aufhetzung zu religiösem Hass in einem säkularen,
demokratischen Indien keinen Platz haben. Meine
Fraktion begrüßt den Entscheid des Indischen Obersten
Gerichts vom März dieses Jahres, der bis zur
endgültigen Beilegung des Falls jede religiöse
Zeremonie in Ayodhya verbietet, was hoffentlich im
Interesse einer friedlichen, langfristigen Lösung liegt.
4-176
Carrilho (PSE). - (PT) Herr Präsident! Zunächst erkläre
ich, dass ich diese Dringlichkeitsentschließung nicht für
die beste Möglichkeit halte, um zur Überwindung der
immer noch Besorgnis erregenden Lage in Gujarat
beizutragen, zumal ja die Gewalttätigkeiten, zu denen es
während der letzten Monate in diesem Staat gekommen
ist, Ausdruck eines Problems sind, das nicht nur Indien,
sondern die ganze Region betrifft und außerordentlich
kompliziert ist. Hier treffen soziale Faktoren aufeinander
wie die Armut, die „Gettoisierung“ in den Städten,
Übergriffe des organisierten Verbrechens (dessen
internationale Verbindungen unbekannt sind), ein
gewisses Unvermögen der politischen Eliten, die
Energien so zu lenken, dass sie politischen Idealen
entsprechen, und die Übertragung auf die religiöse
Sphäre insbesondere durch den fundamentalistischen
Extremismus.
Es ist jedoch legitim, dass sich das Europäische
Parlament mit einer Sachlage befasst, die schon
annähernd tausend Menschenleben gekostet hat, oder
sogar noch mehr, je nach der Quelle der Zahlenangaben.
Dies ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um die
einzelnen Vorfälle zu analysieren, die zum Ausbruch
dieser Gewalttätigkeiten führten, doch sei daran erinnert,
dass alles am 27. Februar dieses Jahres mit einem
Brandanschlag auf zwei Eisenbahnwaggons begann, bei
dem 58 Menschen starben, die Hälfte davon Frauen und
Kinder. Für eine solche Tat gibt es keinerlei
Rechtfertigung.
Auch
die
folgenden
Vergeltungsmaßnahmen und Racheakte lassen sich in
keiner Weise rechtfertigen. Man sollte sich
vergegenwärtigen, dass Godhra ein sehr dicht
besiedeltes Stadtrandgebiet mit einem latenten sozialen
Konfliktpotential ist, in dem der Einsatz der
Ordnungskräfte generell schwierig ist, ganz abgesehen
davon, dass Mitglieder der örtlichen Polizei
möglicherweise der einen oder anderen religiösen
Gruppierung angehören, wie sich bei Ermittlungen
seinerzeit zeigte.
Sicher ist, dass die eingreifenden Ordnungskräfte
zunächst nicht in der Lage waren, die Gewalt zu
stoppen. Die demokratischen Institutionen der Indischen
Union,
insbesondere
die
Regierung,
die
Oppositionsparteien und das Parlament, befassten sich
jedoch unverzüglich mit diesem Problem. Ich hatte
Gelegenheit, das indische Parlament gerade in den
Tagen zu besuchen, als dieses Thema behandelt wurde.
53
Es wurden Sofortmaßnahmen ergriffen, und das nicht
nur, weil es dem Willen der Regierung entsprach,
sondern auch wegen des starken Drucks der Opposition
und der indischen Medien. Ich möchte außerdem darauf
hinweisen, dass Stellungnahmen, die nicht von
Vertretern der indischen Demokratie selbst kommen,
auch wenn sie gut gemeint sind, bisweilen das Gegenteil
bewirken, d. h. sie geben nationalistischen und
fundamentalistischen
Positionen
unterschiedlicher
Herkunft (sowohl islamischer als auch hinduistischer)
Auftrieb. Auf jeden Fall empfehle ich im Namen meiner
Fraktion die Annahme dieser Entschließung ohne jede
Änderung, denn wir halten sie für weitgehend
ausgewogen.
4-177
Mann, Thomas (PPE-DE). - Herr Präsident! In den
achtziger
Jahren
kam
es
zu
gewalttätigen
Zusammenstößen zwischen Hindus und Sikhs, Anfang
der 90er-Jahre in Bombay und Uttar Pradesh zwischen
Hindus und Muslimen. Und nun Gujarat: Morde,
Massaker, Menschenverbrennungen auf beiden Seiten
und seit Februar dieses Jahres etwa 1500 Opfer.
Die hindu-nationalistischen Parteien rechtfertigen ihren
Radikalismus durch die steigende Islamisierung der
Nachbarstaaten und deren Einfluss auf Indien. Anlass zu
Hoffnung auf Beendigung der Gewalt gibt das Urteil des
höchsten indischen Gerichts vom 13. März. Es
entschied, dass das Gelände, auf dem Fanatiker 1992
eine Moschee niederrissen, um einen Hindutempel zu
bauen, nicht an die radikale Hindu-Organisation WHP
übertragen
werden
darf.
Verfassungsrechtliche
Garantien wie das muslim mariage law, das die
Tradition der indischen Muslime respektiert, sind
Ausdruck der Religions- und Meinungsfreiheit in Indien.
Säkularismus ist ein Bestandteil der Präambel der
indischen Verfassung. Auch der Artikel 25, der
Glaubensfreiheit garantiert, verpflichtet den indischen
Staat zum Schutz aller Bürger. Am Ideal der friedlichen
Koexistenz von unterschiedlichen Ethnien und Kulturen
wird als Prinzip festgehalten. Durch die Entsendung
einiger Armeeeinheiten versuchte die indische
Regierung der Weltöffentlichkeit ihre Bereitschaft
deutlich zu machen, die Gewalt zu beenden. Außerdem
stellte sie einen Hilfspakt für die Angehörigen der Opfer
in Höhe von etwa 35 Mio. Euro in Aussicht.
Die
internationale
Kritik
an
vielen
völlig
unzureichenden Vorgehensweisen gegen radikale Kräfte
wurde dieser Tage vom indischen Justizminister
anerkannt, speziell, da Indien vor langer Zeit weltweit
akzeptierte
Menschenrechtskonventionen
unterzeichnete. Solche Einsichten, meint die PPE-DEFraktion, sollten Schule machen.
4-178
Martínez Martínez (PSE). – (ES) Herr Präsident,
Indien ist ein Staat, dessen Unabhängigkeit und
Gründung Mitte des vergangenen Jahrhunderts auf
Grund einer sozialen Massenbewegung möglich wurde,
die weltweite Achtung fand und ihren politischen
Ausdruck in einer Doktrin des passiven Widerstands
54
fand. Mahatma Gandhi führte die Inder mit der
Botschaft der Gewaltlosigkeit, der Toleranz und der
Überwindung religiöser Differenzen auf einen
heldenhaften Weg, der zu den sinnbildlichsten
Triumphen friedlicher Methoden in der Politik gehört,
denn so entstanden die bevölkerungsreichste Demokratie
der Welt und eine Gesellschaft, die als Modell für das
Zusammenleben von Rassen, Sprachen und schließlich
von Zivilisationen gilt.
Trotzdem haben die durch religiösen Fanatismus
ausgelösten Unruhen in Indien niemals aufgehört. Diese
Auseinandersetzungen fanden im Mahatma selbst ihr
prominentestes Opfer, und die Liste setzte sich später
mit anderen Prominentenmorden wie dem an
Premierministerin Indira Gandhi, an ihrem Sohn,
ebenfalls Premierminister, sowie an anderen fort. Neben
diesen uns bekannten bedeutenden Persönlichkeiten
fielen Tausende Unschuldige der Intoleranz und dem
Fanatismus zum Opfer.
Es ist paradox, dass gerade dort, wo die materiellen und
sozialen Bedürfnisse am größten sind, religiöser
Extremismus und Intoleranz entstehen. Wir sprechen
von einem Land, in dem sich die Ungleichheiten
verheerend auswirken, in dem die physischen
Bedingungen und die Naturkatastrophen das Leben der
Bevölkerung häufig noch schwerer machen; und gerade
dort haben die Auseinandersetzungen zwischen den
Anhängern mehrheitlicher Glaubensrichtungen und
anderen
Glaubensgemeinschaften
mit
weniger
Anhängern die Geschichte der größten Demokratie der
Welt ohne Unterlass geprägt und beschmutzt.
Die internationale Gemeinschaft muss die indische
Regierung auffordern, die Sicherheit ihrer Bürger zu
gewährleisten, und zwar mit der gleichen Beharrlichkeit,
mit der sie sich anderen Entwicklungsaufgaben stellt, bei
sie nicht wenige Erfolge zu verzeichnen hat. Die
indische Regierung muss auch weiterhin durch die
Bereitstellung ausreichender Mittel alles tun, um die
Rückkehr der vertriebenen Personen an ihre Heimatorte
zu ermöglichen und das Zusammenleben in Gujarat und
den anderen Gebieten wiederherzustellen, die von den
jüngsten Auseinandersetzungen, die zu unserer
Aussprache führten, betroffen waren. Sie muss ferner die
Fälle aufklären, in denen die Sicherheitskräfte beim
Auftreten religiöser und politischer Gewalt untätig
zusahen.
Die Europäische Union muss diese Bemühungen
unterstützen und der Region schnellstens alle
erdenkliche humanitäre Hilfe zukommen lassen.
4-179
Dupuis (NI). – (FR) Herr Kommissar, werte
Kolleginnen und Kollegen! Nach meinem Dafürhalten
sind die aktuellen Ereignisse in Indien, wie viele von
Ihnen bereits kritisch angemerkt haben, zum Teil das
Ergebnis des Windes, den Europa und der Westen in den
letzten vierzig Jahren in einem großen Teil der Welt
gesät haben. Man darf sich nicht wundern, dass wir
heute Sturm ernten.
16/05/2002
Diese unglaublichen wechselseitigen Rechtfertigungen,
die, wie Frau Lambert uns gerade verdeutlicht hat, der
Logik folgen, sind die gleichen, die wir bzw. Sie im
Falle Palästinas vorgenommen haben: Die Tatsache,
dass Ariel Sharon die Esplanade der Moscheen oder den
Tempelberg besucht hat, diente als Rechtfertigung für
die so genannten Selbstmordattentate, die in
Wirklichkeit Mordattentate waren. Heute wird die
Tatsache, dass 60 Pilger verbrannt wurden, als
Begründung und Rechtfertigung für die Gewalt
verwendet, die die Moslems ihnen gegenüber angewandt
haben.
Ich glaube, all dies ist das Ergebnis jener Unfähigkeit,
jenes demokratischen Relativismus, der sich in Europa
ausbreitet und der uns daran hindert, zur Wurzel der
Probleme vorzudringen und uns daran zu erinnern, dass
Indien heute mit einer Milliarde Einwohnern die größte
Demokratie der Welt ist, der uns daran hindert, uns klar
zu machen, dass wir, wenn wir lieber nach Peking gehen
als nach Neu-Delhi, die Diktatur bestärken, dass wir,
indem wir 40 oder gar 50 Jahre lang Waffen an Pakistan
lieferten, die Diktatur stärkten, dass wir mit dem, was
wir mit dem Talibanregime getan haben bzw. indem wir
nicht taten, was wir hätten tun müssen, die afghanische
Tragödie heraufbeschworen haben, besonders die der
afghanischen Frauen.
Hier handelt sich um eine Häufung von Tatsachen, die
zu den Ergebnissen führt, die wir heute erleben. Wenn
man auch den indischen Behörden einige Dinge
vorwerfen kann, so sollte man meiner Meinung nach
nicht bei diesen Vorwürfen stehen bleiben. Ich glaube,
man muss auch den exemplarischen Charakter der
Reaktionen dieses großen Landes sehen: es wurden
Bundestruppen nach Gujarat geschickt, es wurde eine
Untersuchungskommission eingesetzt, der oberste
Gerichtshof wurde angerufen, all dies sind grundlegende
Reaktionen
Indiens
trotz
der
Entwicklungsschwierigkeiten.
Herr Marset Campos, ich meine, wenn es ein Problem
gibt, so ist es nicht die Globalisierung, sondern die
mangelnde Globalisierung. Es gibt innerhalb der
Kommission – ich weiß nicht, ob Kommissar Nielson
hierzu eine Antwort geben kann – nach wie vor eine
spezielle Stelle, die darüber wacht, dass bloß keine
indischen Textilwaren auf das Territorium der
Europäischen Union gelangen. Wie jedermann weiß, ist
aber gerade die Textilindustrie einer der Sektoren, die
für Indien als Grundlage für eine Entwicklung und eine
stärkere Wirtschaft dienen können. Seit zehn Jahren, seit
dem Beginn der Globalisierung hat Indien eine
Wachstumsrate von 6 bis 7 %. Das war vor der
Globalisierung sicher nicht der Fall.
Also: es lebe die Globalisierung, aber in beiden
Richtungen! Wir können nicht weiter unsere
Erzeugnisse nach Indien exportieren wollen und
gleichzeitig verhindern, dass die indischen Erzeugnisse
in unsere Länder kommen. Das ist die Voraussetzung für
16/05/2002
55
die Entwicklung, für die Stärkung der Demokratie in
Indien und vielleicht auch bei uns.
erwartet. Die Damen und Herren Abgeordneten werden
darüber selbstverständlich umgehend informiert.
4-180
4-181
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, die
Kommission teilt voll und ganz die Besorgnis der
Damen und Herren Abgeordneten über die anhaltende
Gewalt im indischen Bundesstaat Gujarat, also über eine
Situation, die aus humanitären Gründen Anlass zu
ernster Sorge gibt.
Der Präsident. – Die gemeinsame Aussprache ist
geschlossen.
Wie
diplomatische
Missionen
verschiedener
Mitgliedstaaten hat auch die Delegation der Kommission
in Neu Delhi eine Erkundungsmission nach Gujarat
entsandt, um die Situation vor Ort einzuschätzen. Die
Kommission unterhält in Gujarat ein wichtiges
Kooperationsprogramm, das sich auf mehr als 100 Mio.
Euro beläuft. Ich war im Januar dort und hatte eine
Begegnung mit der Regierung des Bundesstaates. Dabei
habe ich die Zerstörungen nach dem Erdbeben von vor
einem Jahr in Augenschein genommen und mich
bemüht, unsere Wiederaufbauaktivitäten schneller voran
zu bringen.
Die Mission, über die ich hier spreche, hatte einen
anderen Hintergrund, und sie war daher problematischer,
aber notwendig, um beurteilen zu können, ob die
Unruhen eine Auswirkung auf die Grundsätze unserer
Zusammenarbeit haben, zu denen die Achtung der
Menschenrechte sowie der Demokratie und der
Rechtsstaatlichkeit zählen.
Die Ergebnisse waren höchst besorgniserregend. Nicht
nur Gewalt war weit verbreitet, sondern in vielen Fällen
wurde äußerste Brutalität an den Tag gelegt. Inoffizielle
Angaben sprechen von 2 000 Todesopfern, die meisten
von ihnen Moslems. Die Mission hörte auch von
Anschuldigungen seitens der indischen Medien und der
indischen Menschenrechtskommission, dass die
bundesstaatlichen Behörden von Gujarat mit den HinduRebellen anmaßend umgegangen seien.
In Einklang mit Indiens gesunder und starker
demokratischen Tradition wird im Land seit einiger Zeit
eine lebhafte Debatte über die Konsequenzen der
Ereignisse in Gujarat und über die Verantwortung der
Regierung auf bundesstaatlicher und nationaler Ebene
geführt. Ich bin zuversichtlich, dass Indiens Bekenntnis
zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit die Grundlage
dafür bilden wird, dass die Verantwortlichen für diese
Grausamkeiten zur Rechenschaft gezogen werden und
den Opfern Hilfe zuteil wird. Die Zentralregierung und
die Regierung des Bundesstaates haben bereits Schritte
in dieser Richtung unternommen.
Die EU-Troika hat sowohl in Delhi als auch in Madrid
der indischen Regierung unsere Besorgnis über die Krise
vorgetragen, und die Kommission hat sich an diesen
Démarchen beteiligt. Zurzeit untersucht die Kommission
aus humanitärer Sicht die Möglichkeit humanitärer Hilfe
für die Opfer der Unruhen durch ECHO. Eine
Entscheidung wird in den nächsten zwei Wochen
Die Abstimmung findet um 17.30 Uhr statt.
4-182
Lage in Simbabwe
4-183
Der Präsident. – Nach der Tagesordnung folgt die
gemeinsame
Aussprache
über
folgende
Entschließungsanträge:
–
B5-0286/2002 von den Abgeordneten Van
Orden, Deva, Parish, Foster, Banotti, Corrie, Gahler,
Korhola, Lehne, Maij-Weggen und Sacrédeus im Namen
der PPE-DE-Fraktion, des Abgeordneten Andrews im
Namen der UEN-Fraktion und des Abgeordneten Belder
im Namen der EDD-Fraktion zur Lage in Simbabwe;
–
B5-0295/2002 von den Abgeordneten Sjöstedt,
Seppänen und Frahm im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zur Lage in Simbabwe;
–
B5-0300/2002 von den Abgeordneten Maes,
Isler Béguin und Lucas im Namen der Verts/ALEFraktion zur Lage in Simbabwe;
–
B5-0303/2002 des Abgeordneten Van den Bos
im Namen der ELDR-Fraktion zur Lage in Simbabwe.
4-184
Gahler (PPE-DE). - Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die negative Entwicklung in Simbabwe
steht leider umgekehrt proportional zur internationalen
Aufmerksamkeit
seit
den
gefälschten
Präsidentschaftswahlen
vom
März.
Eine
der
dramatischsten Auswirkungen ist zum Beispiel auch die
zunehmende Nahrungsmittelknappheit, die zum großen
Teil, wie Kommissar Nielson es bereits in anderem
Zusammenhang erwähnt hat, von Menschenhand
gemacht ist, also vom Mugabe-Regime selbst. Wir
hören, dass etwa 50 000 Menschen in Simbabwe auf der
Flucht sind, weil sie von den Trupps von Mugabe
verfolgt und drangsaliert werden. Wir hören täglich von
Plünderungen von Farmen und davon, dass sich die
Führungsschicht in Simbabwe unverschämt an fremdem
Eigentum bereichert, solange es offenbar noch geht.
Aber ich möchte auch auf einen weiteren, eigentlich
skandalösen Vorgang hinweisen, nämlich das Verhalten
des Rates in dem Zusammenhang. Ich habe gestern eine
Antwort auf eine Anfrage an den Rat bekommen und ich
habe nachgefragt, wie denn die Zwischenbilanz der
gezielten Sanktionen aussieht, die dort gegen bestimmte
Personen verhängt wurden. Ich wollte wissen, wie es
denn mit den verweigerten Visa aussieht. Als Antwort
hieß es, das sei eine Angelegenheit der Nationalstaaten.
Also, da hätte man ja vielleicht auch mal bei den
anderen nachfragen können!
56
16/05/2002
Abgesehen davon stellt sich wirklich die Frage, was die
Motivation des Rates im Hinblick auf diese Maßnahmen
in einem Land ist, das sich ja im freien Fall befindet, wie
es Herr Kommissar Patten in einer Ausschusssitzung
formuliert hat. Ich frage mich, wie der Rat dazu kommt,
ein Land, das sich im freien Fall befindet, von der
operativen Tagesordnung verschwinden zu lassen!
Im April wurde es vertagt, im Mai muss eine
weitergehende Beschlussfassung ebenfalls vertagt
werden, weil die high level troika noch nicht geschickt
worden war, und jetzt soll sie am Sonntag abreisen. Der
eigentlich zu bemängelnde Tatbestand ist in dem
Zusammenhang der, dass bereits bei den terms of
reference, also dem Arbeitsauftrag dieser high level
troika, seitens Frankreichs, Belgiens und der
Präsidentschaft selbst schon im Vorfeld versucht wird,
den Auftrag der Troika zu verwässern. Das ist eigentlich
unglaublich angesichts der Situation in diesem Land!
Man redet schon wieder über die Aufnahme der
Zusammenarbeit, obwohl doch eigentlich noch nicht
einmal eine Bewertung der von uns getroffenen
Maßnahmen erfolgt ist.
Ich frage mich wirklich, was in dem Land noch
passieren muss, damit die Aufmerksamkeit des Rates
hinsichtlich seiner Verantwortung wieder etwas größer
wird. Ich hoffe wenigstens, dass diese high level troika,
die sich in Sachen Simbabwe ab Sonntag im südlichen
Afrika bewegen wird, von Diplomaten, die in Harare
stationiert sind, wenigstens in einem Nachbarstaat
Simbabwes aus erster Hand über die dramatische
Entwicklung der Situation unterrichtet werden.
Wir als Europäisches Parlament können nicht
akzeptieren, dass der Rat versucht, ein so dringliches
Thema im südlichen Afrika in dieser Art und Weise zu
negieren, und dass er vor allen Dingen auch nicht bereit
ist, zum Beispiel diese Entwicklung in Simbabwe zu
einem Testfall für das neue Programm für afrikanische
Entwicklung werden zu lassen. Das sind Dinge, die wir
auf jeden Fall verlangen sollten.
4-185
VORSITZ: GIORGOS DIMITRAKOPOULOS
Vizepräsident
4-186
Mulder (ELDR). – (NL) Herr Präsident, wir befassen
uns heute wieder einmal mit Simbabwe, und die große
Frage lautet: Wie kann eigentlich noch Abhilfe
geschaffen werden? In diesem Parlament haben wir
bereits mehrere Entschließungen zu Simbabwe
angenommen. Die Völkergemeinschaft hat ihre
Verurteilung ausgesprochen. Die Parlamentarische
Versammlung AKP-EU hat ihre Missbilligung zum
Ausdruck gebracht. Was könnten wir denn nun noch
mehr tun? Und trotz all dieser Schritte wird weiter
geplündert und weiter gemordet. Mugabe scheint
unangreifbar zu sein. Zudem droht gegenwärtig eine
schlimme Hungersnot. Selbstredend wäre es schwerlich
zu
vertreten,
Hunger
leidenden
Menschen
Nahrungsmittel zu versagen. Nahrungsmittelhilfe sollte
stets geleistet werden. Gibt es aber gar keine
Möglichkeit, Mugabe zur Räson zu bringen? Ein
eventuell noch einzusetzendes Instrument bestünde
darin, auf die Nachbarländer Simbabwes in der SADECRegion und insbesondere auf Südafrika Druck
auszuüben. Dieses Land könnte meiner Ansicht nach
einen erheblichen Einfluss ausüben, und wenn Südafrika
das neue Programm für afrikanische Entwicklung, das
NEPAD-Programm, ernst nimmt, sollte auch dieses
Land etwas größere Anstrengungen unternehmen, will es
mit der Unterstützung der Europäischen Union
zugunsten
dieses
für
Afrika
wichtigen
Wirtschaftsprogramms rechnen können.
Und von einem weiteren Mittel könnte Gebrauch
gemacht
werden.
Schon
in
vorhergehenden
Entschließungen haben wir von Sanktionen gesprochen,
die eine Schmähung bedeuten sollten. Wäre es nicht
möglich, dass die Europäische Kommission einmal den
Besitz, über den die Machthaber Simbabwes in Europa
verfügen, auflistet und eruiert, wie und wann er
erworben wurde und woher das Geld dafür stammt?
Kataster sind in der Europäischen Union zumeist
öffentlich zugänglich, grundsätzlich sind sie es auch in
Afrika, wenngleich dort der Zugang schwierig ist.
Weshalb bemüht sich die Kommission nicht darum,
dieser Frage einmal nachzugehen und die Ergebnisse zu
veröffentlichen, sie über die BBC und alle sonstigen in
Afrika zu empfangenden Sender publik zu machen?
Dann haben wir noch ein weiteres Druckmittel, um die
dortigen Potentaten an den Pranger zu stellen.
4-187
Nielson, Kommission.  (EN) Die Kommission teilt die
Sorge über die Lage in Simbabwe nach den
Präsidentschaftswahlen, was die Legitimität der
gegenwärtigen Regierung, die Frage der Pressefreiheit,
die fortgesetzte Gewalt, die Wirtschaftskrise und die
damit einhergehende Lebensmittelknappheit betrifft.
Es ist klar, dass die Wahlergebnisse nicht den Willen des
Volkes von Simbabwe widerspiegeln. Sowohl der den
Wahlen vorausgegangene Prozess als auch die
Durchführung der Wahlen waren von bewussten
Versuchen der Behörden geprägt, freie und faire Wahlen
zu verhindern.
Besonders beunruhigt sind wir über die anhaltende
Gewalt und Unterdrückung in Simbabwe, über die
Zerschlagung der Opposition, der Bürgergesellschaft
und der unabhängigen Presse. Die Beendigung der
Gewalt und die Lösung des politischen Konflikts auf
dem Verhandlungsweg haben oberste Priorität. Nur mit
einem gewissen sozialen Frieden kann die
Rechtsstaatlichkeit wieder hergestellt werden und mit ihr
die Unparteilichkeit staatlicher Institutionen wie
beispielsweise der Sicherheitskräfte.
Die EU hat gegen Mitglieder der herrschenden Partei
gezielte Sanktionen angewendet und ein Moratorium auf
dem Gebiet bilateraler Kontakte auf Ministerebene
verhängt. Möglicherweise entscheidet der Rat angesichts
der Pattsituation und mangelnder Fortschritte im Dialog
zwischen den Parteien sowie aufgrund der fortgesetzten
16/05/2002
57
Unterdrückung und Gewalt in Simbabwe über eine
Ausweitung der Sanktionen.
voranbringen und zu versuchen, einen positiven Einfluss
auf die Lage in Simbabwe auszuüben.
Ich möchte unterstreichen, dass jetzt in Simbabwe eine
ganz reale Notlage entstanden ist, die sich vermutlich
sehr lange hinziehen wird.
Zu Herrn Mulders Vorschlag, etwas mit dem Vermögen
simbabwischer Führer in Europa zu unternehmen: Wir
waren nicht sonderlich erfolgreich, als es um die
berechtigte, legitime Forderung Nigerias ging, das von
der vorangegangenen Militärregierung gestohlene Geld
aufzuspüren und zurückzugeben. Zum Glück konnten
wir mit einer Reihe von Gerichtsentscheidungen gewisse
Fortschritte erzielen, und das ist wichtig. Ich erwähne
das, um zu verdeutlichen, wie schwer doch so etwas zu
bewerkstelligen ist. Aber das ist ein Gebiet, das noch
näher untersucht werden muss.
Wir haben vorhergesehen, dass humanitäre Hilfe
vonnöten sein würde, und kümmern uns um das Problem
der Lebensmittelknappheit sowie die Bedürfnisse von
Flüchtlingen und Vertriebenen innerhalb des Landes.
Für die Soforthilfe stehen 18 Millionen Euro zur
Verfügung. Diese Zahl ist nicht endgültig, sondern
beruht lediglich auf unseren bisherigen Bedarfsanalysen.
Das entspricht unserer üblichen Vorgehensweise. Wir
müssen gewährleisten, dass wir unsere Entscheidungen
auf dieser Grundlage treffen. Die Mittel werden vom
Welternährungsprogramm und von verschiedenen NRO
verwaltet, womit wir politische Manipulationen
verhindern wollen.
Wir sind zwar auf große Anstrengungen zur
Unterstützung der Bevölkerung vorbereitet, nehmen aber
sehr aufmerksam Berichte zur Kenntnis, aus denen
hervorgeht, dass die Regierung von Simbabwe die
Nahrungsmittelkrise für politische Zwecke missbraucht.
Bei unseren Kontakten mit den Behörden von Simbabwe
haben wir immer wieder betont, dass allen von
humanitärer Not Betroffenen ungeachtet ihrer
politischen Überzeugung geholfen werden muss und die
Lebensmittelverteilung unparteiisch zu erfolgen hat.
Leider wurde vor etwa anderthalb Jahren einem unserer
Versuche zur gerechten Verteilung von Lebensmitteln
mit Gewalt ein Ende gesetzt.
Außerdem haben wir betont, dass der gegenwärtige
Lebensmittelmangel in Simbabwe  einst ein
Lebensmittel exportierendes Land  hauptsächlich das
Ergebnis verfehlter Politik und nur zum Teil eine Folge
der Dürre ist. Die Dürre ist indes ein regionales Problem
mit dem negativen Effekt, das der Kauf von
Lebensmitteln in der Region zur Unterstützung von
Simbabwe noch erschwert wird. Die Trockenheit hat
also alles noch komplizierter gemacht, aber die
eigentlichen Probleme, mit denen wir in Simbabwe zu
tun haben, rühren im Grunde nicht von der Dürre her,
sondern sind ein Ergebnis verfehlter Politik.
Wir meinen, dass die internationale Gemeinschaft die
Lage sehr aufmerksam verfolgen sollte. In der nächsten
Woche wird eine EU-Troika der SADC-Region einen
Besuch abstatten, um mit SADC-Ländern zu beraten,
wie weiter vorgegangen werden soll, und um die
regionalen Vermittlungsbemühungen mit dem Ziel einer
politischen Beilegung der innenpolitischen Krise
Simbabwes auf dem Verhandlungswege zu unterstützen.
Wir hoffen, einen echten Dialog über Simbabwe in Gang
zu setzen und die Abstimmung zwischen der EU und der
SADC-Region zu fördern. In den schwierigen Monaten
dieses Jahres  im Winter und zu Beginn des Frühjahrs
 ist es uns gelungen, einen vertrauensvollen politischen
Dialog mit der SADC-Region auf politischer Ebene zu
organisieren, aber wir müssen diese Diskussion weiter
Bei solchen Sanktionen ergibt sich das Problem der
Exterritorialität, und das muss diskutiert werden, was
nicht ganz einfach ist. Bei solchen Entscheidungen und
Diskussionen stehen wichtige Prinzipien auf dem Spiel.
So sehr ich den Vorstoß und die Denkrichtung in dem
Beitrag von Herrn Mulder auch begrüße, müssen wir
doch vorsichtig vorgehen.
4-188
Mulder (ELDR).  (EN) Herr Präsident, ich bin
dankbar für die Antwort des Herrn Kommissars. Ich
denke, es gibt da einen gewissen Unterschied zur
Situation in Nigeria, weil es hier, soweit ich es aus der
Presse in Erinnerung habe, in der Hauptsache
Bankkonten in der Schweiz betraf und dort einiges Geld
sichergestellt wurde. Mir geht es indes vor allem um
Sacheigentum in Ländern der Europäischen Union und
vermutlich auch in den Vereinigten Staaten.
Es ließe sich wahrscheinlich ermitteln, was etwa in den
letzten zwei Jahren gekauft worden ist, und das könnte
wieder beigebracht und dann publik gemacht werden.
Die Menschen in Simbabwe könnten sich dann fragen:
Woher kam das Geld? Wie konnten sie das tun? Alles
das ist in Europa vollkommen öffentlich, und es bedarf
lediglich eines Beamten der Kommission, der sich
darum kümmert, einige Untersuchungen darüber anstellt
und diese dann veröffentlicht.
4-189
Gahler (PPE-DE). - Herr Präsident! Eine kurze Frage
noch an den Kommissar: Ist denn die Kommission
bereit, sich gegenüber dem Rat dafür einzusetzen, dass
die terms of reference für diese high level troika, die
jetzt ins südliche Afrika reist, nicht verwässert und
begrenzt werden, sondern dann wirklich dem Ernst der
Lage angemessen dort vor Ort auch mit der
Nachbarschaft Simbabwes geredet und verhandelt wird?
4-190
Nielson, Kommission.  (EN) Herr Präsident, Herrn
Gahler kann ich sagen, eine Troika ist das Eine, doch
wir in der Kommission befinden uns in einem ständigen,
recht vertraulichen Dialog mit Regierungen in der
gesamten Region, mit oder ohne Troika. Wir
telefonieren miteinander, wir kommen zu informellen
Begegnungen zusammen, und ich sehe die Mission
dieser Troika wegen ihres Zeitpunkts und ihrer
öffentlichen Wahrnehmung als einen Weg, den Ernst der
58
Lage zu erläutern. Sie ist auch ein gutes Signal an unsere
Partner in der SADC-Region, dass wir weiter machen
wollen und einen systematischeren ständigen, sehr
direkten Meinungsaustausch über solche Probleme
wünschen. Aber das müssen wir in einer Art und Weise
tun, die ihnen Vertrauen gibt, um mit uns in einen
Dialog einzutreten.
So muss es gemacht werden. Unter keinen Umständen
werden wir den Themenbereich einschränken, denn alles
das, diese ganze Diskussion ist Teil eines ständigen
politischen Dialogs mit der Region.
Zu Herrn Mulder. Ja, wie sie es darstellen, klingt es
einfach, und das wäre es auch, wenn wir sicher sein
könnten,
dass
die
richtigen
Namen
im
Grundstücksverzeichnis stehen. So ist es aber
möglicherweise nicht. Wenn man also etwas wirklich
Relevantes vorlegen will, ist es viel aufwändiger, als Sie
unterstellen. Ich komme auf den Ratschlag zurück, den
die Journalisten bei der Untersuchung der WatergateAffäre gaben: „Folge dem Geld“. Ich halte es für
sinnvoll, diesen Weg zu beschreiten.
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4-194
Abstimmungen
4-195
Aktuelle, dringliche und wichtige Fragen5
***
Bericht Miranda (Α5-0128/2002) im Namen des
Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit
über die Mitteilung der Kommission an den Rat und
das Europäische Parlament über den Aufbau einer
effizienten Partnerschaft mit den Vereinten Nationen
in den Bereichen Entwicklung und humanitäre Hilfe
(KOM(2001)0231 - C5-0396/2001 - 2001/2154(COS))
(Das Parlament nimmt den Entschließungsantrag an.)
ERKLÄRUNG ZUR ABSTIMMUNG
- Bericht Miranda (Α5-0128/2002)
4-196
4-191
Der Präsident. – (EL) Vielen Dank, Herr Kommissar.
Die Aussprache ist geschlossen.
Die Abstimmung findet heute um 17.30 Uhr statt.
(Die Sitzung wird um 17.20 Uhr unterbrochen und um
17.30 Uhr wieder aufgenommen.)
4-192
Posselt (PPE-DE). - Herr Präsident! Heute Nachmittag
wurde die Aussprache zweimal für mehr als eine
Viertelstunde
unterbrochen,
zuerst
vor
den
Dringlichkeiten und dann noch einmal nach den
Dringlichkeiten. Ich wollte nur sagen, ich bitte darum,
dass der Sitzungsdienst den Donnerstagnachmittag, wo
dies immer passiert, in Zukunft anders kalkuliert,
nämlich dass er automatisch 20 Minuten draufschlägt.
Wenn er 20 Minuten mehr Redezeit verteilt, als dies
bisher der Fall war, dann geht es nämlich ganz genau
auf. Sollten einmal wirklich alle da sein, die reden
sollen, was ich hoffen würde, dann wäre das
Schlimmste, was passieren könnte, dass diese
Abstimmung statt um 17.30 Uhr um 17.45 Uhr
stattfindet. Wir haben bisher ohnehin um 18.30 Uhr
abgestimmt. Ich bitte Sie sehr herzlich, Herr Präsident,
dem Sitzungsdienst zu sagen, dass man etwas
großzügiger kalkulieren kann. Ich wurde heute bei zwei
Redebeiträgen von Ihrem Vorgänger relativ pünktlich
abgeklopft. Ich respektiere das, nur dann dürfen keine
Lücken im Programm entstehen.
4-193
Der Präsident. – (EL) Herr Posselt, danke für Ihre
Bemerkung, ich versichere Ihnen, dass ich sie bereits
notiert habe und weiterleiten werde.4
4
Tagesordnung der Sitzungen vom 29. und 30. Mai 2002: siehe
Protokoll.
Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, da ich die
Absicht hatte, meine Zustimmung zu diesem Bericht zu
erklären, machte ich mir Sorgen, ich könnte als
gewählter Vertreter der Rentner vielleicht etwas zu stark
für die älteren Menschen und die Rentner Partei
ergreifen. Daher wollte ich das jüngste EP-Mitglied um
Rat fragen, und das gegenwärtig hier im Saal anwesende
jüngste Mitglied sitzt zufälligerweise in meiner Nähe,
und zwar Frau Kauppi, die mir Folgendes zur Antwort
gab: „Ich halte es für nützlich, dafür zu stimmen, weil
die Vereinten Nationen dann ihre Politik zugunsten der
älteren Menschen und der Rentner in der ganzen Welt
besser koordinieren können.“
Wenn ein so junges Parlamentsmitglied für die älteren
Menschen eintritt, bedeutet das, dass wir uns alle
unabhängig von unserem Alter dessen bewusst sind,
dass die Älteren und die Rentner immer mehr
Unterstützung brauchen. Deshalb können wir nur darauf
hoffen, in Zukunft einen einzigen Vertreter der Union in
der UNO zu haben, und ich wünsche mir, dass dies die
junge Frau Piia-Noora Kauppi sein möge, die nicht nur
der Partei der Rentner, sondern allen in diesem Saal des
Europäischen Parlaments in Straßburg vertretenen
Parteien bewiesen hat, dass ihr die älteren Menschen am
Herzen liegen.
4-197
Unterbrechung der Sitzungsperiode
4-198
Der Präsident. – (EL) Ich erkläre die Sitzungsperiode
des Europäischen Parlaments für unterbrochen.6
5
Abstimmungsergebnis: siehe Protokoll.
Ausschussbefassung – Übertragung der Entscheidungsbefugnis an
die Ausschüsse – Genehmigung zur Ausarbeitung von Initiativ- und
Folgeberichten – Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen –
Schriftliche Erklärungen zur Eintragung ins Register (Artikel 51 der
Geschäftsordnung) – Übermittlung der in dieser Sitzung
6
16/05/2002
(Die Sitzung wird um 17.45 Uhr geschlossen.)
angenommenen Texte – Zeitpunkt der nächsten Tagung: siehe
Protokoll.
59
60
16/05/2002
INHALT
SITZUNG AM DONNERSTAG, 16. MAI
2002..................................................................5
Nachhaltige Entwicklung ..............................5
Welternährungsgipfel (FAO) ......................21
Begrüßung ....................................................26
Abstimmungen .............................................27
Partnerschaft EU/UNO ...............................38
Dringlichkeitsdebatte ...................................45
Lage in Madagaskar ....................................45
Indonesien (Molukken/Aceh) ......................47
Lage in Indien...............................................51
Lage in Simbabwe ........................................55
Abstimmungen .............................................58
Unterbrechung der Sitzungsperiode ..........58
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