Universiteit Utrecht Block 4, 2015 BA-Abschlussarbeit Deutsche Sprache und Kultur Leitung: Dr. Stefan Sudhoff Sprachwandel im Dialekt: Kölsch und Venloer Dialekt Eine Analyse anhand von Karnevalsliedern vorgelegt von: Marleen Verberkt Studiengang Duitse Taal en Cultuur 3. Studienjahr Stud.Nr: 4027531 Prins Bernhardlaan 19 NL - 5953 EA Reuver Tel.: 0031612638107 E-Mail: [email protected] Abgabedatum: 06.07.2015 1 Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung 4-5 1. Der sprachliche Hintergrund 1.1 Allgemeines 6-7 1.2 Erste und zweite Lautverschiebung 7-8 1.3 Isoglosse und Rheinischer Fächer 9 2. Das Kölsch 2.1 Die Merkmale 10 - 13 2.2 Status 14 2.3Veränderungen im Laufe der Jahre 14 -15 3. Der Venloer Dialekt 3.1 Die Merkmale 16 - 20 3.2 Status 20 3.3 Ansehen 20 - 21 3.4 Veränderungen im Laufe der Jahre 21 4. Ähnlichkeiten zwischen den beiden Dialekten 4.1 Tonakzentgebiet 22 4.2 Rheinischer Fächer 22 - 23 5. Methode 5.1 Korpus 24 5.1.1 Kölsche Karnevalslieder 25 - 26 5.1.2 Venloer Karnevalslieder 26 - 27 5.2 Vorgehensweise 5.2.1 Markieren der Dialektmerkmale 28 5.2.2 Erklärung der Tabellen 29 2 6. Die Analyse 6.1 Ergebnisse Kölsch 6.1.1 Ergebnisse Willi Ostermann 30 - 32 6.1.2 Ergebnisse Brings 33 - 34 6.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse 34 - 35 6.2 Ergebnisse Venloer Dialekt 6.2.1 Ergebnisse Harry Verhagen 35 - 36 6.2.2 Ergebnisse Frans Pollux 37 - 38 6.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse 38 - 39 6.3 Vergleich Kölsch und Venloer Dialekt 7. Schlussfolgerung 39 - 41 42 - 43 8. Korpus 8.1 Kölsche Karnevalslieder 8.1.1 Willi Ostermann 44 – 47 8.1.2 Brings 48 - 51 8.2 Venloer Karnevalslieder 8.2.1 Harry Verhagen und Baer Winters 51 - 54 8.2.2 Frans Pollux, Bram und Ruud 54 - 58 Literaturverzeichnis 59 - 60 3 Einleitung „Nä, wat wor dat dann fröher en superjeile Zick, mit Träne in d'r Auge loor ich manchmol zurück.“ So lautet ein Stück aus dem Lied superjeilezick von der Kölner Band Brings. Da Kölsch von immer weniger Menschen gesprochen wird, steht der Dialekt auf der UNESCOListe für bedrohte Sprachen. Das Limburgische und damit auch der Venloer Dialekt stehen neben dem Kölsch auch auf dieser Liste. Da ich Sprecherin des Venloer Dialekts bin, handelt diese Arbeit von diesem Dialekt des Limburgischen. „Zutjes zinge ze onverwach. De koedeljach, de breurs en zusters al beijein. Det wonder moei refrein“, so lautet ein Stück aus dem Lied Och An, Och An von Harry Verhagen, einem Sänger aus Venlo. In dieser Bachelorarbeit wird einerseits das Kölsch und andererseits der Venloer Dialekt dargestellt: zuerst die Dialektmerkmale im Vergleich zu den Standardsprachen und danach eine Analyse dieser Dialektmerkmale in den Karnevalsliedern. Für die Analyse wurde ein Korpus verwendet. Im Korpus stehen einerseits ältere Karnevalslieder und andererseits Karnevalslieder von heute, in beiden Dialekten. Für das Kölsch werden für die früheren Jahre Lieder von Willi Ostermann verwendet und für die späteren Jahre Lieder von Brings. Für den Venloer Dialekt werden für die früheren Jahre Lieder verwendet, die von Harry Verhagen geschrieben und von Baer Winters gesungen wurden, und für die späteren Jahre Lieder, die von Frans Pollux geschrieben und von Bram und Ruud gesungen wurden. Anhand eine Analyse dieser Karnevalslieder wird folgende Frage beantwortet: Wie hat sich der Kölner und Venloer Dialekt in Karnevalsliedern verändert? Dies wird anhand der ausgearbeiteten Korpusdaten dargestellt. Die Hauptfrage soll schrittweise beantwortet werden. Zuerst gibt es eine allgemeine Einführung: Wozu gehören die beiden Dialekte? In der Einführung werden auch einige wichtige Begriffe wie ‚Isoglosse‘, ‚Lautverschiebung‘ und ‚Rheinischer Fächer‘ erklärt. Danach folgt eine Einführung in die beiden Dialekte: Welche Merkmale und welchen Status weisen sie auf und wie haben sich die Dialekte verändert? Beim Venloer Dialekt wird zuerst auf die geografische Einordnung des Dialekts eingegangen: zwischen den Isoglossen Uerdinger sowie Panninger Seitenlinie und Panninger Linie. Hier werden also zuerst die Merkmale dieser Linien behandelt. Weitere Merkmale, die in dieser Arbeit beschrieben werden, sind: die unbestimmten und bestimmten Artikel, die Deklination des Adjektivs, Schleif- und Stoßton, Possessivpronomen, ‚verschwindende Wörter‘ und det, waat und ‚t. Beim Kölschen werden ebenfalls der Artikel und die Deklination des Adjektivs behandelt. 4 Weiter wird die Verwendung von /b/ statt /v/, /t/ statt /s/ und /j/ statt /g/ untersucht. Zum Schluss wird das Weglassen der Endung ‚-n‘ in Infinitiven untersucht. Die schriftlichen Textfassungen der Lieder sind nur ein Hilfsmittel. In den Texten der Karnevalslieder werden nur die Markierungen angegeben. In dieser Arbeit handelt es sich um die Aussprache der Sänger. Einerseits wird in den Liedern untersucht, welche Dialektmerkmale vorkommen. Andererseits wird untersucht, ob es Unterschiede zwischen den alten und neueren Karnevalsliedern gibt. Die Hypothese lautet, dass sich beide Sprachen zum Beispiel durch Wörter, die heute nicht mehr verwendet werden, verändert haben. Im Venloer Dialekt gibt es zum Beispiel das Wort aevel, dass heutzutage immer mehr durch maar (auf Deutsch: ‚aber‘) ersetzt wird. Es wird für diese Arbeit angenommen, dass es in beiden Dialekten mehr solcher Wörter gibt und dass sich die Sprachen vor allem dadurch verändert haben. Weiter wird angenommen, dass in den älteren Liedern die Dialektmerkmale auch wirklich realisiert werden. Bei den neueren Liedern kann angenommen werden, dass sie mehr in Richtung Standardsprach tendieren. Es ist zum Beispiel anzunehmen, dass die Deklination des Adjektivs wie im Kölschen in den älteren kölschen Liedern häufiger vorkommt als in den neueren Liedern. In den neueren Liedern wird vielleicht das Adjektiv mehr wie im Standarddeutschen dekliniert. 5 1. Der sprachliche Hintergrund In diesem Kapitel geht es um den sprachlichen Hintergrund des Venloer Dialekts und des Kölsch. Zuerst gibt es eine allgemeine Beschreibung der beiden Dialekte: Wo wird der Dialekt zum Beispiel gesprochen? Die beiden Dialekte haben mit den Lautverschiebungen zu tun und liegen beide in einer Isoglosse im Gebiet des Rheinischen Fächers. In Kapitel 1.2 geht es um die erste und zweite Lautverschiebung und zum Schluss werden im Kapitel 1.3 die Begriffe ‚Isoglossen‘ und ‚Rheinischer Fächer‘ erklärt. 1.1 Allgemeines In den Niederlanden und auch in Deutschland gibt es Standardsprachen: eine Sprache, die übergreifend gesprochen und geschrieben wird und standarisiert ist. In den Niederlanden heißt diese Standardsprache ‚Algemeen Nederlands‘ (AN) und in Deutschland ‚Standarddeutsch‘. Laut Barbour und Stevenson (1998:145) ist eine Standardsprache zum Beispiel auch eine Sprache, die in den meisten Grammatiken und Wörterbüchern zu finden ist. Beide Länder können in verschiedene Dialekte eingeteilt werden. So gehört laut Alsters, Alsters-van der Hor, van Daelen, Reijnders, Rongen und Vissers (1993:15) der Venloer Dialekt zum Limburgischen und wird in Venlo gesprochen. Venlo liegt nördlich der Panninger Linie, nördlich der Panninger Seitenlinie und auch nördlich der Uerdinger Linie. Diese Lage ist auch in Abbildung 1 zu sehen. Die gelbe Linie zeigt die Panninger Seitenlinie, die rote Linie die Uerdinger Linie und die blaue Linie die Panninger Linie. Laut Heeringa (2007:6) kann das Limburgische in 6 weitere Dialektgruppen unterteilt werden. Eine dieser Dialektgruppen ist das Kleverländische und dazu gehört der Venloer Dialekt. In der Abbildung wird mit G der Kleverländische Dialekt angezeigt. Was die Linien für die Merkmale des Venloer Dialekts bedeuten, wird in Kapitel 3.1 beschrieben. Abbildung 1: Geografische Einordnung des Venloer Dialekts (vgl. Heeringa 2007:6) Barbour und Stevenson (1998:83) zeigen eine Karte, in der die verschiedenen Dialektgrenzen Deutschlands eingezeichnet sind. In Abbildung 2 ist diese Karte zu sehen, das Kölner Gebiet wird mit einem Pfeil angezeigt. Das Hauptdialektgebiet, in dem Köln sich befindet, ist das 6 westmitteldeutsche. Westmitteldeutsch kann weiter im Mittelfränkisch und Rheinfränkisch eingeteilt werden. Ferner befindet Köln sich im Nordwesten des Mittelfränkischen und gehört damit zum Ripuarischen (vgl. Barbour und Stevenson 1998:95). Abbildung 2: Dialektgebiete Deutschlands (vgl. Barbour und Stevenson 1998:83) 1.2 Erste und zweite Lautverschiebung Deutsch und Niederländisch gehören beide zu den germanischen Sprachen und haben beide die 1. Lautverschiebung mitgemacht. Laut Barbour und Stevenson (1998:29) haben sich die germanischen Sprachen hiermit von den proto-indoeuropäischen Sprachen unterschieden. Diese Veränderungen ist Tabelle 1 zu entnehmen. In der Tabelle sieht man zum Beispiel, dass sich /k/ zu /h/ verändert hat. Das lateinische canis hat sich hier zum Beispiel auf Deutsch zu Hund und auf Niederländisch zu hond verändert. Tabelle 1: Die 1. Lautverschiebung (vgl. Barbour und Stevenson 1998:29) Laut Barbour und Stevenson (1998:37) hat die 2. Lautverschiebung sich um das Jahr 500 7 vollzogen. Diese unterscheidet die westgermanischen Sprachen vom Hochdeutschen. Diese Veränderungen sind in Tabelle 2 dargestellt. In der Tabelle sieht man zum Beispiel, dass /p/ sich zu /pf/ verändert hat. Der westgermanische appel hat sich hier zum Beispiel zu Apfel verändert. Im Standardniederländischen ist es noch immer appel. Tabelle 2: Die 2. Lautverschiebung (vgl. Barbour und Stevenson 1998:37) Durch die zweite Lautverschiebung haben sich die niederdeutschen Mundarten von den mitteldeutschen abgespalten. Diese Unterscheidung kann mit der Benrather Linie gezeigt werden und verläuft von Ost nach West. In Abbildung 3 wird diese Benrather Linie gezeigt: In der Abbildung ist diese Linie gelb markiert. (vgl. Barbour und Stevenson 1998:85) Wie man in der Abbildung sehen kann, hat die 2. Lautverschiebung in Köln nicht ganz stattgefunden: /p/ hat sich zum Beispiel nicht zu /f, pf/ verändert und /t/ hat sich in dat nicht zu /s/ verändert. Abbildung 3: Realisierung der 2. (hochdeutschen) Lautverschiebung (vgl. Barbour und Stevenson 1998:86) 8 1.3 Isoglosse und Rheinischer Fächer Im westmitteldeutschen Dialektgebiet, also auch in dem Gebiet, in dem Köln sich befindet, bildet sich der sogenannte Rheinische Fächer. Dieses Phänomen zeigt laut Barbour und Stevenson (1998:95) „…ein von Merkmalen der 2. Lautverschiebung hergeleitetes Isoglossenbündel“. Der Rheinische Fächer befindet sich zwischen Wuppertal und Kassel und ist eine Isoglosse, die fächerförmig auseinanderläuft (ebd.). Laut Barbour und Stevenson (1998:315) ist eine Isoglosse eine Linie, „…die die geographische Grenze des Gebrauchs eines bestimmten sprachlichen Merkmals indiziert.“ Die Panninger Linie, Panninger Seitenlinie und Uerdinger Linie sind also solche Linien, die den Venloer Dialekt von anderen Dialekten abgrenzen. Das Kölsch wird durch die Benrather Linie und die Bacharaher Linie von anderen Dialekten abgegrenzt. In Kapitel 4.2 wird beschrieben, was der Rheinische Fächer für den Venloer Dialekt und das Kölsch bedeutet hat. Anhand einer Abbildung wird gezeigt, welche Linien zum Rheinischen Fächer gehören. 9 2. Das Kölsch Herrwegen-Tilling beschreibt die Tatsache, dass das Kölsch eine Mundart ist, wie folgt: „…eine lebendige, gesprochene Sprache, die – wie jede gesprochene Sprache – ständigen Veränderungen unterliegt.“ (Herwegen-Tiling 2002:5) So wie schon im ersten Kapitel beschrieben wurde, gehört das Kölsch zur Ripuarischen Dialektgruppe, die sich wieder im mittelfränkischen Dialektgebiet befindet. Das Ripuarische und damit auch das Kölsch befindet sich laut Venema (1997:12) südlich der Benrather Linie und nördlich der Bacharaher Linie. 2.1 Die Merkmale In diesem Kapitel werden die Dialektmerkmale des Kölsch beschrieben. Zunächst wird beschrieben, inwiefern Kölsch sich vom Standarddeutsch unterscheidet. Danach werden die Dialektmerkmale beschrieben, die für die Analyse relevant sind. Kölsch wird also südlich der Benrather Linie und nördlich der Bacharacher Linie gesprochen. Aber was bedeuten diese Linien für die Sprache und inwiefern unterscheidet das Kölsch sich vom Standarddeutschen? Als erstes Merkmal kann laut Henne, Sitta und Wiegand (1990:461) die Bacharacher Linie beschrieben werden. Das bedeutet, dass die Kölner dat statt das im Standarddeutschen sagen. Das zweite Merkmal ist, dass die Benrather Linie maken und machen scheidet. In Köln sagt man laut den Autoren machen. Aufgrund der Benrather Linie unterscheidet sich Kölsch also nicht vom Standarddeutschen. Dieses Merkmal wird daher auch nicht für die Analyse verwendet. Die Tatsache, dass die Kölner dat statt das sagen, kann hingegen für die Analyse verwendet werden. Bhatt und Lindlar (1998:33) beschreiben, dass das /s/ im Standarddeutschen in drei verschiedenen Wörtern im Kölschen ein /t/ ist: nämlich in dat, aber auch in wat (auf Deutsch: was) und et (auf Deutsch: es). Dies wird als eines der Merkmale in der Analyse verwendet. Ein weiteres Merkmal, das mithilfe von Karnevalsliedern untersucht wird, ist die Aussprache von [j] statt eines [g]. Bhatt und Lindlar (1998:33) beschreiben, dass das im Silbenanlaut gesprochene [g] des Standarddeutschen im Kölschen zu [j] wird. Die Kölner sagen zum Beispiel Morje statt des Standarddeutschen Morgen und janz statt ganz. Ein weiteres Merkmal, das sich auf die Aussprache bezieht, ist die Verwendung von /v/ statt /b/. Bhatt und Lindlar (1998:33) beschreiben, dass die Wörter, die im Standarddeutschen ein [b] haben, in der kölschen Variante ein [v] haben. Statt aber sagen die Sprecher des Kölschen zum Beispiel aver. Insgesamt gibt es also drei Merkmale, 10 die sich auf einzelne Buchstaben beziehen: /t/ statt /s/ in wat, dat und et, /v/ statt /b/ und /j/ statt /g/. Bhatt und Lindlar (1998:33) beschreiben, dass Wörter die auf -en enden, im Kölschen das [n] verlieren. Bei Infinitiven gibt es auch meistens die Endung -en, zum Beispiel in arbeiten, laufen und machen. Im Kölschen wird dieses [n] also nicht verwendet und im Standarddeutschen wohl. Bei diesem Merkmal werden in dieser Arbeit nur die Infinitive berücksichtigt, nicht jedoch weitere Wörter, die auf -en enden. Im Kölschen heißt der Infinitiv dann zum Beispiel arbeite, laufe und mache. Ein weiterer Aspekt ist, dass im Kölschen die Artikel und Adjektive anders gebildet werden als im Standarddeutschen. Laut Tiling und Herrwegen (2002:141) gibt es zwei Arten von Artikeln: den bestimmten und den unbestimmten Artikel. Im Kölschen gibt es im Gegensatz zum Standarddeutschen zwei unterschiedliche Arten von bestimmten Artikeln: den unbetonten (der, de, et) und den betonten (dä, die, dat). Die unbestimmten Artikel im Kölschen heißen ene, en und e. In dieser Arbeit wird nur auf die unbetonten bestimmten Artikel und die unbestimmten Artikel eingegangen. Da die betonten bestimmten Artikel vergleichbar sind mit den standarddeutschen Demonstrativpronomen, werden sie in dieser Arbeit nicht behandelt. Im Kölschen bekommen männliche Substantive den Artikel der, weibliche Substantive den Artikel de und sächliche Substantive den Artikel et. In Tabelle 3 sind die bestimmten Artikel schematisch dargestellt. Tabelle 3: Deklinationstabelle der bestimmten Artikel unbetont (vgl. Herrwegen-Tiling 2002:151) Um die Unterschiede zum Standarddeutschen beschreiben zu können, sind die Artikel des Standarddeutschen in Tabelle 4 gezeigt. 11 Tabelle 4: Deklinationstabelle der bestimmten Artikel im Standarddeutschen Herrwegen und Tiling (2002:167) beschreiben, dass das Kölsch keinen Genitiv hat. Die standarddeutschen Ausdrucksweisen meines Freundes Bruders oder der Bruder meines Freundes kennen die Kölner nicht. *der broder minges Fründes geht im Kölschen überhaupt nicht. Statt des Genitivs verwendet man im Kölschen vun + Dativ (dies sieht man auch in Tabelle 3). Der Bruder vun mingem Fründ wäre dann wohl eine Formulierung der Kölner. Zum einen ist der Genitiv im Kölschen also nicht möglich. Zum anderen gibt es keinen Unterschied zwischen den Artikeln im Akkusativ und Nominativ, so wie man auch in den Tabellen sehen kann. Das standarddeutsche ich sehe den Mann würde im Kölschen ich sinn der Mann heißen. Ein nächster Aspekt sind die unbestimmten Artikel im Vergleich zum Standarddeutschen. Tabelle 5 ist eine Tabelle der unbestimmten Artikel im Kölschen. Tabelle 5: Die unbestimmten Artikel im Kölschen (vgl. Herrwegen-Tiling 2002:152) Die Tabelle zeigt hier auch, dass das Kölsch im Gegensatz zum Standarddeutschen keinen Genitiv bildet. Auch hier wird statt des Genitivs vun + Dativ verwendet. Ferner gibt es auch 12 hier keinen Unterschied zwischen dem Nominativ und dem Akkusativ. Der weibliche und der sächliche Artikel unterscheiden sich nicht vom Standarddeutschen, aber der Akkusativ männlich ist im Kölschen nicht einen sondern ene. In Tabelle 6 sind noch einmal die unbestimmten Artikel im Standarddeutschen zu sehen. Tabelle 6: Unbestimmte Artikel im Standarddeutschen Im Kölschen und im Standarddeutschen gibt es in beiden Fällen keinen Plural des unbestimmten Artikels. Auch das Adjektiv wird unterschiedlich dekliniert. Im Kölschen gibt es laut Tiling-Herwegen (2002:193) keine Endung bei Adjektiven, die vor einem weiblichen Substantiv stehen und die auf einen Vokal, einen Diphthong oder auf -d, -l, -m, -n, -ng, -r und -s enden. So würde es zum Beispiel im Kölschen en lang Blus heißen. In Tabelle 7 wird die weitere Deklination des Adjektivs wiedergegeben. Tabelle 7: Deklination des Adjektivs im Kölschen und Standarddeutsch (vgl. Tiling-Herrwegen 2002:193) 13 2.2 Status Bhatt und Lindlar (1998:7) beschreiben, dass es in Köln die meisten Dialektsprecher des Rheinlandes gibt. Weiter beschreiben sie Kölsch als einen sehr lebendigen Dialekt. In Rundfunk und Fernsehen sind manchmal in ganz Deutschland kölsche Lieder zu hören, also nicht nur in Köln selbst. Selbst in den Niederlanden ist das Kölsch im Karneval in den Kneipen zu hören. In Maastricht fängt am 11. November der Karneval an. Hier gibt es dann auch viele Sänger und Bands aus Köln. Brings war zum Beispiel auch öfters in Maastricht. Weiter hat Köln laut Bhatt und Lindlar (1998:17) eine beeindruckende Literatur auf Kölsch. Die Literatur füllt ganze Bibliotheken und wird auf der Bühne und auch im Radio dargeboten. Im Radio werden kölsche Lieder gespielt, gesprochen wird aber auf Standarddeutsch. Im Unterricht und auch im Kindergarten sprechen die Kinder Kölsch miteinander, unterrichtet wird aber auf Standarddeutsch. Es gibt zwar einige Unterrichtsstunden auf Kölsch, aber dabei handelt es sich um die Vermittlung der kölschen Sprache. Kölsch wird also vor allem im Alltag gesprochen, aber zum Beispiel nicht im Parlament (vgl. Bhatt und Lindlar 1998:18). 2.3 Veränderung im Laufe der Jahre Bhatt und Lindlar (1998:34) haben untersucht, inwiefern die Dialektmerkmale des Kölschen stabil sind oder sich wahrscheinlich verändern werden. In Tabelle 8 sind die Ergebnisse ihrer Analyse zu sehen. In der linken Spalte werden die stabilen Dialektmerkmale gezeigt und in der rechten Spalte die labilen Dialektmerkmale (die Merkmale, die sich wahrscheinlich verändern werden, weil sie immer seltener von den Dialektsprechern des Kölschen verwendet werden.) Hinten den Dialektmerkmalen steht, wie viele der untersuchten Sprecher des Kölschen die Dialektmerkmale noch verwenden. Tabelle 8: Stabile und labile Dialektmerkmale im Kölschen (vgl. Bhatt und Lindlar 1998:34) 14 Tabelle 8 zeigt, dass die in dieser Arbeit beschriebene Merkmale teilweise stabil und teilweise labil sind. Die Verwendung von /t/ statt /s/ in den Wörtern dat, wat und et ist ziemlich stabil. Mit 96 % werden diese dialektalen Formen von fast allen Kölschsprechern noch verwendet. Auch die Verwendung von /j/ statt /g/ wird mit 97 % noch von fast allen Kölschsprechern verwendet. In der rechten Spalte stehen die Dialektmerkmale, die wahrscheinlich irgendwann einmal verschwinden. Zum einen wird das /v/ immer mehr so wie im Standarddeutschen ausgesprochen und nicht mehr als /b/. In 71 % der Fälle wird das /b/ statt eines /v/ verwendet. Zum anderen steht auch die N-Tilgung in der Spalte der labilen Dialektmerkmale. In 75 % der Fälle wird dieses Dialektmerkmal immer weniger verwendet. In dieser Arbeit wird aber nicht in allen Wörtern die N-Tilgung untersucht, sondern nur in den Infinitiven. 15 3. Der Venloer Dialekt Laut Alsters et al. (1993:15) liegt Venlo nördlich der Panninger Linie, nördlich der Panninger Seitenlinie und auch nördlich der Uerdinger Linie und gehört zum Kleverländischen: einem Dialekt des Limburgischen in den Niederlanden. Was diese Linien für die Merkmale des Dialekts bedeutet, wird in Kapitel 3.1 beschrieben. 3.1 Die Merkmale In diesem Kapitel werden die Dialektmerkmale des Venloer Dialekts beschrieben. Zum einen wird darauf eingegangen, inwiefern der Dialekt sich vom Standardniederländischen unterscheidet. Zum anderen werden die Dialektmerkmale beschrieben, die für die Analyse relevant sind. Der Venloer Dialekt wird also nördlich der Panninger Linie, der Panninger Seitenlinie und der Uerdinger Linie gesprochen. Aber was bedeuten diese Linien für den Dialekt? Laut Heeringa (2007:7) wird nördlich der Panninger Linie, also auch in Venlo, der /sj/-Ton am Wortanfang nicht so ausgesprochen wie im Rest von Limburg. In Venlo gibt es diesen /sj/-Ton nicht am Wortanfang. Im Rest Limburgs werden Wörter wie springen zum Beispiel als sjpringen und staon (auf Deutsch: stehen) als sjtaon ausgesprochen. In der niederländischen Standardsprache gibt es diesen Ton am Wortanfang ebenfalls nicht. Deshalb unterscheidet sich der Venloer Dialekt in diesem Fall nicht vom Standardniederländischen, dieses Merkmal kann also nicht für die Analyse verwendet werden. Die Panninger Seitenlinie zeigt laut Heeringa (2007:7) die Grenze zwischen Venlo und Tegelen an. Nördlich dieser Grenze wird /sch/ am Wortanfang einfach als /sch/ ([sχ]) und südlich dieser Grenze als /sj/ ([ʃ]) ausgesprochen. In Venlo heißt es dann zum Beispiel school ([sχ]ool) und in Tegelen sjoel ([ʃ]oel). Das /sch/ im Venloer Dialekt ist ähnlich dem [sχ] in der niederländischen Standardsprache. Das /sj/ am Wortanfang in zum Beispiel Tegelen ist dem [ʃ] im Standarddeutschen ähnlicher. Aufgrund dieser Linie gibt es auch keinen Unterschied zwischen dem Standardniederländischen und dem Venloer Dialekt, deshalb wird dieses Merkmal auch nicht für die Analyse verwendet. Nördlich der Uerdinger Linie, also auch in Venlo, wird ik und ouk gesagt. Im Rest von Limburg werden diese Wörter auch unterschiedlich ausgesprochen. In Tegelen heißt es zum Beispiel ich. Dieses Merkmal wird 16 auch nicht für die Analyse verwendet, weil dies der Standardsprache ähnlich ist (vgl. Heeringa 2007:8). Alsters et al. (1993:24) beschreiben die Artikel im Venloer Dialekt. Es gibt im Venloer Dialekt bestimmte (de, d’n, ‘t) und unbestimmte (eine(n), ‘ne(n), ein, ‘n) Artikel. De wird für männliche und weibliche Substantive sowie Substantive im Plural verwendet. D’n wird für männliche Substantive, die mit einem Vokal Diphthong oder den Konsonanten b, d, h oder t anfangen, verwendet. Auch vor Adjektiven, die mit einem b, d, h, t¸ Vokal oder Diphthong anfangen, wird der Artikel zu d’n. Vor sächlichen Substantiven steht der Artikel ‘t. In Tabelle 9 sind diese Artikel anhand eines Beispiels wiedergegeben. Tabelle 9: Bestimmte Artikel im Venloer Dialekt (vgl. Alsters et al. 1993:24) Im Standardniederländischen wird für männliche und weibliche Substantive sowie für den Plural der Artikel de verwendet. Sächliche Substantive haben den Artikel het. In der Standardsprache gibt es keine Ausnahmen, im Venloer Dialekt gibt es hingegen schon Unterschiede. Im Venloer Dialekt gibt es zum Beispiel für manche männliche Substantive den Artikel d’n. In der Standardsprache gibt es nur den Artikel de. 17 In weiterer Folge sollen die unbestimmten Artikel (ein, eine, einen) betrachtet werden. Sie sind in nachstehender Tabelle (Tabelle 10) zu sehen. Tabelle 10: Die unbestimmten Artikel im Venloer Dialekt (vgl. Alsters et al. 1993:24) Im Standardniederländischen steht vor männlichen, weiblichen und sächlichen Substantiven der unbestimmte Artikel een. Auch hier gibt es keine Ausnahmen. Im Venloer Dialekt gibt es nicht nur eine Form des unbestimmten Artikels. Das zweite Merkmal, das für die Analyse verwendet wird und damit typisch für den Venloer Dialekt ist, ist die Deklination des Adjektivs (vgl. Bakkes 2002:51). Im Vergleich zu den anderen Dialekten in Limburg fällt auf, dass der Venloer Dialekt die Deklination des Adjektivs vom Niederländischen übernommen hat: Adjektive vor Substantiven enden mit einem e, außer bei een für ein sächliches Substantiv (z. B. ein klein kind). Andere Dialekte in Limburg verwenden noch ihre ‚eigene‘ Deklination, aber der Venloer Dialekt verwendet die Deklination aus dem Niederländischen (vgl. Bakkes 2002:51). Um diese Unterschiede zu den anderen Dialekten des Limburgischen und die Ähnlichkeiten mit dem Niederländischen zu zeigen, nennt Bakkes einige Beispiele. Diese sind in Tabelle 11 zu finden. 18 Tabelle 11: Deklination des Adjektivs (vgl. Bakkes 2002:51) In der Analyse wird untersucht, ob die Sänger die Deklination nur wie im Niederländischen verwenden oder auch wie im Limburgischen. Ein weiteres Merkmal ist der Schleif- und Stoßton. Dies wird auch in Kapitel 4.1 erklärt, in dem die Ähnlichkeiten der beiden Dialekte besprochen werden. Auch die Possessivpronomen sind unterschiedlich zu den Possessivpronomen im Standardniederländischen. In Tabelle 12 stehen die Possessivpronomen des Venloer Dialekts, des Standardniederländischen und des Standarddeutschen, um die Unterschiede zu verdeutlichen. Tabelle 11: die Possessivpronomen im Venloer Dialekt, Standardniederländischen und Standarddeutsch (vgl. Alsters et al. 1993:33) 19 Im Standardniederländischen gibt es die Wörter dat, het und wat. Im Venloer Dialekt heißen diese Wörter det, ‚t und waat. Da diese Wörter im Kölschen ebenfalls untersucht werden, werden sie im Venloer Dialekt auch in den Karnevalsliedern untersucht. Für den Venloer Dialekt gibt es ferner eine Liste, in der Wörter stehen, die langsam aus dem Dialekt verschwinden werden, weil sie immer weniger verwendet werden. Zwijnenberg (1982) hat diese Liste erstellt, in der diese ‚verschwindenden Wörter‘ stehen. In der Liste steht auch das Wort aevel, das in der Einleitung bereits beschrieben wurde. Aevel wird auch laut Zwijnenberg (1982:7) immer weniger von den Dialektsprechern verwendet. Dieses Wort wird immer mehr durch das niederländische maar ersetzt (auf Deutsch: aber). 3.2 Status Bakkes (2002:22) beschreibt eine klare Grenze zwischen der Verwendung des limburgischen Dialekts und der Verwendung der niederländischen Sprache von den Dialektsprechern des Venloer Dialekts. Im Kindergarten, auf der Grundschule und auf den weiterführenden Schulen sprechen die Sprecher des Venloer Dialekts vor allem Niederländisch. Mit den Dozenten wird immer Niederländisch gesprochen, jedoch nicht mit den anderen Schülern. Schüler, die beide Dialekte sprechen, verwenden immer den Dialekt, jedoch nicht, wenn der Dozent eine Aufgabe gibt, in der die niederländische Sprache gesprochen werden soll. Nur manchmal in der Zeit des Karnevals gibt es einige Lieder im Venloer Dialekt, die im Unterricht verwendet werden. Auf der Straße und zum Beispiel auch in den Geschäften und Supermärkten wird vor allem der Dialekt verwendet. In Limburg und auch in Venlo wird bei lokalen Fernsehsendern und im Radio vor allem Niederländisch gesprochen. Omroep Venlo ist der lokale Fernseh- und Radiosender von Venlo. Auch hier wird vor allem Niederländisch gesprochen, nur in einigen Werbesendungen ist der Dialekt zu hören. Laut Wolfs (2006) wird im Parlament vor allem Niederländisch gesprochen. Es gibt einige Ausnahmen, zum Beispiel Komplimente, die Sprecher manchmal im Dialekt aussprechen (vgl. Wolfs 2006:17). 3.3 Ansehen Das Ansehen der Dialekte in Limburg ist hoch, dies gilt auch für den Venloer Dialekt. Bakkes (2002:20-21) erwähnt drei Gründe, warum die Dialekte ein hohes Ansehen genießen. Erstens nennt er die Tatsache, dass zum Beispiel Kneipen oder Restaurants Dialektnamen tragen. In Venlo gibt es folgende Kneipen, deren Namen im Dialekt geschrieben sind: Baer de Woers, 20 de Klep, in den dorstigen Haen, de Stein, Café de Paerdskoel und Kefee d’n Hertog van Gelder. Ferner schreibt er, dass ein Dialekt ein hohes Ansehen hat, wenn Straßennamen im Dialekt geschrieben werden. Leider gibt es in Venlo keine Straßennamen, die im Dialekt geschrieben sind, hier ist das hohe Ansehen also nicht zu merken Zweitens meint der Autor, dass die Dialekte in Limburg hohes Ansehen genießen, weil es Organisationen gibt, die sich für den Dialekt einsetzen. Als Beispiel nennt er die Organisation Veldeke. Nach Angaben des Autors gibt es in ganz Europa keine größere Dialektorganisation als Veldeke. Weiter wird in Traueranzeigen auch manchmal der Dialekt verwendet. Jaspaert und Kroon (2006:67) beschreiben im Gegensatz dazu, dass der limburgische Dialekt nicht immer ein hohes Ansehen hat. Meistens wird angenommen, dass Dialektsprecher ein geringes Bildungsniveau haben. Studien haben aber gezeigt, dass diese Annahme nicht stimmt. Jedoch müssen Dialektsprecher den Autoren zufolge öfter eine Klasse wiederholen und haben weniger Erfolg im weiterführenden Unterricht. Aber dies war laut den Autoren die Schuld der Lehrer und es gab keine wirklichen Unterschiede (vgl. Jaspaert und Kroon 2006:67). 3.4 Veränderung im Laufe der Jahre Im Venloer Dialekt sind im Laufe der Jahre einige Veränderungen wahrzunehmen. Bakkes (2002:51) schreibt, dass die Bildung der Adjektive heutzutage ähnlich ist wie im Niederländischen. Das war nach Angaben des Autors jedoch nicht immer der Fall: Bis in die Dreißigerjahre wurden die Adjektive auf die gleiche Weise gebildet wie im Rest von Limburg und waren dem Niederländischen nicht ähnlich. Damals wurden die Adjektive genauso wie beispielsweise in Tegelen gebildet, also ohne Suffix -e. 21 4. Ähnlichkeiten zwischen den beiden Dialekten In diesem Kapitel werden die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Dialekten beschrieben. Ein erster Aspekt ist, dass beide Dialekte im Tonakzentgebiet und im Gebiet des Rheinischen Fächers liegen. 4.1 Tonakzentgebiet Mittelfränkische Dialekte und damit auch das Kölsch zeigen laut Werth mit den Tonakzenten beziehungsweise der Rheinischen Akzentuierung, dass sie Ähnlichkeiten mit dem Limburgischen und damit auch dem Venloer Dialekt haben (vgl. Werth 2011:13). Wiesinger (1970:62) beschreibt zwei Arten der Rheinischen Akzentuierung: Schleif- und Stoßton (auf Niederländisch: ‚sleep- en stoottoon‘). Bakkes (2002:27) beschreibt, dass der Schleifton etwas Typisches für das Limburgische ist und in zwei verschiedenen Situationen zum Tragen kommt. Einerseits vor einer langen Sprechpause: Der Ton sinkt, steigt dann höher an als zu Beginn und sinkt dann wieder ein wenig. Dies passiert in einer Silbe. Andererseits einfach mitten im Satz, also nicht vor einer Pause: Der Ton sinkt kaum. Als Beispiel führt der Autor das Wort bein (auf Deutsch: Bein) an. Bein, ausgesprochen als [bɛin], mit sinkender Intonation ist das Substantiv im Plural und bein, ausgesprochen als [bɛ͡in], mit der Intonation sinkend-steigend-etwas sinkend ist das Substantiv im Singular. Im Kölschen passiert das genauso, auch hier kann sich mit einer Änderung der Intonation der Plural vom Singular eines Substantivs unterscheiden. In der Analyse gehe ich nur auf die Schleif- und Stoßtöne im Venloer Dialekt ein, weil ich diesen Dialekt auch spreche und diese Töne erkennen kann. Für das Kölsch kann ich das leider nicht. 4.2 Rheinischer Fächer Im ersten Kapitel wurde schon kurz erklärt, was der Rheinische Fächer ist. In diesem Kapitel wird beschrieben, dass der Venloer Dialekt und das Kölsch sich beide in diesem Gebiet befinden. Reinsma (2009:60) beschreibt, dass der Übergang vom Deutschen zum Niederländischen in fünf Stadien erfolgt: dem Rheinischen Fächer. In diesem Gebiet wird die zweite Lautverschiebung nur teilweise durchgeführt (vgl. Reinsma 2009:60). Venlo und Köln liegen beide im Gebiet des Rheinischen Fächers. Zum leichteren Verständnis des Rheinischen Fächers folgt unten die Abbildung von Henne, Sitta und Wiegand (1990:461), mit der sich dieses Phänomen ein wenig leichter erklären lässt. 22 Abbildung 4: Erklärung des Rheinischen Fächers (vgl. Henne, Sitta und Wiegand 1990:461) Da es hier um die Merkmale des Venloer Dialekts und des Kölsch geht, wird in der Folge in Bezug auf den Rheinischen Fächer auch nur auf diese beiden Dialekte eingegangen. Venlo liegt nördlich der Uerdinger Linie (Linie 1) und das bedeutet, dass man in Venlo ik statt ich sagt. Köln liegt südlich der Benrather Linie (Linie 2) und nördlich der Bacharaher Linie (Linie 3). Das bedeutet, dass in Köln maken statt machen und Dorp statt Dorf gesagt wird. Hier hat sich das /p/ also nicht zu /f/ verändert. Barbour und Stevenson (1998) beschreiben, dass sich in keinem Fall des Mitteldeutschen „im In- oder Auslaut“ (vgl. Barbour und Stevenson 1998:87) das /p/ zu /pf/ verschoben hat. Im Kölschen ist Appel also Appel geblieben. Was sich schon verschoben hat, ist das /p/ zu /f/ zum Beispiel in hoffen. Im Westmitteldeutschen, dem Gebiet, in dem sich Köln befindet, hat sich laut den Autoren das /p/ am Wortanfang auch nicht zu /pf/ verändert, Perd ist also Perd geblieben (vgl. Barbour und Stevenson 1998:87). In der Abbildung kann man dieses Phänomen auch erkennen, in der Pund zum Kölschen gehört und Pfund zum Beispiel zum Standarddeutschen. 23 5. Methode In diesem Kapitel wird zunächst das Korpus erklärt, das für die Analyse verwendet wird. Zuerst werden die kölschen Karnevalslieder vorgestellt, danach die Karnevalslieder im Venloer Dialekt. Es wird erklärt, wieso die jeweiligen Sänger und Lieder gewählt wurden. Danach wird die Vorgehensweise vorgestellt und erklärt, wie die Lieder analysiert wurden. 5.1 Korpus Für jeden Dialekt wurden zehn Lieder ausgewählt. Von den zehn Liedern auf Kölsch gibt es fünf Lieder, die zwischen 1925 und 1936 erschienen sind, und fünf, die zwischen 2000 und 2007 erschienen sind. Von den zehn Liedern in Venloer Dialekt gibt es fünf Lieder, die zwischen 1936 und 1939 erschienen sind, und fünf Lieder, die zwischen 2008 und 2013 erschienen sind. Die älteren Lieder auf Kölsch wurden von Willi Ostermann gesungen und die neueren Lieder von Brings. Die älteren Lieder im Venloer Dialekt wurden von Baer Winters gesungen und von Harry Verhagen geschrieben, die neueren von Bram und Ruud gesungen und von Frans Pollux geschrieben. Um zu zeigen, welche Lieder genau im Korpus stehen, wurde eine Tabelle für jeweils fünf Lieder erstellt. Es gibt also insgesamt vier Tabellen. Die Tabellen bestehen aus 3 Spalten: In der ersten Spalte steht das Lied, in der zweiten Spalte das Erscheinungsjahr und in der dritten Spalte die Links zum Text des Lieds und ein Link zum tatsächlichen Lied, damit man die Aussprache der Sänger hören kann. Die Texte der kölschen Karnevalslieder stammen von der Website http://www.koelsch-akademie.de/. Auf dieser Website stehen die kölschen Texte sowie jeweils eine Übersetzung ins Standarddeutsche. Das war für die Analyse sehr hilfreich, weil das Kölsch für manchmal unverständlich ist. Auf https://www.youtube.com/ kann man sich die Lieder anhören. Die Texte der Venloer Karnevalslieder stammen von der Website http://www.cvde.nl/index.php und die meisten Lieder finden sich auch auf https://www.youtube.com/. Für die restlichen Lieder wurde eine Langspielplatte zur Hilfe genommen. Auf dieser Langspielplatte sind ganz alte Karnevalslieder aus Venlo zu hören. Die Analyse bezieht sich auf die gesungen Lieder, also nicht auf die schriftliche Form der Lieder, sondern auf die Aussprache der Sänger. Die Texte der Lieder werden nur als Hilfsmittel verwendet, damit im Text auch markiert und gezeigt werden kann, inwiefern die Dialektmerkmale dem Kölschen oder dem Venloer Dialekt ähnlich sind. 24 5.1.1 Kölsche Karnevalslieder Im Korpus der kölschen Karnevalslieder befinden sich zunächst die Lieder von Willi Ostermann, die zwischen 1925 und 1936 erschienen sind. Willi Ostermann hat ganz viele Karnevalslieder in kölscher Mundart geschrieben. Die Lieder, die für das Korpus verwendet wurden, werden alle sehr langsam gesungen, somit kann man die Aussprache des Sängers gut hören. Im Korpus finden sich die in Tabelle 13 aufgelisteten Lieder: Lied Erscheinungs- Links jahr Kölsche Mädcher 1925 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=1115&lied=b%FCtz1e%20&interpret=&tex künne bütze ter=ostermann&album=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suchen =suchen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=Us9jmtgFsRg Och wat 1930 Text: http://www.koelsch- wor dat fröher akademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=1014&lied=och%20wat%20wor&interpret= schon doch en &texter=ostermann&album=&verlag=&kategorie=0&seite=0&erw=&erscheinungsjahr=&s uchen=suchen Colonia Die Höhnerfarm Lied: https://www.youtube.com/watch?v=8kbT4OBpK7c 1930 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=1046&lied=zilla&interpret=&texter=&albu vum Zilla! m=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suchen=suchen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=wMOAtKOqHRg Die Mösch 1931 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=1051&lied=die%20m%F6sch&interpret=&t exter=&album=&verlag=&kategorie=0&seite=0&erw=&erscheinungsjahr=&suchen=suche n Lied: https://www.youtube.com/watch?v=Tmc92jVEUAE Heimweh nach Köln 1936 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=1005&lied=heimweh%20nach%20k%F6ln &interpret=&texter=&album=&verlag=&kategorie=0&seite=0&erw=&erscheinungsjahr= &suchen=suchen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=ECZ7-V5G0AI Tabelle 13: Lieder von Willi Ostermann (1925-1936) Für die späteren Jahre wurden Lieder von Brings verwendet, die zwischen 2000 und 2007 erschienen sind. Brings ist eine sehr bekannte Band, die in kölscher Mundart singt. Selbst in den Niederlanden ist Brings bekannt, zum Beispiel das Lied superjeilezick. Es wird im Karneval auch öfters in der Venloer Innenstadt gespielt. Da diese Lieder für die Sprecher des 25 Venloer Dialekts ziemlich bekannt sind, wurden diese Lieder, aufgelistet in Tabelle 14, für das Korpus verwendet. Lied Erscheinungs- Links jahr Alles kütt zoröck 2000 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=564&lied=alles%20k%FCtt%20&interpret= &texter=brings&album=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suche n=suchen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=Lo9FdLK8p9M Superjeilezick 2000 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=643&lied=superjeilezick&interpret=&texter =brings&album=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suchen=suche n Lied: https://www.youtube.com/watch?v=0mQAw-23kiI Su lang mer noch am Levve sin 2004 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=641&lied=su%20lang%20mer&interpret=& texter=brings&album=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suchen= suchen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=JrSVVFHMU4g Alle Mann 2005 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=641&lied=su%20lang%20mer&interpret=& texter=brings&album=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suchen= suchen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=N1aFr4MKHgY Kumm met 2007 Text: http://www.koelschakademie.de/liederserver/index.php?inc=0&id=604&lied=komm%20mit&interpret=&texter =brings&album=&verlag=&kategorie=0&seite=&erw=&erscheinungsjahr=&suchen=suche n Lied: https://www.youtube.com/watch?v=mnX_EfS5H3M Tabelle 14: Lieder von Brings (2000-2007) 5.1.2 Venloer Karnevalslieder Im Korpus der Venloer Karnevalslieder befinden sich zunächst Lieder, die von Harry Verhagen geschrieben und von Baer Winters gesungen werden. Die Lieder sind zwischen 1925 und 1939 erschienen. Diese Lieder wurden gewählt, weil diese Lieder die ältesten Lieder des Venloer Karnevals sind. Ältere Lieder gibt es in Venlo nicht. Diese Lieder werden noch heute im Karneval in Venlo gespielt und deshalb werden sie für das Korpus verwendet. Die Lieder sind in Tabelle 15 aufgelistet. 26 Lied Erscheinungs- Links jahr Elf van Elf 1936 Text: http://cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_e.html Lied: Langspielplatte „Venlo mien ald“ Och An, Och An 1937 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_n-o.html#Och_An,_och_An Lied: Langspielplatte „Venlo mien ald“ De Kopere 1937 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_d1.html#De_kopere Lied: Langspielplatte „Venlo mien ald“ D’n Hoonderstal 1938 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_d3.html#Dn_hoonderstal Lied: Langspielplatte „Venlo mien ald“ Vrouw Jansse 1939 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_v2.html#Vrouw_Jansse Lied: Langspielplatte „Venlo mien ald“ Tabelle 15: Lieder von Harry Verhagen und Baer Winters (1936-1939) Für die Lieder aus den späteren Jahren wurden Lieder verwendet, die von Frans Pollux geschrieben und von Bram und Ruud gesungen werden. Frans Pollux ist in Venlo sehr bekannt als Sänger und Dichter. Er ist Sänger der Band neet oét Lottum und hat sehr viele Karnevalslieder geschrieben, was er auch noch immer macht. Bram und Ruud sind ebenfalls sehr bekannt in Venlo. Im Karneval 2014 war Ruud Karnevalsprinz und Bram sein Adjutant in Venlo. Zwischen 2008 und 2013 haben die Sänger Bram und Ruud mehrere Male am LVK (Limburgs Vastelaovesleedjes Konkoer) teilgenommen. Der LVK kann mit dem Eurovision Song Contest verglichen werden, jedoch nur für die Provinz Limburg in den Niederlanden. Es wurden fünf von Frans Pollux geschriebene und von Bram und Ruud zwischen 2008 und 2013 gesungene Lieder ausgewählt, weil diese Lieder immer im Karneval gespielt werden. In Tabelle 16 sind sie aufgelistet. Lied Erscheinungs- Links jahr ‚t Optochleed 2008 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_n-o.html#Optoch_leed Lied: https://www.youtube.com/watch?v=bLv9sadng9M De kriebels 2008 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_d1.html#De_kriebels_ Lied: https://www.youtube.com/watch?v=ON1JWtDtmQM Hallekiedallekiedeej 2009 Meneer de Pliesie 2011 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_h.html#Hallekiedallekiedeej Lied: https://www.youtube.com/watch?v=eZP12qQKhEk Text: http://www.limburgzingt.nl/venlo-mn.htm Lied: https://www.youtube.com/watch?v=4hpZO7VOijQ 33 daag 2013 Text: http://www.cvde.nl/jocus/leedjes-teksten/venlo_d1.html#33_Daag Lied: https://www.youtube.com/watch?v=wXVKaW_SMLg Tabelle 16: Lieder von Frans Pollux und Bram und Ruud (2008-2013) 27 5.2 Vorgehensweise Zuerst werden in diesem Unterkapitel die Dialektmerkmale der beiden Dialekte, die für die Analyse wichtig sind, kurz wiederholt. Danach wird erklärt, wie die Tabellen aussehen, in denen die Ergebnisse der Analyse stehen. 5.2.1 Markieren der Dialektmerkmale Für das Kölsch und den Venloer Dialekt wurden im Theorieteil jeweils sechs Dialektmerkmale beschrieben, die in der Analyse untersucht werden. In Abbildung 5 sind die Merkmale des Kölsch aufgelistet und in Abbildung 6 die Merkmale des Venloer Dialekts. In den Abbildungen sind auch Farben zu sehen. Mit diesen Farben wurden in den Liedern, die im Korpus stehen, die unterschiedlichen Dialektmerkmale markiert. 1. Verwendung bestimmter und unbestimmter Artikel 2. Deklination des Adjektivs 3. /v/ statt /b/ 4. /t/ statt /s/ (dat, et, wat) 5. /j/ statt /g/ 6. Tilgung der Endung -n Abbildung 5: Dialektmerkmale des Kölsch und farbliche Markierungen 1. Artikel 2. Deklination des Adjektivs 3. Schleif- und Stoßton 4. Possessivpronomen 5. ‚Verschwindende‘ Wörter 6. Det, `t und waat Abbildung 6: Dialektmerkmale des Venloer Dialekts und farbliche Markierungen 28 5.2.2 Erklärung der Tabellen Die Ergebnisse werden in dem der Analyse gewidmeten Kapitel mithilfe einer Tabelle präsentiert. Für das Kölsch gibt es zwei Tabellen: eine Tabelle mit den Ergebnissen der Lieder von Willi Ostermann und eine Tabelle mit den Ergebnissen der Lieder von Brings. Auch für den Venloer Dialekt gibt es zwei Tabellen: eine Tabelle mit den Ergebnissen der Lieder von Harry Verhagen und Baer Winters und eine Tabelle mit den Ergebnissen der Lieder von Frans Pollux und Bram und Ruud. Abbildung 7 zeigt, wie die einzelnen Tabellen aussehen sollen. Lied Lieder Dialektmerkmale Kölsch Standard- Gesamtergebnis Übriges Kölsch deutsch Dialektmerkmal … … Standard- Übriges deutsch … … Abbildung 7: Gliederung der Tabellen Ganz oben in den Tabellen stehen zuerst die Karnevalslieder und in der letzten Spalte die Gesamtheit der Ergebnisse. Die Ergebnisse werden unterteilt in Kölsch, Standarddeutsch und Übriges. Wird das Dialektmerkmal so wie im Kölschen verwendet, kommt es zum Beispiel in die Spalte Kölsch (K). Wird es wie im Standarddeutschen verwendet, kommt es in die Spalte Standarddeutsch (SD). Wird es nicht wie im Dialekt und nicht wie in der Standardsprache verwendet, kommt es in die Spalte Übriges (Ü). Das kann zum Beispiel passieren, wenn sich etwas im Lied besser anhört, wenn es nicht wie im Dialekt oder in der Standardsprache verwendet wird. In der linken Spalte stehen die Dialektmerkmale, die verwendet wurden. 29 6. Die Analyse Die Hauptfrage dieser Arbeit lautet: Wie hat sich der Kölner und Venloer Dialekt in den Karnevalsliedern verändert? Mithilfe von folgenden Teilfragen wird die Hauptfrage beantworten: 1. Welche Merkmalen sind in den Karnevalsliedern von Venlo und Köln zu erkennen? 2. Gibt es Unterschiede zwischen den alten und den neuen Liedern? Begonnen wird mit den Ergebnissen der kölschen Karnevalslieder, zunächst werden die Ergebnisse von Willi Ostermann und danach die Ergebnisse von Brings gezeigt. Danach werden die Ergebnisse der Venloer Karnevalslieder präsentiert, zunächst die Lieder, die von Harry Verhagen geschrieben und von Baer Winters gesungen wurden, und danach die Lieder, die von Frans Pollux geschrieben und von Bram und Ruud gesungen wurden. 6.1 Ergebnisse Kölsch 6.1.1 Ergebnisse Willi Ostermann In Tabelle 17 sind die Ergebnisse der Lieder von Willi Ostermann zu sehen. Tabelle 17: Ergebnisse Willi Ostermann Wie der Tabelle zu entnehmen ist, kommt jedes beschriebene Dialektmerkmal in den Liedern von Willi Ostermann vor. Die bestimmten und unbestimmten Artikel kommen mit 53 Mal am häufigsten in den Liedern vor. Insgesamt gibt es 48 kölsche bestimmte und unbestimmte Artikel, 4 Artikel, die wie im Standarddeutschen gebraucht werden, und einer gehört zum Übrigen. In Beispiel 1 a bis c sind Beispiele aufgelistet, wie die Artikel im Kölschen gebildet werden: 30 (1) a. han se d´r Kopp voll jecke Tön (auf Deutsch: haben sie den Kopf voll verrückter Töne) b. wenn d’r Pitter Ärm en Ärm (auf Deutsch: wenn Peter Arm in Arm) c. En Mösch es nit ängslich (auf Deutsch: ein Spatz ist nicht ängstlich) Beispiel 1 a zeigt, dass der Nominativ und der Akkusativ im Kölschen gleich gebildet werden und deshalb Kopp mit dem Artikel d’r gebildet wird. Beispiel 1 b zeigt, dass im Kölschen bei Namen immer ein unbetonter bestimmter Artikel steht. Im Standarddeutschen ist dies nicht der Fall, es gibt keinen Artikel vor einem Namen. Beispiel 1 c zeigt, dass im Kölschen ein weibliches Substantiv en als unbestimmten Artikel bekommt. Im Unterschied zum Standarddeutschen ist im Kölsch Mösch nämlich ein weibliches Substantiv, wohingegen im Standarddeutschen Spatz ein männliches Substantiv ist. In Beispiel 2 findet sich ein Beispiel für einen Artikel wie im Standarddeutschen. (2) me’m Nies (auf Deutsch: mit Agnes) Würde Beispiel 2 von Willi Ostermann so ausgesprochen werden, wie es im Beispiel steht, dann würde es so wie im Kölschen gebildet, aber das ist hier nicht der Fall. Willi Ostermann singt nicht me’m, sondern mit Nies. Im Text des Liedes steht dieses me’m zwar, aber da Willi Ostermann es nicht so ausspricht, ist me’m durchgestrichen. Da Nies ein Name ist, würde es im Kölschen mit dä Nies heißen. Ohne Artikel wird es so wie im Standarddeutschen gebildet. Beispiel 3 zeigt, dass Willi Ostermann de Kopp sagt. Das würde heißen, dass Kopp ein weibliches Substantiv ist, aber das stimmt nicht. Im Kölschen würde es d’r Kopp und im Standarddeutschen den Kopf heißen. Deshalb gehört dieses Beispiel zur Kategorie Übriges. (3) schüddelt mer de Kopp (auf Deutsch: schüttelt man den Kopf) Bei der Deklination des Adjektivs hat der Sänger auch manchmal wie im Standarddeutschen dekliniert. Bei diesem Dialektmerkmal dekliniert er das Adjektiv 19 Mal so wie im Kölschen und 4 Mal wie im Standarddeutschen. In Beispiel 4 a und b werden Beispiele genannt, wie das Adjektiv im Kölschen gebildet wird. 31 (4) a. Däm Zilla singe allerneuste Schwarm (auf Deutsch: Cäcilias allerneuster Schwarm) b. met gebrannte Mandele (auf Deutsch: mit gebrannten Mandeln) Beispiel 4 a zeigt, dass ein Adjektiv vor einem männlichen Substantiv die Endung -e hat. Beispiel 4 b zeigt, dass ein Adjektiv vor einem Substantiv in Plural auch die Endung -e hat. Beispiel 5 zeigt, dass Willi Ostermann auch das Adjektiv so wie im Standarddeutschen gebildet hat. Das Adjektiv bekommt im Kölschen keine Endung vor den weiblichen Substantiven, wenn das Adjektiv auf -r endet. Willi Ostermann sagt en wahre Staat und deshalb wird das Adjektiv nicht so wie im Kölschen, sondern so wie im Standarddeutschen gebildet. (5) en wahre Staat.(auf Deutsch: der wahre Staat) Willi Ostermann spricht 28 Mal ein /j/ statt eines /g/ aus und 22 Mal spricht er das /g/ so wie im Standarddeutschen aus. In Beispiel 6 sind einige Beispiele aufgelistet, in denen Ostermann ein /j/ statt eines /g/ ausspricht. In Beispiel 7 finden sich einige Beispiele, in denen Ostermann das /g/ so wie im Standarddeutschen ausspricht. (6) a. bütze vielleicht genau su got (auf Deutsch: küssen vielleicht genauso gut) b. wo kritt die Mösch su got un fett gekoch (auf Deutsch: wo bekommt der Spatz so gut und fett gekocht) (7) a. Des MorGens schon en aller Fröh (auf Deutsch: des Morgens schon in aller Früh) b. die sin immer Grad eruus (auf Deutsch: die sind immer gerade heraus) Weiter spricht Willi Ostermann 8 Mal ein /b/ statt eines /v/ aus (so wie im Kölschen) und 3 Mal macht er dies nicht (so wie im Standarddeutschen). 43 Mal wird dat, wat und et so wie im Kölschen ausgesprochen. Diese Wörter spricht er immer so wie im Kölschen aus. 29 Mal lässt er bei der Aussprache die Endung -n weg und 6 Mal macht er das nicht. 32 6.1.2 Ergebnisse Brings In Tabelle 18 werden die Ergebnisse der Lieder von Brings gezeigt. Tabelle 18: Ergebnisse Brings Wie man in der Tabelle sehen kann, kommt jedes beschriebene Dialektmerkmal in den Liedern von Brings vor. Am häufigsten wird die Endung -n von den Sängern getilgt: insgesamt 43 Mal. In Beispiel 8 a bis c sind einige Beispiele aufgelistet, in denen die Endung -n auch tatsächlich getilgt wird. Beispiel 9 zeigt, dass Brings auch ein Mal die Endung -n nicht weggelassen hat, so wie es im Standarddeutschen sein sollte. Hier singen die Sänger schneien statt schneie. (8) a. dann maache mer se blau (auf Deutsch: dann machen wir sie blau) b. un läge eine drop (auf Deutsch: und legen einen drauf) c. mer bieße nit, mer belle (auf Deutsch: wir beißen nicht, wir bellen) (9) do fängt et an ze schneie (au fDeutsch: dort fängt es an zu schneien) Die Sänger haben das /b/ immer als /v/ ausgesprochen, wie im Kölschen, und machen dies auch immer in den Liedern. Beispiel 10 zeigt, dass sie dieses Merkmal konsequent verwenden. Leben wird hier als Levve und über als üvver ausgesprochen. (10) durch et Levve zu jon. Mer singe üvver Saache (auf Deutsch: durch das Leben zu gehen. Wir singen über Sachen) Auch bei der Verwendung eines /t/ statt eines /s/ in wat, dat und et ist Brings konsequent. Dies passiert 37 Mal in den Liedern, und auch das /s/ wird immer als ein /t/ ausgesprochen, so 33 wie es im Kölschen auch passieren soll. Beispiel 11 zeigt dieses Dialektmerkmal im Kölschen. (11) Nä, wat wor dat dann fröher (auf Deutsch: nein, was war das doch früher) Weiter wurden die Artikel 28 Mal so wie im Kölschen und 2 Mal so wie im Standarddeutschen gebildet. Die Adjektive wurden 4 Mal so wie im Kölschen und 2 Mal so wie im Standarddeutschen dekliniert. Die Aussprache von /j/ statt /g/ wurde 39 Mal realisiert und 5 Mal wurde dieses /g/ wie im Standarddeutschen ausgesprochen. 6.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse In Tabelle 19 werden die Ergebnisse der beiden Sänger zusammengefasst. Tabelle 19: Zusammenfassung der Ergebnisse Wie man in der Tabelle sehen kann, gibt es große Unterschiede in der Häufigkeit der Dialektmerkmale. In den Liedern von Willi Ostermann kommen zum Beispiel 21 Mal Adjektive vor und in den Liedern von Brings nur 6 Mal. Dahingegen kommen in den Liedern von Brings viel häufiger Wörter vor, die mit einem /b/ statt einem /v/ ausgesprochen werden. In den Liedern von Willi Ostermann kommt dieses Merkmal 8 Mal vor und in den Liedern von Brings 21 Mal. Die Dialektmerkmale werden in allen Liedern häufiger so wie im Kölner Dialekt als wie im Standarddeutschen gebildet beziehungsweise ausgesprochen. In der Spalte Übriges steht bei einigen Dialektmerkmalen eine 1. Bei den Liedern von Willi Ostermann fällt auf, dass das /g/ 22 Mal so wie im Standarddeutschen ausgesprochen wird, also nicht als ein /j/ wie im Kölschen. In den Liedern von Brings passiert dies nur 5 Mal. Anhand der Ergebnisse kann man folgern, dass die zu Beginn dieser Arbeit aufgestellte Hypothese in diesem Fall nicht stimmt. Erwartet wurde, dass in den älteren Liedern die Dialektmerkmale auch wirklich realisiert werden und in den neueren Liedern mehr in Richtung Standardsprache 34 tendiert wird. In den analysierten Liedern tendieren die älteren Lieder bei manchen Dialektmerkmalen mehr in Richtung Standarddeutsch als die neueren Lieder. Das passiert bei den folgenden Merkmalen: Tilgung der Endung -n, /j/ statt /g/ und /b/ statt /v/. 6.2 Ergebnisse Venloer Dialekt 6.2.1 Ergebnisse Harry Verhagen In Tabelle 20 werden die Ergebnisse der Lieder von Harry Verhagen gezeigt. Tabelle 20: Ergebnisse Harry Verhagen Wie man in der Tabelle sehen kann, kommt jedes beschriebene Dialektmerkmal in den Liedern von Harry Verhagen vor. Die Artikel kommen mit 41 Mal am häufigsten in den Liedern vor. Insgesamt gibt es 34 Artikel, die so wie im Venloer Dialekt gebildet werden, und 7 Artikel, die so wie im Standardniederländischen gebildet werden. In Beispiel 12 a bis c sind Beispiele aufgelistet, wie die Artikel im Venloer Dialekt gebildet werden: (12) a. Kump 'ne joeksigen tièd.(auf Deutsch: kommt eine schöne Zeit) b. now ziën we oet den brand (auf Deutsch: jetzt sind wir gerettet) c. Venlo is ennen hoonderstal (auf Deutsch: Venlo ist ein Hühnerstall) Beispiel 12 a zeigt, dass ein männliches Substantiv den unbestimmten Artikel ‘ne bekommt. Beispiel 12 b zeigt, dass ein männliches Substantiv, das mit einem b anfängt, den bestimmten Artikel den bekommt. Beispiel 12 c zeigt, dass ein männliches Substantiv, das mit einem h anfängt, den unbestimmten Artikel ennen bekommt. In Beispiel 13 findet sich ein Beispiel für einen Artikel, wie er im Standardniederländischen 35 gebildet wird. (13) kinder oët de buurt (auf Deutsch: Kinder aus der Gegend) Buurt ist ein männliches Substantiv, das mit einem /b/ anfängt. Eigentlich soll der Artikel im Venloer Dialekt daher den sein. Harry Verhagen sagt hier kein den, sondern de wie im Standardniederländischen. Am zweithäufigsten kommen die Wörter det, ‘t und waat in den Liedern von Harry Verhagen vor. Dieses Merkmal wird 18 Mal wie im Venloer Dialekt ausgesprochen und 4 Mal so wie im Standardniederländischen. In Beispiel 14 a und b werden Beispiele für die Wörter det, ‘t und waat wie im Venloer Dialekt gegeben. Beispiel 15 zeigt, dass waat nicht immer als waat ausgesprochen wird, sondern als wat. In den Liedern von Harry Verhagen gibt es 4 Mal das Wort waat, ebenso wird dieses Wort 4 Mal als wat ausgesprochen. (14) a. Det weite ze jao (auf Deutsch: das wissen sie ja) b. Allein `t kômme (auf Deutsch: nur das Kommen) (15) Vertel ens wat (auf Deutsch: erzähl mal was) Harry Verhagen spricht die ‚verschwindenden Wörter‘ auch so aus wie im Venloer Dialekt. In den Liedern gibt es 10 Mal ein Wort, das Zwijnenburg (1982) zufolge irgendwann einmal verschwinden wird. De Kopere ist ein solches Wort. Heutzutage wird dieses Wort fast nicht mehr verwendet, es wird meistens brandweer (auf Deutsch: Feuerwehr) gesagt. Weiter dekliniert Harry Verhagen die Adjektive 11 Mal wie im Venloer Dialekt und 3 Mal wie im Standardniederländischen. 10 Mal werden die Schleif- und Stoßtöne so ausgesprochen wie im Venloer Dialekt und 16 Mal werden die Possessivpronomen ausgesprochen wie im Venloer Dialekt. Bei diesen letzteren beiden Dialektmerkmalen wurden keine Beispiele für Standardniederländisch gefunden. 36 6.2.2 Ergebnisse Frans Pollux In Tabelle 21 werden die Ergebnisse der Lieder von Frans Pollux gezeigt. Tabelle 21: Ergebnisse Frans Pollux Wie man in der Tabelle sehen kann, kommt jedes beschriebene Dialektmerkmal in den Liedern von Frans Pollux vor. Die Artikel kommen mit 78 Mal am häufigsten in den Liedern vor. Insgesamt gibt es 75 Artikel, die so wie im Venloer Dialekt gebildet werden, und 3 Artikel, die so wie im Standardniederländischen gebildet werden. Die Adjektive werden 23 Mal wie im Venloer Dialekt gebildet und 1 Mal so wie im Standardniederländischen. Beispiel 16 a und b zeigt die Deklination der Adjektive wie im Venloer Dialekt. (16) a. Dit is 't groëte optoch-leed (auf Deutsch: das große Umzugslied) b. de gansen tiéd (auf Deutsch: die ganze Zeit) Beispiel 16 a zeigt, dass Adjektive vor sächlichen Substantiven die Endung -e bekommen. Beispiel 16 b zeigt, dass Adjektive, die vor einem mit t beginnenden männlichen Substantiv stehen, die Endung -en bekommen. In Beispiel 17 wird das Adjektiv wie im Standardniederländischen gebildet. Hier sagt Frans Pollux de ganse tied statt de gansen tied. So wie Beispiel 17 auch zeigt, sollte das Adjektiv vor tied (auf Deutsch: Zeit) auf -en enden. (17) a. ik wil de gansen tiéd (auf Deutsch: ich möchte die ganze Zeit) In den Liedern gibt es 20 Mal die Schleif- und Stoßtöne. Diese werde auch 20 Mal wie im Venloer Dialekt ausgesprochen. In Beispiel 18 gibt es einen solchen Schleif- und Stoßton. Durch die Intonation handelt es sich in diesem Fall um das Plural von daag (auf Deutsch: Tag). Daag wird in Singular und Plural gleich gebildet, aber unterschiedlich ausgesprochen. 37 Es gibt in den Liedern keine Fälle, in denen eigentlich ein Schleif- oder Stoßton stehen sollte, aber nicht steht. (18) Ik heb al 33 daag (auf Deutsch: ich habe schon 33 Tage) Die Possessivpronomen kommen 11 Mal in den Liedern von Frans Pollux vor. 10 Mal werden sie wie im Venloer Dialekt gebildet. In der Spalte Übriges steht 1. Beispiel 19 zeigt ein Possessivpronomen, wie es im Venloer Dialekt gebildet wird. Beispiel 20 zeigt das Possessivpronomen, das nicht wie im Venloer Dialekt und nicht wie im Standardniederländischen gebildet wird, also zur Kategorie Übriges gehört. (19) Ik goëj mien beuk (auf Deutsch: ich werfe meine Bücher) (20) oét ôs neus (auf Deutsch: aus unserer Nase) Beispiel 19 zeigt, dass das Possessivpronomen mien im Venloer Dialekt vor dem Plural keine Endung bekommt. Beispiel (20) wird nicht wie im Venloer Dialekt und nicht wie im Standardniederländischen gebildet. Im Venloer Dialekt würde es ózze neus heißen und im Standardniederländischen onze neus. Vielleicht hat der Sänger ós gewählt, weil sich das besser anhört. Weiter gibt es insgesamt 18 verschwindende Wörter in den Liedern. det, ‘t und waat werden 44 Mal wie im Venloer Dialekt gebildet und zwei Mal wie im Standardniederländischen. 6.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse In Tabelle 22 steht eine Zusammenfassung der Ergebnisse. Dialektmerkmale Artikel Harry Verhagen VD SN Ü 34 7 0 Frans Pollux VD SN 75 3 Ü 0 Deklination des Adjektivs 11 3 0 23 1 0 Schleif- und Stoßton 10 0 0 20 0 0 Possessivpronomen 16 0 0 10 0 1 Verschwindende Wörter 10 0 0 18 0 0 det, ’t und waat 18 4 0 44 2 0 Tabelle 22: Zusammenfassung der Ergebnisse 38 Wie man in der Tabelle sehen kann, gibt es große Unterschiede in der Häufigkeit der Dialektmerkmale. In den Liedern von Frans Pollux kommen zum Beispiel 44 Mal die Wörter det, ‘t oder waat vor und in den Liedern von Harry Verhagen nur 18 Mal. Dahingegen kommen in den Liedern von Harry Verhagen häufiger Possessivpronomen als in den Liedern von Frans Pollux vor. In den Liedern von Harry Verhagen kommen diese Wörter 16 Mal und in den Liedern von Frans Pollux 10 Mal vor. In beiden Fällen werden die Possessivpronomen wie im Venloer Dialekt gebildet. In Bezug auf die Artikel hat Harry Verhagen im Vergleich zu Frans Pollux mehr Pronomen wie im Standardniederländischen gebildet. Harry Verhagen macht das 7 Mal und Frans Pollux 3 Mal. Anhand der Ergebnisse kann man folgern, dass die zu Beginn dieser Arbeit aufgestellte Hypothese in diesem Fall nicht stimmt. Erwartet wurde, dass in den älteren Liedern die Dialektmerkmale auch wirklich realisiert werden und in den neueren Liedern mehr in Richtung Standardsprache tendiert wird. In den analysierten Liedern tendieren die älteren Lieder mehr in Richtung Standarddeutsch als die neueren Lieder. Dies trifft aber nicht auf alle Dialektmerkmale zu. Es handelt sich um die Artikel, die Deklination des Adjektivs und die Wörter det, ‘t und waat. Die anderen Dialektmerkmale werden wie im Venloer Dialekt gebildet. 6.3 Vergleich Kölsch und Venloer Dialekt Um die beiden Dialekte miteinander vergleichen zu können, findet sich in Tabelle 23 eine Zusammenfassung aller Ergebnisse. Dialektmerkmale Bestimmter und unbestimmter Artikel Deklination Adjektiv /b/ statt /v/ /j/ statt /g/ Tilgung Endung – n dat, et, wat Willi Ostermann K SD Ü Brings Dialektmerkmale Frans Pollux Artikel Harry Verhagen V SN Ü D 34 7 0 K SD Ü 48 4 1 28 2 1 19 2 0 4 2 0 Deklination Adjektiv 11 3 8 28 29 3 22 6 0 0 1 21 39 43 0 5 1 0 0 0 10 16 10 0 0 Schleif- Stoßton Possessivpronomen Verschwindende Wörter det, ‚t und waat 43 0 0 37 18 VD SN Ü 75 3 0 0 23 1 0 0 0 0 0 0 0 20 10 18 0 0 0 0 1 0 4 0 44 2 0 Tabelle 23: Vergleich der Ergebnisse 39 In den kölschen und Venloer Liedern kommen alle Dialektmerkmale vor. In allen Liedern kommen insgesamt die Artikel am häufigsten in den Karnevalsliedern vor. In den Liedern von Frans Pollux kommt dieses Merkmal mit 78 Mal am häufigsten vor. Im Venloer Dialekt wird dieses Merkmal am häufigsten von allen Dialektmerkmalen im Standardniederländisch gebildet. In den Liedern von Harry Verhagen passiert dies 7 Mal und in den Liedern von Frans Pollux 3 Mal. In den kölschen Liedern gibt es auch Fälle, in denen die Artikel wie im Standarddeutschen gebildet werden: in den Liedern von Willi Ostermann 4 Mal und in den Liedern von Brings 2 Mal. Im Kölschen hat sich dieses Dialektmerkmal im Vergleich zu den älteren Liedern nicht wirklich verändert. Was die bestimmten und unbestimmten Artikel im Kölschen betrifft, hat sich der Dialekt also nicht verändert. Im Venloer Dialekt gibt es hingegen einige Unterschiede im Laufe der Jahre. In den Liedern von Harry Verhagen werden von den insgesamt 41 verwendeten Artikeln 7 wie im Standardniederländischen gebildet. In den Liedern von Frans Pollux wird der Artikel 3 Mal von den insgesamt 78 Mal wie in der Standardsprache gebildet. Der Venloer Dialekt tendiert in den älteren Liedern im Wesentlichen mehr in Richtung Standardsprache als in den neueren Liedern von Frans Pollux. Was die Deklination der Artikel betrifft, gibt es im Kölschen also keine Veränderung im Laufe der Jahre. Im Venloer Dialekt werden die Artikel in den älteren Liedern häufiger in der Standardsprache gebildet als in den neueren Liedern. Auch bei der Deklination des Adjektivs gibt es einige Unterschiede zwischen den älteren und den neueren Liedern. Im Kölschen tendiert die Deklination der Adjektive in den Liedern von Brings mehr in Richtung Standardsprache als in den Liedern von Willi Ostermann. Im Venloer Dialekt ist dies umgekehrt: Hier tendieren die älteren Lieder mehr in Richtung Standardsprache als die Lieder von Frans Pollux. Willi Ostermann und Brings sprechen beide dat, et und wat wie im Kölschen aus und sagen in den Liedern nie das, es oder was wie im Standarddeutschen. In den Venloer Karnevalsliedern ist dies nicht der Fall, es wird manchmal das Niederländische wat statt des Venloer waat gesagt. Det und ‘t werden im Venloer Dialekt hingegen in den Liedern immer so ausgesprochen. In den kölschen Liedern tendieren beide Sänger also immer in Richtung Aussprache wie im Kölschen und es gibt deshalb auch keine Veränderungen im Laufe der Jahre in Bezug auf die Wörter dat, et und wat. Im Venloer Dialekt ist dies anders. Harry Verhagen singt in seinen Liedern häufiger wat als Frans Pollux. Im Venloer Dialekt sind deshalb Veränderungen im Laufe der Jahre festzustellen, allerdings nur in Bezug auf das Wort waat. Dieses Wort wird in den älteren Liedern häufiger als wat ausgesprochen und deshalb kann man sagen, dass die älteren Lieder mehr in Richtung 40 Standardsprache tendieren als die neueren Lieder. Im Venloer Dialekt sind weiter noch die Schleif- und Stoßtöne, die Possessivpronomen und die verschwindenden Wörter untersucht worden. Diese Merkmale des Venloer Dialekts tendieren in keinem Fall in Richtung Standardsprache und deshalb kann man schlussfolgern, dass sich diese Merkmale im Laufe der Jahre nicht verändert haben. Bei den Possessivpronomen gibt es hingegen eine 1 in der Spalte Übriges, dies hat wahrscheinlich damit zu tun, dass es sich im Lied besser angehört hat. Im Kölschen wurden weiter noch /b/ statt /v/, /j/ statt /g/ und die Tilgung der Endung -n in Infinitiven untersucht. Die Verwendung von /j/ statt /g/ tendiert im Vergleich mit den anderen Dialektmerkmalen am stärksten in Richtung Standardsprache. In den älteren Liedern tendiert diese Aussprache mehr in Richtung Standardsprache als in den neueren Liedern. Die Aussprache eines /b/ statt eines /v/ wird auch in den älteren Liedern mehr wie in der Standardsprache ausgesprochen. Im Vergleich zu den neueren Liedern wird in den älteren Liedern das /v/ häufiger auch als /v/ ausgesprochen. In den Liedern von Brings wird dieses /v/ immer als /b/ ausgesprochen. In Bezug auf dieses Dialektmerkmal tendieren die älteren Lieder stärker in Richtung Standardsprache als die neueren Lieder. Auch das Weglassen der Endung -n in den Infinitiven ist in den Liedern von Willi Ostermann weniger zu hören als in den Liedern von Brings. In Bezug auf dieses Dialektmerkmal tendieren die älteren Lieder stärker in Richtung Standardsprache als die neueren Lieder. In diesen wird die Endung -n in Infinitiven in der Aussprache weggelassen. Schlussfolgernd kann man sagen, dass das Kölsch in den älteren Liedern stärker in Richtung Standardsprache tendiert als in den neueren Liedern. Dies trifft auf folgende Dialektmerkmalen zu: bestimmter und unbestimmter Artikel, Verwendung von /b/ statt /v/ und /j/ statt /g/ und Tilgung der Endung -n in Infinitiven. Bei der Deklination der Adjektive ist es umgekehrt: Hier tendieren die neueren Lieder stärker in Richtung Standardsprache als die älteren Lieder. Im Venloer Dialekt tendieren die älteren Lieder ebenfalls stärker in Richtung Standardsprache als die neueren Lieder. Dies trifft auf folgende Merkmalen zu: Artikel, Deklination der Adjektive und Verwendung von waat statt wat. 41 7. Schlussfolgerung Das Kölsch und der Venloer Dialekt haben einige Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten. Beide Dialekte liegen zum Beispiel im Gebiet des Rheinischen Fächers: das Kölsch als Ripuarischer Dialekt und der Venloer Dialekt als Kleverländisch Dialekt in Limburg, das Kölsch in der Nähe der Benrather Linie und der Baracher Linie, der Venloer Dialekt in der Nähe der Panninger Linie, der Panninger Seitenlinie und der Uerdinger Linie. Darüber hinaus liegen beide Dialekte im Tonakzentgebiet, der sogenannten rheinischen Akzentuierung. In dieser Arbeit wurden die beschriebenen Dialektmerkmale in den Karnevalsliedern untersucht. Die untersuchten Dialektmerkmale des Kölschen sind die Folgenden: Verwendung des bestimmten und unbestimmten Artikels, Deklination des Adjektivs, /b/ statt /v/, /t/ statt /s/, /j/ statt /g/ und die Tilgung der Endung -n in Infinitiven. Die untersuchten Dialektmerkmale des Venloer Dialekts sind die Folgenden: Artikel, Deklination des Adjektivs, Schleif- und Stoßton, Possessivpronomen, ‚verschwindende Wörter‘ und det, ‘t und waat. Nachdem die unterschiedlichen Dialektmerkmale beschrieben worden sind, wurde sie in den Karnevalsliedern untersucht. Für das Kölsch wurden Lieder von Willi Ostermann und Brings verwendet und für den Venloer Dialekt Lieder von Harry Verhagen und Frans Pollux. Willi Ostermanns und Harry Verhagens Lieder gehören zu den älteren Liedern, die Lieder von Brings und Frans Pollux zu den neueren Liedern. Die Hauptfrage dieser Arbeit lautete: Wie haben sich der Kölner und der Venloer Dialekt in den Karnevalsliedern verändert? Mithilfe von folgenden Teilfragen wurde die Hauptfrage beantwortet. 1. Welche Merkmalen sind in den Karnevalsliedern von Venlo und Köln zu erkennen? 2. Gibt es Unterschiede zwischen den alten und den neuen Liedern? Da Kölsch und der Venloer Dialekt immer weniger gesprochen werden, ist davon auszugehen, dass die neueren Lieder auch mehr in Richtung Standardsprache tendieren als die älteren Lieder. Zwischen dem Kölsch und dem Venloer Dialekt gibt es aufgrund der dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothese Unterschiede. Das Kölsch tendiert in den Liedern von Willi Ostermann mehr in Richtung Standardsprache als in den Liedern von Brings. Das passiert bei den folgenden Dialektmerkmalen: Verwendung von bestimmtem und unbestimmtem Artikel, Verwendung von /b/ statt /v/ und /j/ statt /g/ und Tilgung von -n bei 42 Infinitiven. Nur bei der Deklination der Adjektive ist es umgekehrt: Hier tendieren die neueren Lieder im Kölschen mehr in Richtung Standardsprache als die älteren Lieder. Im Venloer Dialekt werden die Artikel, die Deklination der Adjektive und die Verwendung von waat statt wat in den älteren Liedern häufiger wie im Standardniederländischen verwendet als in den neueren Liedern. Gefolgert kann also werden, dass die dieser Arbeit zugrunde liegende Hypothese nur teilweise stimmt. In den kölschen Karnevalsliedern tendieren die meisten Dialektmerkmale in den älteren Liedern mehr in Richtung Standardsprache, nur nicht bei der Deklination der Adjektive. In den Venloer Karnevalsliedern tendieren die älteren Lieder mehr in Richtung Standardsprache als die neueren Lieder. Für die kölschen Karnevalslieder stimmt die Hypothese also nicht, außer bei der Deklination der Adjektive. Für die Venloer Karnevalslieder stimmt die Hypothese nicht, allerdings ist es umgekehrt. 43 8. Korpus 8.1 Kölsche Karnevalslieder 8.1.1 Willi Ostermann Kölsche Mädcher künne bütze (1925) Üvverall, wo mer kütt, hö´t mer saGe: Köllen am Rhing wat bes do schön. Statt de Minsche do küme un klaGe, han se d´r Kopp voll jecke Tön. Ganz besonders fidel, pukkellöstig, sind doch die Mägdelein vom Rhein. Ganz bestemp, wer se kennt, wer se eimol gebütz will keine and´re mehr frei´n. ||: Kölsche Mädcher künne bütze, jo dat es en wahre Staat. Su e Bützche vun ´nem Nützche, Jung dat schmeck wie Appeltaat. :|| Kölsche Mädcher, die dun sich net zeere, die sin immer Grad eruus. Selvsverständlich Geiht alles en Ehre wie se dat Gewennt sin vun zo Huus. Jo die Ööster se wessen et selver, dat se em schnüsele jet loß, un ich weiß su ne Butz off en schlaflose Naach hät manche Jüngling Gekoß. Kölsche Mädcher künne bütze… Fremde Mädcher well ich nit beleidge, and´re, su han ich et Gehoot, deshalb muß ich die Fremde verteidGe, bütze vielleicht genau su got. Jedenfalls kann ich anders nit saGe, maache met jedem och en Wett, wer noh´m Standesamt Geiht mit ´ner rheinischen Maid, weiß ganz bestemp, wat hä hät. Kölsche Mädcher künne bütze… 44 Och wat wor dat fröher schon doch en Colonia (1930) Wat hät doch Köln sing EiGenart verlore wie wor dat Levven he am Rhing so nett Mer is sich selver net mie räch im klore ov mer ne Fimmel oder keine hät dä fremde krom et es doch zo bedoore als aale Kölsche schüddelt mer de Kopp deit mer sich bloß die dänz vun hück beloore stüß einem jeidesmol de Haimat op... Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk, wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk. Met sechs mol zweiunzwanzig bare Penninge, dat wor ene Wocheluhn vun nem Kommis, dä wood verdanz, mer fohlt sich wie de Künninge, de Zech bezahlten meischtendeils et Liss. Die Kavaliere leete mit sich handele, wann mer als Mädche Schleß un Kohldamp hatt, trok hä e Dösche met jebrannte Mandele, die wohte dann jelötsch, bes dat mer satt. Och, wat wor dat fröher schön… Die Höhnerfarm vum Zilla! (1930) En Sölz do steiht en Große Britz un wesst ihr wer dohinger sitz, et Zilla un jit Dag für Dag jetz nur noch op sing Höhner aach. Bei jedem frisch jelahten Ei do freut et sich un deiht ene Schrei. Denn wat jelaht wehd janz eGal es alles Kapital. Däm Zilla singe allerneuste Schwarm, dat es en Sölz sing Höhnerfarm. Met fuffzehn Höhner fing et ahn, op jedes drette kütt enen Hahn. Put put put, kikeriki! 45 Wat well dat Zill noch mieh. Des MorGens schon en aller Fröh, do steiht et Zill em Neglichee am Finster um mäht put, put, put, dat heisch su vill wie kutt, kutt, kutt. Em AuGenbleck dann sin se do. Et zällt se ehz natürlich noh. Un han se naaks im kein jeklaut, et Foder wehd jestraut. Däm Zilla singe allerneuste Schwarm,... Su'n Höhnerfarm, die es nit schlääch, et Zilla küt dobei zorääch. Ald hück et nix zo dunn mieh bruch, et lääv nur vun d'r Höhnerzuch. Vör allem sorg it dat d'r Hahn, die Höhner jet zo Fressen han. Denn wenn die Diere jet em Liev, dann jit et Eier stief. Däm Zilla singe allerneuste Schwarm,.. Die Mösch (1931) Mer setzen des Meddags jewöhnlich en d'r Köch, weil et do am schönsten es. De Finster steiht op, op eimol flüch en Mösch bei uns erenn un setz sich op d'r Desch. Ehz loot se rächs, dann loot se links, dann hät se noh däm Graubrud Gespinks. Do sühß de't, do häß de't, ming Frau säht: "Leeve Mann, süch dir dat bloß ens an!" Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch bei und en de Kösch? Un setz sich medden op d'r Desch, die Mösch, die Mösch, die Mösch. Wat well die en d'r Kösch, en Mösch höt en d'r Bösch. Och wenn se doch bloß wigger flöch, die Mösch, die Mösch, die Mösch. 46 En Mösch es nit ängslich, en Mösch jeiht op d'r Fang, wenn se nix zo Pecken hät. Die Mösch, die bei uns wor, die wor bestemmp nit bang. Die hat op uns et avGesinn alt lang. Die woß Bescheid, die floch nit fott, stundelang soß se om Kaffeepott. Dat mäht der jewess keine zweite Vuggel noh un mer soße sprachlos do. Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch.... Se fing an ze fresse, ming Frau säht: "Och wie nett. Su e Koßhuus fählt dä Grad. Zwei Woche wigger dann machen ich en Wett, dat die paar Pund dann zojenommen hät. Hör wie se piepsch, do wunders dich noch, wo kritt die Mösch su jot un fett jekoch. Die es d'rheim he, die friß sich satt un Gringk. Üvverflüssig wemm mer singk: Wie kütt die Mösch, die Mösch, die Mösch... Heimweh nach Köln (1936) In Köln am Rhing bin ich jebore, ich han, un dat litt mir im Senn, ming Muttersproch noch nit verlore, dat es jet wo ich stolz drop ben. Wenn ich su an ming Heimat denke un sinn d’r Dom su vür mer stonn, mööch ich tireck op Heim ahn schwenke, ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn, mööch ich tireck op Heim ahn schwenke, ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn. Un deit d’r Herrjott mich ens rofe, dem Petrus sagen ich alsdann: Ich kann et räuhig dir verzälle, dat Sehnsucht ich noh Kölle han. Wenn ich su an ming Heimat denke… 47 8.1.2 Brings Alles kütt zoröck (2000) Der Kopp in de Wolke wenn die Föss am Boddem ston et is janit einfach su durch et Levve zu jon Mer singe üvver Saache die avvjedrieht sin denn wenn et nur normal is hürt jo doch keiner hin Un wenn die Wohrheit wih dät dann maache mer se blau denn ein Saach wisse mer jenau: Irjendwann kütt alles op die Äd zurück flüch et noch su huh – alles kütt zurück Mer dun jän üvverdrieve un läge eine drop met dem echte Levve weckste keinen Hungk mih op Drum nimm nit alles ähnz wat mer he verzälle gläuv mir, mer sin harmlos mer bieße nit, mer belle Un wann die Wohrheit wih deit… Irgendwann kütt alles op die Ääd zoröck. Flug et noch su huh – alles kütt zoröck. Superjeilezick (2000) Maach noch ens die Tüt an, he is noch lang nit Schluss, un uch noch en Fläsch op, ich will noch nit noh Huus. Ich kenn en paar Schüss, die han jenau wie mer, Bock op en Party, sag dat jeit doch hier. Kumm, maach keine Ärjer, maach uns keine Stress. Mer sin uch janz leis un maache keine Dress. A beßje jet rauche, jet suffe un dann loore ov mer mit dä Schüss jet danze kann. 48 Nä, wat wor dat dann fröher en superjeile Zick, mit Träne in d'r Auge loor ich manchmol zurück. Bin ich hück op d'r Roll nur noch halv su doll, doch hück Naach weiß ich nit wo dat ende soll. Et weed immer späder, drusse weed et hell. Mer sitze noch zesamme bei Biercher un Verzäll. Et is fast wie fröher, doch ich muss noh Huus; do fängt et an ze schneie, medden im August. Et is mir dressejal ov ich hück ömfalle, ov ich noch schwade, oder nur noch lalle. Erwachse weede kann ich uch morje noch. Langsam weed et he jemötlich, denn die Schüss, die laufe op. Nä, wat wor dat dann fröher.. Su lang mer noch am Levve sin (2004) Sulang mer noch am levve sin Mer sin wirklich offe, mer schwaade nit drömröm, uns Hätze schlaGe allsamp im Rhythmus vun ner Tromm Mer drieße jet op Morge, denn hück do han mer Lauf, e schläch gewisse un Sorge, dat nemme mer in Kauf Su lang mer noch am levve sin, am laache, kriesche, danze sin, su lang mer noch am levve sin Mer sin echt nit kleinlich, uns kütt et nit drop an, op du Gerade heute, frisch bis oder klamm. Mer welle, dat in unsrer Stadt, jeder Glücklich weed, et jit jet, dat mer üvverall, op d'r Welt versteiht. 49 Su lang mer noch am levve sin, am laache, kriesche, danze sin, su lang mer noch am levve sin Alle Mann (2005) Alle Mann nix wie ran, denn mer han jo nix mieh ze verliere, alle Mann nix wie ran, denn mer han jo immer ne Jrund ze fiere. Alle Mann nix wie ran, denn mer han jo uns Schuldigkeit jedonn un keiner kann jet saGe, wenn zwei Minsche sich verdraGe, die met beidste Bein em Levve ston, Jetz jeiht der Daach ze Engk, jetz kütt die schönste Zick treck dich flück üm, mer maache hück op schick Mer han su lang jewaad, noch es et nit ze spät, am Engk, do kütt et nor drop an, wat mer wirklich mäht. Nemm all ding Sorje fott un klopp se in die Tonn, schenk mir die Laache un loss uns endlich jon. Die Stadt es voll vun Levve, se hät op uns jewaad, ich will nix verpasse, nä dat wür doch wirklich schaad. Alle Mann nix wie ran… Dat wor en lange Naach, mer zwei han vill jelaach, Üvver der Rhing, da kröff ne neue Daach. Su müht et immer sin, doch ich sag immer hin han mer zwei jeliehrt, et Levve hätt ene Sinn. Alle Mann nix wie ran Komm met (2007) Mädche, wat bis du am kriche weiß nit wohin hück Naach hä hät dich erussjeschmisse mer welle, dat du widder laachs mer welle, dat du widder laachs Kumm mit, kumm mit uns mit bevör du in Trone erdrinks kumm mit,kumm mit uns mit ens sinn,wat die Naach uns noch bringk ens sinn,wat die Naach uns noch bringk 50 Jung, wat bis du su fädisch kein Arbeit zick zweiunhalf Johr uch mer han Dreck jefresse un verjesse nie wie dat wor un verjesse nie wie dat wor Kumm mit, kumm mit uns mit… Mer losse uns nix jefalle ston zesamme, bes zom Schluss un wenn dir et Wasser zom Hals steiht dann trecke mer dich widder russ dann trecke mer dich widder russ Kumm mit, kumm mit uns mit… 8.2 Venloer Karnevalslieder 8.2.1 Harry Verhagen und Baer Winters Elf van Elf (1936) Riek en erm, jônk en ald Venlonaere blièf neet kald Sloet ôg aan, mit ôg vaan Bèj ôzze Jocus-Haan! Refrein: Elf van Elf, sprik vanzelf Kump 'nne joeksigen tièd. As Jocus' Haan zien leedje kreit De greeke jao ten spiet. En dae nog haet, ech Venloos blood Dae strek ziene nek en kreit ens good Nôw alle zörg opzie och luu Kukeleku, Kukeleku, Kukeleku! Weg mit zörg, leef en leid, Luuster waat dit haenke kreit. Doot as ziet ge verruuk Dit oor kump noëit mièr t'ruuk. Allemaol, krei ens mei Klinke môt 't op straot en wei. In café, zaal en hoès Tot baove op 't stadhoés. 51 Och An, Och An (1937) An waas ein aardig maedje. Opgeruumd en content. Wengskses wie ein roëze blaedje. Sjang eine flinke vent. Aan An vroog dan ouk eederein. Zelfs groët en klein (bis) An is die vreéjerie gedaon. Of zulste trouwe gaon. Refrein: Och An, och An, och An. Wie geit `t toch met Sjang. Hilt dae nog vuël van dich. Kom toch vertel `t mich Och An, och An, Vertel ens wat Ôs ens wat (bis) Och An vertel ens wat Van diene leefste schat. As `t waar kwart veur neege. Vader zoot in de praos. Ging An, Sjang vestus taege. Baodschap deej gennen haos. Mooder stook An ein dieke voes. Kwaam laat nao hoes (bis) Vader zag, An luuster ens héj Zit dich ens efkes béj. Geit `t dan nao zien bedje. Lacht An zoë veur zich haer. Baeijt `t dan zien gebedje. En leed zich stiekum neer. Zutjes zinge ze onverwach De koedeljach (bis) De breurs en zusters al beijein. Det wonder moei refrein. De Kopere (1937) Kiek dao kump de Kopere, now ziën we oet den brand Hae had gen gereidschap, zoe maar beej de hand Ôch det kan niks gaeve; hae kiek zich det ens aan Morge kump hae naeve; dan is 't van de baan 52 Morge kump hae naeve; dan is 't van de baan Als ôch gaaspit neet miër brand of geit de lamp neet aan Sprink van ôch iezer nog den band, dan stel ôch gaar neet aan De Kopere det is de man dae ôch helpe kan Bel de Kopere efkes op; veurbeej is ogge strop Is béj ôch `t riool verstop, de waterleiding leek. Verleer direk neet ôgge kop en raak toch neet van streek. De kopere jao `t is ierlik waor, dae mak ôch det klaor. Kump met hamer, loëd en bak, kiek ens, en zaet: tot Strak. Blief de kraan aan `t dröppele geit dae gaar neet toe. Gaot um gen laerke tippele, det gif hae dao béj toe. Allein `t kômme en `t gaon raekent hae ôch aan. Laerkes zeet géj nörges staon dao kump `t neet op aan. D’n Hoonderstal (1938) Venlo is ennen hoonderstal. Aan de kop steit Jocus Haan. Det weite ze jao euveral. Gans Holland volgt dees vaan. Refrein: Wéj hoonder zegge: tok, tok, tok. Wéj hane ku k'le ku. Wéj hebbe in dit hoonderhok. Jao niks wie gaaoie luu. Wéj hoonder zegge: tok, tok, tok. Wéj hane ku k'le ku Dan is d'r vrede in het hok. Kukeleku, kukeleku, kukeleku. Hoonder oët dezen hoonderstal. Halde van joeks en pret. Gedrage zich auk euveral. Fatsoendelik en net. Hane oët dezen hoonderstal. Die scharrele gaer ens rônd. Me zuut die dan ouk euveral. Maar make `t noëts te bônt. Vrouw Jansse (1939) Vrouw Jansse oet de Bôtterstraot. Die kan zoe lekker schelde. `t Sjagreine zit eur in `t blood. En lache duit ze zelde. 53 Wannier de kinder oët de buurt. Hiel efkes laeve make. Dan is daoveur zéj al in staot. In veur en vlam te rake En as me eur dan (bezig) huert. Dan zink de gansche buurt. Refrein: Vrouw Jansse, vrouw Jansse. Steit weer van gif te danse. Vrouw Jansse, vrouw janse. Jao herrie make kan ze. Waat mak det mirakel. Spektakel daag en nach. Wéj bure, wéj hure. Die kure met gelach! `t Bôttert in de bôtterstraot. Ouk gaar neet met de bure. Want as die eur zoe nôw en dan. Ens neme in de lure. Dan, met eur hand vas in de häöp. En aan de neus `nen dröppel. Schöldt zéj de buurt veur stômme schäöp. Dreig idder met de knöppel. Maar ouk is in eur eige hoes. Vrouw Jansse ein Xantippe. Ein vrintelik of gooïg waord. Kimp zelde van eur lippe. Nae, taege zoë ein hellevaeg. Is neemand opgewasse. De schuttelkes die houwt ze scheif. En dumpels in de tasse! 8.2.2 Frans Pollux, Bram und Ruud ’t optochleed (2008) Dit is 't groëte optoch-leed, want d'n optoch stop nog neet. En um dit gaat heej ves te völle, môt geej mit ôs dit leedje brölle. Dit is 't groëte optoch leed, nae, d'n optoch stop nog neet. En as geej staon bliéf, maak geej kans det geej d'n optoch toch nog zeet. Weej zien nog neet ens op de helf, det waar pas waage nummer twelf. Dae koekwaus mit die muts, det wetste, waar neet de Prins, dae kump as letste. 54 Ze staon waorschienlik veur d'n drei, dus zing dit leedje mit ôs mei. D'r gaon al hiél vuul minse weg, nou ja, dan hebbe die toch pech. Ze zien de hekke weg 'nt drage, dan kump d'r zeker eine groëte waage, Dit gaat det deurt al diek ein oor, maar drek dan trek d'n optoch door, 't Is heej stil op straot en laeg, d'r zien gen wages op de waeg. We staon heej oét ôs neus te vraete, ze zien ôs volges mich vergaete. Kiék dao, det bord, och, morrejen, we staon verkiërd, dit is 't Ven! De kriebels (2008) ‘t Kriebelt, ik wiebel Ik klazel-dazel-razel op mien bein ‘t Kriebelt, ik wiebel Ik prazel-hazel-wazel wat beejein Die winterse vlinders in d’n boék waer ik pas kwiét As ik nao de boétegewoëneboétezittingend’noptochendeboérebroélof in d’n hiéring biét Jao, dan bin ik alle kriebelsallevlindersenmienpenningeenpieke en de ganse film kwiét (slot:) Jao, dan bin ik alle Kriebelsallevlindersenmienpenningeenpiekendeprinsenadjudanteendewaagesoétd’noptoch en de ganse film kwiét Waeke zit ik idd’ren daag te haope Det ik ‘snachs in bed weer gewoën kin slaope Maar ik lig allein maar wat te dreije ‘k Weit neet wie ik mich môt gaon verkleije En of ik de nieje leedjes kin En of ik d’r mit de vastelaovend nog waal bin! “Dokter,” zag ik, “doot wat aan ‘t jeuke!” “Krats mich heej en gank mich ônderzeuke! Kriebelt ‘t door allemaol det drinke, of jeuk ‘t mich umdet ik vuuël doon dinke?” “Wazel,” zag d’n dokter, “wetse waat? Ik gaef dich op recep de niejste vastelaovesplaat!” Allemaol mien naegel zien gespleete 55 Want ik heb ‘t ganse jaor gebeete En mien eksteroug det bliéf ‘nt staeke ‘k St-st-st-st-stotter beej ‘t spraeke Och, ik kôs die kriebels bes d’n baas As ik neet de gansen tiéd zoë zenuwechtig waas Hallekiedallekiedeej (2009) koeplet As d'r örges in de joeks ein greekgezich geit staon Laot ik um ein eurke ziene zeivergreekgangk gaon Net as hae dan meint det hae 't ganse fees verzouwt Dan spring en roop ik veur det mörf det ruuk nao sauerkraut: Refrein: Hallekiedallekiedeej ... hé! Hallekiedallekiedeej ... hé! Alle gevalle van lallende mallies en brallende kwalle zien heej! Hallekiedallekiedeej ... hé! Hallekiedallekiedeej ... hé! En wilt ge 't net zoë zeen knalle wie weej, Zing dan hallekiedeej (2x) koeplet As d'r op aswoensdaag in daen bums van dich waat klop Zit dao zô'nnen tummerman mit tummergrei verstop Bel mich want dan kôm ik 's morges zinge aan dien bed Zoëdet de ganse buurt en zelfs daen tummerman 't wet: koeplet Hebse mit die daag ein glaas mit joech tevuuël gebuis Wetse neet miër wie de leedjes gaon en waasse duis As dien sterre straole in 't jaomer- jaomer- jaomerdal Dan zingse gewoën allein daen eine kleine regel waal: Meneer de Pliessie (2011) Refrain: Meneer de pliesie Kiék toch door die vingers! Want weej waere zoë waerserig van allemaol die slingers En van die joekskepèlleklanke 56 waer ik stout Maar det meug toch waal ens per jaor? Bedank, meneer de wout Meneer de pliesie, man, waat waas ‘t fijn As de langen erm van de wet Ens zag: ‘Ocherm jung’ en det Dan mit de vingers oéterein Örges in de Floddergats Dao stônd ik gisternach ‘k Goof de bloome water Waer ik op de rök geflats Volkomme ônverwach D’n deender hoord geklater “Wat doet u hier, wat moet u hier Zo midde in de nach?” Ik zeg: “Meneer, noow luuster ens” En dit is waat ik zag: Örges in de Joédestraot Dao leep ik gisternach ‘t Laeve te bezinge ‘t Waas waat vals en oét de maot Maar toch op volle krach Ik kôs mich neet bedwinge “Wat hoor ik hier, wat stoort mij hier?” Vroog eemus mit ein pet Ik zeg: “Meneer de koekepeer Noow efkes opgelet:” Örges in ‘t kotje zoot Ik vas de ganse nach Ik mit louter water Druuëge sneeje mik die vroot Ik wiesdet eemus zag: “De vloer zit heej vol gaater” Ik groof mich ennen tunnel oét Maar boéte stônd de wout Ik zag: ”Gangk gauw nao binne Want d’rek krijg u het nog koud” 57 33 daag (2013) Dan waer ik ‘s morges wakker Dan zit ik vol met joeks Dan veul ik det daen dagelikse sleur wuurt weggeboeks Dan kös ik eeder muulke En zing zoë wie belaof ‘Hallo, hallo, ‘t is weer...’ maar waat zeen ik in d’n haof? De kersbaum steit d’r nog, de lempkes brande, ôch, ik wil de gansen tiéd al maar ‘t is nog neet zoë wiéd Refrain: Ik heb al 33 daag de vastelaovend in de kop En det duit pien En det duit pien Ik bin zoë bang det alles veurdet ‘t begint al is gestop Det zoel waat zien Det zoel waat zien Vruuger waas ‘t nog in dreej daag te behappe Maar op vandaag môsse vanaaf kersaovend Waeke op de lappe Drek is alle joeksigheid al op! Ik heb al 33 daag Ein stök in miene kraag En de vastelaovend in de kop koeplet: Dan bin ik ‘nt studeere Dan liér ik weer waat slums Maar wie ik auk probeer d’r pas gen letter in d’n bums Daen bums zit vol met leedjes Met lol en met plezeer Ik goëj mien beuk d'n haard in en ik zing: ‘Wao gaon we haer?’ Maar baove klink gekraak, d’n huijbaard op ‘t daak, Ik wil de gansen tiéd al maar ‘t is nog neet zoë wiéd! brök: En volgend jaor dan velt dae vastelaovend lekker laat Dan zit d’r nao die dreejendertig daag inens ein gaat Ein gaat det ik môt völle, anders geit ‘t strakkes mis! Dus doon ik elf daag asof ‘t vastelaovend is 58 Literaturverzeichnis Alsters, A. C. T., Alsters-van der Hor, J. H. O. P., Daelen van, H. H. E., Reijnders A. J., Rongen, G. A. und Vissers, J. L. L. (1993): Venloos woordenboek. Venlo: Stichting Henric van Veldeke. Bakkes, Peter Joannes Alphonsus (2002): Venloos, Roermond en Sittards. Den Haag: Sdu. 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