Stand der Dinge: Auf dem Weg zu einer Theorie des Grundes Welt der Gründe Bolzanos hat einen theoretischen Ansatz vorgelegt, der auf hervorbringende Sachgründe zwischen Wahrheiten zugeschnitten ist. 10. Sitzung: Abfolge und logische Folge Aber wie genau verhält sich diese Konzeption eines Grundes zu 1. der Idee eines logischen Grundes? 2. Ursächlichkeit und/oder der Idee eines kausalen Grundes? 3. der Idee eines Erkenntnisgrundes? Dozent: Benjamin Schnieder Universität Hamburg 4. der Idee eines Handlungsgrundes? Forschungsgruppe phlox http://phloxgroup.wordpress.com 1 0 Logische Folge 1. Logische Folge: Übliche Verständigungen & Definition Informelle Erklärung I Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn die Prämissen P1 – Pn verbürgen die Konklusion x. Informelle Erklärung II Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn die Wahrheit der Prämissen P1 – Pn garantiert die Wahrheit von x. Modale Definition Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Notwendigerweise gilt: Wenn P1 – Pn wahr sind, so ist auch x wahr. Es ist unmöglich, dass P1 – Pn wahr sind und zugleich x falsch ist. 2 3 Drei Probleme der Standarderklärung: 2. Drei Probleme der Standarderklärung (i) Unplausible Folgeverhältnisse Modale Definition Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Es ist unmöglich, dass P1 – Pn wahr sind und zugleich x falsch ist. EFQ: Ex Falso Quodlibet Mit der modalen Definition erhält die Regel EFQ Gültigkeit: Aus Prämissen, die logisch widersprüchlich sind, folgt jede beliebige Konklusion. Ebenso die etwas stärkere Variante EFQ*: Aus Prämissen, die zusammen genommen unmöglich wahr sind, folgt jede beliebige Konklusion. 4 5 1 Drei Probleme der Standarderklärung: Drei Probleme der Standarderklärung: (i) Unplausible Folgeverhältnisse (i) Unplausible Folgeverhältnisse Modale Definition Argument für EFQ Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Man kann für die Gültigkeit einer Variante der Regel EFQ freilich auch unabhängig von der modalen Definition argumentieren. Das folgende Argument benutzt ausschließlich Schlussregeln, die intuitiv plausibel erscheinen: Es ist unmöglich, dass P1 – Pn wahr sind und zugleich x falsch ist. VEQ: Verum Ex Quodlibet Mit der modalen Definition erhält die Regel VEQ Gültigkeit: Eine logische Wahrheit (eine Tautologie) ist eine Folge aus allen beliebigen Prämissen. Ebenso die noch etwas stärkere Variante VEQ*: P Eine notwendige Wahrheit (d.h. eine Aussage, die unmöglich falsch sein kann) ist eine Folge aus allen beliebigen Prämissen. Ralf ist traurig und Ralf ist nicht traurig. K1 Ralf ist traurig. P: K2 Ralf ist traurig oder es Flugelefanten. K2: oder-Einführung und-Beseitigung K3 Ralf ist nicht traurig. P: K4 Es gibt Flugelefanten. K2, K3: oder-Beseitigung und-Beseitigung 6 7 Drei Probleme der Standarderklärung: Drei Probleme der Standarderklärung: (ii) Irgendwas verlorengegangen (iii) Trennung der Königskinder Modale Definition Ein intimes Begriffspaar Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Der Begriff Folge ist das direkte begriffliche Gegenstück zum Begriff Grund. Es ist unmöglich, dass P1 – Pn wahr sind und zugleich x falsch ist. Naheliegende Konsequenz Informelle Verständigungen Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn die Prämissen P1 – Pn verbürgen die Konklusion x; bzw. die Wahrheit der Prämissen P1 – Pn garantiert die Wahrheit von x. Wo von Folge die Rede ist, sollte ebenso die Rede von Gründen zum Einsatz kommen, und ebenso „weil“-Aussagen. Bei der modalen Definition von logischer Folge spielt der Begriff des Grundes keine Rolle. Ein Aspekt der informellen Verständigungen: Relevanz Die Rede vom Verbürgen oder Garantieren beinhaltet, dass der Bürge auch eine Rolle spielt, dass er eine Verantwortung trägt. 8 Zusammenfassung 3. Logische Folge: Mithilfe der Theorie der Folge Drei Defizite der modalen Definition logischer Folge 1. Die Definition legitimiert die wenig intuitiven Regeln EFQ/VEQ. 2. Aspekte der informellen Verständigungen gehen verloren: 9 Damit ein Folgeverhältnis vorliegt, sollten die Prämissen eine Rolle spielen & für die Wahrheit der Konklusion eine Verantwortung tragen. 3. Der Begriff Folge ist das Gegenstück zum Begriff Grund: Ein Begriff logischer Folge sollte an einen Begriff des Grundes angebunden sein, der in der modalen Definition keine Rolle spielt. Die Anschlussfrage Can we do better? Können wir einen brauchbaren Begriff logischer Folge definieren, der die oben genannten Probleme umgeht. 10 11 2 Erinnerung: Abfolge abstrakt charakterisiert Erinnerung: Abfolge & logische Komplexität Konstitutives Prinzip: Mittelbare Abfolge Logische Komplexität Mittelbare Abfolge ist eine faktive Prioritätsbeziehung: Die Abfolgebeziehung führt logisch komplexere Folgen auf einfachere und Gründe zurück. Logisch komplexe Aussagen (Konjunktionen, Disjunktionen, doppelte Negationen etc.) werden durch ihre logisch einfachen Bestandteile wahr bzw. falsch gemacht: 1. Abfolge ist ein asymmetrisches Verhältnis (es ist nicht umkehrbar). 2. Abfolge ist ein irreflexives Verhältnis (keine Selbstabfolge). 3. Abfolge ist ein transitives Verhältnis (es ist verkettbar). 4. Abfolge ist faktiv und besteht nur zwischen Wahrheiten. Eine wahre oder-Aussage ist wahr, weil einer der Teilsätze wahr ist. Eine wahre und-Aussage ist wahr, weil ihre beiden Teilsätze wahr sind. Eine doppelte Negation ist wahr, weil die doppelt negierte Aussage wahr ist. 12 13 Logische Folge: Ein erster Versuch Logische Folge: Ein erster Versuch Grundtheoretische Definition Grundtheoretische Definition Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Die Prämissen bilden einen Grund der Konklusion. Die Prämissen bilden einen Grund der Konklusion. Vorteilhafte Züge der Definition Nachteilhafte Züge der Definition Der definierte Begriff logischer Folge Der definierte Begriff logischer Folge ist direkt an den Begriff und die Theorie des Grundes angebunden ist irreflexiv: nichts zählt als logische Folge aus sich selbst legitimiert verschiedene intuitiv gültige Schlussregeln, wie etwa die Disjunktor-Einführung legitimiert weder die Regel EFQ noch die Regel VEQ ist faktiv: logische Folge besteht nur zwischen Wahrheiten; doch Logik sollte realitätsneutral und an faktischer Wahrheit nicht interessiert sein legitimiert bestimmte intuitiv gültige Schlussregeln nicht: Konjunktor-Beseitigung 14 Logische Folge: Verbesserung des Versuchs 15 Logische Folge: Verbesserung des Versuchs Grundtheoretische Definition Grundtheoretische Definition Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Unter der Hypothese, dass die Prämissen wahr sind, bilden sie einen dünnen Grund der Konklusion. Unter der Hypothese, dass die Prämissen wahr sind, bilden sie einen Grund der Konklusion, oder enthalten die Konklusion. Bewertung Kürzer ausgedrückt: Unter der Hypothese, dass die Prämissen wahr sind, bilden sie einen dünnen Grund der Konklusion. Der definierte Begriff logischer Folge Ein Hilfsmittel zum Atemsparen: Der dünne Grundbegriff Aussagen y1 – yn bilden einen dünnen Grund von x (i) y1 – yn bilden einen Grund von x, oder (ii) eine der Aussagen y1 – yn ist nichts anderes als Aussage x 16 ist an Begriff und Theorie vom Grundes angebunden legitimiert weder die Regel EFQ noch die Regel VEQ ist reflexiv (jede Aussage ist triviale logische Folge von sich selbst) ist nicht faktiv (Logik bleibt realitätsneutral) legitimiert bestimmte intuitiv gültige Regeln (oder-Einführung) aber legitimiert andere intuitiv gültige Regeln nicht (und-Beseitigung) 17 3 4. Noch einmal: Logische Folge mithilfe der Abfolgetheorie Ein neuer Ansatz Die Bündelidee Damit eine Konklusion als logische Folge aus Prämissen gilt, sollten die Prämissen einen Grund der Konklusion bereitstellen. m.a.W. sollten die Prämissen den Grund der Konklusion mitbringen. Prämissen können auf zwei Weisen einen Grund mitbringen: sie können selber den Grund bilden. sie können in etwas gegründet sein, das den Grund bildet. Wenn Prämissen in diesem Sinne einen Grund der Konklusion mitbringen, gilt die Konklusion als logische Folge aus ihnen. 18 19 Ein neuer Ansatz Logische Folge Vergleich mit Standardansatz in der Logik Grundtheoretische Definition Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Der Standardansatz in der zeitgenössischen Logik lautet: Logische Folge zeichnet sich durch Wahrheitserhaltung aus. Unter der Hypothese, dass die Prämissen Gründe haben, bilden einige ihrer Gründe einen Grund der Konklusion. Eine Konklusion folgt aus Prämissen, wenn der Übergang von den Prämissen zur Konklusion die (hypothetisch angenommene) Wahrheit der Prämissen beibehält. Bewertung Der definierte Begriff logischer Folge Der grundtheoretische Bündelansatz: Logische Folge zeichnet sich durch Grunderhaltung aus. Eine Konklusion folgt aus Prämissen, wenn der Übergang von den Prämissen zur Konklusion die (hypothetisch angenommenen) Gründe der Prämissen beibehält. ist an Begriff und Theorie vom Grundes angebunden legitimiert weder die Regel EFQ noch die Regel VEQ ist reflexiv (jede Aussage ist triviale logische Folge von sich selbst) ist nicht faktiv (Logik bleibt realitätsneutral) legitimiert bestimmte intuitiv gültige Regeln: oder-Einführung sowie und-Beseitigung 20 Logische Folge 21 5. Ausblick Grundtheoretische Definition Konklusion x folgt logisch aus Prämissen P1 – Pn Unter der Hypothese, dass die Prämissen Gründe haben, bilden einige ihrer Gründe einen Grund der Konklusion. Bewertung Prämisse Konklusion P&Q Q logischer Folge Der definierte Begriff Schritt 1: Bestimme und Theorie vom Grundes angebunden die Gründe der ist an Begriff Schritt 2: Bestimme, Prämissen legitimiert ob in ihnen (dünner) weder dieein Regel EFQ noch die Regel VEQ Grund der Konklusion P&Q ; P ; Q ist reflexiv (jedeenthalten Aussage ist ist triviale logische Folge von sich selbst) ist nicht faktiv (Logik bleibt realitätsneutral) legitimiert bestimmte intuitiv gültige Regeln: oder-Einführung sowie und-Beseitigung 22 2323 4 Stand der Dinge: Auf dem Weg zu einer Theorie des Grundes Bolzanos hat einen theoretischen Ansatz vorgelegt, der auf hervorbringende Sachgründe zwischen Wahrheiten zugeschnitten ist. Wir haben heute gesehen, dass man mit ihm einen Begriff der logischen Folge definieren kann, der attraktive Eigenschaften hat. fin Offen bleibt, ob (und wenn ja, wie) man auch weitere Arten von Gründen integrieren kann, nämlich 1. Ursächlichkeit und/oder der Idee eines kausalen Grundes? 2. der Idee eines Erkenntnisgrundes? 3. der Idee eines Handlungsgrundes? 24 25 5