Alban Bergs "Wozzeck" am Flensburger Haus des Schleswig

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Schwerin feiert Opern im Doppelpack
Zu einem Operndoppelabend hatte das Schweriner Musiktheater am Freitagabend eingeladen
und zwei Einakter präsentiert, wie sie konträrer nicht sein können: Bela Bartóks einzige Oper
„Herzog Blaubarts Burg“ und Giacomo Puccinis „Gianni Schicchi“. Der einstündigen Tragödie
folgt eine ebenso lange Komödie, komponiert von zwei grundverschiedenen Künstlern. Doch
Gegensätze ziehen sich an, und so hat auch dieses musikalische Experiment funktioniert –
minutenlanger Applaus und Bravo-Rufe sprachen dafür.
Eine Klammer für beide Stücke ist nicht nur das Jahr der Uraufführung, 1918, auch dass beide
Einakter von denselben Leuten auf die Schweriner Bühne gebracht wurden: Regie Arturo Gama,
Bühne Robert Pflanz, Kostüme Bettina Lauer. Die musikalische Leitung hatte
Generalmusikdirektor Matthias Foremny, der speziell im ersten Teil der
Mecklenburgischen Staatskapelle alles abverlangte. Die Musikerinnen und Musiker im
Orchestergraben folgten seinem Dirigat ebenso präzise und vehement wie die
Protagonisten auf der Bühne und ließen mit Bartóks Musik das Haus erbeben. Für
„Herzog Blaubarts Burg“ öffnete Robert Pflanz die Bühne in voller Größe, schuf Stimmungen
durch Einsatz von Licht und nutzt als bewegliche Kulissen sieben Rahmen als Symbol der sieben
Türen, hinter deren Geheimnis Judith kommen will. Der Grundgedanke der Geschichte, die auf
dem Märchen von Blaubart und seinen getöteten Frauen beruht, wird postuliert im gesprochenen
Prolog. Es ist die Frage nach dem Innen und Außen, die Frage nach Männern und Frauen.
Diesen ewigen Dialog inszeniert Arturo Gama doppelbödig, er stellt neben das Gesangspaar ein
Tanzpaar. Ulrike Schladebach und Stephan Wiesner spiegeln in ihrer sehr expressiven TangoLesart das Gespräch von Judith und Blaubart wider. Sarah van der Kemp gestaltet gestisch, vor
allem aber mit imponierendem, wandlungsfähigem stimmlichen Einsatz die Judith als Liebende,
die aus ihrer Liebe zu Blaubart den Anspruch erhebt, in sein Innerstes zu schauen, alle
verborgenen, verbotenen Türen zu öffnen – um dann in die ewige Finsternis zu fallen. Frank
Blees als Blaubart überzeugt mit seinem kraftvollem Bassbariton und gibt der Figur eine
holzschnittartige Individualität.
Fröhlich und farbig geht es auch im zweiten Teil des Opernabends zu, der Geschichte um den
gewieften Gianni Schicchi. Was besonders auf die Kostüme Bettina Lauers zutrifft. Bonbon-bunt
ausstaffiert ist die Familie von Buoso Donati, die scheinheilig seinen Tod beklagt, um dann in
echtes Geheule zu verfallen, als herauskommt, dass der „liebe Verblichene“ (der Teufel möge ihn
holen) alles den Mönchen vererbte. Es ist ein Spaß, mit anzusehen und anzuhören, wie sich die
Familie streitet, bedauert, nebenbei die Taschen vollstopft und dann alle Hoffnung in Gianni
Schicchi setzt, einen Mann vom Lande, der eigentlich unter ihrem Stand ist. Dass der Haupterbe
dann Schicchi heißt, ist bei so einem Schlitzohr ja wohl klar. Martin Winkler singt und spielt ihn
mit Bravour, er ist das Sahnehäubchen auf einem Ensemble von fünfzehn Akteuren, die mit
vollem Stimm- und Körpereinsatz alles geben.
Karin Gustmann, Ostsee-Zeitung, 26. Januar 2009
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Eine Tragödie und ein Satyrspiel
Doppelpremiere zweier Opern am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin
Die Doppelpremiere von Béla Bartóks einziger Oper „Herzog Blaubarts Burg“ und Puccinis
Einakter „Gianni Schicchi“ am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin wurde in ihrer
Gegensätzlichkeit vom Publikum am Freitagabend mit großem Jubel aufgenommen.
Der 30-jährige Béla Bartók hatte sich mit dem Operneinakter „Herzog Blaubarts Burg“ auf ein
Libretto von Béla Balázs 1911 an einem Wettbewerb beteiligt. Sein Werk wurde von der Jury
als unspielbar abgelehnt, fand jedoch nach der Budapester Uraufführung bald einen festen
Platz im Opernrepertoire. In der neuen Inszenierung im Großen Haus des Staatstheaters
Schwerin gelingt Oberspielleiter Arturo Gama mit der Geschichte von Judith, die Blaubart in
dessen finstere Burg folgt und sich dort nach und nach alle sieben verschlossenen Türen von ihm
öffnen lässt, ein durchchoreografiertes Kammerspiel von ergreifender Wirkung.
Stimmen durchlaufen gegensätzliche Entwicklung. Jede Geste des Paares erscheint als nach
außen gekehrte Empfindung, jeder Schritt als Ergebnis einer inneren Entwicklung. Die
Handlungsarmut des Werkes bricht Gama auf, indem er Blaubart und Judith durch ein Tanzpaar
doppelt. Faszinierend, wie Ulrike Schladebach sich als Judiths Spiegelbild einführt, um dann
gemeinsam mit Stephan Wiesner als Blaubart jeweils andere psychische Möglichkeiten und
Konstellationen als das Sängerpaar durchzuspielen.
Deren Stimmen durchlaufen gegensätzliche Entwicklungen. Wo Sarah van der Kemp mit hellem,
leuchtendem Mezzosopran anfangs Licht in das Dunkel zu bringen sucht und ihre allmählich
erkaltende Liebe sich stimmlich in messerscharfe, metallische Höhe von enormer Strahlkraft und
emotionaler Wucht wandelt, entwickelt sich der Bass von Frank Blees von anfänglich kühler
Starre hin zu erstaunlich weicher Warmherzigkeit.
Schnörkellose Klarheit befördert Phantasie
GMD Matthias Foremny realisiert mit der Staatskapelle die Räume hinter den Türen in
ausgefeilten Klangbildern, deren unablässiges Crescendo in großartig strahlendem CDur-Sonnenaufgang gipfelt, um von dort wieder zurückzusinken in die düstere
Einsamkeit der Bässe, mit der alles begann. Keinerlei Requisit stört diese totale
Konzentration auf die Annäherung und wieder Entfremdung von Mann und Frau im
Bühnenrund. Bühnenbildner Robert Pflanz gliedert den Raum nur mit schwarzen, beweglichen
Türrahmen, sie formen ihn zum riesigen Saal, zum engen Korridor, zu einer verwinkelten
Festung. Diese schnörkellose Klarheit bringt phantasiegeladene Bilder von magischer
Ausstrahlung hervor, deren Geheimnisse sich der Seele des Zuschauers fern aller Begriffe
offenbaren.
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„Gianni Schicchi“ – ein buntes Farbenspiel
Es gab stürmischen Beifall und großen Jubel für Darsteller, Dirigenten und Regie – und große
Ratlosigkeit in der folgenden Pause darüber, wie sich an Bartóks Psychodrama wohl Puccinis
buffoneske Geschichte um Gianni Schicchi anschließen könne, der das Testament des toten
Donati fälscht, um dessen Verwandtschaft zum Erbe zu verhelfen, sich selbst dabei aber die
besten Stücke vermacht, die er seiner Tochter Lauretta als Mitgift für die Hochzeit mit einem
Donati-Neffen geben kann.
Nun, der Regisseur setzt alles zum vorausgegangenen Werk ins Gegenteil. Aus dem SchwarzWeiß der Kostüme von Bettina Lauer wird nun buntes Farbspiel, aus gestischer Konzentration
ein Gewusel der zahlreichen Verwandtschaft in einem von Kisten und Kästen heillos
vollgestellten Raum. Alle Personen wirken affektiert, ja karikiert, selbst der Orchesterklang nimmt
zuweilen plakative Lautstärke an, hier und da scheint er ein wenig zu hurtig vorüberzubrausen.
Martin Winkler jedoch, ein herrlicher Komödiant, nimmt die Figur des Schicchi in ihren
Vernetzungen und Antrieben ernst und verleiht ihr damit pralle Lebendigkeit. Ob mit
bravourösem Bariton gegen den aufgeputzten Donati-Klüngel oder verstellt lispelnder Stimme
des Sterbenden: Er macht das Spiel und dominiert das Ensemble. Dessen Aufregung kann neben
ihm noch Ulrike Maria Maier als Lauretta mit der hinreißend zelebrierten einzigen Arie der Oper
unterbrechen. Nicht in allen Teilen ist das Gegenteil auf einen faszinierenden szenischen Entwurf
auch wieder faszinierend, doch erwies sich die schon in der Antike erprobte Verbindung von
Tragödie und Satyrspiel auch an diesem Abend als stimmig und wurde mit Ovationen
aufgenommen. Michael Baumgartl , Schweriner Volkszeitung, 26. Januar 2009
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