I D E E N , I M P U L S E U N D I N N O VAT I O N E N 25 LANDMARKE WIRD MODERN UMGESTALTET Wo einst der Duft von Hopfen und Malz die Gebäude der Union Brauerei am westlichen Rand der Dortmunder Innenstadt füllte, wimmelt es jetzt von Schülern und Kunstinteressierten. Das Dortmunder U-Viertel ist durch die Neukonzeption des Geländes zu einer Landmarke geworden, die das Zentrum mit der westlichen Innenstadt verbindet. Das Büro Gerber Architekten hat hier nach der Umgestaltung des U-Turms erneut den Zuschlag bekommen, um auf einem anderen Geländeteil ein Schulzentrum, einen Bürobau und ein Parkhaus zu realisieren. Offene Bereiche zwischen den einzelnen Baukörpern lenken den Blick auf das U, das Wahrzeichen des Geländes, und ermöglichen ein durchlässiges Freiflächenkonzept. Zur Unterstützung des ursprünglichen Charakters wählten die Architekten einen rotgebrannten Kohlebrandklinker der Hagemeister-Sortierung „Witten“. Mit ihm wird die ursprüngliche Materialität des früheren Brauerei-Geländes aufgegriffen und neu interpretiert. FÜR ARCHITEKTEN LERNEN, KULTUR UND ARBEIT IM U-VIERTEL Fast 100 Jahre schon prägt der U-Turm die westliche Dortmunder Innenstadt. Der Geist des Architekten, Emil Moog, wirkt noch bis heute nach: Die Bar im Erdgeschoss des Gebäudes trägt seinen Namen. Auf dem Dach prangt ein vierfaches, neun Meter hohes U, das rotiert und von den Anhöhen rund um Dortmund bereits von Weitem sichtbar ist. Als die Brauerei 1994 das Gelände aufgab, verfiel es in einen Dornröschenschlaf. Erst das Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 sorgte dafür, dass es wieder ins Gedächtnis der Dortmunder kam; seither dient es – wie viele andere Gebäude der Industriekultur im Ruhrgebiet – kulturellen Zwecken. Zwischen 2008 und 2010 bauten Gerber Architekten den U-Turm zu einem Zentrum für Kunst und Kreativität um. Ihre Erfahrungen und ihren Blick für das Gesamtensemble konnten sie jetzt mit dem Bau des Schulzentrums sowie des Bürogebäudes und der Garage erneut einbringen. zum anderen als eine terrassierte Freifläche Sitzgelegenheiten bietet. Die Höhenstaffelung der beiden Gebäude gibt den Blick auf den U-Turm frei, sodass ein bewusster Blick über das Areal möglich ist. Auf rund 20.000 m2 entstand so eines der größten Schulzentren in Deutschland. Zwei Berufskollegs in unterschiedlichen Gebäuden stellen bereits äußerlich die Divergenz innerhalb der beruflichen Weiterbildung dar, sind aber dennoch durch Gemeinschaftsräume miteinander verbunden. Die bauliche Verschmelzung im Untergeschoss beherbergt eine Aula und Konferenzräume, die von beiden Kollegs genutzt werden können. Die jeweiligen Schulhöfe treffen über eine Treppe aufeinander, die einerseits das Dach der Aula darstellt, Die Hagemeister-Sortierung „Witten“ betont durch ihre Materialität den historischen Charakter des U-Viertels. Stark durch den klassischen Kohlebrand gezeichnet, erhalten die Klinker eine raue Optik, die an alte Ziegel aus den Anfängen der Industrialisierung erinnert. So wirkt es, als sei die Fassade über Jahrzehnte natürlich gealtert. Die Farbgebung zieht sich aber nicht nur durch das neu geschaffene Schul- und Büroensemble, sondern greift auch die Farbe des U-Turms auf und findet sich ebenso in den rötlichen Pflastersteinen der Das Bürogebäude ist im südöstlichen Bereich angesiedelt und bildet gemeinsam mit dem U-Turm den Eingangsbereich zum Viertel. Über sieben Geschosse eröffnet es den Mietern einen fantastischen Blick in die unterschiedlichen Bereiche der Innenstadt. Im Sockelgeschoss befindet sich die öffentliche Parkgarage mit ca. 520 Plätzen. Über drei Ebenen verläuft eine offene Fassade, die zu einer optimalen Belüftung beiträgt. Die vertikalen Öffnungen der einzelnen Parkgeschosse sind darüber hinaus ein gestalterisches Element, das durch die Klinkerverkleidung noch unterstützt und vom Bürogebäude aufgegriffen wird – so ergibt sich eine schlüssige Einheit. Außenanlage wieder. „Eingesetzte Materialien und ihre Farbigkeit im Innen- und Außenraum spielen für das als harmonisch wahrgenommene Ganze eine wichtige Rolle, sie erzeugen ein Stimmungsbild, das unser Wohlbefinden beeinflusst“, hebt Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber, der ausführende Architekt, hervor. Mit der Wahl des Klinkers ist es den Architekten gelungen, die Zusammengehörigkeit der verschiedenen Areale zu unterstreichen und das neue Viertel als Einheit zu präsentieren. B e r u f s k o l l e g s , D o r tm u n d »Eingesetzte Materialien und ihre Farbigkeit im Innen- und Außenraum spielen für das als harmonisch wahrgenommene Ganze eine wichtige Rolle, sie erzeugen ein Stimmungsbild, das unser Wohlbefinden beeinflusst.« Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber, Gerber Architekten Projektdaten Berufskollegs Dortmund Architektur/Entwurf Gerber Architekten, Dortmund Auftraggeber Projekt DoU Baufeld Nord GmbH & Co. KG Generalunternehmer Zechbau, Essen Klinkerarbeiten Rheder Klinker und Fassadenbau aus Rhede Klinker NF Witten (240 x 115 x 71 mm) Verklinkerte Fläche 12.300 m2 (ca. 590.000 Klinker) TOR ZUR STADT Als Impulsgeber für die Revitalisierung des Rotterdamer Planungsgebiets „De Pols“ präsentiert sich das MUSA De Passie wie ein Tor zur Halbinsel Katendrecht. Der Neubau öffnet sich sowohl der Stadt als auch dem ehemaligen Hafengebiet und wirkt als festes Bindeglied zwischen beiden Arealen. In seiner Kubatur vermittelt der multifunktionale Komplex zwischen den großmaßstäblichen Bauten der Innenstadt und niedrigen Wohnhäusern auf der Halbinsel. Die Klinkerfassade unterstreicht die klare Formensprache des Komplexes und referiert an die ehemaligen Packhäuser des Hafens. Eine individuelle Objektkomposition aus Hagemeister Klinker lässt die klar strukturierten Fassaden im Tageslicht lebendig schillern und aufleuchten. Mit dem Neubau MUSA De Passie ist das erste Projekt der Revitalisierung eines ehemaligen Hafengebiets auf der Halbinsel Katendrecht in Rotterdam fertiggestellt. Das Eindhovener Architekturbüro diederendirrix hat das multifunktionale Gebäude auf Grundlage eines umfangreichen Masterplans der Stadt realisiert. Dieser sah vor, einen harmonischen Übergang zwischen Stadt und Hafengebiet zu schaffen. Dafür entwickelten die Architekten ein Ensemble aus Baukörpern, das sowohl Bezug zu den Hochhäusern der Stadt als auch zu den kleineren Wohnbebauungen des Hafengebiets nimmt. Gleichzeitig sollte der Neubau Wohnen, Arbeiten, Lernen und Spielen in einem Gesamtkomplex vereinen. Auf insgesamt 27.000 m2 bietet das „MUSA“ Raum für zwei weiterführende Schulen, eine Sporthalle, 135 Sozialwohnungen, Stadtteileinrichtungen sowie eine Tiefgarage. Ein massiver dreigeschossiger Gebäudesockel beherbergt die öffentlichen Einrichtungen. An den Stirnseiten des Riegels wachsen ein 14und ein 15-geschossiger Wohnturm empor. Mit seiner Klinkerfassade greift der Bau die Materialität der alten Industriebauten, Silos und Packhäuser des Hafengebiets auf. „Wir hatten ein Gebäude vor Augen, das nicht unmittelbar als Wohnkomplex erkennbar ist und nahtlos an die industrielle Bebauung anschließt“, erläutert diederendirrix Projektarchitekt Timo Keulen. Ein Gitternetz aus Betonleisten, das mit Klinker ausgefacht ist, strukturiert das Fassadenbild. Die Architekten entschieden sich für eine individuelle Hagemeister Objektsortierung mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen. Das breite Farbspektrum von Grau-Violett über Projektdaten Musa de Passie, Katendrecht Architekturbüro diedderendirix, Eindhoven Projektarchitekt Timo Keulen Auftraggeber WoonCompas, Rotterdam Klinker Objektkomposition mit verschiedenen Oberflächenstrukturen im Waalformat Verklinkerte Fläche ca. 5.700 m² Anthrazit zu dunklem Terrakotta und hellen Grautönen verleiht der Gebäudehülle eine besondere Dynamik. „Die Mischung gibt der Fassadenfläche eine Qualität, die man mit einer Sortierung allein nicht erreichen kann“, sagt Timo Keulen und erläutert weiter: „Durch die Abwandlungen in Farbe, Struktur und Glanz zeigt sich die Fläche im Laufe des Tages immer wieder anders. Dadurch lebt das Mauerwerk, schillert und leuchtet unter dem Tageslichteinfall und der Spiegelung des Wassers im Maashafen.” Vertikale und horizontale Klinkerstreifen, die von Betonleisten eingerahmt werden, sind im Halbsteinverband gemauert und fassen optisch jeweils zwei Geschosse zusammen. Die Flächen innerhalb dieses Rasters sind teils im Halbsteinverband, teils im stehenden Verband ausgeführt. „Wir haben nach einem Kontrast zum neutralen Raster und dem matten Beton gesucht. Die Farbakzente und die Oberflächenvariationen der Hagemeister-Sortierungen lassen MUSA De Passie zu einem Gebäude werden, das sich mit seinem zweistöckigem Fassadengewebe auf den ersten Blick als sehr geradlinig zeigt, aber beim näheren Hinsehen durch sein Mauerwerk viele Nuancen aufweist“, beschreibt Timo Keulen. 2015 war das MUSA De Passie für den Rotterdamer Architekturpreis in der Kategorie „Bestes Wohngebäude“ nominiert. In diesem Jahr wurde es für den BNA Preis als bestes Gebäude in der Kategorie „Identität und Symbolwert“ vorgeschlagen. M u s a de P as s i e , Kate n dr e c h t »MUSA De Passie zeigt sich dank seines Fassadenaufbaus als ein geradliniges und klares Gebäude. Durch das Mauerwerk hat es dennoch zahlreiche Nuancen zu bieten, die die Fassade unglaublich lebendig erscheinen lassen.« Architekt Timo Keulen, diederendirrix Eindhoven »In der Vergangenheit teilten sich Theater und Bibliothek an diesem Ort das Quartier. Bisher waren beide Einrichtungen Rücken an Rücken angeordnet und doch voneinander getrennt: Unterschiedliche Eingänge und separate Innenräume führten zu dieser Teilung der Funktionsbereiche« Jimmy van der Aa, Büro DP6 Projektdaten De Bussel, Brabant-Oosterhout Architekturbüro DP6 architectuurstudio, Delft, 3TO architecten, Den Haag Projektarchitekten Jimmy van der Aa (DP6) Carol Groenewegen (3 TO) Auftraggeber Stadt Oosterhout, Brabant Klinker Sortierung Gent BU + FU, Klinkerriemchen 290 x 23 x 40 mm Verklinkerte Fläche ca. 7.643 m2 D e B u s s e l , B r aban t- O o s te r h o u t WELLENFÖRMIGE FASSADE In Oosterhout zwischen Breda und Utrecht verleiht der neue Theater- und Bibliothekskomplex De Bussel der niederländischen Stadt ihr unverwechselbares Gesicht. Der Name des Neubaus knüpft an den Begriff „Busselen“ – gebündelte Waldzweige – an. Busselen ist auch ein Synonym für Verschmelzung: Das moderne Gebäude verbindet den stillen Rückzugsort einer Bibliothek mit dem kulturellen Treffpunkt eines Theaters. Charakteristisch für die geklinkerte Fassade ist ihre Wellenbewegung, die damit die typischen Formen eines Theatervorhangs aufgreift. Die Projektarchitekten Jimmy van der Aa vom Architekturstudio DP6 und Carol Groenewegen vom Büro 3TO architecten haben in Oosterhout ein architektonisches Juwel geschaffen, das als Wohnzimmer der Innenstadt Anziehungspunkt für Einheimische und Besucher ist. Mit dem länglich-schmalen Hagemeister Klinker der Sortierung „Gent“ ist es gelungen, die Fassade mit einer wellenartigen Struktur zu versehen und damit die Lebendigkeit dieser Begegnungsstätte zum Ausdruck zu bringen. Die Stadt stellte sich für Theater und Bibliothek einen kohärenten Bau mit einem zentralen Eingang vor: „In der Vergangenheit teilten sich Theater und Bibliothek an diesem Ort das Quartier. Bisher waren beide Einrichtungen Rücken an Rücken angeordnet und doch voneinander getrennt: Unterschiedliche Eingänge und separate Innenräume führten zu dieser Teilung der Funktionsbereiche“, erklärt Jimmy van der Aa vom Büro DP6. Mit dem Neubau ist eine gemeinschaftliche Nutzung von Eingang, Foyer und den zentralen sanitären Anlagen möglich geworden. Mit der Integration des Theaterturms und des großen Saales konnte teilweise auf die bestehende Konstruktion des Altbaus zurückgegriffen werden. Im Inneren verleiht die sich schlängelnde Kante einer langgestreckten Balustrade Theater, Bibliothek sowie den gemeinschaftlich genutzten Räumen Struktur, nach Außen überzeugt die großzügige Verglasung. Um die wellenartige Form abzubilden, haben sich die Architekten für die HagemeisterSortierung „Gent“ im Grenadier-Verband entschieden, die auf vorgefertigte Betonwellen geleimt und gefugt wurden. Ein Element mit drei kurzen Wellen erzeugt ein Wechselspiel zu einer kurzen und einer längeren Welle. Die nahtlose Verbindung der Türen und Fenster in den Ecken des Gebäudes wird durch spezielle Formsteine ermöglicht. Durch die wechselseitige Verarbeitung fügt sich der Klinker mit seiner von gelb-orange bis ocker-rötlich gehenden Farbgebung harmonisch in die unmittelbare Umgebung der Sint-Jans-Basilika ein, die das Stadtbild durch ihre dunkelroten Ziegel mit Kohlebrandakzenten prägt. Das Mauerwerk verbindet zudem Außen und Innen. Es durchbricht im Inneren an zwei Punkten die Fassade, um sich dort zu einem Balkon zu formen. Statt eines traditionellen Fenstervorsprungs wurde ein separater Ziegel eingesetzt, durch den sich die Klinkerriemchen mit gleicher Textur bündig an die Fassade anschließen und nahtlos in die Fronten übergehen. An der Frontfassade sind in den Hagemeister-Klinkern die Notabläufe integriert, die die Dachentwässerung unterstützen. Auch die lokale Faune wurde berücksichtigt: Nach unten offene Stoßfugen für Fledermäuse sorgen dafür, dass die Tiere ihre Nester problemlos erreichen können und dennoch vor der Witterung und ihren natürlichen Feinden geschützt sind. MAUERWERKEN KUNST & HANDWERK GEKONNT VEREINT Geurst & Schulze, Den Haag (Foto: Hagemeister) Bathe + Reber Architekten, Dortmund (Foto: Daniel Sumesgutner) Diehl • Architekten, Gießen (Foto: Ralf Heidenreich) Klassisch und würdevoll – der Baustoff Klinker ist mehr als nur eine Ansammlung von Steinen, die das Draußen vom Drinnen trennt. Seit Jahrtausenden bewährt sich Klinker als langlebiges und nachhaltiges Material und ist damit ein echter Alleskönner. Dabei zeugen jedoch nicht nur plane Wände von der Handwerkskunst der Verarbeiter und den planerischen Qualitäten von Architekten. Klinker ist ein vielseitig einsetzbarer Stein, der die verschiedensten Formen annehmen kann. Unterschiedlich verlegt, mit Versatz oder Aussparungen, sind mit ihm besondere Gestaltungen möglich. Von einer gefaltet wirkenden Fassade bis hin zu feinsten Reliefs – den Wünschen der Bauherren oder Künstler sind keine Grenzen gesetzt. Lafour en Wijk Architecten, Amsterdam (Foto: Gabriele Merolli) Architekten & Ingenieure Goethel, Wittenförden (Foto: Roland Unterbusch) Architektur- und Sachverständigenbüro Schapmann, Telgte (Foto: Hagemeister) Arbeitsgemeinschaft Patriarche & Co., Paris und Schuster Architekten, Düsseldorf (Foto: Espendiller+Gnegel) Fas s ade i m Fo k u s MODERNE UND TRADITION IM HARMONISCHEN EINKLANG Inmitten einer alten Gartenfläche steht das alte Pastorat der Kirchengemeinde St. Pankratius, ein Klinkerbau von 1898, in der Nähe der Emsdettener Innenstadt. Nachdem die Dekanate Emsdetten/Greven und Steinfurt fusionierten, mussten beide Verwaltungen der Kirchengemeinde unter einem Dach vereinigt werden. Neben dem Bestandsgebäude baute das ortsansässige Büro RECKERarchitekten einen neuer Kubus, in dem seit März 2016 die Zentralrendantur untergebracht ist. Die helle, sandsteinfarbene Klinkersortierung „Östersund“ in Handstrichoptik ziert das neue Gebäude und führt das gestalterische Element des Altbaus weiter, "in Einklang gebracht wurden" und "Klinkersortierung "Östersund" aufgegriffen". Nur wenig Historisches hat die Stadtkernsanierung der 70er Jahre überdauert. Emsdetten, seit jeher eine Hochburg der katholischen Glaubensausrichtung, blieb nicht von den Kirchenaustritten und der damit verbundenen Umstrukturierung der Dekanate verschont. Für das Finanzverwaltungsgebäude der 2014 fusionierten Dekanate Emsdetten/Greven und Steinfurt, die sogenannte Rendantur, musste ein neuer Ort gefunden werden – gewählt wurde ein altes Bestandsgebäudee der Kirchengemeinde St. Pankratius, in dem Tradition und Moderne miteinander in Einklang gebracht wurden. Architektur einen Kontrapunkt bildet, sich aber auch gleichzeitig dem Bestandsgebäude unterordnet, betont Dipl.-Ing. Architekt Rudolf Recker: „Das neue Gebäude lässt den Altbau leben, anstatt ihn zu dominieren. Es biedert sich nicht an und will nicht übertrumpfen, sondern lehnt sich an das Bekannte an.“ Die Sockelfarbe des Sandsteins am Altbau wurde in der Fassadengestaltung des Neubaus mittels der hellen Klinkersortierung „Östersund“ aufgegriffen. Verbunden wurden beide Gebäude durch einen Glaskubus, der gleichzeitig auch die Geschosshöhen von teilweise 4 Metern im Altbau durch Treppen und Rampen ausgleicht. Die Entscheidung für Klinker fiel bewusst, so Recker: „Nur `billig, billig, billig‘ zu bauen war nicht im Sinne des Bauherren. Natürlich musste das Budget streng beachtet werden – allerdings stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund.“ Der helle Klinker der Sortierung „Östersund“ harmoniert perfekt mit dem roten Klinker des alten Pastorats. Durch die Handstrichoptik mit Wulsten und unregelmäßigen Kanten changiert der Stein, sodass das Gebäude beseelt wirkt. Die Formen- und Farbensprache des Bestandsgebäudes wird stilsicher weitergeführt, das Wechselspiel zwischen Tradition und Moderne atmet handwerkliche Baukunst und stellt einen eleganten Bezug zum Bestandsgebäude her. Der moderne Neubau ist ein schlichter, zurückhaltender Kubus, der zwar durch seine Projektdaten Zentralrendantur, Emsdetten Architekturbüro RECKERarchitekten, Emsdetten Auftraggeber Kirchengemeinde St. Pankratius, Emsdetten Klinker Östersund HS (290 x 90 x 52 mm) Gemauerte Fassadenfläche ca. 9.900 Stück / 178 m² Z e n tr al r e n dan tu r, E m s de tte n »Nur ‘billig, billig, billig‘ zu bauen war nicht im Sinne des Bauherren. Natürlich musste das Budget streng beachtet werden – allerdings stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund.« Dipl.-Ing. Architekt Rudolf Recker INDUSTRIELLES ERBE Ledergerbereien, Textilmanufakturen und Fertigungsbetriebe prägten über ein Jahrhundert lang das Bild des Londoner Stadtteils Bermondsey. Von Industrie und Krieg gezeichnet, geriet der Bezirk im Süden Londons zunehmend in Vergessenheit. Während die viktorianisch geprägte Gegend um 1900 mit zahlreichen Fabriken, Geschäften und Manufakturen einen wirtschaftlichen Knotenpunkt darstellte, waren in den vergangenen Jahren zahlreiche Häuser baufällig geworden. Auch das geschichtsträchtige Lagerhaus „Larnaca Works“ hatte mit der Zeit schweren Schaden genommen. Heute erfährt das Quartier eine Reformation. Im Zuge eines umfassenden Regenerationsplans haben die Architekten des Londoner Büros Lynas-Smith drei Apartmenthäuser auf dem Grundstück des Lagerhauses realisiert. Der geradlinige Komplex mit dem Namen „Grange Gardens“ verleiht dem Ort eine neue Identität. Hagemeister-Klinker der Sortierung „Alt Berlin“ unterstreicht die moderne Architektursprache und stellt gleichzeitig eine Verbindung zur industriellen Vergangenheit des Ortes her. Der anthrazit-blaue bis silber-graue Klinker hüllt die Baukörper in einen dunklen Mantel, der sich an einigen Stellen öffnet und eine stark kontrastierende Oberfläche in Blau- und Grüntönen freigibt. Mit einem individuellen Designkonzept verwirklichte das Architekturbüro Lynas-Smith die Vorstellungen des Bauherren von einem modernen Neubau, der einen klaren Bezug zur backsteingeprägten viktorianischen Epoche herstellt. Die drei Apartment Blocks des „Grange Gardens“ variieren in ihrer Höhe von fünf bis sieben Geschossen. Sie bieten Raum für insgesamt 90 Wohnungen sowie gewerblich nutzbare Räume im Erdgeschoss. Eine solide geometrische Grundform prägt die einzelnen Baukörper. Mit der Fassadengestaltung schaffen die Architekten eine Verbindung zwischen traditioneller und zeitgenössischer Bauweise. Ab der ersten Etage schmiegt sich der Klinker aus dem Münsterland wie ein dunkles Kleid an die kubischen Volumen. Die Sortierung „Alt Berlin“ kombiniert edle Grautöne mit feinem BlauAnthrazit. Für die Gesamtfläche von 2.500 m2 fertigte Hagemeister etwa 190.000 Klinker im Sonderformat 215 x 104 x 64 mm. Die graue Verfugung in Kombination mit dem im Läuferverband gearbeiteten Mauerwerk erzeugt eine monolithische Wirkung der Gebäude. Für zusätzliche Spannung sorgt eine zweite, keramische Sortierung aus sanft-blassem Marineblau, Türkis und Mintgrün. Diese wurden an den Gebäudesockeln, Rückwänden der Balkonaussparungen und Pergolen eingesetzt. „Wir wollten den Effekt einer tiefen Fassade schaffen“, erklärt Michael Lynas. „Es entsteht ein kontrastreiches Spiel zwischen den hellen Platten und der dunklen Klinkerhülle. Das farbige Material durchbricht die Klinkerummantelung und setzt lebendige Akzente.“ Projektdaten Larnaca Works, London Architektur Lynas-Smith, London Projektarchitekt Michael Lynas Auftraggeber Union Developments Klinker „Alt Berlin“ (215 x 104 x 64 mm) + glasierte Klinker Verklinkerte Fläche 2.500 m2 L ar n ac a Wo r k s , L o n do n »Mit der massiven, dunklen Klinkerfassade wollten wir den Baukörpern Individualität in ihrem Umfeld verleihen, nicht den umliegenden Wohnbau replizieren. Gleichzeitig erinnert „Alt Berlin“ an die von Ruß bedeckte Landschaft um 1900 und unterstreicht so das städtische Erbe. Dabei hat der Klinker ein hochwertigelegantes Aussehen.« Projektarchitekt Michael Lynas, Lynas-Smith London »Mit großer Sorgfalt wurde das Gebäude in seine Umgebung integriert. Die horizontale Linienführung des Nachbargebäudes wurde in der Backsteinfassade übernommen, deren gelber Backstein eine Reminiszenz an [den Baumeister] Berlage darstellt, wodurch die Schule nicht nur auf natürliche Weise an ihrem Ort eingebunden wirkt, sondern auch die Kontextualität des Straßenbildes erhalten bleibt, sogar die Geländer und die Pflanzkästen waren Teil des Entwurfs.« Auszug aus der Jurybeurteilung des BNA. Projektdaten Montessorisschool, Den Haag Typologie Außerschulische Betreuung, Sporthalle, Schule Projektgröße 2.480 m² Architektur DeZwarteHond, Rotterdam/ Groningen/Köln Projektleitung Bart van Kampen Erstellung 2009 - 2015 Auftraggeber Stadt Den Haag / Montessorischool Waalsdorp Klinker Objektsortierung „Bonn“, Modulformat 290 x 90 x 40 mm + Sondermaße Verklinkerte Fläche 2.000 m2 M o n te s s o r i s c h o o l Waal s do r p, D e n H aag STRUKTUR UND FLÄCHE Der Neubau der Montessorischool Waalsdorp tritt mit einer verspielten Architektursprache in Erscheinung und fügt sich gleichzeitig harmonisch in das backsteingeprägte Den Haager Schulviertel der 1930er Jahre ein. Das Rotterdamer Architekturbüro DeZwarteHond hat die Farbigkeit und Linienführungen umliegender Bebauungen aufgegriffen und auf ihren Entwurf übertragen. Entstanden ist ein zweigeschossiges, gestrecktes Volumen mit klarer Formensprache und lebendiger Fassadengestaltung. Sandgelber Hagemeister Klinker der Sortierung „Bonn“ passt den Baukörper elegant an zwei bestehende Backsteingebäude des Den Haager Schuldreiecks an. Während das Mauerwerk auf drei Seiten glatt und linear erscheint, nimmt die Stirnseite Strukturen aus der Umgebung auf und setzt sie in Form von breiten Lisenen im Mauerwerk um. 29 cm tiefe und breite, pfeilerartige Rippen wachsen regelmäßig und symmetrisch aus der Fassade heraus. Die geriffelte Optik gibt dem Bau eine individuelle Struktur, die ein einzigartiges Lichtund Schattenspiel erzeugt. Der warmtonige, mit Kohlebrand nuancierte Klinker wurde eigens für dieses Projekt in enger Zusammenarbeit mit den Architekten im Nottulner Werk entwickelt und gebrannt. Mit dem Sondermaß 209 x 90 x 40 mm sowie dem doppelten, halbversetzten Läuferverband ist ein lebendiges Mauerwerk mit spannungsreichem Fugenbild entstanden. Das besonders schmale Format gibt dem Bau eine klare, gestreckte Wirkung und verleiht der Fassade schlichte Eleganz. Große Fensterbänder unterbrechen die ebenmäßigen Fassadenseiten und lassen das Gebäude leicht erscheinen. Die eloxierten Aluminiumrahmen der Laibungen sorgen zusätzlich für Tiefe und verstärken die Struktur in der Gebäudehülle. Alle Materialien zur Ausgestaltung des Außen- und Innenbereichs haben die Architekten sorgfältig aufeinander abgestimmt. So korrespondiert die warme Farbgebung des Klinkers mit den Holzvertäfelungen im Innenbereich. Das Gesamtkonzept der Montessorischool überzeugte auch die Jury des BNA, die das Projekt in der Kategorie „stimulierendes Umfeld“ als „Bestes Gebäude des Jahres 2015“ auszeichnete. In t e r vi ew Andreas Kr ys Foto: © Peter Wattendorf Aufgewachsen im Ruhrgebiet – und vor der Haustür: Unzählige Klinkergebäude aus längst vergangener Industriezeit. Sie haben den Architekten Andras Krys so sehr geprägt, dass man ihn augenzwinkernd durchaus als „Klinker und Backstein-Fan“ bezeichnen könnte. Seine Wurzeln hat er nicht vergessen, auch wenn er mittlerweile seit langer Zeit in Münster lebt und arbeitet: Krys lehrt an der Bochumer EBZ Business School und ist überzeugt: Klinker ist nicht nur der Stoff der Vergangenheit, sondern auch der Zukunft. »Klinkergebäude, die „wie eine Eins“ stehen« Sie nutzen für Ihre Bauten häufig Klinker – was fasziniert Sie so an diesem Baustoff? Andreas Krys: Klinker ist für mich ein Material, das nicht nur traditionell, sondern auch modern und nachhaltig zugleich ist. Jeder kennt es, weil man es in seiner Umgebung häufig sieht – und: Es ist akzeptiert. Für mich ist es wichtig, mit den Materialien zu bauen, die auch in der Region vorkommen. Natürlich gibt es auch hochwertige Baustoffe aus z. B. Italien oder Dänemark – aber warum soll ich als Architekt oder Bauherr etwas erst aufwendig von weit weg zu meiner Baustelle schaffen, wenn ich mit einem Material, das aus der Region kommt, gleich ein ganz anderes Gefühl von Verbundenheit herstellen kann? Ich war schon als Kind fasziniert von den großen Klinkergebäuden, den alten Architekturzeugnissen aus der Montanzeit – die stehen heute noch wie eine Eins. Es ist schlichtweg ein zeitloses und wertiges Material. Klinker ist, wie Sie sagten, ein altbekannter Baustoff. Wie prägt er die Architektur in Deutschland und Europa? Andreas Krys: Egal wo man hinschaut, Klinker hat überall sehr ähnliche Formate. Das liegt daran, dass man den einzelnen Ziegel zum Bauen natürlich in die Hand nehmen muss – insofern ist die Größe weltweit ein verbindendes Element. Das ist für mich ein sehr archaischer und spannender Ansatz. In Südeuropa wurde früher viel mit Klinker gebaut – aber auch dort zog man es oft vor, den nackten Stein dann zu verputzen, das war schade. Erst Karl Friedrich Schinkel hat es geschafft, den unverputzten Backstein in Preußen wieder salonfähig zu machen. Seither hat sich der Markt natürlich weiterentwickelt. Und seitdem die Bauwirtschaft nach der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder boomt, entdecken auch Investoren den Klinker wieder für sich: Sie wissen ein nachhaltiges Material zu schätzen. Hinzu kommt die Erfahrung, dass ein Gebäude mehr einbringt, wenn die Betriebskosten niedrig sind und durch eine zeitlose Gestaltung die Halbwertzeit eines Gebäudes deutlich verlängert wird. Man trinkt ja schließlich seinen Wein oder Kaffee auch lieber aus einem Glas oder einer schönen Tasse, und nicht aus einem Plastikbecher. Ich bin daher optimistisch, dass uns der Baustoff Klinker noch ein paar Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte begleiten wird. Neben der Nachhaltigkeit und der Zeitlosigkeit – welche Eigenschaften sind es noch, die Sie beim Klinker überzeugen? Andreas Krys: Klinker lässt sich hervorragend mit anderen Materialien kombinieren. Es gibt viele tolle Beispiele dafür, wie er mit Aluminium wirkt, aber auch mit Sandstein oder Beton. Wichtig ist mir immer nur, dass ein Material dominiert und das andere unterstützt, sonst tut man sich beim Gesamteindruck keinen Gefallen. Welche Gebäude eignen sich denn besonders für eine Klinkerfassade? Andreas Krys: Ich würde eher fragen: Welche eignen sich nicht? Große gewerbliche Hallen sind die einzigen Gebäude, die heute kaum noch aus Klinker gebaut werden – ansonsten ist vom Einfamilienhaus über Bürogebäude bis hin zu großen Gebäudeensembles alles möglich. Das liegt eben daran, dass man mit Klinker so stark variieren kann. Wie die Architektur ist auch der Klinker Modeerscheinungen unterworfen – dennoch strahlt er immer etwas Vertrautes aus. Mittlerweile gehen Architekten auch regelmäßig dazu über, mit dem Klinker und den verschiedenen Oberflächen zu spielen – sei es, indem sie Vor- und Rücksprünge einbauen, Steine zu Reliefs anordnen oder Simse entstehen lassen. Der spielerische Umgang mit Klinker wird immer größer und macht gerade auch den Reiz aus. Sie lehren an der EBZ Business School in Bochum – wie hat sich die Auseinandersetzung der jüngeren Generation mit Architektur und Materialien seit Ihrer Zeit als Student verändert? Andreas Krys: Als ich Student war, hieß es oft: „Klinker ist tot! Das ist nur was für Häuslebauer oder ewig Gestrige. Wir haben neue Materialien – Klinker braucht kein Mensch.“ Das fand ich zwar befremdlich, aber als Student nimmt man die Aussagen seiner Professoren ja erst mal so hin und hinterfragt sie nicht sofort. Heute weiß ich, dass es Unsinn war. Klinker ist ein Partner der WerkBundStadt Berlin tolles Material für Studenten, um sich damit auszuprobieren. Die jüngere Generation hat einen starken Hang zur Innovation, aber auch nach Wärme, Vintage und Retro. Es gibt doch heute kaum noch ein Vintage-Café ohne eine freigelegte Backsteinwand. Das kommt daher, dass man keinen Grund hat, gegen alte Formen zu rebellieren, sondern sie lieber aufgreift und in etwas Neues einfügt. Was geben Sie Ihren Studenten mit auf den Weg? Andreas Krys: Der Austausch, das „Sich-Befruchten“ ist wichtig. Auch ich lerne immer wieder von meinen Studenten, nicht nur sie von mir. Viele Dinge sind neu und kommen schnell hinzu, so dass man erst mal etwas Zeit braucht, um sich überhaupt eine Meinung bilden zu können. An der EBZ Business School treffen verschiedene Welten aufeinander, wir lehren u.a. in einem speziellen Masterstudiengang „Projektentwicklung“. Hier trifft kaufmännischer Ansatz auf Planung und Architektur – alles Dinge, die immer stärker miteinander verschmelzen. Von dieser interdisziplinären Ausbildung profitieren alle Studenten. An der EBZ hat man erkannt, dass das Thema der baukulturellen Zusammenhänge und Gestaltung wichtig ist und sich nicht strikt von der Ökonomie trennen lässt. Herausgeber: Hagemeister GmbH & Co. KG, Klinkerwerk Buxtrup 3 · D-48301 Nottuln Telefon 00 49 - 2502 8040 Telefax 00 49 - 2502 7990 [email protected] www.hagemeister.de Redaktion und Grafik-Design: presigno GmbH, Dortmund Fotos: Ulrich Metelmann, Ratingen Weitere Fotonachweise am Bildrand Partner des BDA Münster-Münsterland