Ich rufe auf

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Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
Vorabprotokoll gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 GO Abghs
Von den Rednerinnen/Rednern nicht durchgesehen!
48. Sitzung vom 18. März 2004
Vorläufiger Text
Ich rufe auf
Einzelplan 10
– Bildung, Jugend und Sport –
hierzu:
1. Änderungen des Hauptausschusses gemäß
Drs 15/2550
2. Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses
nach Drs 15/2551, Nrn. 37 bis 44
Ich rufe auch den Änderungsantrag der Fraktion der Grünen Drucksache 15/2550-3 sowie den Änderungsantrag
der Fraktion der CDU Drucksache 15/2550-20 auf. – An Wortmeldungen habe ich die des Kollegen Rabbach für
die Fraktion der CDU vorliegen. Er hat das Wort. – Bitte schön, Herr Rabbach! Jetzt dürfen Sie endlich
sprechen!
Rabbach (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines ist klar: Die SPD macht egal mit
welchem Koalitionspartner im Bund und im Land unglaubwürdige Politik.
[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]
Dazu kann ich Ihnen gleich ein Beispiel aus dem Bund nennen, dass mir am Montag bei einer
Parteiveranstaltung mehrere sagten. Wenn die SPD in der Bundesversammlung eine Mehrheit hat, schlägt sie
einen Mann vor, hat sie keine Mehrheit, schlägt sie eine Frau vor. Das ist eine Art von unglaubwürdiger Politik.
[Unruhe bei der SPD
Hillenberg (SPD): Das ist doch genau dasselbe!]
– Nein, das ist ganz anders! Wenn wir die Familien- und Sport-, Jugend- und Schulpolitik in Berlin ansehen,
läuft das auch nicht anders. Ich kann als erstes Beispiel das Sportanlagensanierungsprogramm nennen.
[Brauer (PDS): Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm!]
Bis zum Jahr 2003, Herr Böger und Herr Sarrazin – Sie sind nicht allein an dieser Malesse schuld, Herr Böger –
betrug dieses noch 51 Millionen €. Dann hat es der Senat auf 41 Millionen € abgesenkt. Daraufhin hat es die
Koalitionsfraktion für 2004 auf 48 Millionen € und für 2005 auf 46 Millionen €. In einer Pressemitteilung wird
veröffentlicht, dass die Koalition das Sportanlagensanierungsprogramm gerettet hat. Dabei sind es für diese
beiden Jahre immer noch 8 Millionen € weniger als wir vorher für die Schulen und Sportanlagen in Berlin
hatten. Diese brauchen es nötig. Das ist ein Beispiel für unseriöse und unglaubwürdige Politik, wo das Volk an
sich – man kann es fast sagen – belogen wird. Es wird als Erfolg gefeiert, dabei ist es eine Absenkung um 8
Millionen €.
Ein zweiter Punkt ist: Der Senat und insbesondere Herr Böger legen in Abständen immer ein Programm
Jugend gegen Gewalt, Kinder von der Straße. Das letzte Programm hat 2,4 Millionen € gekostet. Es hindert sie
nicht, das haben wir letzten Donnerstag erörtert, 12 000 Kinder und Jugendliche für 4 Monate aus den Berliner
Bädern zu expedieren und sie auf die Straße zu schicken. Das ist ein weiteres Beispiel für unseriöse Jugend-,
Familien- und Sportpolitik in dieser Stadt.
Aber lassen Sie mich kurz zu Herrn Wowereit, Herrn Böger und Herrn Sarrazin kommen oder wer immer da
noch die Finger im Spiel hat: Die Anwerbung des NOKs, seinen Sitz von Frankfurt nach Berlin zu verlegen, ist
Beispiel eines herausragenden politischen Konzepts, nämlich gar keines. Es gibt gar kein Konzept. Dieser Senat,
an der Spitze Herr Böger und Herr Wowereit, wollten das NOK von Frankfurt nach Berlin holen. Dagegen hätte
im Prinzip keiner etwas gehabt. Nur haben Sie im letzten Jahr die Führungsakademie des Deutschen
Sportbundes aus Berlin herausgeworfen – sie ist jetzt in Köln – und haben sich gedacht, dies ließe sich der
deutsche Sport gefallen.
Wir haben Ende November im Wirtschaftsausschuss den Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Herrn von
Richthofen, angehört, der in aller Neutralität,
[RBm Wowereit: Neutralität!]
die Ihnen, Herr Wowereit, fehlt, auf Nachfrage bestätigt hat, dass derjenige – und Sie sind nun mal in Berlin an
der Regierung –,
[Sen Böger: Jawohl!]
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der die Führungsakademie aus der Stadt herauswirft, nicht damit rechnen kann, das NOK nach Berlin holen zu
können.
Zusätzlich haben Sie erreicht – dies ist verschwiegen worden und dennoch eine Tatsache –, dass auch das
Deutsche Olympische Institut in der nächsten Zeit Berlin verlässt und nach Frankfurt umzieht. Das sind die
Folgen Ihrer konzeptions- und ideenlosen Sportpolitik für diese Stadt.
[Beifall bei der CDU –
Vereinzelter Beifall bei der FDP]
Daran sind so einige beteiligt. Ich weiß nicht, Herr Wolf, ob dies auch auf die Wirtschaft zutrifft. Uns hat ein
Staatssekretär der Bundesregierung anlässlich einer Veranstaltung gesagt, er verstehe nicht, dass man die
Führungsakademie wegen 300 000 € aus Berlin herauswirft, wenn man an die Folgen denke und berücksichtige,
dass mehr als tausend internationale Gäste jährlich die Führungsakademie besuchten und die Berliner Hotels
bevölkerten. Ihre Politik ist konzeptionslos und unglaubwürdig.
Herr Böger wird nachher gewiss sagen, es sei Schuld der CDU – was nicht den Tatsachen entspricht –, dass
die Führungsakademie nicht in Berlin geblieben ist. Sie haben aber eine Mehrheit, und mit dieser Mehrheit
haben Sie dies im Hauptausschuss so beschlossen. Das ist eine schlimme Sache. Hinterher wurde kolportiert,
Herr Liebich, dass einige in der PDS das Wort „Führungsakademie“ mit Überliefertem aus der Nazizeit
verbunden hätten.
[Unruhe bei der PDS]
Hier darf ich Ihnen noch einmal erklären: Die Führungsakademie ist die hochrangige Fortbildungsstätte des
Deutschen Sportbundes.
Noch ein Beispiel unglaubwürdiger, konzeptionsloser Politik: die Anwerbung der Weltmeisterschaft der
Leichtathletik 2005.
[Mutlu (Grüne): Reden Sie doch
mal zum Haushalt!]
Hier wurde uns hinterher von den politisch Verantwortlichen, insbesondere Herrn Böger, erklärt, dass Nokia
Schuld war. Nein! Sie haben vorher das Istaf quasi in die Insolvenz geschickt. Das hatte die Konsequenz, dass in
Nairobi die Entscheidung gegen Berlin und für Helsinki fiel.
[Mutlu (Grüne): Wir sind doch nicht
in der Märchenstunde!]
Das ist die Wahrheit, die die Sportfunktionäre in Berlin bestätigen. – Schönen Dank!
[Beifall bei der CDU]
Präsident Momper: Danke schön, Herr Kollege Rabbach! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat
nunmehr Frau Dr. Tesch – bitte schön!
Frau Dr. Tesch (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das der Beitrag der
CDU-Fraktion zur Grundsatzdebatte über die Bildungsfragen war: Herzlichen Dank!
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]
Das Urteil des Verfassungsgericht vom 31. Oktober 2003 hat auch im Bildungsbereich neues Recht gesetzt. So
müssen auch hier alle Ausgaben mit Bezug auf das Grundgesetz, Bundesgesetz und Landesverfassungsgesetz
sowie andere rechtliche Bestimmungen begründet werden.
Im Bildungsbereich ist die allgemeine Begründung relativ klar: Artikel 7 Grundgesetz weist den Ländern als
gesetzliche Regelung den Bildungsauftrag zu. Dieser Bereich ist die zentrale Aufgabe der Länder, die
Kernaufgabe des Föderalismus.
[Frau Jantzen (Grüne): Schön erklärt!]
Aber auch in diesem Bereich – ich schaue den Herrn Finanzsenator an – müssen wir uns dem Vergleich mit
anderen Bundesländern stellen.
[Frau Jantzen (Grüne): Da stehen
wir ziemlich schlecht da!]
Deshalb waren auch in Berlin – trotz der erklärten Priorität von Bildung – bei Beibehaltung der
Haushaltskonsolidierung wegen der so genannte Ausstattungsvorsprünge unpopuläre Anpassungen erforderlich.
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So musste in Berlin zweimal die Lehrerarbeitszeit erhöht werden, und Berlin liegt jetzt beim Ländervergleich im
oberen Feld.
Wir alle haben diese Maßnahme nicht begrüßt, denn wir wissen um die schwierigen Aufgaben, die gerade
unsere Berliner Lehrerinnen und Lehrer im pädagogischen und erzieherischen Bereich zu leisten haben. Das
haben sie mit großem Einsatz getan, und deshalb gebührt ihnen unser aller Dank.
Auch bei den Kosten und Ausgaben pro Schüler liegt Berlin im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten
deutlich niedriger. Lediglich im Bereich Schüler-Lehrer-Relation liegt Berlin im Vergleich zu den anderen
Bundesländern nach Thüringen vorn. Dies ist aber vor allem durch die Sozialstruktur unserer Stadt und den
hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache begründbar.
Im Etat wird im Allgemeinen zwischen Personalkosten, konsumtiven Kosten und investiven Kosten
unterschieden. Meiner Meinung nach – und diese teilt die Fraktion – sind alle Ausgaben in Bildung investive
Kosten, da unsere Gesellschaft in Köpfe investieren muss.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Es gibt jedoch auch im Bildungsbereich originäre investive Kosten. Da haben wir zum einen das Schul- und
Sportstättensanierungsprogramm, an dem die Koalition auch weiterhin festhält, da es von essentieller Bedeutung
für unsere Stadt ist. Weiterhin gibt es das Investitionsprogramm der Bundesregierung zum Ausbau weiterer
Ganztagesschulen. Berlin erhält aus diesem Programm 147 Millionen € mit einer Eigenbeteiligung von 10 %.
Natürlich beteiligt sich Berlin an diesem Programm, da wir in der ganztäglichen Betreuung von Schülerinnen
und Schülern, gerade von bildungsfernen Schichten, eine Zukunft sehen.
Die wichtigste Neuerung für die zweite Hälfte der Wahlperiode ist hingegen das neue Schulgesetz, das
erstmals eine rechtliche Grundlage für die Veränderungen, die nach Pisa notwendig sind, liefert. So wird das
Einschulungsalter vorgezogen. Der Stichtag ist zukünftig der 31. Dezember, das heißt, alle Kinder, die im
laufenden Kalenderjahr sechs Jahre alt werden, sind schulpflichtig. So kommen die Kinder im Alter zwischen
fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren in die Schule. Diese Maßnahme erfordert zunächst 630 Lehrerstellen, die
auf Grund der frei werdenden Lehrerstellen durch rückläufige Schülerzahlen gewonnen werden können.
[Frau Senftleben (FDP): Das gibt nicht
mehr Unterricht!]
Bereits in der Koalitionsvereinbarung, Frau Kollegin Senftleben, wurden 1 040 Stellen festgeschrieben, die
für pädagogische Verbesserungen genutzt werden sollen. Hier zeigt sich unsere klare Position zur
Bildungspolitik.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Das ist der Handlungsspielraum, den uns das Urteil lässt, wie unserer Fraktionsvorsitzender Michael Müller
heute Morgen bereits betonte.
Die teilweise erschreckenden Ergebnisse des Sprachtests „Bärenstark“ haben ganz klar einen Zusammenhang
zwischen der Beherrschung der deutschen Sprache und dem Schulerfolg ergeben.
[Frau Senftleben (FDP): Sensationell!]
Deshalb haben wir im neuen Schulgesetz eine verpflichtende Sprachstandserhebung vor der Einschulung
festgeschrieben. Reichen die erforderlichen Sprachkenntnisse nicht aus, so müssen diese Kinder einen
halbjährigen, verpflichtenden vorschulischen Sprachkurs besuchen. Aber das allein reicht nicht aus: Auch die
Eltern müssen die deutsche Sprache lernen, und deshalb hält die Koalition an den gut bewährten Mütterkursen
fest.
[Mutlu (Grüne): Deshalb baut sie
sie nicht aus!]
In den Schulen wurden 732 Lehrerstellen für den DaZ-Unterrricht – Deutsch als Zweitsprache –
bereitgestellt, eine zusätzliche Stunde zur Förderung der Lesekompetenz in der 2. Klasse seit dem Schuljahr
2002/2003 eingerichtet und die Frequenzen in Klassen mit mehr als 40 % Kinder nichtdeutscher
Herkunftssprache
[Mutlu (Grüne): Das war vor 3 Jahren!]
werden seit 2001/2002 kontinuierlich gesenkt. – Sie kennen dieses Programm, Herr Kollege Mutlu!
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Nun zu den Vorwürfen der Opposition: Herr Zimmer, der leider nicht da ist, verliert sich beim
Bildungsbereich in allgemeinen Floskeln, und Herrn Lindner fallen nur die Privatschulen und die Vorklassen der
Europaschulen ein. Herr Eßer erwähnt nur die maroden Schulbauten. Herrn Rabbach, meinen Vorredner, nehme
ich für den Bereich Schule – wie vorhin bereits erwähnt – nicht ernst.
[Unruhe]
– Sie, Herr Rabbach, hätten eine allgemeine bildungspolitische Begründung Ihrer Fraktion liefern sollen. Diese
war unzulänglich, und ich meine, dies hier anmerken zu können.
Pisa hat aber auch ergeben, dass wir möglichst früh mit der Bildung unserer Kinder anfangen müssen.
Deshalb sind sich heute alle einig: Auch Kitazeit ist Bildungszeit. Das Bildungsprogramm für die Kitas findet
überall größte Anerkennung. Es fanden über 2 000 Fortbildungsveranstaltungen statt, und die vorschulische
Erziehung soll durch verbesserte Erzieherinnen- und Erzieherausbildung aufgewertet werden. Außerdem werden
zum Ausbau von Ganztagsgrundschulen und verlässlichen Halbtagsgrundschulen die Horte an die Schulen
verlagert.
Auf der anderen Seite ist durch das neue Schulgesetz eine Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre vorgesehen.
Dies geschieht – wie im Übrigen alle Änderungen – behutsam, um alle Beteiligten auf unserem Reformweg
mitzunehmen.
So werden die jetzigen Viertklässler zum ersten Mal regulär in zwölf Jahren das Abitur ablegen. Auf Grund der
Vorgabe der KMK von 265 Jahreswochenstunden ergibt sich eine Aufstockung der Stundentafeln im nächsten
Schuljahr bereits ab der 5. Klasse. In all diesen Maßnahmen spiegelt sich trotz der allgemeinen finanzpolitischen
Verantwortung eine klare Prioritätensetzung zu Gunsten des Bildungsbereichs. Ich bitte Sie daher, dem
Einzelplan 10 zuzustimmen – Ich danke Ihnen!
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Präsident Momper: Danke schön, Frau Dr. Tesch! – Frau Senftleben, Sie haben für die Fraktion der FDP
das Wort!
Frau Senftleben (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Haushalt von SPD und
PDS anschauen, stellen wir fest, dass die Koalition offensichtlich die Augen fest vor den finanziellen Risiken
verschließt, die ihren Prestigeprojekten innewohnen. Ist es wirklich so schwer, aus den Fehlern zu lernen? – Ich
frage das insbesondere Herrn Liebich. Wir haben noch das ursprüngliche Debakel, nämlich die Bankgesellschaft,
und das momentane Debakel, das Tempodrom nebst Planschbecken, vor Augen. Dennoch werden Sie nicht
müde, neue Debakel heraufzubeschwören. Herr Liebich, Sie lernen nicht aus den Fehlern.
Ich denke dabei an die Gründung einer oder mehrerer landeseigener Kita GmbHs. Es bedarf keiner
hellseherischen Fähigkeiten, um hierfür eine eher düstere Prognose zu stellen. Warum ist das so? – Ganz
einfach: Bezirkliche Kitas werden nie und nimmer auf dem freien Markt, d. h. im freien Wettbewerb mit anderen
Trägern, konkurrenzfähig sein. Allein durch den Eigenanteil von 9 % sind die freien Träger preiswerter. Das
Personal ist flexibler. Die Verwaltung ist schlanker. Das Schicksal aller öffentlichen Betriebe in Berlin kennen
wir. Sie sind schwerfällig, personalintensiv und mit einem riesigen Verwaltungsüberbau versehen. Allein unter
Beachtung dieser drei Faktoren haben die kommunalen Kitas keine Chance im fairen Vergleich mit privaten
Trägern.
Jüngstes Beispiel ist das Jugendaufbauwerk. Hier galt lange Zeit das Motto „Seid verschlungen Millionen“.
Jahrelang wurden in das JAW Zuschüsse hineingebuttert. Nun endlich, nach Verlusten im zweistelligen
Millionenbereich, versucht man verzweifelt, das JAW abzuwickeln, und zwar mit möglichst geringen
Restverlusten. Wobei man hier mittlerweile schon von gut und gerne 30 Millionen € redet. Das ist nicht gerade
eine geringe Summe.
Wir haben aus dem JAW-Fiasko nichts gelernt, denn die neue Kita GmbH wird nach gleichem Muster
gestrickt. Aber der Senat ist in Zugzwang. Er muss endlich Ergebnisse im Bereich der Tagesbetreuung vorlegen.
Doch den bereits im Jahr 2002 gesteckten Zielen nähert sich dieser Senat nur im Tempo einer äußerst lahmen
Schnecke. Obwohl bekannt ist, dass die Übertragung der Kitas einen echten Beitrag zur Haushaltsentlastung
leistet, kommt die Umstrukturierung nicht voran. Ich Bezirke trifft eine nicht unerhebliche Mitschuld daran, dass
sich der Vorgang derart dahinschleppt. Ein Umstand ist jammerschade und kennzeichnend für diese Koalition:
Sie sind offensichtlich nicht in der Lage, Ihre selbst gesteckten Ziele zügig umzusetzen. Uns geht es um eine
seriöse und pragmatische Politik. In diesem Fall bedeutet das, zunächst möglichst alle bezirklichen Kitas zu
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privatisieren, wodurch sich mindestens 250 Millionen € jährlich sparen ließen, ohne dass die Qualität weiter
abgesenkt werden müsste. Falls am Ende einer Übertragung noch öffentliche Einrichtungen übrig bleiben
sollten, kann man über eine Zusammenführung nachdenken, aber nicht vorher.
Auch bei der Umsetzung und Ausgestaltung des neuen Schulgesetzes klaffen Anspruch und Wirklichkeit
weit auseinander. Die Rahmenbedingungen im Berliner Bildungssystem sind derzeit extrem ungünstig.
Eigentlich müsste es unser aller Ziel sein, diese zu verbessern. Denken wir nur an eine überalterte, entnervte
Lehrerschaft, die es leid ist, ständig mit neuen Ideen und Geistesblitzen des Senats leben zu müssen. Ich bitte
Sie, Herr Böger, nicht jede neue Sau durch Berlin zu treiben. Bildung muss endlich seriös werden und Priorität
haben.
[Beifall bei der FDP –
Vereinzelter Beifall bei der CDU]
Das bedeutet letztlich auch, in diesen Bereich zu investieren. Man muss Mut zu Umstrukturierungen und
Kürzungen in anderen Bereichen haben. Dazu hat die FDP etwas vorgelegt.
Meine Damen und Herren vom Senat! Sie geben vor, Großes zu wollen. Dabei übersehen Sie kleine, nicht
unerhebliche Details: 30 Ganztagsschulen sollen mit Hilfe von Bundesmitteln aufgebaut werden. Das ist
lobenswert, aber es ist mir nicht klar, woher das Personal für die Betreuung kommen soll.
Der nächste Punkt ist die Bausubstanz der Berliner Bildungseinrichtungen. Sie ist an vielen Stellen so
marode, dass das Schul- und Kitaleben arg beeinträchtigt ist. Teilweise müssen Kinder, Jugendliche und das
Personal mit hygienischen Verhältnissen zurechtkommen, die an das Mittelalter erinnern. Das ist eine echte
Zumutung. Und Sie besitzen die Dreistigkeit, die Mittel für die Sanierung von Schul- und Sportanlagen um
insgesamt ca. 10 Millionen € zu kürzen. Nachdem Sie im Vorfeld erst einmal 20 Millionen € herausgenommen
haben, packen Sie im Anschluss wieder 10 Millionen drauf und verkaufen das der staunenden Öffentlichkeit als
Aufstockung. Da bleibt einem die Spucke weg. Wo bleibt in diesem Zusammenhang Haushaltsklarheit und – vor
allen Dingen – Haushaltswahrheit?
[Beifall bei der FDP]
Das neue Schulgesetz bietet einen vernünftigen Ansatz, eine Perspektive für die Berliner Bildungslandschaft.
Wir sehen die Umsetzung jedoch gefährdet. Wir haben kein Interesse an Lehrermangel, maroden Schulen,
mangelhaften Räumlichkeiten und einem Abbau des Betreuungsangebots. Herr Senator, wenn Sie nicht wollen,
dass Ihnen Ihr heißgeliebtes Projekt Schulgesetz spätestens 2006 auf die Füße fällt, dann müssen Sie jetzt dafür
sorgen, dass Ihre Genossinnen und Genossen zu ihrem Wort stehen und der Bildung in Berlin endlich Priorität
einräumen. Sorgen Sie für adäquate Rahmenbedingungen, gut ausgebildetes Personal und vernünftige Gebäude.
Ansonsten wird das Schulgesetz scheitern oder wie eine bleierne Ente untergehen.
[Mutlu (Grüne): Lahme Ente!]
Mit dem Vorhaben Kita GmbH und dem neuen Schulgesetz habe ich exemplarisch zwei Großprojekte
aufgeführt, die voraussichtlich auf Grund ungünstiger Rahmenbedingungen und der unbekümmerten Haltung des
Senats früher oder später ins Straucheln geraten. Offensichtlich lieben Sie große Projekte. Kleine Einrichtungen
werden gerne übersehen oder vernachlässigt.
Die Vorzeigeeinrichtung Europaschule hat inzwischen weit über Berlin hinaus einen Ruf, bis hinein in
andere europäische Länder. Und hier werden die Vorklassen abgewickelt. Das geschieht nur, um den
vorschulischen Bildungsbereich zu vereinheitlichen. Das ist eine Frage der Ideologie. Sie wissen genau, dass das
Schulgesetz eine differenzierte Lösung zulässt. Es handelt sich um Schulen mit besonderer Prägung. Keiner weiß
besser als Sie, Herr Böger, dass Ausnahmen möglich sind. Schade, dass Herr Müller nicht anwesend ist, er hätte
etwas lernen können. – Soviel zum Thema Eigenverantwortung und Profilbildung. Das steht zwar im Gesetz,
und damit wird immer hausieren gegangen, aber wenn es zum Schwur kommt, kneifen die Genossinnen und
Genossen der rot-roten Koalition.
[Beifall bei der FDP und der CDU]
Die zweite Vorzeigeeinrichtung sind die freien Schulen. Hier sage ich nur: Wortbruch. Es handelt sich um
hervorragende Bildungseinrichtungen. Sie produzieren exzellente Ergebnisse und entlasten den Steuerzahler.
Weil das so ist, muss sich jeder, der bis drei zählen kann, sagen, dass freie Schulen besser und für die öffentliche
Hand günstiger sind. Warum haben wir nicht mehr davon? – Hier schlägt die rot-rote Ideologie wieder zu.
Anstatt vorhandenes Potential und das bürgerschaftliche Engagement zu nutzen, werden die Schulträger einer
Kürzung nach der anderen ausgesetzt – trotz Auflagenbeschluss und vieler hohler Phrasen. Herr Müller, ich
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denke zum Beispiel an den zuletzt gemachten Vorschlag, die 1,1 Millionen € zu Gunsten der Schulen in freier
Trägerschaft umzuschichten. Das ist alles nur vorgetäuscht. Ich spreche nach wie vor von Wortbruch.
[Beifall bei der FDP]
Wir müssen sparen. Aber lassen Sie uns intelligent sparen. Es sind jährlich 35 Millionen € möglich, wenn wir
nur den Schüleranteil bei den Schulen in freier Trägerschaft verdoppeln.
Heute haben die freien Schulen demonstriert, hier ganz in der Nähe. Ich wünschen ihnen mehr Erfolg als dem
liberalen Bürgertum, das sich heute vor 156 Jahren gegen staatliche Bevormundung, zu hohe Abgaben und ein in
sich verkrustetes System auflehnte.
[Zuruf der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]
Recht hatten sie damals, und Recht haben sie heute. – Vielen Dank!
[Beifall bei der FDP und der CDU –
Beifall des Abg. Schruoffeneger (Grüne) –
Brauer (PDS): Das waren aber
andere Liberale als heute! –
Dr. Lindner (FDP): So zottlige Sozialisten
hat es damals schon gar nicht gegeben!]
Präsident Momper: Danke schön, Frau Senftleben! – Das Wort für die Fraktion der PDS hat nunmehr Frau
Dr. Barth. – Bitte schön!
Frau Dr. Barth (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie es energisch bestreiten
werden, meine Damen und Herren von der Opposition, der vorliegende Haushaltsplan setzt Prioritäten. Ich
möchte wiederholen, was unserer Fraktionsvorsitzender, Herr Liebich, heute früh gesagt hat. Merken Sie sich
das, man kann es gar nicht oft genug wiederholen: 30 % aller Ausgaben des Landes Berlin sind im Jahr 2004
Ausgaben für Wissenschaft, Bildung und Kultur.
[Beifall bei der PDS und der SPD]
Im Jahr 2005 werden es 31 % sein,
[Zurufe von den Grünen]
und das trotz des Urteils des Berliner Verfassungsgerichts. Für mich sind Ausgaben für Kinder und Jugendliche
Investitionen in die Zukunft – auch das wurde heute schon einmal gesagt –,
[Zuruf des Abg. Rabbach (CDU)]
aber offenbar nicht für die Opposition, die ihre Klage immerhin mit dem Fehlen ausreichender Investitionsmittel
– sicherlich ist hier Beton gemeint – begründet hat. Deshalb war es für mich auch keine Überraschung, dass die
Opposition in unseren Beratungen im Fachausschuss keine ernsthaften Vorschläge zum Jugendetat unterbreitet
hat.
[Mutlu (Grüne): Sie lassen doch keine Debatte zu!]
Es bleibt bei pauschalen Mehrforderungen mit schlechten oder gar keinen Deckungsvorschlägen und viel heißer
Luft. Im Gegensatz dazu haben sich dankenswerterweise Senator Böger und sein Haus die Mühe gemacht, die
Ausgaben im Einzelplan 10 noch einmal gesondert zu begründen.
[Goetze (CDU): Ja, weil sie mussten!]
Für mich ergab sich daraus die Erkenntnis, dass im Einzelplan 10 die Einsparpotentiale auch weitgehend
erschöpft sind, mit anderen Worten: Da geht nichts mehr.
[Mutlu (Grüne): Das sieht
Herr Sarrazin aber anders!]
Ein besonders drastisches Beispiel dafür sind die Ausgaben für die allgemeine Förderung junger Menschen in
der Kinder- und Jugendarbeit. Sicher ist die Aufgabe in erster Linie vor Ort durch die Bezirke zu leisten, doch
wir wissen, dass die Bezirke auch hier gezwungen sind, weiter vieles auf den Prüfstand zu stellen und auch
abzubauen. Was das Land hier noch an zentralen Aufgaben finanziert, speist sich aus dem Lottofonds. Und da
liegt das Problem. Ich bin froh darüber, dass der Senat es jetzt geschafft hat, den 25-prozentigen Anteil aus der
Zweckabgabe unbegrenzt für den Jugendbereich festzuschreiben. Es war auch richtig und wichtig, dass sich der
Fachausschuss im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss darauf verständigt hat, dass Lottomindereinnahmen
auch aus Umverteilungen aus dem Einzelplan 10 gedeckt werden dürfen. Doch es bleibt bei einer aus meiner
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Sicht problematischen Abhängigkeit vom Lottospieleifer der Berlinerinnen und Berliner. Gegenwärtig müssen
wir mit Mindereinnahmen von ca. 2 Millionen € rechnen, weil weniger Lotto gespielt wird. Aber vielleicht
ändert sich die Situation noch einmal. Es ist daher richtig, dass Landesjugendamt und
Landesjugendhilfeausschuss gemeinsam mit den Betroffenen rechtzeitig nach Lösungen gesucht haben, um
mögliche Folgen zu minimieren. Wir sind sicher, dass die durch den Landesjungendhilfeausschuss ermittelten
Kriterien für die Förderung der Jugendarbeit dabei auch eine gute Grundlage sein können.
Unverzichtbar ist für uns z. B. das Projekt „Jugendnetz“, und zwar deshalb, weil auch außerhalb von Schule
Möglichkeiten bestehen müssen, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu heute alltäglichen, aber nicht für jeden
zu Hause verfügbaren Kommunikationstechnologien erhalten.
[Zuruf des Abg. Steuer (CDU)]
Deshalb haben wir durch Umverteilungen mit 100 000 € nachgebessert.
[Beifall bei der PDS –
Steuer (CDU): Aber nur für 2004!]
In der Verantwortung ist das Land auch bei der Unterstützung insbesondere junger Menschen in ihrem
Engagement gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit weitergegangen. Wir haben es in
Kooperation mit der Senatssozialverwaltung geschafft, dass die Mittel für die Weiterführung des Projekts
„Respektabel“ verstärkt und damit in der Höhe des Ansatzes 2003 erhalten bleiben.
[Beifall bei der PDS]
Noch ein Wort zu den Kitas: Der rot-rote Senat hat sich aus gutem Grund dafür entschieden, den insgesamt
guten Versorgungsgrad mit Angeboten zur Tagesbetreuung auch über den bundesweit definierten
Rechtsanspruch hinaus zu erhalten und auszubauen.
[Beifall bei der PDS –
Beifall der Frau Abg. Müller (SPD)]
Das kostet viel. Wir leisten uns das auch in Zeiten knapper Kassen, weil es die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf und den Kindern eine gute vorschulische Förderung in der Bildungseinrichtung Kita ermöglicht. Um diese
Angebote zu stärken und qualitativ zu verbessern, hat Rot-Rot eine Reihe von Umstrukturierungen auf den Weg
gebracht,
[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne)]
die längst überfällig waren und endlich für vergleichbare Lebens- und Aufwachsbedingungen in der ganzen
Stadt sorgen werden.
[Beifall bei der PDS und der SPD]
Die große Koalition hat auch hier jahrelang notwendige Reformen verschleppt.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann mich nicht erinnern, dass Sie auch nur einen
eigenständigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Berliner Kitalandschaft geleistet haben –
[Widerspruch von den Grünen und der FDP –
Rabbach (CDU): Nun bleibt mal bei der Wahrheit!]
– Hören Sie genau zu, Frau Jantzen! –, geschweige denn dazu sich herabgelassen hätten, auch nur mit einem
Wort die hohen und nicht selbstverständlichen, auch finanziellen Anstrengungen des Senats zur
Aufrechterhaltung des Versorgungsgrades und der inhaltlichen Weiterentwicklung des Angebots zu würdigen.
Zum Schluss, meine Damen und Herren auch von Bündnis 90/Die Grünen: Es ist gerade jetzt ein
Änderungsantrag Drucksache 15/2550-7 auf den Tisch gekommen. Sie meinen doch nicht etwa, dass dieser
Änderungsantrag ein ehrwürdiges Angebot zur Verbesserung der Kitalandschaft ist. Ich möchte mir auch ein
kostenloses Kitavorschuljahr leisten. Aber aus Ihrem Antrag geht doch wohl sehr populistisch hervor, wenn Sie
die Wohnungsbauförderung weiter senken wollen, und Sie wissen es doch genau, dass die
Wohnungsbauförderung bereits sehr stark gesenkt ist
[Eßer (Grüne): Ach was!]
und dass es keine Möglichkeit ist, hier ein Vorschulkitajahr zu finanzieren.
Präsident Momper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten – –
Frau Dr. Barth (PDS): Nein, ich bin gleich fertig!
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Präsident Momper: Dann fahren Sie bitte fort.
Frau Dr. Barth (PDS): Ein letztes Wort: Solche Anträge, und die haben Sie zur Genüge eingebracht, das ist
wohl wahr, die sind aus unserer Sicht unseriös und populistisch.
[Beifall bei der PDS – Zurufe der Abgn.
Frau Senftleben (FDP) und Mutlu (Grüne)]
Wir werden dem Einzelplan 10 selbstverständlich unsere Zustimmung geben. – Danke schön!
[Beifall bei der PDS und der SPD]
Präsident Momper: Danke schön, Frau Kollegin Barth! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat
nunmehr der Kollege Mutlu. – Bitte schön!
Mutlu (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich nicht auf Ihre Einlassungen
eingehen, aber das war schon unverschämt, was Sie hier machen: Auf der einen Seite die Anträge der
Opposition, die Sie als richtig empfinden, ablehnen und mit Änderungsanträgen, die nur leichte Veränderungen
der Oppositionsanträge darstellen, das wieder auf die Tagesordnung setzen
[Frau Senftleben (FDP): Ja, genau!]
und dann sich hier hinstellen und sagen: Die Opposition macht nichts.
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP –
Dr. Lindner (FDP): So wie der Sarrazin!]
Ich kann mich an etliche Anträge erinnern, wo Sie, obwohl Sie sachlich dafür waren, einfach mit irgendwelchen
leichten Veränderungen es sich zu eigen gemacht haben und das dann in der Öffentlichkeit so verkauft haben.
[Borgis (CDU): Eine Unverschämtheit!]
Anscheinend tut die Opposition doch ihre Arbeit.
Ich hätte mir gewünscht, dass nach PISA, IGLU, Bärenstark – und wie die Studien alle heißen – es nicht
notwendig gewesen wäre, dass ich hier heute zur Priorität des Bildungshaushalts sprechen muss. Ich hätte mir
gewünscht, Sie hätten die notwendigen Lehren aus diesen Studien gezogen und entsprechende Prioritäten
gesetzt. Wenn ich mir Ihren Haushalt angucke, kann ich nur sagen: Sie haben aus diesen Studien gar nichts
gelernt. Sie haben enttäuscht. Sie haben weder bei der Schulgesetzdebatte noch bei den Haushaltsberatungen
dringend notwendige Maßnahmen für eine bessere Bildung in dieser Stadt ergriffen. Das ist eine Tatsache, die
Sie akzeptieren sollten.
[Beifall bei den Grünen –
Beifall des Abg. Dr. Augstin (FDP) –
Zuruf der Frau Abg. Dr. Barth (PDS)]
Die Realität, mit der die Eltern, Kinder, Schüler wie Lehrerinnen und Lehrer tagtäglich konfrontiert sind,
widerspricht leider Ihren blumigen Worten und Ihrer Koalitionsvereinbarung. Ich kann mich sehr gut an die
Regierungserklärung von Herrn Wowereit erinnern. Die frühkindliche Bildung und Erziehung werde verstärkt
und qualifiziert, hieß es dort.
[Frau Senftleben (FDP): Der weiß gar nicht,
was das ist!]
Das Handeln des Senats und das Handeln der rot-roten Koalitionsfraktionen spricht leider eine andere Sprache.
[Zurufe der Abgn. Frau Dr. Barth (PDS) und
Frau Dr. Klotz (Grüne)]
Ich wollte das nicht noch einmal bemühen. Ich wollte das nicht noch einmal aufzählen, aber ich tue es hier:
Abschaffung der Lernmittelfreiheit, Abschaffung der Förderklassen, Erhöhung der Kitagebühren,
Lehrerarbeitszeiterhöhung, Abschaffung der Referendariatsplätze – wo ist die Priorität bei Bildung? Halten Sie
uns für so blöd? Halten Sie die Bürger für blöd?
[Klemm (PDS): Mit 1,7 Milliarden vom Bund?]
Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
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Von den Rednerinnen/Rednern nicht durchgesehen!
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Vorläufiger Text
Hören Sie einmal, gucken Sie sich einfach die zwei Jahre der rot-roten Koalition hier an, dann werden Sie sehen,
alles, was Sie getan haben, war zum Schaden der Berliner Schule, zum Schaden der Berliner Schüler, der Eltern
und der Lehrkräfte und nichts anderes.
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP –
Frau Schaub (PDS): Glaubst du wirklich,
was du da sagst?]
Meine Damen und Herren von der SPD und der PDS, Sie haben heute wieder Ihren Wahlkampfspruch
„Priorität bei Bildung“ bemüht. Dass dies inzwischen für Sie nur eine Floskel ist, zeigen Ihre Taten, die ich eben
aufgezählt habe.
[Zuruf der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]
Aber ich möchte noch ein paar Beispiele hier im Detail nennen: Für das Schul- und
Sportanlagensanierungsprogramm waren im Haushalt 2003 insgesamt 51 Millionen € veranschlagt. Sie wissen,
wir alle hier wissen, dass für diesen Bereich viel mehr Mittel notwendig sind. Deshalb haben wir als Grüne einen
Antrag gestellt, die Ansätze für 2004 und 2005 deutlich zu erhöhen.
[Frau Senftleben (FDP): Wir auch!]
Sie wollten diese Mittel, Herr Rabbach hat es schon erwähnt, deutlich kürzen auf 41 Millionen €. Die Proteste
aus den Bezirken waren richtig, deshalb haben Sie Ihre Kürzung teilweise zurückgenommen. Für 2004 sind in
diesem Bereich 47,5 Millionen € vorgesehen, für 2005 lediglich 45,5 Millionen €. Wo ist da die Priorität? – Hier
findet eine Kürzung statt, obwohl hier eine Anhebung des Ansatzes stattfinden müsste.
[Klemm (PDS): Wovon wollen Sie das bezahlen?
1,7 Milliarden € kriegen wir vom Bund!
Sie versprechen Zeug, das Sie nicht halten können! –
Zuruf der Abgn. Frau Dr. Barth (PDS) und
Frau Senftleben (FDP)]
– Herr Kollege lesen Sie einfach die Anträge, die hier verteilt werden. Lesen Sie unsere Anträge, wir haben
deutlich gesagt, wo das Geld herkommen soll.
Das Thema Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunft wurde hier immer wieder angesprochen. Ich
gebe Ihnen Recht – Herr Müller ist nicht da –, hier muss sehr viel getan werden. Die Förderung dieser
Schülergruppe stellt eine bildungspolitische Herausforderung dar, die uns in den kommenden Jahren, ob wir
wollen oder nicht, beschäftigen wird. Das ist eine Herausforderung, vor der wir uns nicht drücken können. Dann
kann Herr Böger ruhigen Gewissens sein, ich werde der Letzte sein, der ihm in dieser Frage nicht zur Seite steht,
[Zuruf von der PDS: Oh, Gott!]
zumindest solange er es ernst meint, zumindest solange er nicht nur irgendwelche Ankündigungen in die Welt
setzt, sondern diesen auch Taten folgen lässt.
Hier wurde auch die Sprachförderung vor dem Schuleintritt angesprochen. Das ist eine richtige, wichtige
Maßnahme. Das haben wir auch unterstützt, haben das im Rahmen der Schulgesetzdebatte auch als
Änderungsantrag eingebracht, das wurde aber von der Koalition so gemacht. Wo das gemacht werden soll, wie
das qualitativ gewährleistet werden soll, die Antwort auf diese Frage sind Sie uns im Fachausschuss und im
Hauptausschuss schuldig geblieben.
[Frau Dr. Barth (PDS): Das hat doch noch
gar nicht angefangen!]
Allein die Kitas mit dieser Aufgabe zu beauftragen reicht nicht.
[Frau Dr. Barth (PDS): Stimmt doch gar nicht!]
Sie müssen die pädagogischen Voraussetzungen schaffen, Sie müssen die personellen Voraussetzungen schaffen,
andernfalls ist das nur eine Floskel. Sie müssen vor allem Ihre Einstellungspraxis umstellen. Mehrsprachiges
Erzieherpersonal, mehrsprachiges Lehrpersonal ist unabdingbar, sage ich immer wieder. Diese Brückenbauer
sind ein wichtiger Beitrag zur Gewährung von Chancengleichheit, im Übringen eine Floskel, die Sie von der
PDS auch immer gerne benutzen, Chancengleichheit schreiben Sie groß,
[Doering (PDS): Und „sozial gerecht“!]
aber an dieser Stelle interessiert es Sie anscheinend nicht.
Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
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Die Kitas sind in diesem Zusammenhang tatsächlich von großer Bedeutung. Genau aus dem Grund fordern
wir, dass das letzte Kitajahr vor Schuleintritt für alle kostenlos sein soll. Deshalb haben wir auch einen solchen
Antrag eingebracht. Ich hoffe, dass Sie wenigstens an dieser Stelle Vernunft zeigen und diesen Antrag
unterstützen.
[Beifall bei den Grünen –
Frau Dr. Barth (PDS): Setzen Sie vielleicht
die Mieten höher für Familien?]
Der Bildungssenator hat dies zumindest verstanden, auch wenn es ein bisschen zu spät kam, auch wenn sein
Haushalt dies nicht widerspiegelt, aber ich kann sagen: Einsicht ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Ich
hoffe, dass in den nächsten Jahren wenigstens an dieser Stelle etwas passiert.
Zu den Mütterkursen wollte ich nicht viel sagen, aber hier wurden sie angesprochen. Das ist eine
ausgesprochen wichtige Maßnahme und frage deshalb: Wie viele zusätzliche neue Mütterkurse haben Sie in den
letzten zwei Jahren geschaffen?
[Liebich (PDS): Nicht zusätzlich, Witzbold!
Wir sind froh, wenn wir sie halten können!]
Wie viele? Es gibt seit 1998 50 Mütterkurse an den Schulen und mehr auch nicht! Wir wissen alle, wir brauchen
viel mehr, insbesondere in den Innenstadtbezirken. Wir brauchen dieses Programm auch an den Kitas, aber
davon wollen Sie leider nichts wissen.
[Klemm (PDS): Einmal einen Deckungsvorschlag! –
Frau Dr. Barth (PDS): Alles virtuell!]
– Oh, Gott, Deckungsvorschlag, lesen Sie einfach unsere Anträge, darin stehen die Deckungsvorschläge!
[Beifall bei den Grünen]
Die Lehrerbedarfsprognose – das ist auch ein Bereich, der wichtig ist –, die uns der Senat in regelmäßigen
Abständen liefert, sagen voraus, dass in Berlin in den kommenden Jahren ein großer Einstellungsbedarf an
jungen Lehrkräften besteht.
[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]
Bereits heute sind in vielen Mangelfächern Einstellungen nicht mehr möglich, weil die Lehrerinnen und Lehrer
entweder nicht da sind oder auf dem freien Markt fehlen oder in andere Berufe abgewandert sind, weil sie in
Berlin keine Einstellungsmöglichkeiten sahen.
[Zuruf der Frau Abg. Schaub (PDS)]
Erst jüngst hat Senator Flierl im Wissenschaftsausschuss betont, dass der Bedarf an Lehrkräften in Berlin durch
die Berliner Unis in den kommenden Jahren nicht gedeckt werden kann, insbesondere auch im
Grundschulbereich. Was tut der Berliner Senat? – Er tut alles andere als Maßnahmen zu ergreifen, die den Beruf
des Lehrers attraktiv machen, die den Referendaren Zukunftsperspektiven geben, der Senat kürzt die Zahl der
Referendare, der Senat gängelt die Referendare mit ellenlangen Wartezeiten. Das alles ist kontraproduktiv. Sie
müssen hier einen ganz anderen Weg gehen: mehr Referendariatsplätze und kürzere Wartezeiten.
[Beifall bei den Grünen]
Das Streichkonzert geht weiter. Frau Senftleben hat es gesagt. Sie stempeln Schulen in freier Trägerschaft als
elitäre Einrichtungen ab, senken die Zuschüsse, ignorieren den einstimmigen Auflagenbeschluss dieses Hauses,
[Frau Senftleben (FDP): Ja!]
begehen Wortbruch und belasten diese Schulen doppelt, obwohl Sie wissen, dass diese Schulen mit dieser
Maßnahme genau zu dem werden, was Sie nicht haben wollen, nämlich Privatschulen für Reiche. Auch das ist
ein falscher Schritt, eine falsche Prioritätensetzung.
[Beifall bei den Grünen –
Zuruf von Sen Böger]
Ein anderer Bereich: Das Landesschulamt wurde vor über einem Jahr abgeschafft. Das war eine richtige,
weise Entscheidung. Wir waren schon 1995 dagegen, dass eine solche Behörde überhaupt geschaffen wird.
Wenn man sich anguckt, was in diesem letzten Jahr passiert ist, was das Ergebnis ist: keine strukturellen
Verbesserungen, kaum Abbau von Doppelarbeit, keine Effizienzsteigerung und keine Dezentralisierung. Einige
Indianer mussten gehen, dafür fand die Anhebung von zahlreichen Besoldungsgruppen durch neue Abteilungsund Referatsleiter statt. Einsparungen? – Keine Bohne! Wir haben vor diesem Etikettenschwindel vor einem Jahr
gewarnt und haben leider Recht behalten.
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Niemand verlangt von Ihnen Unmögliches, aber intelligenteres Sparen und entsprechende Prioritäten im
Interesse der Zukunft dieser Stadt sind wahrlich nicht zu viel verlangt. Wenn Sie so weitermachen, sorgen Sie
mit Ihrer Politik dafür, dass die PISA-Studie nachträglich zu einer Geldverschwendung wird. Dieses sollten Sie
nicht weiter betreiben, nutzen Sie die Chance. Sie haben diese Chance bei der Schulgesetzdebatte nicht genutzt.
Nehmen Sie sich wenigstens die nächste Zeit dafür, die Studie noch einmal anzusehen und gegenzusteuern z. B.
auch bei den Sitzenbleibern. In Berlin sind im letzten Schuljahr ca. 17 000 Schülerinnen und Schüler sitzen
geblieben. Wir wissen alle, und das ist wissenschaftlich längst bewiesen, dass Schülerinnen und Schüler, die
sitzen bleiben, dadurch keine besseren Schüler werden. Das ist ein Kostenpunkt von 85 Millionen €. Diese Mittel
sind viel besser angelegt bei der individuellen und gezielten Förderung dieser Schüler, die wir dann auch für die
Gesellschaft gewinnen. Auch an dieser Stelle könnten Sie umdenken.
Ich kann nur sagen: Es ist noch nicht zu spät, wir haben mehrere Anträge in diesem Bereich gestellt. Seien
Sie vernünftig, unterstützen Sie diese Anträge und tun Sie etwas Gutes für die Berliner Schulen. – Ich danke
Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
[Beifall bei den Grünen]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Herr Kollege Mutlu! – Wir kommen zur zweiten Runde. Für die
CDU erhält das Wort die Frau Kollegin Schultze-Berndt. – Bitte schön!
Frau Schultze-Berndt (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich noch an die
Wahlkampfplakate der SPD?
[Zuruf von Frau Abg. Jantzen (Grüne)]
Damals hieß es „Mehr Mäuse in die Schule“. Betrachtet man den Haushalt, der uns hier heute vorgelegt wird, so
kann man den Senat nur für einen gefräßigen Kater halten: nichts mehr übrig von den Mäusen für die Schule.
[Klemm (PDS): Wir haben überhaupt
keine Mäuse gestrichen!]
Der Senat hat keine Mäuse für das neue Schulgesetz übrig. Lange wurde es diskutiert, endlich wurde es
beschlossen. Für den Schulsenator kam der Beschluss immer noch zu früh, denn die inhaltliche Ausgestaltung,
die Verordnungen, die Konzeption will er erst nach und nach vorlegen. Viele Änderungen sollen erst im
übernächsten Schuljahr durchgesetzt werden.
Landesweit wird ein Feldversuch gestartet, was man da nun eigentlich beschlossen hat. Im Haushalt jedenfalls
sind keine Maßnahmen zu erkennen, bei denen in Folge des Schulgesetzes mehr Mäuse, mehr Mittel, für
Einzelmaßnahmen vorgesehen wurden.
Die SPD hat gefordert: Mehr Mäuse in die Schule! – Keine Mäuse hat der Senat für ein eigenes,
wertevermittelndes Unterrichtsfach übrig. Im Gegenteil! Die Katze Senat lässt das Mausen nicht. Der Senat
streicht die Mittel für den Religionsunterricht noch mehr zusammen. Kein Unterricht unter staatlicher Kontrolle
und damit auf dem Boden unserer Verfassung. Wer gibt den Jugendlichen Orientierungshilfen? – Wer hilft ihnen
bei ihrer Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft? – Wer gibt Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit
Sinnfragen? – Der Einsatz der finanziellen Mittel rentiert sich für das Gemeinwesen an dieser Stelle vielfach,
wenn gefestigte Persönlichkeiten ihre Gesellschaft selbst mitgestalten.
Die SPD hat gefordert: Mehr Mäuse in die Schule! – Der Senat streicht die Mäuse für die
schulpsychologischen Beratungsstellen. Künftig werden alle Kinder frühzeitig eingeschult. Keiner wird
zurückgestellt, keiner erhält sonderpädagogische Förderung, die Diagnostik für Hochbegabung oder besonderen
Förderbedarf wird vor Schulbeginn nicht mehr durchgeführt. Die Schulpsychologen, die, wie wir in Finnland
sehen konnten, den Lehrern hilfreich zur Seite stehen könnten, hält der Senat für entbehrlich. Dabei fordern wir,
dass die Schulpsychologen regelmäßig in den Schulen präsent sind, um die Lehrer beim Unterrichten der
heterogenen Schülerschaft zu unterstützen.
[Beifall bei der CDU]
Die SPD hat gefordert: Mehr Mäuse in die Schule! – Keine Mäuse hat der Senat auch für diejenigen übrig,
die all die Neuerungen umsetzen und uns bei PISA ganz nach vorn bringen sollen. Die Lehrer müssen für immer
weniger Bezahlung immer mehr arbeiten, bekommen zusätzliche Betreuungsaufgaben aufgeladen und sollen
dann fröhlich und motiviert experimentieren, wie denn die Neuerungen des Schulgesetzes umgesetzt werden
könnten, für die es bis zum heutigen Tag keine tragfähigen Konzeptionen gibt. Nachwuchskräfte werden trotz
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des Ausbildungsmonopols des Staates immer weniger ausgebildet, von einer Anstellung ganz zu schweigen. Auf
diese Weise ist die Attraktivität des Lehrerberufs dank dem Senat mausetot.
Die SPD hat gefordert: Mehr Mäuse in die Schule! – Dem Senat fehlen die Mäuse, und damit gibt er auch
den Anspruch auf die Durchlässigkeit des Berliner Schulsystems auf. Um ein Abitur nach 12 Jahren zu
ermöglichen, erhalten alle Oberschüler in den Klassen sieben bis zehn mehr naturwissenschaftlichen Unterricht.
Die Hauptschüler nimmt man aus. Sie erhalten keinen zusätzlichen Unterricht, sie haben damit keine Chance
mehr auf einen Wechsel in die Realschule oder das Gymnasium. Sie werden auch diejenigen sein, die eklatant
schlechte Ergebnisse bei Vergleichsarbeiten abliefern und beim mittleren Schulabschluss ebenso schlecht
abschneiden. Dieser Senat nennt sich sozial. Ist das sozial, wenn man dem Schwächsten in der Schule keinerlei
Hilfestellung gibt, sondern ihn vorsätzlich von allen Chancen abschneidet? – Hat der Senat diese Jugendlichen
an den Hauptschulen schon aufgegeben? –
Die SPD hat gefordert: Mehr Mäuse in die Schule! – Immer mehr Eltern sind bereit, zusätzlich zu den
Steuern, mit denen sie auch das System staatlicher Schulen finanzieren, Mäuse für Schulgeld zu berappen, um
den Kindern eine profunde schulische Bildung in den Schulen in freier Trägerschaft zukommen zu lassen. Der
Senat freut sich über Einsparungen für diese Kinder in den staatlichen Schulen und kürzt zusätzlich die Mittel für
die freien Schulen immer mehr zusammen und wird damit wortbrüchig. Vorsicht, auch hier besteht die Gefahr,
gegen die Verfassung zu verstoßen. Es gibt über die Höhe von Zuschüssen an Schulen in freier Trägerschaft
definierte Mindestsätze. Der Senat wird sie demnächst unterschreiten.
Die SPD hat gefordert: Mehr Mäuse in die Schule! – Der Senat hat keine Mäuse für die Betreuung von
Kindern in Ganztagschulen in offener Form übrig. Die Betreuung ist kostenpflichtig. Kostenlos sind nur die
Ganztagsschulen in gebundener Form. Das Bekenntnis zur Förderung des Ganztagsschulbetriebes hat enge
Grenzen.
Mehr Mäuse in die Schule – so lautete der Wahlkampfslogan der SPD. In der Realität ist nichts davon übrig
geblieben, sieht man einmal von den echten Tierchen ab, die sich dort ansiedeln, wo der bauliche Zustand zu
wünschen übrig lässt.
[Beifall bei der CDU]
Mehr Mäuse in die Schule! –
[Ah! bei den Grünen]
Wo wird diese Forderung eigentlich umgesetzt? – Herr Böger, wo haben Sie diese Maßnahmen des neuen
Schulgesetzes unterfüttert? – Wie finanzieren Sie das Personal für die flexible Eingangsphase? – Wo sind die
Mittel für junge Lehrer, die mit Elan die neuen Vorgaben umsetzen? – Wie bezahlen Sie die zusätzlichen
Lehrkräfte für die Spracherziehung? – Herr Böger, wie überzeugen Sie Ihre Senatskollegen von der Erkenntnis,
die die SPD im Wahlkampf formuliert hatte und von der nun nichts mehr übrig ist? – Setzen Sie die richtigen
Prioritäten im Haushalt und geben Sie die erforderlichen Mittel für die Zukunft unserer Kinder, für eine
erfolgreiche Zukunft unserer Gesellschaft. – Danke schön!
[Beifall bei der CDU]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Frau Kollegin Schultze-Berndt! – Für die Fraktion der SPD
fährt jetzt Frau Harant fort. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
[Unruhe]
[Mutlu (Grüne): Erzählen Sie uns aber nicht
wieder Märchen!]
– Es ist sehr laut geworden. Ich bitte um eine Senkung des Pegels! – Frau Harant, Sie haben das Wort!
Frau Harant (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren, ich spreche zu den Themen
Sport und Jugend und Familie. Es geht hier ein wenig durcheinander,
[Borgis (CDU): Das geht bei der Koalition
immer durcheinander!]
aber um das vorab deutlich zu machen, ich möchte zunächst auf den wie immer absolut unnachahmlichen
Auftritt von Herrn Rabbach eingehen,
[Rabbach (CDU): Nee, bloß nicht!]
Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
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der sich ja wieder stimmlich völlig verausgabt hat. Inhaltlich hat er allerdings ein ziemliches Durcheinander
angerichtet, nach dem Motto: Alte Kamellen und wenig Konstruktives.
[Beifall bei der SPD und den Grünen]
Ich finde, der Sport in dieser Stadt hat besseres verdient, Herr Rabbach. Jetzt nehmen Sie einmal den Rat einer
älteren Kollegin entgegen.
[Heiterkeit bei der SPD und der PDS]
Wer im Abstand von vier Wochen immer wieder den Weltuntergang beschwört, der wird irgendwann nicht mehr
ernst genommen.
[Pewestorff (PDS): Wir sind hier nicht bei
den Zeugen Jehovas!]
Herr Mutlu, Sie haben auch ein gewisses Talent zur Kassandra. Sie können sich langsam an Herrn Rabbach
heranarbeiten. Beim Thema „Chancengleichheit“, da finde ich es völlig indiskutabel, dass Sie von
Chancengleichheit für Migrantenkinder sprechen. Da wissen Sie ganz genau, dass die Chancen der
Migrantenkinder an ihren Deutschkenntnissen hängen. Da sind wir dabei, da wird sehr viel in dieser Stadt
bewegt, da wird in der Zukunft noch viel mehr bewegt werden.
[Beifall bei der SPD]
Jetzt zum Sport. Rein finanziell gesehen spielt die Förderung des Sports in dieser Stadt und in diesem
Haushalt eine eher geringe Rolle. Aber es gibt – wir wissen das – 2 000 Sportvereine mit rund 530 000
Mitgliedern, weitere 500 000 Sporttreibende, die den Verein nicht in Anspruch nehmen, d.h. der Sport und die
Unterstützung des Sports ist für die Berlinerinnen und Berliner wirklich wichtig. Landesrechtlich ist der Sport
sowohl verfassungsrechtlich als auch gesetzlich abgesichert. Sport hat in Berlin Verfassungsrang und gilt als
„förderungs- und schützenswerter Teil des Lebens“. Das Sportförderungsgesetz aus dem Jahr 1978 verpflichtet
uns, für eine staatliche Grundförderung im Sport zu sorgen.
[Rabbach (CDU): Dann macht das mal!]
Das Bundesrecht wiederum verpflichtet uns, den Leistungssport auf Landesebene abzusichern. Das sind die
Vorgaben, jetzt geht es um die Umsetzung. Da benötigen wir vor allem die Sportvereine. Die Sportvereine sind
in dieser Stadt in ihrer Arbeit sehr hoch einzuschätzen. Sie geben ein Beispiel für bürgerschaftliches
Engagement.
[Rabbach (CDU): Sehr richtig!]
Hier wird mit geringster staatlicher Unterstützung wertvolle Arbeit zum Wohl aller Bürger geleistet. Hier setzen
ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger sich nicht nur für die Kinder und deren Betreuung und Erziehung
ein, sie tragen zur Integration bei, sie tragen zur Gesundheitsvorsorge bei, sie leisten Sozialarbeit im besten Sinn
des Wortes.
[Borgis (CDU): Richtig! Und was
machen Sie?]
Umso mehr bedauere ich, dass die direkte Förderung des Sports in den letzten Jahren massiv zurückgefahren
worden ist.
[Beifall des Abg. Borgis (CDU)]
Ich bedauere das sehr. Wir müssen noch mehr darauf setzen, dass sich die Menschen engagieren. Wir haben
sicherlich eine Grenze erreicht. Und wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, dass gewachsene, wichtige Strukturen
wegbrechen, können wir nicht mehr weiter reduzieren.
Die Berliner Bäder Betriebe sind seit Jahren ein Sorgenkind, das wissen wir alle. Auch hier gibt es seit Jahren
Absenkungen, doch hier gibt es auch eine Zukunftsperspektive. Mit strukturellen Veränderungen werden wir
Vorteile einer privatwirtschaftlichen Organisationsform nutzen und die Kosten dadurch – hoffentlich – senken
können.
Vizepräsident Dr. Stölzl: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Borgis?
Frau Harant (SPD): Nein, das möchte ich nicht. – Das entgeltfreie Schwimmen für Vereine, Schulen und
Kitas bleibt unangetastet.
Sport macht aber nicht nur Spaß, wenn man ihn betreibt, es macht auch Spaß, ihm zuzuschauen. Berlin hat
diesbezüglich mehr zu bieten als jede andere deutsche Stadt. Der Sport sorgt immer wieder für großartige
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Veranstaltungen, die diese Stadt über ihre Grenzen hinaus bekannt machen, die sie attraktiv machen und die
Besucher anlocken. In diesem Zusammenhang weise ich auch auf die Bedeutung des Sports als Wirtschaftsfaktor
hin. Es lohnt sich für Berlin, Sportveranstaltungen in die Stadt zu holen. Das gelingt – nicht immer, aber immer
öfter,
[Borgis (CDU): Mit immer weniger Sportförderung!]
und mit unserem neuen Stadion wird es noch besser gelingen.
[Rabbach (CDU): Jawohl!]
Zwei sportliche Highlights haben wir vor uns, die uns allen ein Hochgenuss sein werden: Das Turnfest 2005 und
die Fußballweltmeisterschaft 2006. Die Mittel zur Vorbereitung dieser Ereignisse sind im Haushalt eingestellt.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Zu Jugend und Familie möchte ich ein paar grundsätzliche Dinge sagen, denn es geht nicht nur um einzelne
Titel und die Verschiebung von ein paar Tausend €. Es geht darum, dass die Aufgabe als Ganzes gesetzlich
abgesichert ist, sowohl im Grundgesetz als auch in der Verfassung von Berlin. Wir haben die Aufgabe zu
erfüllen, Kinder, Jugendliche und Familien in dieser Stadt zu unterstützen.
[Frau Jantzen (Grüne): Stimmt!]
Das tun wir auch. Zahlreiche Leistungsgesetze schreiben Hilfen unterschiedlicher Art vor, ich nenne nur das
Jugendschutzgesetz. Es gibt aber auch einen gesetzlich festgelegten Anspruch auf Teilhabe in allen Bereichen
des öffentlichen Lebens. Alle Ausgaben im Bereich Familie und Jugend basieren auf den rechtlichen
Grundlagen; der größte Anteil dieser Ausgaben leitet sich aus dem Bundesrecht, dem KJHG, ab. Insofern genügt
der vorgelegte Haushalt im Bereich Jugend und Familie den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts.
Offenbar genügt er aber nicht den Anforderungen der Opposition. Die möchte gern ein bisschen mehr von allem.
Vielleicht bekommen wir ja noch eine kleine Lyrik-Einlage, Herr Steuer, ich habe selbst auch etwas mitgebracht,
was gut zu unserer Situation passt: Wenn es wäre, wie es sollte, hätte ich alles, was ich wollte. Leider ist es aber
nicht so. Es ist in Berlin nicht so, wie es sein sollte. Leider haben wir einen riesengroßen Schuldenberg, und das
sollte in der Tat nicht sein. Von den eisigen Höhen dieses riesigen Schuldenbergs weht uns ein kalter Wind
entgegen. So können wir nicht alles haben, was wir wollen. Genau das hat uns das Verfassungsgericht noch
einmal unmissverständlich verdeutlicht. Nur das zwingend notwendige und das rechtlich unumgängliche darf
ausgegeben werden – das zu den Forderungen der Opposition. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns, und
es ist eine schwierige Gradwanderung. Einerseits erfordert die soziale Situation vieler Familien dieser Stadt
verstärkte Anstrengungen in der Jugend- und Familienpolitik, andererseits müssen Mittel in erheblichem
Umfang gekürzt werden, um dieser Stadt eine Zukunftschance zu geben. Trotzdem wird diese Stadt eine Stadt
bleiben, die ihren Kindern und Familien gute Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Auch nach Verabschiedung dieses
Haushalts sehen wir im Vergleich mit anderen Bundesländern gut aus, im Bereich der Kinderbetreuung sogar um
Längen besser als andere. – Danke schön!
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke, Frau Kollegin Harant! – Wir setzen fort mit der PDS, Frau Schaub hat das
Wort! – Bitte schön!
Frau Schaub (PDS): Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wiederholung ist die Mutter
des Lernens, sagt ein altes Sprichwort,
[Rabbach (CDU): Nee, nicht noch einmal!]
deshalb in Wiederholung und Fortsetzung meiner Kollegin Frau Dr. Barth: Bildung hat Priorität! So steht es
nicht nur in der Koalitionsvereinbarung, in diesem Sinne haben wir gehandelt und werden wir handeln –
fachpolitisch und haushaltspolitisch. Aus dem in Kraft getretenen neuen Schulgesetz und den von meiner
Kollegin Frau Dr. Barth beschriebenen Prozessen erwachsen die größten Veränderungen unserer Stadt nach
1990. Sie bedeuten im Wortsinn Zukunftsfähigkeit. Wir nehmen PISA ernst, das Ergebnis, das Deutschland
bescheinigt, es gelinge uns nicht, den sozialen Status unserer Kinder von ihrem Bildungserfolg zu entkoppeln.
Die Herstellung von Chancengleichheit ist daher eine Grundfrage für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Darauf
setzten wir in der Umsetzung des neuen Schulgesetzes, und das findet seinen Niederschlag auch in dem
Doppelhaushalt 2004/2005. Lassen Sie mich diesen Gedanken an einigen Beispielen erläutern.
Für die flexible Schulanfangsphase mit ihrem früheren Schulbeginn und der individuellen Förderung der
Kinder werden zusätzlich dauerhaft 630 Stellen finanziert. Wir finanzieren unterschiedliche Fördermaßnahmen,
vor allem Sprachfördermaßnahmen, bis hin zum verpflichtenden Sprachkurs ein halbes Jahr vor Schulbeginn.
Seit Bärenstark wissen wir, dass jedes dritte Berliner Kind im Schulanfangsalter – unabhängig von deutscher
oder nichtdeutscher Herkunft – Sprachförderbedarf hat.
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Die Verkürzung der Abiturzeit auf zwölf Jahre ist keine Sparmaßnahme, sondern verantwortungsbewusster
Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen. Das kostet aber vor allem richtig viel Geld, Geld, das nicht nur
zum Nutzen der Abiturienten ausgegeben wird, sondern für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5 und 6 in der
Grundschule.
Bundesweit ist die Zahl der Studierenden in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern auf die Hälfte
zurückgegangen. Wir verstärken die Naturwissenschaften mit drei Stunden pro Woche in Klasse 5 und zwei
Stunden pro Woche in Klasse 6.
Schwerpunkt in der Veränderung der Bildungslandschaft in Berlin ist der Ausbau der Ganztagsbetreuung.
Das ist familien- und bildungspolitisch richtig und kostet ebenfalls ordentlich viel Geld. Es ist ausdrücklich
hervorzuheben, dass in den Haushalt für 2004 750 000 € eingestellt wurden, mit denen es möglich wird, aus dem
Bundesprogramm IZBB 7,5 Millionen € abzurufen, die 2003 nicht abgerufen werden konnten. Gemeinsam mit
den für 2004 und dann 2005 eingestellten Mitteln für die Teilnahme an diesem Bundesprogramm werden sie
eingesetzt, um Schulen baulich und in der Ausstattung für den Ganztagsbetrieb fit zu machen. Der
Vollständigkeit halber: Die dafür erforderlichen Personalstellen werden zur Verfügung stehen, wahrlich nicht
zum Nulltarif. Das auch mal für die Ohren derer, die bisher solche Horrorszenarien entwickelt haben.
[Beifall bei der PDS]
In den Zusammenhang der Ganztagsbetreuung gehört das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm. Seine
Absenkung um ursprünglich 10 Millionen € konnte abgefangen werden,
[Frau Senftleben (FDP): Ursprünglich 20 Millionen €!]
und es erfolgte eine Wiederaufstockung auf 48 Millionen € bzw. 46 Millionen € – 51 Millionen € waren es
ursprünglich, dann erfolgte die Absenkung auf 41 Millionen €, das haben wir heute alles schon gehört, das muss
ich nicht repetieren.
[Frau Senftleben (FDP): Trotzdem eine Kürzung! –
Brauer (PDS): Lesen Sie doch mal die Ausschussprotokolle!]
Das ist dennoch erwähnenswert.
Das Beispiel Wohnungsbauförderung hatten wir heute schon. Ich komme vielleicht, wenn die Zeit reicht, an
anderer Stelle noch einmal darauf zurück. Virtuelle Einsparungs- und Gegenfinanzierungsvorschläge helfen
niemandem. Dem kann man keine Zustimmung geben. Das sind Luftbuchungen – um es nicht noch schlimmer
auszudrücken.
[Beifall bei der PDS und der SPD]
Ich bleibe bei den Sportstätten. Im Unterschied zu manchem Bundesland in günstigerer Finanzlage bleibt es
in Berlin dabei: Die Nutzung der Sportstätten ist kostenfrei. – Das heißt, der Kern der Sportförderung wird im
Landeshaushalt gesichert. Auch die Sportförderung aus Lottomitteln wird fortgeschrieben. Das gehört ebenfalls
zur Priorität.
Ein Wort noch zu den Referendariatsplätzen. Es ist gesichert, dass in diesem Jahr 1 900 Referendariatsplätze
zur Verfügung stehen. Es wird eine verträglichere Absenkung für die Folgejahre geben, damit wir jüngere
Kolleginnen und Kollegen in die Schule bekommen können.
Weshalb ich nichts zu den Vorschlägen der Opposition zum Haushalt gesagt habe:
[Doering (PDS): Lohnt nicht, Frau Kollegin!]
Ich finde, schade um die Zeit.
[Beifall bei der PDS und der SPD –
Frau Senftleben (FDP): Diese Arroganz ist unglaublich!]
Wir bleiben dabei, Herr Eßer, da möchte ich Ihnen widersprechen: Wir sind gezwungen, in die
Vergangenheit zu investieren, das ist richtig, aber wir werden in die Zukunft investieren, und ich denke, der
Haushalt 2004/2005 belegt das sehr deutlich. – Schönen Dank!
Vizepräsident Dr. Stölzl: Vielen Dank, Frau Kollegin Schaub! – Herr Kollege Borgis, ist das die
Anmeldung einer Kurzintervention? – Dann machen wir das noch. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Abgeordnetenhaus von Berlin – 15. Wahlperiode
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Von den Rednerinnen/Rednern nicht durchgesehen!
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Borgis (CDU): Danke! Herr Präsident, ich weiß, dass es von unserer Zeit abgeht, deswegen mache ich es
ganz kurz. – Liebe Frau Schaub! Bei allem, was ich positiv an dem Schulgesetz finde, aber wenn ich daran
denke, dass wir Lehrerinnen und Lehrer dafür ausbilden, dass sie nach Hamburg und nach Bayern gehen müssen
und in Berlin keine Stellen bekommen, obwohl junge Lehrer gebraucht werden – die Vergreisung der Kollegien
ist so weit fortgeschritten, dass der Krankenstand sehr hoch ist –, dann verkaufen Sie uns dies doch bitte nicht so,
als wenn in der Berliner Schule alles in Ordnung wäre.
[Beifall bei der CDU und der FDP]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Herr Kollege! – Ist die Replik gewünscht? – Das ist der Fall. – Bitte
schön, Frau Kollegin Schaub, Sie haben das Wort.
[Rabbach (CDU): Frau Schaub, es ist doch schon
alles gesagt!]
Frau Schaub (PDS): Verehrter Kollege Borgis! Das ist in der Tat ein kompliziertes Problem, gar keine
Frage. 48 Jahre sind die Berliner Lehrerinnen und Lehrer im Durchschnitt, da kann man für diesen Beruf wohl
nicht mehr „jung“ sagen. Die Tatsache aber, dass die vier Berliner Universitäten mehr Lehrerinnen und Lehrer
ausbilden, als die Stadt braucht, ist überhaupt nichts Neues. Das war so und wird hoffentlich auch so bleiben.
Völlig klar, dass wir über dem Berliner Bedarf ausbilden.
Die andere Frage, einen Einstellungskorridor für junge Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen, ist bisschen
schwieriger zu lösen. Jetzt haben wir erst einmal die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass ein
Konsolidierungsbeitrag erbracht werden kann und dennoch Referendariatsplätze in der ursprünglich
vorgesehenen Höhe für dieses Jahr gewährleistet sind. Ich denke, das darf man doch wohl positiv erwähnen.
[Beifall bei der PDS
Beifall der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD]
Das war die Feststellung.
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Frau Kollegin Schaub! – Wir fahren in der Redeliste fort. Jetzt
bekommt Frau Kollegin Pop das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!
Frau Pop (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesen Fragen kommt doch die Frage auf,
wie hoch das Durchschnittsalter in diesem Parlament ist. Nein, ernsthaft, ich komme mir vor wie in der Schule.
Alle, die vor mir gesprochen haben, sind Lehrer. Ich bin die gelehrige Schülerin, die sich alles das mit
erhobenem Zeigefinger Gesprochene anhören durfte, was sie alles richtig finden soll.
Wir hatten gestern schon eine Art Vorgeplänkel zu dieser Haushaltsberatung des Jugendhaushalts, als es in
der Großen Anfrage der CDU um die Hilfen zur Erziehung ging. Hilfen zur Erziehung sind neben den Kitas vom
finanziellen Volumen her das größte Aufgabenfeld in der Berliner Jugendpolitik. Übersehen wird bei diesem
finanziellen Volumen leicht die Jugendarbeit, die Leistungen der vielen Jugendverbände und Jugendprojekte in
dieser Stadt, die mit Jugendlichen und für Jugendliche gute Arbeit machen. Nur beim Kürzen wird die
Jugendarbeit leider nicht übersehen. Nach den Kürzungsarien der letzten Jahre – inzwischen werden
Jugendprojekte in Berlin nur noch aus Sonderprogrammen und Lottomitteln finanziert – haben Sie großspurig
letztes Jahr mehr Planungssicherheit für das weniger verbleibende Geld versprochen. Daraus wurde aber leider
mal wieder nichts. Es gab weder Zuwendungsverträge für die Jugendverbände noch für das FEZ. Stattdessen gab
es in endloser Folge diverse Zuwendungsmodelle, die mehr oder weniger schlecht durchgerechnet sind. Eines
haben aber alle dieser Varianten gemeinsam: Sie sind ein großes Arbeitsbeschaffungsprojekt für die Verwaltung.
[Beifall bei den Grünen]
Sie schließen keine Zuwendungsverträge, Sie verteilen lieber jeden Euro in Weihnachtsmannmanier. Das schafft
gemeinhin Dankbarkeit und Abhängigkeiten.
Abhängig sind auch die Eltern von Ihrer Kitapolitik, allerdings vermutlich nicht allzu dankbar; denn trotz
vielfacher Beteuerungen des Gegenteils haben Sie auch in diesem Haushalt bei den Kitas kräftig zugelangt. Die
Erhöhung der Gebühren und die zähen Debatten um eine ausreichende Personaldecke für die Kitas nach
Abschluss des Tarifvertrags haben die Kitas mal wieder belastet. Was ist das Ergebnis der monatelangen
Auseinandersetzungen? – In den Kitas herrscht immer noch Personalmangel, dafür dürfen die Eltern jetzt aber
mehr zahlen. Das heißt bei Rot-Rot Qualitätsentwicklung! Mit der Gebührenerhöhung haben Sie mehr Schaden
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angerichtet als Nutzen daraus gezogen. Es gibt weniger Anmeldungen, die Betreuungszeiten werden reduziert,
die Kitaplätze werden gekündigt.
[Frau Dr. Barth (PDS): Warten Sie es ab!]
So kann man natürlich auch seine Sparvorgaben erreichen. Wie üblich sparen Sie leider an der falschen Stelle.
[Beifall bei den Grünen]
Statt die frühkindliche Bildung zu stärken, wird sie unter Rot-Rot ausgedünnt und verschlechtert mit Verweis auf
die noch schlechtere Ausstattung anderer Bundesländer. Ihr ehrgeiziges Bildungsprogramm für die
Kindertagesstätten wollen Sie mit diesem reduzierten Personal durchdrücken. Ohne die Rahmenbedingungen zu
verbessern, werden Sie Schiffbruch erleiden.
Wir halten nach wie vor an unserer – offensichtlich sehr umstrittenen – Forderung fest, das letzte Kitajahr vor
Schulbeginn gebührenfrei zu halten, weil hier die Vorbereitung auf die Schule geschieht, die kein Kind
verpassen sollte.
[Beifall bei den Grünen –
Beifall des Abg. Steuer (CDU)]
Senator Böger hat dies scheinbar auch eingesehen und fordert nun nach beschlossener Gebührenerhöhung –
immer schön sicher nach der Gebührenerhöhung –, ich zitiere, wenn ich darf:
das letzte halbe Jahr für diejenigen Kinder kostenlos zu machen, die wirklich ab drei Jahren in die Kita
gehen.
Interview mit der „Morgenpost“.
[Sen Böger: Das müssen Sie schon ganz zitieren!
Ich sagte: In der nächsten Legislaturperiode!]
Das hört sich im ersten Moment – –
[Zurufe]
– Darf ich fachlich etwas dazu sagen? – Das hört sich ganz gut an, da sind wir nicht so sehr auseinander. Es ist
aber fachpolitisch leider ziemlich daneben, denn wir wollen gerade Kinder aus bildungsfernen und
einkommensschwachen Elternhäusern in die Kitas bekommen, die es sich eben nicht leisten können oder wollen,
ihre Kinder bereits ab drei Jahren in die Kitas zu schicken.
[Zurufe der Abgn. Frau Dr. Barth (PDS) und
Frau Schaub (PDS)]
Diese Zielgruppe erreicht man nicht mit Herrn Bögers Vorschlag. Wenn Sie alle Kinder in die Kitas bekommen
wollen, Frau Barth, kann ich Ihnen nur empfehlen, unserem Antrag auf Freistellung des letzten Kitajahres
zuzustimmen. Wir sind da mutiger und wollen für das ganze Jahr freistellen. Stimmen Sie zu, damit wir endlich
vorankommen!
[Beifall bei den Grünen]
Nun zur Gegenfinanzierung: Die Gegenfinanzierung ist keineswegs eine pauschale Minderausgabe, sondern
betrifft das Kapitel 12 95, die Wohnungsbauförderung. Da ist noch Geld drin.
[Radebold (SPD): Na, na!]
Daraus hat sich die Koalition im Übrigen auch üppig bedient. 23 Millionen € haben Sie dort herausgestrichen.
Da können Sie mir nicht erzählen, das sei alles sehr knapp.
[Klemm (PDS): Mit Sondermieterhöhungen?]
– Herr Klemm, ein bisschen spät geschaltet! – Wir werden auch weiterhin für eine Zusammenarbeit von Schule
und Jugendhilfe auf gleicher Augenhöhe, für mehr Qualität und Vielfalt bei den Kitas und Chancen für Kinder,
Jugendliche und Familien werben und streiten. Sie machen da offensichtlich gern mit: Es wird in den nächsten
Jahren bei Ihnen viel zu kritisieren geben, davon bin ich fest überzeugt. Auf die nächsten Jahre!
[Beifall bei den Grünen]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Für die Fraktion der CDU ergreift das Wort
und erhält dasselbe der Kollege Sascha Steuer. – Bitte schön!
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Steuer (CDU): Danke schön, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon
bemerkenswert, dass die bildungspolitischen Sprecherinnen der Fraktionen in der Regel Lehrerinnen sind.
Unsere bildungspolitische Sprecherin bezieht aber wenigstens das Publikum mit ein, während die
bildungspolitischen Sprecherinnen von PDS und SPD nur schulmeisterlichen Frontalunterricht bieten.
[Beifall bei der CDU und der FDP –
Brauer (PDS): Welches Publikum, Herr Steuer?]
Frau Harant muss ich hier leider ausnehmen. An ihrer lyrischen Einlage hat man heute wieder gesehen, dass
die gute Schulbildung im Süden Deutschlands zu etwas mehr befähigt als die in Berlin.
[Beifall bei der CDU und der FDP]
Es ist schon dreist, wie Frau Dr. Barth hierbei die Tatsachen verdreht. Frau Dr. Barth, seien Sie froh, wenn ich
das nur Dialektik nenne! Man könnte das auch anders nennen.
[Gram (CDU): Das hat sie ja gelernt!]
Es ist auch dreist, wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD heute früh die gute Ausstattung der Berliner
Kinderbetreuung lobt.
[Frau Dr. Barth (PDS): Das ist die Wahrheit!]
Ja, auf dem Papier haben wir im Vergleich mit anderen Bundesländern höhere Personalstandards, längere
Betreuungszeiten und kleinere Gruppengrößen. Aber das ist nur die Theorie. In der Praxis sieht das in der
Berliner Kita ganz anders aus. Herr Böger! Gehen Sie bitte einmal in eine Kita in Kreuzberg, Lichtenrade oder
Spandau! Sie werden Mühe haben, eine Kita zu finden, die eine vorschriftsmäßige Personalausstattung hat.
Das ist leider kein Zufall, sondern Prinzip in der Berliner Kita. Sie haben absichtlich gegen den Tarifvertrag
gehandelt und die zugesicherten Erzieherinnen nicht eingestellt. Sie schicken absichtlich Pädagogen aus dem
Jugendaufbauwerk aus Pankow nach Lichtenrade, obwohl Sie wissen, dass sie dort nicht ankommen und ihren
Dienst nicht antreten werden. Ich muss es auch in der Öffentlichkeit ganz deutlich sagen: Nicht wenige Kitaleiterinnen fürchten um die Garantierung der Aufsichtspflicht. So ist die Realität in der Berliner Kita am
heutigen Tage, Herr Böger! So sparen Sie in Wahrheit die Kitas kaputt. Da hilft Ihnen auch Ihr
Bildungsprogramm nichts, Frau Dr. Barth, denn das wird ohne Personal auch nicht umzusetzen sein.
[Beifall bei der CDU und den Grünen –
Beifall des Abg. Dr. Augstin (FDP)]
Zu dieser desolaten Personalsituation kommen die drastischen Erhöhungen der Kitagebühren. In noch nie da
gewesener Weise haben Sie die Gebührenschraube nach oben gedreht.
[Brauer (PDS): Aha!]
Es gibt Mütter, deren Zuverdienst in Zukunft komplett für die Kinderbetreuung drauf gehen wird. Diese
Erhöhung der Kitagebühren ist familienfeindlich und unterstützt die demographische Abwärtsspirale, statt sie zu
bremsen.
[Beifall bei der CDU]
In einer ersten Abfrage der Bezirke haben wir vor zwei Wochen gehört, dass Eltern in verschiedenen
Bezirken ihre Kinder bereits abmelden. Dennoch können nicht alle Bezirke Mehreinnahmen durch die
Kitagebühren-erhöhung verbuchen.
[Brauer (PDS): Sie haben das gehört,
aber haben Sie das auch nachgeprüft?]
Mit der Erhöhung der Kitagebühren gehen also weniger Kinder in die Kita, und die Einnahmen werden
insgesamt nicht steigen. Das ist eine völlig sinnlose Politik, Herr Böger! Ihr Prinzip wird deutlich: Sie wollen
Eltern verunsichern und abschrecken. Sie wollen, dass weniger Kinder die Kitas besuchen. Das ist der Beitrag,
den die Familienpolitik für die Haushaltskonsolidierung in Berlin leisten soll.
[Wechselberg (PDS): Sie machen mich lachen!]
Frau Dr. Barth! Sie sagten vorhin, die Opposition habe keine Konzepte. Die CDU-Fraktion hat schon, bevor
Sie ein Bildungsprogramm für die Berliner Kita vorgelegt haben, ein Qualitätsprogramm für die
Kinderbetreuung in Berlin vorgelegt. Sie können das auch heute auf der Internetseite der CDU-Fraktion abrufen.
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Aber auch die anderen Bereiche der Jugend- und Familienpolitik im Land Berlin werden gekürzt. Gestern
haben wir lang über die Hilfen zur Erziehung diskutiert, die in den kommenden Jahren um ein Drittel abgesenkt
werden. Sie mussten gestern zugeben, Herr Böger, dass bereist 3 000 Jugendliche keine Hilfe mehr erhalten,
dass 3 000 Jugendliche und ihre Familien nun allein gelassen werden und diese häufig keine Hoffnung auf ein
selbstbestimmtes Leben haben werden. Wie viel das an zusätzlichen Ausgaben im Sozialetat und bei Polizei und
Justiz in den nächsten Jahren ausmachen wird, das haben Sie auch für diesen Haushalt nicht berechnet.
Ganz neu ist in diesem Haushalt der Trick, fast alle Mittel für Jugendeinrichtungen, Jugendprojekte und
Jugendverbände an die Einnahmen aus den Lotto-Mitteln zu koppeln. Konkret heißt dies in der Zukunft: Nur
wenn die Berlinerinnen und Berliner genug Lotto spielen, kann sich das Land auch Gewaltprävention leisten. In
diesem Jahr klafft deshalb bereits eine Lücke von rund 2,5 Millionen € zwischen Lotto-Mitteln und
Jugendausgaben. Viele Projekte stehen vor dem Aus, wenn Sie keine Deckung in Ihrem Haushalt finden, Herr
Böger! Das ist fachpolitischer Unsinn und auch haushaltspolitisch äußerst fragwürdig.
Noch ein Wort zu Ihrer Veralberungspolitik gegenüber den freien Trägern und Vereinen im Land Berlin: Ein
Jahr lang suggerieren Sie, dass Sie sich zur mittelfristigen Absicherung des FEZ in der Wuhlheide und der
Jugendverbandsarbeit in Berlin mehrjährige Zuwendungsverträge vorstellen können. Das lassen Sie sogar durch
die Koalitionsfraktionen im Jugendausschuss beschließen. Im Hauptausschuss stimmen Sie aber gegen diesen
Weg und stellen nur eine Verpflichtungsermächtigung für das FEZ ein. Frau Dunger-Löper, die Vorsitzende des
Hauptausschusses, hat heute früh noch einmal darauf hingewiesen und diese Maßnahme ausdrücklich gelobt. Sie
wissen ganz genau: Diese Verpflichtungsermächtigungen bedeuten rein gar nichts und sind ohne einen
Zuwendungsvertrag reine Veralberungspolitik der Berlinerinnen und Berliner.
[Beifall bei der CDU –
Frau Spranger (SPD): Sie kenne sich da ja aus! –
Brauer (PDS): Völliger Quatsch!]
Ihre Veralberungspolitik haben Sie, Frau Dr. Barth, vorhin fortgesetzt, als Sie sagten: „Wir haben Mittel für
Jugendnetz Berlin eingestellt.“ – Das ist nur für 2004 der Fall. Für 2005 haben Sie nichts eingestellt. Insofern ist
die Zukunft von Jugendnetz Berlin auch nicht gesichert.
[Zuruf der Frau Abg. Dr. Barth (PDS)]
Zum Schluss möchte ich aus einem Schreiben des Referats Öffentlichkeitsarbeit des Abgeordnetenhauses
zitieren, das ich heute erhalten habe. Ich werde darin gebeten, an einem Rollenspiel von Zehntklässlern des
Anne-Frank-Gymnasiums teilzunehmen und eine Jugendausschusssitzung nachzuspielen.
[Heiterkeit]
Wörtlich heißt es:
Darum frage ich heute an, ob Sie uns für ein Rollenspiel zur Verfügung stehen und die Rolle des Senators
übernehmen könnten.
[Heiterkeit]
So geehrt ich mich durch dieses Angebot fühle, bin ich dennoch in der Sorge, ob ich dem wirklich gerecht
werden kann,
[Brauer (PDS): Wir auch! –
Heiterkeit –
Weitere Zurufe]
So viel Gleichgültigkeit, so viel Unwissen, so viel Willfährigkeit und so viel jugend- und familienfeindliche
Politik werde ich leider nicht spielen können.
[Beifall bei der CDU]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Das Wort hat nun der Senator für Bildung, Jugend und Sport. – Herr Böger, bitte
schön!
Böger, Senator für Bildung, Jugend und Sport: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufmerksame
Beobachter dieser Debatte werden mir gewiss folgen, wenn ich behaupte, dass an manchen Mitgliedern des
Abgeordnetenhauses von Berlin die Zeit und die Veränderungen vorbeigegangen sind. Oder sie sind – ich sage
es einmal so – in ihrer Westberliner Badewanne steckengeblieben.
[Beifall bei der SPD und der PDS –
Zuruf des Abg. Rabbach (CDU)]
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Der Kopf ist nicht frei. Man geht in dem einen Jahr zum Verfassungsgericht und droht eine Klage an. Das
Verfassungsgericht folgt dieser Klage und stellt fest: Ein verfassungswidriger Haushalt, Haushaltsnotlage! – Der
junge Fraktionsvorsitzende fabuliert hier bereits von der nächsten Klage, und die Kolleginnen und Kollegen von
der CDU produzieren Ausgaben über Ausgaben, ohne irgendetwas zu decken. Das war schon in Westberlin
schlecht, jetzt ist es verantwortungslos.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
So kann man auch mit wichtigen Prioritätsbereichen nicht umgehen.
Eines ist zunächst nicht zu widerlegen, und das wird selbstverständlich jemand, der über Bildung spricht,
immer wissen: Ein Etat kann nie die Gänze von Ansprüchen aus dem Bereich der Bildung erfüllen. Das war so,
und das bleibt leider auch so. Das weiß ein jeder. – Die Frage ist vielmehr, ob dieser Haushalt unter den
gegenwärtigen Bedingungen und Herausforderungen einer kritischen Prüfung standhalten kann.
[Abg. Mutlu (Grüne) meldet sich zu
einer Zwischenfrage.]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mutlu?
Böger, Senator für Bildung, Jugend und Sport: Nein! Ich habe jetzt eine dreiviertel Stunde zugehört. Jetzt
muss ich im Moment auch einmal für das Rollenspiel, das Kollege Steuer angesprochen hat, eine gewisse
Vorlage liefern, damit er sich orientieren kann, wie er dann vor den Jugendlichen reden soll oder wie man es gar
nicht machen darf. Deshalb möchte ich jetzt einmal reden.
Wenn man fragt, wo die Messlatte liegt und was dort erreicht worden ist, dann ist nicht zu bestreiten – ich
wiederhole mich –, dass man sich mehr vorstellen kann. Man wäre ein Tor, wenn man nicht mehr für die
Bildung wollte. Um den Kollegen Ausschussvorsitzenden anzusprechen: Glauben Sie denn nicht, dass es für
mich schwer ist, wenn in meine Sprechstunden, die sehr voll sind, junge Leute mit glühenden Augen und
glänzenden Zeugnissen kommen, die mir sagen: „Herr Böger, kann ich in den Schuldienst gehen?“ – Denen
kann ich dann nur sagen: „Ja, im nächsten Jahr kann ich einstellen. Ich kann aber nicht alle nehmen.“ – Meinen
Sie nicht, dass mir das weh tut? Ich habe selbst Kinder und weiß, wie lange die auf Referendariatsplätze warten
müssen.
Wenn wir von 2001 bis 2006 etwa 40 000 Schülerinnen und Schüler weniger haben, kann man sich aber auch
nicht einfach hinstellen und sagen: „Du kannst alle einstellen!“ – Das ist doch illusionär. Das können wir nicht,
und das wissen Sie genau. Insofern sollten Sie dafür doch etwas Verständnis haben. Ich bestreite nicht, dass das
unschön und einer solchen Generation gegenüber nicht gerecht ist, wenn man bedenkt, dass in den 70er Jahren
alle eingestellt wurden.
Es gibt keinen Finanzsenator in irgendeinem Bundesland, der sagt, die Schülerzahl geht gewaltig zurück, ich
stelle parallel jede Menge ein. Das ist undenkbar. Da muss man doch auch ein bisschen auf dem Boden der
Realität bleiben.
[Borgis (CDU): Die Ausbildung kostet 1 Million!]
– Ja, Berlin gibt sehr viel aus für die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Wir bilden schon immer aus für
Bayern und für Baden-Württemberg, das ist eine Leistung Berlins. Das ist wohl wahr. Nur, wenn wir
Universitätsplätze kürzen wollen, dann rufen Sie auch, das darf man nicht kürzen. Wo ist denn da eigentlich die
Logik? Wollen Sie verlangen, wir sollen nur noch so viel ausbilden, wie wir tatsächlich brauchen?
[Mutlu (Grüne): Sie bilden doch viel zu wenig aus!]
Dann muss der Kollege Flierl aber mächtig im Wissenschaftsetat runterfahren; dann schimpft wieder Ihre nicht
anwesende Kollegin, die für Kultur und Wissenschaft zuständig ist. Also so geht das nicht.
Ich komme nun zu dem, was zu der Bildung an der Basis gehört, nämlich zu den Kitas. Hier hat uns der
Kollege Steuer ein Schreckensbild vorgesetzt, da kann ich nur sagen, da müssen Sie wirklich Zerrbilder vor
Augen haben. Ich weiß nicht, ob Sie in irgendeinem Horrorfilm waren und jetzt etwas produziert haben.
Tatsache ist, ich nenne Ihnen einmal eine Zeitung, die Ihnen vielleicht nicht so ganz ferne steht, die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“. Das lohnt sich immer, dahinter soll normalerweise ein kluger Kopf stehen.
[Frau Senftleben (FDP): Normalerweise!]
Wenn man reinguckt, kann man lernen. Am 17. März schreibt die FAZ:
Ausbau von Kindergartenplätzen im Westen – Abbau im Osten
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Und dann sieht man eine Statistik, nicht von mir, der glauben Sie sowieso nie, sondern von der FAZ,
Statistisches Bundesamt. Da lesen wir:
Ganztagesplätze je 100 Kinder in Kindergärten: in Thüringen 126 – überversorgt –, in BadenWürttemberg 7, in Sachsen 104, in Niedersachsen 13, in Berlin 77, in Brandenburg 92, in Hessen 29;
Bundesdurchschnitt Deutschland 33. Bei den Krippen ist der Durchschnitt in Deutschland 8 pro 100
Kinder, in Berlin 36, in Bayern 1 Platz;
Es gibt einen Ausdruck von bildungspolitischer Priorität, er ist auch dokumentiert, man muss es nur zur Kenntnis
nehmen, meine Damen und Herren von der Opposition,
[Beifall bei der SPD und der PDS]
damit wir hier nicht weiter im Reich der Märchen bleiben. Nun lese ich Ihnen mal vor, was ein Krippenplatz und
ein Kitaplatz kostet im Jahr. Ich finde, gut angelegte Kosten. Ein Krippenplatz kostet ca. 10 000 € im Jahr. Ich
nehme es ganz korrekt ohne die Zuschläge für Integration und für Migration. Da ist also ein Ganztagsplatz in der
Krippe – 9 054 € im Westen, 8 598 € im Osten. Das macht pro Monat 755 €. Der Höchstbetrag, den Promille
Menschen zahlen, liegt mit Essen bei 489 €. Also selbst für die, die über 90 000 € im Jahr verdienen,
subventionieren wir noch diese Kitaplätze. Damit kann man kein Geld verdienen, das ist gut so. Anders herum
gesagt: Dasjenige Land, das diese Plätze anbietet und vorhält, setzt bildungspolitische Priorität, und das müssen
Sie mal zur Kenntnis nehmen.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Ich bin dieser Koalition, und ich sage auch dem Finanzsenator – ich kenne ihn gut und schätze ihn auch
durchaus,
[Gelächter]
wie ein Bildungssenator einen Finanzsenator schätzen kann, so ist es nun mal. Ich weiß, das war für Herrn – –
Ja, sehen Sie mal, wenn wir 16 % Ausgaben haben, dann ist doch klar, dass der die Brille aufzieht und dreimal
hinguckt. Und deswegen muss ich gegenhalten. Und ich bin ihm dankbar, es war schwer genug, aber er hat
gesagt, ja, er bekennt sich zu dieser Priorität. Wir halten diesen breiten Zugang zu den Kitas und zu den Krippen,
mehr als jedes westliche Bundesland, das ist eine Leistung, die wir halten wollen. Dafür bin ich Ihnen, Herr
Kollege Sarrazin, in diesem Haushalt ausdrücklich dankbar.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Darüber hat er sich jetzt gefreut.
[Mutlu (Grüne): Hoffentlich haben Sie ihm nicht zu früh gedankt!]
Dass wir in der Kita selbstverständlich auch Personal haben, das ist wahr. Und nun will ich auch nicht bestreiten:
Der Tarifanwendungsvertrag, den dieses Land gemacht hat, damit als Vorbild für alle anderen Bundesländer
endlich eine Folge zu durchbrechen, dass nämlich immer höhere Einkommen gezahlt werden im öffentlichen
Dienst und immer weniger Leistungen geboten werden bei weiter sinkenden Steuereinnahmen, das hat doch Herr
Wowereit im Deutschen Bundesrat durchgesetzt und angefangen. Andere Länder sind gefolgt. Gleichwohl ist
dieser Tarifvertrag nach der Formel „weniger Entgelt und weniger Arbeitszeit“ – ja, da gebe ich allen Recht –
sehr kompliziert und schwierig im pädagogischen Bereich durchzusetzen, denn Pädagogik und Bildungspolitik
lebt von Personal und von Personaleinsatz. Wenn wir genau so viel einstellen, wie wir durch Freizeitausgleich
hätten, z. B. bei den Lehrern, dann ergäbe sich überhaupt nichts mehr an Sparmaßnahmen. Deswegen haben wir
den Lehrern und Lehrerinnen Mehrarbeit zumuten müssen, andere Länder haben das auch getan. Dass sie das
akzeptieren, das finde ich beachtenswert, und ich bedanke mich für diesen Einsatz.
Und ich finde auch, wir sollten endlich aufhören, in der Bundesrepublik eins zu tun, was insbesondere die
Herren der CDU hier gemacht haben, Sie, Herr Steuer am laufenden Meter. Hier wird immer unterstellt und
gesagt: Wenn du mehr Qualität willst, musst du erstens mehr Stellen haben und mehr Geld zahlen. Ich sage
Ihnen in ganz klarer Offenheit: Das mag früher so gewesen sein. Die wirkliche Wirklichkeit in der
Bundesrepublik Deutschland ist: Wir müssen in vielen Bereichen besser werden, wir müssen qualitativ werden,
und wir können nicht mehr Geld dafür geben und auch nicht zugleich mehr Stellen dafür geben. Das ist
unangenehm, aber das ist wahr. Dafür sollten wir in der Politik endlich stehen. Das gilt auch für diesen Bereich.
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Das bedeutet für viele Kolleginnen und Kollegen, ich sage das noch mal, der Altersdurchschnitt ist zwar noch
nicht ganz so hoch, wie befürchtet wird, aber er ist hoch, zu hoch,
[Borgis (CDU): Sportlehrer 56 Jahre!]
das bedeutet für viele im Bildungsbereich einen erheblichen Einsatz. Dafür will ich mich ausdrücklich bedanken.
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Vorläufiger Text
Und ich wollte noch der Kollegin zurufen, die jetzt erfreulicherweise ihr Baby hütet, Frau Kollegin SchulzeBerndt mit den Mäusen. Ich wollte ihr noch einen Hinweis geben. Wir fangen mit der Schule im nächsten Jahr,
im Schuljahr 2005/2006 für alle Kinder ein halbes Jahr früher an. Das sind 13 500 Kinder, die, übrigens
kostenlos, Herr Kollege Mutlu, in die Schule gehen. Das entspricht einem Zusatzeinstellungspotential von 630
Lehrern und Lehrerinnen. Die setzen wir im Haushalt ein mit 45 000 €. Wenn Sie das multiplizieren, kommen
Sie auf 28 Millionen, das sind keine Mäuse und Mäuschen, das ist ein Riesenbär, den wir einsetzen. Das ist
bildungspolitische Priorität.
[Beifall bei der SPD und der PDS – RBm Wowereit: Rote Karte!]
– Also wenn der Regierende Bürgermeister mir sagt, ich soll jetzt weitere Schwerpunkte setzen, dann will ich
mich beeilen. – Ich darf nur sagen, manchmal habe ich den Eindruck, Berlin, du hast es gut. Denn Berlin klagt in
einer Zeitung von gestern, in der „Morgenpost“:
Pflichtunterricht von 8 bis 16 Uhr
Niemand wird bei uns gezwungen, in eine Ganztagsgrundschule zu gehen. Aber glücklich ist Berlin, wenn man
darüber reden kann, dass das eine oder andere Elternteil nicht in eine solche Schule gehen wird. Solche Probleme
würden sich Tausende von Kommunen wünschen!
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Und zum Sport, lieber Kollege Rabbach, will ich sagen: Sie sind hier als Freistilschwimmer aufgetreten. Da
will ich jetzt mal nicht mitmischen. – Übrigens zum Präsidenten des Deutschen Sportbundes, das Beste was ich
dazu sagen kann: Ich sage gar nichts. – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD und der PDS]
Vizepräsident Dr. Stölzl: Danke schön, Herr Senator Böger!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Die Änderungsanträge werden
erneut aufgerufen unter Einzelplan 29 als Gegenfinanzierungskapitel und dort abgestimmt.
Wer dem Einzelplan 10 – Bildung, Jugend und Sport – unter Berücksichtigung der in der Anlage der
Drucksache 15/2550 aufgeführten Änderungen bei den Ansätzen, Vermerken, Erläuterungen, Stellenplänen und
Beschäftigungsplanungen sowie den lfd. Nummern 37 bis 44 der Auflagenbeschlüsse 2004/2005 gemäß
Drucksache 15/2551 zustimmen möchte, den und die bitte ich nun um das Handzeichen. – Danke schön! Die
Gegenprobe! – Das ist die Opposition. Enthaltungen? – Herr Dr. Jungnickel. Dann ist mit einer Enthaltung dies
mehrheitlich so beschlossen.
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