Die Gosho-Vorlesung von Präsident Ikeda Das Studium aus der Gosho, dem Lehrtext des Sieges Nr. 51 „Antwort an Frau Toki-ama“ Einen Menschen, der einem direkt vor den Augen steht, ermutigen – das ist die Handlung aufgrund des Humanismus Es war um die Jahre 1952 und 1953. Es gibt verschiedene Szenen, die mir auch jetzt, 60 Jahre später, frisch in den Sinn kommen. Es handelt sich nämlich um Ereignisse, die sich bei der „persönlichen Führung“ abspielten, die mein Meister Josei Toda (1900-1958), der zweite Präsident der Soka Gakkai, in einem engen Zimmer der Zweigstelle der Soka Gakkai Zentrale im Tokioter Stadtteil Ichigaya von Tag zu Tag mit großer Ausdauer fortsetzte. Einfache Bürger, die verschiedenste leidvolle Probleme – darunter Leiden durch Krankheit, finanzielle Probleme, Disharmonie in der Familie, menschliche Beziehungen, Diskriminierung oder Mobbing – in sich hegten, kamen mit dem Gefühl voller Verzweiflung dorthin, um eine Führung von Toda Sensei zu bekommen. Jedoch die Inhalte ihrer Leiden waren von Person zu Person grundverschieden. Toda Sensei setzte sich immer und immer wieder dafür ein, den Mitgliedern freundlich und ausdauernd Gehör zu schenken und aufgrund seiner tiefen Überzeugung vom Mystischen Gesetz zu lehren, dass sie all ihre Probleme bestimmt überwinden können, ihr Karma unbedingt verändern können und absolut sicher glücklich werden können. Seine ganzen Bemühungen, diese direkt vor seinen Augen befindliche eine Person zu ermutigen, ihr das Licht der Hoffnung zu geben und die ihr innewohnende Kraft, einem stürmischen Leben entgegenzutreten, zu erwecken, waren zu Recht ein großer Kampf, auf die Herausforderungen, ausgehend vom Unglück, mit dem Prinzip des Lotos-Sutra „die Verwirklichung der Buddhaschaft aller Menschen“ zu erwidern. Einst sagte mir mein verehrter Meister, nachdem er diese Ermutigungen beendet hatte, für die er seine ganzen Kräfte eingesetzt hatte, nach einer Atempause Folgendes: „Es ist damit vergleichbar, dass ich jetzt ein Banner halte und ganz allein in einem schlammigen Fluss stehe. Wäre ich im Geringsten unachtsam, dann würde ich zusammen mit dem Banner durch diesen schlammigen Fluss davon getrieben.“ Persönliche Führung ist eine Tradition der Soka Gakkai Weil es diesen großartigen Löwenkönig gab, gibt es die heutige Entwicklung der Soka Gakkai. Auch der Vater von Soka, Tsunesaburo Makiguchi Sensei (1871-1944), der Gründungspräsident, schätzte diese persönliche Führung in höchstem Maße wert. Zweimal in der Woche traf er sich mit Mitgliedern zusammen, die ihn entweder in der Soka Gakkai Zentrale oder zu Hause besuchten, und ermutigte jeden einzelnen Menschen freundlich und aufmerksam, wobei er sagte: „Der Buddhismus des Daishonin lehrt, wie wir in unserem Alltagsleben leben sollten.“ Das ist ein Beispiel dafür. „Jeden einzelnen Menschen wertschätzen“ – gerade dieser Humanismus ist das Fazit des Buddhismus überhaupt und der traditionelle Geist der Soka Gakkai. Auch ich habe das vollkommen gleiche Gefühl. Sowohl bei der Gelegenheit, den einen direkt getroffen zu haben, als auch im Fall, den anderen durch Briefe oder Berichte kennen gelernt zu haben, habe ich 1 stets mit fester Entschlossenheit: „Nur jetzt ist die Zeit, zu ermutigen!“ mein ganzes Leben für jede einzelne Ermutigung und Führung eingesetzt. Dialog von eins zu eins und weiter Ermutigung von eins zu eins – das ist in Wirklichkeit meines Erachtens die Quintessenz der buddhistischen Philosophie und auch der eigentliche Geist der Religion. Was ich mir in Erinnerung rufe, ist die Handlung, die Mohandas Karamchand Gandhi1) (1869–1948), genannt Mahatma Gandhi, inmitten seiner Unabhängigkeitsbewegung in Indien als Tagespensum machte. Es wird gesagt, dass viele Stunden im täglichen Leben Gandhis dafür eingesetzt wurden, Maßnahmen gegen allerlei Sorgen und Leiden zu ergreifen, die ihm von einfachen Menschen ununterbrochen vorgetragen wurden, wie zum Beispiel Sorgen um die Nahrung der Bauern, Gebete für Verstorbene, Eheberatung für junge Frauen oder Ermutigung für Kranke. Außer dass er eine riesige Menge Briefe schickte, die täglich im Schnitt mehr als 100 gezählt wurden, traf er direkt viele Menschen und ermutigte sie persönlich – das war sozusagen eine ständige Wiederholung der „persönlichen Führung“. In einer bekannten Biographie über Gandhi heißt es: „Während Gandhi von Sorgen ums ganze Land umgeben war, machte er sich Gedanken über einen einfachen Menschen.“ (Louis Fischer: Gandhi. Prophet der Gewaltlosigkeit) Gegen die Sorgen, die als verschiedene Ereignisse im Alltag erschienen, Maßnahmen zu ergreifen, bedeuteten für Gandhi niemals zu vernachlässigende, nein, sondern wichtigste Angelegenheiten, für die er sich am meisten interessierte. Das lag daran, dass gerade die Tatsache, dass jeder einzelne einfache Mensch, ohne sich von Leiden oder Schwierigkeiten direkt vor seinen Augen, mit denen er unmittelbar konfrontiert ist, besiegen zu lassen, sie willensstark überwinden, als Individuum eigenständig aufstehen und in seinem Leben siegen wird, der Kern der Selbständigkeit, nämlich der Unabhängigkeit Indiens, war. Von der menschlichen Revolution und der Revolution des Alltagslebens zur gesellschaftlichen Reform Indem sie sich mit psychischen Problemen eines jeden Menschen, der wahrhaft mit den Leiden verschiedenster Art kämpft, frontal auseinandersetzen, wie sie diese lösen und wie sie diese Reform dem realen Alltagsleben jedes einzelnen Menschen und dessen Handlung zusteuern – hierin haben sowohl Gedanke als auch Philosophie ihren wirklichen Kampf um Sieg oder Niederlage. Gandhi sagte: „Ein rechter Weg, der eine soziale Revolution mit sich bringt, ist nirgends zu finden, als dass wir ihn in Lappalien unseres Alltagslebens realisieren.“ (Quelle wie oben) Auch das Leben einer jeden Religion findet sich in der menschlichen Revolution sowie der alltäglichen Revolution jedes einzelnen Menschen selbst. 1) Mohandas Karamchand Gandhi (1869–1948): er ist ein indischer Politiker und ein Anführer der Volksbewegung. Mahátma ist kein Name, sondern ein Ehrentitel, der ihm vom indischen Literaturnobelpreisträger Rabindranath Thakur alias Tagore angeheftet wurde, als er ihn bei der Ankunft in Bombay am 9. Januar 1915 so begrüßte. Mahátma bedeutet im Deutschen „Große Seele“ oder „Hochherzige“. 1893 ging er anlässlich des Rechtsstreits zweier indischer Firmen nach Südafrika. Dort kam er mit Rassendiskriminierungen in Berührung und begann, sich politisch zu engagieren. So gründete er 1894 den Natal indian Congress und leitete im November 1913 einen Protestmarsch nach Transvaal, woraufhin 1914 der Indians' Relief Act erlassen wurde. In Südafrika entwickelte Gandhi auch das Konzept des gewaltlosen Widerstandes Satyagraha, das wörtlich an der Wahrheit festhalten bedeutet und im übertragenen Sinne die Kraft der Wahrheit (truth force) gemeint ist. Gandhi wurde mehrmals inhaftiert. 1914 kehrte er nach Indien zurück und übernahm 1920 die Führung des Indian National Congress (I.N.C), der sich unter seiner Herrschaft zur Massenorganisation und zum wichtigsten Mittel der indischen Unabhängigkeitsbewegung entwickelte. 1930 veranlasste er eine Kampagne des zivilen Ungehorsams und rief zum Salzmarsch gegen das britische Salzmonopol auf. Am 30. Januar 1948 wurde er von einem Hindu-Anhänger erschossen. 2 Nur in der Bahn, auf der jeder einzelne Mensch mit alltäglichen Leiden kämpft, mit denen er in seinem realen Alltagsleben direkt konfrontiert ist, und seinen inneren Lebenszustand verändert, gibt es den Weg zur wahren Sozialreform und auch die Befriedung des Landes durch die Errichtung des Wahren Gesetzes. Und gerade der große Weg, der die menschliche Revolution der Menschen erschließt, die sich am Ausgangspunkt dieser Bewegung befindet, ist die Handlung, jeden einzelnen Menschen zu ermutigen. Indem wir diesmal die Gosho „Antwort an Frau Toki-ama“ respektvoll lesen, studieren wir diese, Nichiren Daishonins Welt der Ermutigung. Da dieser Brief kurz ist, möchten wir sie anhand der ganzen Texte respektvoll ersehen. Eintausend Kupfermünzen (ca. 3,75 kg.) sowie einen Behälter [aus Bambus] habe ich zu Recht erhalten. Dass ein Pfeil fliegt, hängt von der Kraft des Bogens ab. Dass die Wolken sich bewegen, hängt von der Kapazität des Drachens ab. Und die Leistungen eines Ehemannes hängen von der Fähigkeit seiner Frau ab. Dass jetzt Herr Toki hierher gekommen ist, ist auf die ehrbare Unterstützung von Ihnen, der Laiennonne, zurückzuführen. Sieht man Rauchwolken, erkennt man, dass es Feuer gibt. Sieht man den Regen, erkennt man, dass es den Drachen gibt. Sieht man einen Ehemann, erkennt man, wie seine Frau ist. Wenn ich jetzt Herrn Toki sehe, kommt es mir vor, als ob ich Sie sähe. Herr Toki hat mir erzählt, dass er trotz der Trauer um den Tod seiner Mutter damit zufrieden ist, dass sie glücklich verstarb, und die Freude darüber, dass Sie sie herzlich und liebevoll pflegten, in alle Ewigkeit niemals vergessen kann. (EG, Band 1, Seite 656; JG, Seite 975) Der Daishonin würdigt die verdienstvollen Mühen von Frau Toki-ama Dieses Schriftstück ist eine Gosho, die er im März 1276 seiner Schülerin Frau Toki-ama in der Provinz Shimosa (dem nördlichen Teil der jetzigen Präfektur Chiba) gab. In einem im Februar des Vorjahres verfassten Brief steht geschrieben, dass ihr Ehemann Toki Jonin (1215/16/20–1299) einen leichten Sommerkimono, den seine fast 90 Jahre alte Mutter mit großen Mühen fertig genäht hatte, dem Daishonin darbrachte. (EG, Band 2, Seite 532; JG, Seite 968) Und diese Mutter war verstorben, und Toki Jonin trug ihre Urne bei sich und besuchte den Daishonin in Minobu. Bei dieser Gelegenheit scheint er dem Daishonin über seine Familiensituation sowie darüber, wie seine Mutter gestorben war, berichtet zu haben. Und es ist dieses Schriftstück, das er Toki Jonin, der sich auf den Heimweg machen wollte, anvertraute, dessen Ehefrau zu übergeben. Eingangs dieses Briefes sagt er: „Dass ein Pfeil fliegt, hängt von der Kraft des Bogens ab. Dass die Wolken sich bewegen, hängt von der Kapazität des Drachens ab. Und die Leistungen eines Ehemannes hängen von der Fähigkeit seiner Frau ab.“ Mit Anführung der leichtverständlichen Gleichnisse wie „Pfeil und Bogen“, „Wolken und Drachen“ oder „Rauchwolken und Feuer“, „Regen und Drachen“ würdigt der Daishonin die verdienstvollen Mühen von Frau Toki-ama, die ihren Mann nach Minobu schickte. Wie wichtig der Daishonin die Existenz von Frau Toki-ama schätzte – die mitfühlende Liebe ihres Meisters war unvorstellbar tief. In diesem Schriftstück erwähnt der Daishonin sicher nicht allgemein feststehende Differenzen oder unterschiedliche Aufgaben von Mann und Frau. Auf dieses Schriftstück bezogen, gibt ihr der Daishonin der realen Beziehung zwischen Toki Jonin und Toki-ama entsprechend konkrete Ermutigungen, und wenn aber von einem anderen Ehepaar die Rede wäre, hätte er dieses gewiss in unterschiedlicher Art ermutigt. Ein noch wichtigerer Punkt ist, dass er die Menschen direkt vor seinen Augen ermutigt, was bei ihm selbstverständlich ist, und gerade deshalb stets die Menschen, die hinter ihnen 3 stehen, oder die Menschen, die sie hinter den Kulissen stützen, obwohl sie nicht auf der Bühne erscheinen, also ohne eine solche Existenz absolut zu übersehen, genau auf sie seinen warmherzigen Blick richtet. Es ist zu ersehen, dass er vielmehr denjenigen gegenüber, die andere mit leidvollen Mühen unterstützen und beschützen, seine noch tiefere Dankbarkeit empfindet. Ein Teil, der nach außen erscheint und mit den Augen gesehen wird, kann gerade dadurch existieren, dass es das Unsichtbare gibt, das sich dahinter erweitert. Jedes Phänomen so zu erfassen, ist meines Erachtens der Blickpunkt eines Buddhisten, der zur Gesetzmäßigkeit des „Entstehen durch gegenseitige Einflussnahme“2) erwacht ist. Der Daishonin erkannte im Rücken von Toki Jonin sofort die Exstenz dessen Ehefrau. Aus diesem Grund sagt er deutlich: „Dass jetzt Herr Toki hierher gekommen ist, ist überhaupt auf die ehrbare Unterstützung von Ihnen, Frau Toki-ama, zurückzuführen.“ Oder: „Wenn ich jetzt Herrn Toki sehe, kommt es mir vor, als ob ich Sie, Frau Toki-ama, sähe.“ Wie sehr Frau Toki-ama dadurch bewegt und beruhigt sein konnte: „Mein Meister versteht alles.“ „Kunst der Ermutigung“ verändert die Welt Außerdem sagt der Daishonin: „Ich habe von Herrn Toki gehört.“ Dabei schreibt er, dass ihr Mann Toki Jonin dafür, dass Frau Toki-ama sich um die Pflege ihrer Schwiegermutter bemüht hatte, von ganzem Herzen dankte, als spreche er für ihren Mann. Männer in Japan scheinen auch heute eine Tendenz zu haben, ihr Gefühl der Dankbarkeit ihren Ehefrauen gegenüber schwerlich auszusprechen und ihnen direkt mitzuteilen, obwohl sie im Herzen daran denken. Auf jeden Fall ist es ein Abschnitt, aus dem die mitfühlende Liebe des Daishonin, der das Ehepaar großherzig umfängt, hervorströmt. Was ist konkret der Humanismus aufgrund des Buddhismus Nichiren Daishonins? – das wird sich meines Erachtens letztendlich in einer derart sorgfältigen Rücksichtnahme oder in einer solch warmherzigen Ermutigung offenbaren. Unsere Bemühungen, in diesem Zeitalter, in dem menschliche Bande immer dünner werden, durch solch eine „Kunst der Ermutigung“ eine warmherzige Gesellschaft aufzubauen, in der man eine jede Person wertschätzt und die Würde des Lebens schützt, führen zu einem großen Fortschritt der Kosen-rufu Bewegung, davon bin ich fest überzeugt. Jedoch, worum ich mir [jetzt] vor allem Sorgen mache, ist Ihre Krankheit. Entschließen Sie sich felsenfest dazu, sie diesmal unbedingt zu heilen, und setzen Sie von nun an drei Jahre lang die Moxa-Behandlung ohne Unterlass fort, so wie Sie damit begonnen haben. Auch Menschen, die nicht krank sind, können der Vergänglichkeit [des Lebens] schwer ausweichen. Sie sind aber noch nicht betagt, sogar eine Ausübende des Lotos-Sutra. Daher wird ein unnatürlicher Tod ausgeschlossen sein. Das kann auch keine karmisch bedingte Krankheit sein. Angenommen, es ist eine karmisch bedingte Krankheit, trotzdem ist die ehrbare Kraft des Lotos-Sutra verlässlich. Der König Ajatashatru behielt das Lotos-Sutra bei, dadurch verlängerte er seine Lebensdauer um 40 Jahre, und auch Chen Shin (der ältere Bruder des Großmeisters Tiantai) um 15 Jahre. Auch Sie sind genau so wie diese Ausübenden des Lotos-Sutra, und weil Ihr Glaube [immer stärker] wird, wie der Mond zunimmt oder wie die Flut kommt, geben Sie mit starker und glühender Überzeugung, warum Ihre Krankheit nicht heilen sollte oder warum Ihre Lebensdauer sich nicht verlängern sollte, auf sich selbst gut acht und grämen Sie sich innerlich nicht über dieses oder jenes! (EG, Band 1, Seite 656; JG, Seite 975) „Entstehen durch gegenseitige Einflussnahme“ (skt. pratityasamutpada; jap. Engi), auch als „das bedingte Entstehen“ oder „Entstehen in Abhängigkeit“ übersetzt: Das bedeutet, dass alle Dinge sowie Phänomene voneinander abhängend entstehen und verschwinden. 2) 4 Überzeugung und Entschluss bilden den Ursprung aller Tätigkeiten Im Gosho-Werk, das Makiguchi Sensei besaß, stand auf dem Seitenrand dieses Schriftstückes „Ermutigung bei Krankheit“ geschrieben. Dieser Abschnitt zeigt wahrhaft eine Stelle, an der der Daishonin seine kranke Schülerin ermutigt, ist von seiner tiefen mitfühlenden Liebe erfüllt. Auch wenn wir einen anderen Brief („Über die Möglichkeit, feststehendes Karma zu verlängern“)3), den der Daishonin Frau Toki-ama gab, respektvoll lesen, stellen wir deutlich fest, dass er sich ununterbrochen tief über den Gesundheitszustand von Frau Toki-ama Sorgen machte. In Situationen, in denen sie selbst sowohl körperlich als auch geistig schwer litt, setzte sie sich unermüdlich dafür ein, ihren Ehemann zu stützen und ihre Schwiegermutter liebevoll zu pflegen. Unter solchen Umständen, dass sie immer voll zu tun hatte, scheint es zwangsläufig einen Grund dafür gegeben zu haben, dass sie selbst mit der Behandlung ihrer eigenen Krankheit oft in Verzug kam. Frau Toki-ama selbst scheint eine gewisse Sorge in sich getragen zu haben: „Wahrscheinlich kann ich nicht mehr gesund werden.“ Während sein Herz mit ihrem Herzen dicht Seite an Seite steht, bemüht sich der Daishonin immer und immer wieder darum, sie durch die unvorstellbar große Wirkungskraft des Mystischen Gesetzes zu ermutigen, damit sie ihre Überzeugung und ihren Entschluss weiter verstärken kann: „Meine Krankheit heilt ganz bestimmt.“ Und: „Ich werde sie unbedingt bezwingen.“ Zugleich gibt der Daishonin über ihre langwierige Krankheit niemals eine leichtsinnige Diagnose ab. Nachdem er feststellt, dass die Zeit gekommen ist, in der sich Frau Toki-ama, die mit ihrer widmungsvollen Pflege um ihre Schwiegermutter endete, nun endlich auf die Behandlung ihrer eigenen Krankheit konzentrieren kann, gibt ihr der Daishonin seine wertvolle Führung: „Entschließen Sie sich felsenfest dazu, sie diesmal unbedingt zu heilen, und setzen Sie von nun an drei Jahre lang intensiv ihre Behandlung fort.“ Aus dieser Führung kann ich seine strenge Liebe zu ihr ersehen: „Kämpfen Sie endlich ernsthaft gegen Ihre Krankheit an!“ Möge jeder Einzelne von Ihnen ein Weiser mit Gesundheit und langem Leben werden! Darüber hinaus nennt er besonders Frau Toki-ama zweimal „Ausübende des LotosSutra“ und ermutigt sie mit Anführung der Beispiele über den König Ajatashatru4) und Chen Shin, den älteren Bruder des Großmeisters Tiantai, dass es völlig ausgeschlossen ist, dass sie, eine Ausübende des Lotos-Sutra, vom Teufel durch Krankheit besiegt wird. Im Leben derjenigen, die ihrer großen Aufgabe, das Lotos-Sutra weithin zu verbreiten, bis zum Ende leben, gibt es keine Niederlage. Aufgrund dessen sagt der Daishonin hier: „(…) geben Sie mit starker und glühender Überzeugung, warum Ihre Krankheit nicht heilen sollte oder warum Ihre Lebensdauer sich In der Gosho „Über die Möglichkeit, feststehendes Karma zu verlängern“ steht Folgendes: „Nun haben Sie sich als Frau eine Krankheit zugezogen. Versuchsweise sollten Sie den Glauben an das Lotos-Sutra aufbringen und schauen, wie es für Sie wirkt.“ (DG, Band 1, Seite 141; JG, Seite 985) 4) König Ajatashatru (Pali: Ajatasattu): Er war ein in Pali-Texten erwähnter König von Magadha in Mittelindien und Sohn des Königs Bimbisara. Von dem Shakyamuni feindselig gegenüberstehenden Devadatta aufgehetzt, kerkerte er seinen Vater ein und ließ ihn verhungern. So bestieg er selbst den Thron. Gemeinsam mit Devadatta schmiedete Ajatashatru auch ein Komplott, Shakyamuni und dessen Schüler durch betrunkene Elefanten zu töten. Das schlug jedoch fehl. Einer Überlieferung zufolge bereute er später seine Missetaten, bekehrte sich auf Empfehlung seines Ministers Jivaka Kumar Bhaccha zum Buddhismus und förderte dessen Verbreitung in Indien, indem er in der Zeit nach dem Tod Shakyamunis zur Sammlung dessen Lehren beitrug. Er regierte während der letzten acht Lebensjahre des Buddhas Shakyamuni und noch 24 Jahre danach (ca. 494-462 v. Chr.). Unter seiner Herrschaft wurde Magadha zum mächtigsten Königreich in Indien jener Zeit. 3) 5 nicht verlängern sollte, auf sich selbst gut acht und grämen Sie sich innerlich nicht über dieses oder jenes!“ Hierin finden sich die wichtigen Richtlinien, die uns ermöglichen, als weiser Mensch mit Gesundheit und langem Leben bis zum Ende siegreich zu leben. Erstens geht es um: „(…) mit starker und glühender Überzeugung (…)“ Das Mystische Gesetz verfügt in sich über unermessliche Wirkungskräfte. Deshalb ist es wichtig, eine starke Überzeugung zu haben: „Ich werde [diese Krankheit] unbedingt überwinden.“ Und. „Ich schaffe es absolut sicher!“ Zweitens geht es um: „(…) geben Sie (…) auf sich selbst gut acht!“ Es ist wichtig, das Alltagsleben ordentlich zu führen und jeder strengen Realität des Lebens mit Mut und Hoffnung entgegenzutreten. Drittens geht es um: „(…) grämen Sie sich innerlich nicht über dieses oder jenes!“ Hierfür ist eine willensstarke, weise Lebensführung von großer Bedeutung. Frau Toki-ama, die die derart größte Ermutigung des Daishonin erhalten hatte, erlangte in der Tat einen großen Nutzen, länger zu leben, [wie es im Lotos-Sutra heißt]: „Mögest du uns nunmehr langes Leben verleihen!“5) und führte ihr langes Leben sinnvoll durch. Eines Tages wurde Toda Sensei von einem jungen Mann, dessen Mutter in seiner Heimat schwer krankt war, um Rat gebeten. „Ist das so? Ich habe gut verstanden. Dann schreibe einen Brief, wie ich Dir sage. ‚Erstens: Wenn Du zum Gehonson betest, wird Deine Krankheit ganz sicher heilen. Zweitens: Chante Daimoku und setze Deinen Glauben an den Gohonson immer weiter fort! Drittens: Da Dein Leben ewig andauert, lasse Dich ohne Sorgen kurieren!’“ Danach unterschrieb er diesen Brief. Später habe ich von diesem jungen Mann erfahren, dass seine Mutter, die diesen Brief gelesen hatte, davon sehr bewegt war und wieder gesund wurde, bis sie bald wieder spazieren gehen konnte. Bis zum Ende sind die beste Behandlung und der von stärkster Überzeugung erfüllte Glaube von großer Wichtigkeit. Mögen alle Mitglieder zu Weisen werden und nach dem Motto „Gesundheit zuerst“ bis zum Ende siegreich leben! Das ist mein Wunsch. Das ist mein Gebet. Wenn [nicht zurückzuhaltende] Klagen [innerlich] auftreten, dann machen Sie sich Gedanken über [die Inseln] Iki und Tsushima oder über Dazaifu (die Regionalverwaltung der Provinz Chikuzen). Oder stellen Sie sich vor, wie sich Menschen von Kamakura, die genauso wie himmlische Wesen ihr Leben genossen haben, jetzt angesichts der Tatsache, nach Tsukushi [an die vorderste Verteidigungslinie auf der Insel Kyushu] abkommandiert zu werden, fühlen könnten. Wenn sich Frauen und Kinder, welche zurückbleiben, und Ehemänner, die gehen, verabschieden, klagen sie über [ihre Trennung mit so schmerzhaften Gefühlen], als ob ein Keil zwischen die beiden getrieben würde, während sie ihre Gesichter zusammenpressen und ihre Blicke miteinander austauschen. Allmählich entfernen sie sich immer mehr; sie (Männer) marschieren an der Küste von Yui vorbei, über [die Ortschaften] Inamura, Koegushi, Sakawa und den Hakone-Pass. In dem Maße, in dem ein Tag vergeht und dann zwei Tage, wird die Entfernung Schritt für Schritt immer größer, und weil diese Schritte sowohl Flüsse als auch Berge und auch noch Wolken zurücklassen, sind es nur Tränen, die sie geleiten, und Klagen, von denen sie begleitet werden. Wie groß könnte ihre Trauer sein?! (EG, Band 1, Seite 656; JG, Seite 975f) „Mögest du uns nunmehr langes Leben verleihen!“ (jap. Kyoshi-Jumyo): das steht im 16. Kapitel des LotosSutra „Unermessliche Lebensdauer des Tathagatas“. (DLS, Seite 239; JLS, Seite 485) Es sind die Worte, mit denen die Kinder, die ein Gift eingenommen haben, ihren Vater, einen guten Arzt, darum baten, sie mit der bestgeeigneten Medizin zu behandeln. Diese Geschichte geht aus einer der sieben Parabeln des Lotos-Sutra „Der herausragende Arzt und seine kranken Kinder“ hervor. (DLS, Seite 239; JLS, Seite 485) 5) 6 Das Herz des Mitleidens und das Mitgefühl anderen gegenüber In unserem Leben gibt es auch bittere Ereignisse, um die der eine oder andere so viel weint, bis die Tränen möglicherweise versiegen. Es gibt ebenso tiefe Trauer, die vielleicht niemals erlöschen wird. Es gibt auch Gram, der im Herzen überschäumt und nicht mehr aufzuhalten ist. Manche können sich normalerweise mit innerlicher Spannung anstrengen, trotzdem haben sie vielleicht plötzlich auch eine Zeit, in der die Tränen nicht mehr aufhören. Über viele Berge und Flüsse [im Leben] hinweg bis zum Ende zu leben, bedeutet ebenso, dass Menschen derart tiefe Traurigkeit in ihrem Herzen eine nach der anderen immer und immer wieder zusammenfalten müssen. Auch die Sorgen um die langwierige Krankheit, die Frau Toki-ama, die sich wacker anstrengte, in sich trug, mögen vielleicht auch derart tiefgründig gewesen sein. Als wollte der Daishonin die Trübsal von Frau Toki-ama auflösen, spricht er sie immer weiter an. In der Zeit, als eine abermalige Invasion der Mongolen immer näher rückte, blieb meines Erachtens im Herzen der Menschen das lebhafte Gedächtnis über den grausamen Krieg vor zwei Jahren noch zurück. Darüber hinaus gab es direkt vor den Augen der Menschen vielerorts herzzerreißende Trennungen zwischen den Soldaten, die an die vorderste Front abkommandiert wurden, und ihren Familienmitgliedern. Durch diese Tatsachen lehrt der Daishonin, dass alle Menschen, wirklich ohne Ausnahme, in ihrem Innern Klage hegen. Was wir hier aber beachten sollten, ist die Tatsache, dass der Daishonin keinesfalls zu Frau Toki-ama sagt: „Es gibt Menschen, die noch viel unglücklicher sind als Sie.“ Oder: „Sie sind noch gut daran.“ Stattdessen ermutigt er Frau Toki-ama, die Gefahr läuft, sich zu verschließen und in Einsamkeit zu geraten, und setzte sich dafür ein, ihr Herz zu erweitern, das unter den Umständen immer mehr zerdrückt zu werden scheint. Man kann sagen, dass der Daishonin sie hier sozusagen das Herz des Mitleidens, sprich das gemeinsame Teilen der Leiden und das Erwachen dazu, lehrt. Grenzenlose Möglichkeiten des Lebens öffnen Jetzt bringe ich mir die Episode einer Schülerin des Buddhas, die Kisagotami hieß, in Erinnerung. (skt. Kisagotami apadanau) – Inmitten bitterer Armut verlor sie ihren Ehemann und der plötzliche Tod beraubte sie weiter ihres geliebten jungen Kindes. Der Trauer und Verzweiflung ausgesetzt, läuft sie, den Leichnam ihres Kindes an sich fest gedrückt, in der Stadt umher, wobei sie zu allen immer und immer wieder sagt: „Ich bitte Sie, dieses Kind wieder zu beleben!“ Während dieser Zeit trifft sie Shakyamuni. „Besuchen Sie die Familien und bringen Sie von ihnen Senfsamen hierher, jedoch nur von den Familien, aus denen noch kein Toter hervorgegangen ist“, sagt er. Genau nach diesen Worten des Buddhas suchte Kisagotami ein Haus nach dem anderen auf. Es gab zwar viele Familien, die Senfsamen haben. Jedoch gibt es unter ihnen gar keine Familie, aus der kein Toter hervorging. Alle Familien tragen die Trauer darum bei sich, das eine oder andere Familienmitglied verloren zu haben. Bald wird sie gewahr, dass sie nicht die Einzige ist, die unter dem Tod der Menschen leidet. Das Herz des Mitleidens ermöglicht allen, gewahr zu werden: „Ich bin nicht allein.“ Es erweckt uns zum Mitgefühl anderen gegenüber. Es gibt keinen Zweifel daran, dass auch Frau Toki-ama die Ermutigung des Daishonin in sich tragend ihre eigenen Leiden zum Sprungbrett machte und ihren inneren Lebenszustand immer weiter großartig öffnete. Auf jeden Fall gibt es überhaupt keinen Menschen, der mit den aus dem Kreislauf von Geburt, Altern, Krankheit und Tod herrührenden Leiden nicht zu tun hat. Und gleichzeitig 7 gibt es ebenso keinen Menschen, der mit der Buddhanatur, nämlich mit unbegrenztem Potenzial des Lebens, das uns allen ermöglicht, diese Leiden zu überwinden, nicht ausgestattet ist. Unsere Augen zu dieser Wahrheit, dass alle Menschen ebenbürtig sind, zu öffnen, ist überhaupt der erste Schritt zur Befreiung von Leiden. Wenn starke Soldaten der Mongolen herüberkommen und [Japan] angreifen, während sich die Menschen [darüber] derart beklagen, werden sie an Bergen oder an Meeren gefangen genommen und müssen in Schiffen oder in Koryo6) (dem heutigen Nordkorea) schwere Zeiten durchleben. Es ist darauf zurückzuführen, dass Menschen mich, Nichiren, den Ausübenden des LotosSutra, der überhaupt nicht schuldig ist und als Vater und Mutter aller Lebewesen im Land Japan bezeichnet werden kann, ohne Gründe verleumdet, geschlagen oder auf [belebten] Straßen [von Kamakura] herumgeführt haben und angesichts der Vorkommnisse irrsinnig geworden sind, infolge dessen erleben sie [jetzt], von den zehn Dämonentöchtern gerügt, derart schreckliche Situationen. Auf sie werden in Zukunft sicher große Widrigkeiten zukommen, die noch einhundert-, eintausend-, zehntausend- und hunderttausendfach schlimmer sind als bis jetzt. Solche undenkbare Phänomene direkt vor Ihren Augen sollten Sie sich [in aller Ruhe] genau ansehen. (EG, Band 1, Seite 656f; JG, Seite 976) Die von großer mitfühlender Liebe erfüllte Handlung, alle Lebewesen zu erretten Die Grausamkeit eines jeden Krieges, kann man sagen, liegt in seiner Brutalität, die völlig unabhängig von den Wünschen jedes einzelnen einfachen Menschen zum Frieden alle Menschen in die Schlammflut mit hineinreißt und in den Abgrund des Unglückes stürzt. Der Daishonin stellt den Ursprung der Verrücktheit von Zeit und Gesellschaft klar heraus. Das ist nämlich der grundlegende Fehler der Machthaber des Militärregimes einerseits, die hartnäckig darauf erpicht waren, den großartigsten Menschen der Gerechtigkeit – Nichiren Daishonin, den Ausübenden des Lotos-Sutra, der sich vollständig dafür einsetzte, zu lehren, dass das Leben aller Menschen mit der würdevollsten Buddhanatur ausgestattet ist, und die Befriedung des Landes durch die Errichtung des Wahren Gesetzes zu realisieren – aus der Welt zu schaffen, und der Fehler vieler Menschen in der Welt andererseits, die sich, obwohl sie das sahen, so anstellten, als ob sie das nicht gesehen hätten, und sie wegen ihrer Ignoranz doch noch unterstützten, so kann man sagen. Hier rügt der Daishonin streng, dass Menschen im Land Japan wegen ihres Vergehens, das Wahre Gesetz verleumdet zu haben, diese Art von großen Verfolgungen zwangsläufig auf sich nehmen müssen. Und in der Aussage: „(…) als Vater und Mutter aller Lebewesen im Land Japan (…)“ ist innerhalb der „drei Tugenden von Herrscher, Meister und Eltern7)“ die Tugend der Eltern offenbart. Daraus können wir das Herz des Ursprünglichen Buddhas, der sich von ganzem Herzen wünscht, alle Lebewesen zu erretten, deutlich spüren. In diesem Abschnitt ist wahrhaft der Ruf des Daishonin eingraviert, der tief den Schatten des immer näher rückenden Krieges beklagt und herzlich die Verwirklichung von Frieden und Glück einfacher Menschen – die Befriedung des Landes durch die Errichtung des Wahren Gesetzes – wünscht. 6) Koryo ist das 918 vom Feldherrn Wang Kon im heutigen Nordkorea gegründete Reich. Wag brachte bis 936 ganz Korea unter seine Oberhoheit; vom Namen dieses Reiches leitet sich der westliche Name Korea ab. 7) Die drei Tugenden von Herrscher, Meister und Eltern: sie sind die Tugend des Herrschers, die des Meisters und die der Eltern, welche alle Menschen zu verehren haben. Herrscher stellt die Kraft und die Funktion dar, Lebewesen zu beschützen, Meister die Kraft und die Funktion, Lebewesen anzuführen, und Eltern die Kraft und die Funktion, Lebewesen mitfühlend zu lieben. 8 Welche Klagen sollte es für uns geben, wenn wir uns davon überzeugen, dass wir ohne jedweden Zweifel die Buddhaschaft verwirklichen können?! Was könnte [für Sie] gut sein, auch wenn Sie [jetzt] eine Kaiserin würden oder [im nächsten Leben] in der himmlischen Welt wiedergeboren würden?! [Indem Sie jetzt diesen Glauben immer weiter praktizieren], können Sie das Erbe des Drachenmädchens antreten und sich an der Reihe der Nonne Mahaprajapati anstellen. Wie erfreulich, wie erfreulich! Rezitieren Sie Nam-Myoho-RengeKyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo! Mit unterwürfigsten Grüßen. (EG, Band 1, Seite 657; JG, Seite 976) Einen großartigen Lebenszustand des Sieges errichten, von dem wir auf alle Leiden herunterschauen können Des Daishonins Ermutigung setzt sich weiter fort. – Es gibt absolut keinen Zweifel daran, dass wir die Buddhaschaft verwirklichen können. Es steht auch fest, dass Sie am Ende ganz sicher siegen können, unabhängig davon, wie sehr Sie jetzt leiden. Sie können in der Welt des über die drei Existenzen hinweg ewig andauernden Lebens immer von Freude, Glück und Frieden erfüllt leben. Wenn Sie sich davon überzeugen können, warum sollten Sie sich denn innerlich über dieses oder jenes grämen! Angenommen, Sie können eine Kaiserin werden und Luxus und Glanz nach Belieben genießen, trotzdem ist das alles lediglich eine vergängliche Freude in dieser Welt. Und auch wenn Sie im nächsten Leben in der himmlischen Welt wiedergeboren werden könnten, gibt es wiederum keine Garantie, dass Sie der Vergänglichkeit des unaufhörlichen Kreislaufes der sechs Welten8) ausweichen können. Aber Sie, Frau Toki-ama, die Sie jetzt als Ausübende des Lotos-Sutra leben, können das Erbe jenes Drachenmädchens9), das den Weg zur Verwirklichung der Buddhaschaft aller Frauen bahnte, antreten und sicher, ganz sicher die Buddhaschaft verwirklichen. Darüber hinaus können Sie sich an der Reihe der Nonne Mahaprajapati10) anstellen, der im Lotos-Sutra versprochen wurde, im nächsten Leben als „Tathagata, zu dessen Antlitz alle Lebewesen mit Freude emporschauen“ (skt. Sarvasattvapriyadarsana), wiedergeboren zu werden. Machen Sie sich überhaupt keine Sorge! Leben Sie bitte mit Ruhe und Sicherheit bis zum Ende! – Diese Nonne Mahaprajapati ist die Amme Shakyamunis und dessen erste Schülerin. Sie ist eine Frau, die als Buddha gepriesen wurde, zu dessen Antlitz alle Lebewesen mit Freude emporschauen. Das ist ein Strudel der mitfühlenden Liebe des Daishonin, der dazu fest entschlossen ist, die im Herzen der Frau Toki-ama tief sitzende Unsicherheit und ihre Tränen, die leicht dazu neigen, hinunterzufallen, unbedingt gänzlich wegzuwischen, als wollte er ihr Leben mit tiefem Mitgefühl rütteln. 8) Kreislauf der sechs Welten: Die sechs Welten sind Hölle, Hunger, Animalität, Ärger, menschliche Ruhe und himmlische (vorübergehende) Freude. Lebewesen, die den wahren Buddhismus nicht kennen, wiederholen verschiedene von Irrsal und Leiden erfüllte Teufelskreise und können von diesem Kreislauf der sechs Welten schwerlich herauskommen. 9) Das Drachenmädchen: Es weist auf die achtjährige Tochter des Drachenkönigs Sagara hin, der in einem Palast auf dem Meeresgrund wohnte. Im zwölften Kapitel des Lotos-Sutra „Devadatta“ wird dargelegt, dass sie sich dazu entschloss, das Lotos-Sutra anzunehmen, als Bodhisattwa Manjushri es predigte, und diesen Schwur leistete: „Ich erschließe die Lehre des Großen Fahrzeugs, / Um die leidenden Lebewesen zu befreien!“ (DLS, Seite 201; JLS. 407) Dann brachte das Mädchen dem Buddha ein kostbares Juwel dar und offenbarte den erleuchteten Lebenszustand. Die Tatsache, dass das Drachenmädchen die Buddhaschaft erlangte, wird als Beispiel für die „Verwirklichung der Buddhaschaft aller Frauen“ sowie die „Verwirklichung der Buddhaschaft unmittelbar mit dem eigenen Körper“ bezeichnet. 10) Mahaprajapati (auch Gautami genannt): Shakymaunis Tante mütterlicherseits und die jüngere Schwester Mayas, der Mutter Shakyamunis. Als Maya kurz nach Shakyamunis Geburt starb, heiratete sie Shuddhodana, seinen Vater, und zog den jungen Prinzen auf. Nach Shuddhodanas Tod entsagte sie dem weltlichen Leben und befolgte Shakyamunis Lehre. 9 Aber der innere Lebenszustand, zu dem sie gelangen kann, nachdem sie ihr Jammertal überwand, ist: „Wie erfreulich, wie erfreulich!“ Im Nu ziehen dicke Wolken weg und der blaue Himmel des Herzens weitet sich aus. Da kann sie fröhlich, heiter und freudig sein. In Ihrem realen Alltagsleben mag es verschiedene bittere, leidige Ereignisse geben. Aber all diejenigen, die den Glauben an das Mystische Gesetz konsequent beibehalten, brauchen überhaupt kein Gefühl zu haben, als würden sie im Sumpf der Leiden einfach hilflos versinken. Ohne trübsinnig zu sein, werden Sie bitte leichten Herzens immer nach vorne schauen. Chanten Sie freudvoll, mutig und wohlklingend immer weiter Daimoku. Das Leben selbst, Daimoku konsequent zu chanten, zeigt bereits das Prinzip: „Irdische Begierden verwandeln sich unmittelbar in Erleuchtung“11), und das ist schon ein Sieg. Sie schauen auf alle Leiden herunter und siegen in Ihrem Innern. Toda Sensei pflegte zu sagen: „Führung ist Ermutigung.“ Er ermutigt Mitglieder kraftvoll, bis sie Mut aufbringen und aufstehen: „Nun gut, ich werde es schaffen!“ Die Welt der Ermutigung im Buddhismus Nichiren Daishonins hat nichts mit Sentimentalität oder mit Trost zu tun. Es ist die Welt eines ernsten Kampfes, die Buddhanatur eines jeden Menschen zu erwecken. Deshalb sagte Toda Sensei zum Betroffenen: „Kommen Sie wieder!“ und gab seiner Umgebung eine Anweisung: „Du sollst ihn weiter ermutigen“, sodass er sich um ihn weiter Sorgen machte, bis ein klares Ergebnis erschien. Er setzte seine Ermutigung mit fester Entschlossenheit immer weiter fort, unbedingt zu bewirken, dass jeder einzelne Mensch Freude empfindet: „Es ist ein großes Glück, dass ich mit der Praxis des Glaubens an den Gohonson anfangen konnte!“ Und er freute sich riesig darüber, dass alle ihre eigene Buddhanatur öffnen, unbesiegt aufstehen und ihre Probleme besiegen konnten. Der Buddhismus Nichiren Daishonins lehrt wahrhaft, dass jeder einzelne Mensch als bester Doktor des Glückes eine siegreiche Lebensweise realisieren kann. Schreiten Sie aufgrund des starken, zähen Optimismus würdevoll voran! Hier kann ich nicht umhin, das Gefühl zu haben, die Quintessenz des im Buddhismus Nichiren Daishonins dynamisch pulsierenden starken, zähen Optimismus zu sehen. Mahatma Gandhi sagt: „Ich bin durch und durch Optimist. Es ist nicht deswegen, weil es mir gelingt, die Beweise dafür zu zeigen, dass die Gerechtigkeit gedeiht, sondern das kommt daher, weil ich in mir einen felsenfesten Glauben habe, dass die Gerechtigkeit letztendlich zweifelsohne gedeiht.“ (aus All men are brothers: life and thoughts of Mahatma Gandhi as told in his own words, Autor: Krishna Kripalani) Martin Luther King jr. (1929-1968)12), der diesen Gedanken der Gewaltlosigkeit Gandhis übernommen hatte, war davon überzeugt: „Das Universum stellt sich der Gerechtigkeit zur Seite.“ (aus Stride toward freedom) „Irdische Begierden verwandeln sich unmittelbar in Erleuchtung“ (jap. Bonno-soku-bodai): Dieses Prinzip bedeutet, dass im Leben der von allerlei Begierden beherrschten gewöhnlichen Lebewesen die erleuchtete Weisheit (skt. bodhi) für die Verwirklichung der Buddhaschaft erscheint. 12) Martin Luther King jr. (1929-1968) war ein US-amerikanischer Bürgerrechtler. Er zählt in der weltweiten Öffentlichkeit zu den bedeutendsten Vertretern des Kampfes gegen soziale Unter-drückung und Rassismus. In den Vereinigten Staaten war er zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1960er Jahre der bekannteste Sprecher der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement). In dieser Bewegung propagierte er den Zivilen Ungehorsam als Mittel gegen die politische Praxis der Rassen-trennung (Racial Segregation) in den Südstaaten der USA und nahm selbst an entsprechenden Aktionen teil. Durch Kings Einsatz und Wirkkraft war das Civil Rights Movement zu einer Massenbewegung geworden, und erwirkte letztlich die gesetzliche Aufhebung der Rassentrennung und die Durchsetzung des uneingeschränkten Wahlrechts für die schwarze Bevölkerung der US-Südstaaten. Obwohl er mehr als 18 Mal ins Gefängnis geworfen wurde und gegen ihn drei Mal Bombenanschlag verübt wurde, behielt er Gandhis Prinzip der Gewaltlosigkeit bei. Kings Engagement für soziale Gerechtigkeit führte dazu, dass ihm 1964 der Friedensnobelpreis verliehen wurde. 11) 10 Unser Glaube an das Lotos-Sutra ist ein großer Weg, auf dem alle Menschen die grenzenlose Möglichkeit ihres Lebens öffnen und Frieden und Glück für sich selbst und für andere errichten können. Nun, lassen Sie uns entschlossen mit erhobenem Haupt fröhlich und heiter voranschreiten! Wenn Sie jetzt keine Hoffnung finden, dann sollten Sie selbst Hoffnung erschaffen. Wenn Sie sich unglücklich fühlen, dann sollten Sie selbst Glück erschaffen. Zuerst sollten Sie selbst als Sonne wirken und in Ihrer Umgebung Ihren Sonnenschein erweitern. Alle Mitglieder der Soka Gakkai, die Ausübenden des Lotos-Sutra, die genau nach den Aussagen des Daishonin entsprechend voranschreiten, werden sicher von himmlischen Gottheiten beschützt. Alle Buddhas und Bodhisattwas der drei Lebensexistenzen in den zehn Himmelsrichtungen werden Sie absolut sicher schützen und beschützen. Das ganze Universum stellt sich Ihnen zur Seite. Sie brauchen sich gar keine Sorge zu machen. Unser Leben ist der Ursprung grenzenloser Werteschöpfungen und die Wesenheit der ewigen Hoffnung, die die Finsternis der Verzweiflung durchbricht. Indem wir uns stolz und überzeugt gegenseitig anspornen: „Erwache zur großartigen Kraft!“, wollen wir uns immer und immer wieder gegenseitig ermutigen und gemeinsam voranschreiten. Das Waka-Gedicht, das mein verehrter Meister, Josei Toda Sensei, zu Beginn des Jahres 1955 mit festem Entschluss zum ernsten Aufschwung der Kosen-rufu Bewegung besang, rückt mir erneut in meinem Herz näher. „Obzwar die Reise der Verbreitung Des Mystischen Gesetzes In weite Ferne geht, Ermutigen wir uns gegenseitig, Marschieren wir gemeinsam.“ Die Reise für die Verwirklichung von Kosen-rufu, für die wir, Meister und Schüler von Soka, zahlreiche Berge bezwangen und mehrere Täler überwanden, ist jetzt zum 21. Jahrhundert gelangt. Die große Solidarität einfacher Menschen für Hoffnung und Glück hat sich in die ganze Welt verbreitet. Ich verlasse mich darauf, dass meine ehrenvollen Schüler, weise Frauen und junge Menschen die „Welt der Ermutigung“ von Soka, den Schatz der Menschheit, in der globalen Gesellschaft noch größer und breiter erweitern werden. (aus der „Daibyakurenge“, April 2013) 11