Das vollständige Manuskript der Sendung zum Runterladen

Werbung
________________________
Hessischer Rundfunk
hr-iNFO
Redaktion: Heike Ließmann
Wissenswert
100 Jahre Panamakanal:
Das Tor zwischen Pazifik und Atlantik
von
Michael Marek und Sven Weniger
Sprecher: Michael Marek
VO 1: Sucre (männlich), VO 2: Guerra (männlich), VO 3: Ruiz
(männlich)
VO 4: Herrera (weiblich), VO 5: Belis (männlich)
Sendung: 09.08.14, hr-iNFO
Copyright
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken
benutzen. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit,
Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien,
2
Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig.
Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.
Die
Verwendung
zu
Anmod I:
1914 wurde es eingeweiht - das Tor zwischen den beiden größten Meeren der
Erde, knapp 80 Kilometer ist es lang. Es zerteilt ein kleines zentralamerikanisches
Land in zwei Hälften. Der Panamakanal ist neben dem Suezkanal die wichtigste
künstliche Wasserstraße der Welt – und eine Legende. Rund 8.000 Kilometer
sparen Schiffe aus dem Pazifik, wenn sie auf ihrem Weg nach Europa durch den
Panamakanal in den Atlantik fahren - und umgekehrt.
Wenn alles nach Plan läuft, wird 2015 die Verbreiterung des Kanals fertig gestellt
werden: gigantische Wasserfahrstühle werden dann längeren, breiteren und größeren
Containerriesen die Passage ermöglichen. Mit den Einnahmen will Panama seine
Wirtschaft ankurbeln. Umweltkritiker befürchten dagegen ökologische Schäden für
Menschen, Flora und Fauna. Michael Marek und Sven Weniger waren für uns vor
Ort.
O-Ton 1:
Musikakzent Rubén Blades "Oye"
O-Ton 2:
Atmo Autoverkehr Panama-Stadt
Sprecher:
Amador Causeway, im Südwesten von Panama-Stadt: Hier, am
Pazifischen Ozean gleich hinter der Landzunge mit seinen
Traumstränden, beginnt die berühmteste Wasserstraße der Welt. An
dieser engen Stelle muss jedes Schiff vorbei, wenn es den
Panamakanal einlaufen will. Links geht der
Blick auf die historische
Altstadt mit ihren prachtvollen Kolonialgebäuden und den
schimmernden Wolkenkratzern aus Glas und Stahl im boomenden
Finanzviertel dahinter. Rechts warten Tanker, Containerschiffe und
Kreuzfahrer darauf, in das Schleusensystem einfahren zu dürfen.
O-Ton 3:
Musikakzent Rubén Blades "Oye"
O-Ton 4:
Atmo Pazifik – Schiffe
O-Ton 5:
Lider Sucre
„This is the Canal … entrance of the Panama Canal.
Sprecher:
Lider Sucre ist Umweltaktivist und war verantwortlich beim Aufbau
des neuen Museums für Artenvielfalt, das direkt am Amador
Causeway entsteht:
V-O 1:
Von hier können Sie den Kanal sehen und die Brücke Puente de las Américas.
Unter dieser Autobrücke fahren die Schiffe durch. Hier beginnt der Panamakanal auf
der pazifischen Seite.
Sprecher:
Der Panamakanal verbindet Pazifik und Atlantik. Dazwischen liegen
Regenwälder und Mangrovensümpfe, Seen und Schleusen. Täglich
schieben sich etwa 40 Schiffe oder 14.000 im Jahr sich durch das
80 Kilometer lange Kanalsystem, erzählt Lider Sucre. Eine Milliarde
Dollar Passage-Gebühren kassiert der Staat dafür. Jeder dritte Dollar
der heimischen Wirtschaft wird direkt oder indirekt mit dem Kanal
verdient. Monate im Voraus buchen die großen Reedereien die
Durchfahrt ihrer Flotte. Gefahren wird stets im Konvoi, morgens in
Richtung Karibik, ab mittags umgekehrt zum Pazifik.
O-Ton 6:
José Miguel Guerra
„El Canal de Panamá es … lo que da el Canal de Panamá es dinero."
Sprecher:
José Miguel Guerra ist Radio- und Fernsehjournalist. In Panama
schätzt man ihn als eine unabhängige Stimme mit publizistischem
Gewicht:
V-O 2:
Der Panamakanal ist ein Nationalheiligtum. Weder Regierung noch Opposition
stellen ihn in Frage, denn der Kanal bringt eine Menge Geld in unser Land.
O-Ton 7:
Atmo Schlepper
Sprecher:
Panama hängt auf Gedeih und Verderb von seinem berühmten Kanal
ab - wirtschaftlich und politisch. Deshalb wurde 2006 eine
Volksabstimmung durchgeführt – mit dem Ziel, die Wasserstraße für
größere Schiffe passierbar zu machen und so die Einnahmen zu
erhöhen. 78 Prozent der Bevölkerung stimmten dafür. Am 15. August
2014, zum 100-jährigen Bestehen des Kanals, sollte die
Wiedereröffnung mit großem Aufwand gefeiert werden. Zuletzt war der
Ausbau allerdings ins Stocken geraten. Finanzierungsprobleme,
Zusatzkosten und Streiks warfen das Projekt immer wieder zurück. Erst
im nächsten Jahr sollen die Arbeiten nun endlich abgeschlossen sein.
O-Ton 8:
José Miguel Guerra
„En Panamá se habla de … atrasos importantes que hay en esta obra“.
V-O 1:
In Panama wird die Erweiterung des Kanals sehr kontrovers diskutiert. Die einen
verteidigen die staatliche Kanalbehörde – mit diesem Hinweis, dass viele qualifizierte
Arbeitsplätze geschaffen werden. Die anderen kritisieren, dass die Projektaufsicht in
den Händen derer liegt, die auch die Kanalerweiterung durchführen. Und diese
Institution hat jetzt die verspätete Eröffnung zu verantworten.
Sprecher:
Wenn alles nach Plan läuft, werden ab 2015 neue, modernere, vor
allem aber größere Schleusen auf der pazifischen und atlantischen
Seite in Betrieb genommen. Damit will man den Anforderungen der
immer größeren Schiffe entsprechen, der sogenannten Post-PanamaxKlasse. Ein Begriff aus dem Schiffbau, der sich direkt auf das
Nadelöhr des maritimen Welthandels, den Panamakanal, bezieht. Längst
haben moderne Supertanker und Containerriesen die alte „Panamax“Maße von 300 Meter Länge, 32 Meter Breite und 12 Meter Tiefgang
überschritten.
O-Ton 9:
Cristóbal Ruiz
„We are waiting for assisting … can change all the time.”
Sprecher:
Schlepperkapitän Cristóbal Ruiz steht im engen Führerhaus seines
4.800 PS starken Schiffs. Der Schlepper Made in China ankert in
einem eigenen Sicherheitsbereich – von hohen Zäunen umgeben
kommt hier niemand ohne
Sondererlaubnis rein. Mit Kleinbussen
werden sogar die Schlepperbesatzungen zu ihren Schiffen
transportiert. Seit 15 Jahren arbeitet er für die Autoridad del Canal,
die staatliche Kanalbehörde. Heute ist Ruiz auf einem der mehr als
30 blauen, bullig wirkenden Schleppern unterwegs zu einem
Kreuzfahrtschiff:
V-O 3:
Wir warten auf das Schiff, um es zur ersten Schleuse zu bringen. Die
Seeüberwachungsleitstelle hilft uns dabei. Unser Schlepper gehört zur neuesten
Generation und ist sehr leistungsstark. Wir arbeiten im Schichtdienst und
bekommen täglich einen Arbeitsplan. Wir wissen dann zwei Tage im Voraus, wen
wir an den Haken nehmen. Aber das kann sich natürlich jederzeit ändern.
O-Ton 10:
Cristóbal Ruiz
„Normally from 2 or 3 o’clock … finally getting out of the Canal.”
V-O 3:
Gewöhnlich starten die Schiffe, die im Pazifik auf die Fahrt durch den Kanal
gewartet haben, zwischen zwei und drei Uhr nachts. Sie fahren zuerst in die
Miraflores-, dann in die Pedro-Miguel-Schleuse. Danach geht es durch den
sogenannten Gaillard Cut, eine enge Passage, die bis jetzt nur als
"Einbahnstraße" benutzt werden kann. Dann kommt der Gatún-Stausee mit seiner
Schleuse, die den Kanal zur Karibik hin abschließt. Und schon haben wir den
anderen Ozean erreicht. Ab Mittag geht es dann in umgekehrter Richtung los,
und abends verlassen die Schiffe den Kanal bei Panama City.
Sprecher:
Kurz hinter Panama-Stadt erschreckt sich die Miraflores-Schleuse.
Die mächtigen, tonnenschweren Schleusentore öffnen sich langsam angetrieben von 25-PS-Motoren je Seite. Seit 1914 ist die Anlage
schon im Einsatz. Doch nicht mehr lange. Direkt daneben entsteht
derzeit das neue Schleusensystem mit jeweils drei hintereinander
gestaffelten Becken. Die gigantischen Wasserfahrstühle sind für bis
zu 366 Meter lange Schiffe ausgelegt. Die Hydraulik und die
Steuertechnik zum Füllen und Entleeren der 55 Meter breiten
Kammern liefert eine deutsche Firma.
O-Ton 11:
Werbefilm Kanalmuseum
„Musik … Der Kanal funktioniert mit Schleusen, wobei jede Schleusenkam-mer eine
Tür für die Einfahrt und eine für die Ausfahrt hat. Die Schleusen sind notwendig,
um die Schiffe insgesamt 26 Meter anzuheben. Und am anderen Ende des Kanals
bestehen wieder drei Schleusen, um die Schiffe auf Meerspiegelniveau absenken zu
können ...”
Sprecher:
Ein patriotischer Werbefilm der Kanalgesellschaft. Besucher des
Kanalmuseums können sich dort Geschichte und Funktionsweise des
Kanals sogar auf Deutsch erklären lassen.
O-Ton 11:
Fortsetzung Werbefilm Kanalmuseum
[am Ende Sprecher unterlegen]
„In Miraflores, der ersten Schleuse vom Pazifik herkommend, werden die Schiffe 16,5
Meter angehoben.”
O-Ton 12:
Miroslava Herrera
“It takes us back to 1939 … world is trading, cheaper, faster”.
Sprecher:
Miroslava Herrera arbeitet für die Kanalgesellschaft. Sie sitzt in
einem klimatisierten Büro über dem Besucherzentrum, in dem
Mitarbeiter Touristen den Kanal erklären. Die junge Frau im
Businesskostüm dokumentiert die verschiedenen Bauphasen der
Kanalerweiterung.
V-O 4:
Für die US-Amerikaner war der Kanal zunächst nur Militärgelände. 1939, zu
Beginn des Zweiten Weltkriegs, entschieden sie, dass der Kanal erweitert werden
musste. Aber dazu kam es nicht. Erst 1999 wurden die Pläne wieder
aufgenommen. Bei der Volksbefragung 2006 stimmten 78 Prozent der Panamaer
dafür. Zurzeit passieren täglich 30 bis 40 Schiffe den Kanal. Damit ist die
derzeitige Kapazitätsgrenze erreicht. Die Weltwirtschaft verlangt aber immer größere
Lade-Volumen. In Zukunft werden wir bis zu 52 Schiffe pro Tag durchschleusen
können, das entspricht einer Steigerung um mehr als 20 Prozent. Der Welthandel
wird immer umfangreicher, intensiver und schneller.
O-Ton 13:
Werbefilm Kanalmuseum
„Musik … Das neue Projekt besteht aus dem Bau zweier Schleusenanlagen – einer
auf der Pazifikseite und einer auf der Atlantikseite ... Musik”
O-Ton 14:
Carlo Belis
„The new locks going … only handle 5.000 containers.
Sprecher:
Carlo Belis arbeitet als Museumsführer im Besucherzentrum des
Panamakanals:
V-O 5:
Die neuen Schleusen werden 40 Prozent länger und 60 Prozent breiter als die
alten. Wir werden dann Frachtschiffe mit bis zu 12.600 Containern abfertigen
können. Derzeit schaffen wir nur Schiffe mit maximal 5.000 Containern.
O-Ton 15:
Miroslava Herrera
„Part of the money … are financing 2.3 billion dollars …”
Sprecher:
Mirsolava Herrera erklärt die Finanzierung der Kanalerweiterung:
VO 4:
Der Haupanteil des Geldes für die Erweiterung kommt von der Kanalgesellschaft.
Darüber hinaus gibt es finanzielle Unterstützung durch die Europäische
Investitionsbank, die Japanische Bank für Internationale Zusammenarbeit, die
Interamerikanische Entwicklungsbank, die Internationale Finanz-Corporation und
durch die Entwicklungsbank der Andengemeinschaft. Deren Anteil beträgt
zusammen 2,3 Milliarden Dollar.
Sprecher:
Die Gesamtkosten von über fünf Milliarden US-Dollar, erklärt
Herrera, sollen sich schon nach etwa 10 Jahren amortisiert haben.
Viel Geld für einen Kleinstaat mit nur drei Millionen Einwohnern, von
denen ein Viertel unter der Armutsgrenze lebt.
O-Ton 16:
Werbefilm Kanalmuseum
O-Ton 18:
Atmo Schlepper – Schiffe
Sprecher:
Mit dem Schlepper geht es weiter. Hinter der Miraflores-Schleuse
wächst der Dschungel entlang der Ufer buchstäblich in den Kanal.
Es gibt keinen freien Uferstreifen, die Pflanzen greifen direkt ins
Wasser. Und weil der Kanal auch durch natürliche Seen und Flüsse
verläuft, öffnen sich da Lagunen und Seitenarme, die in den
Regenwald hineinragen. Lebensader für dieses so artenreiche Biotop
entlang der Wasserstraße ist der Río Chagres, der die Region und
den Kanal mit Wasser aus dem Landesinnern versorgt. Kritiker
sehen diese außergewöhnliche Naturlandschaft in Gefahr – zum
Beispiel werden für die Kanalausbau Ufer begradigt und Regenwälder
abgeholzt:
O-Ton 19:
Miroslava Herrera T.11 0.05-2.01
„The animals that could not …to San Lorenzo, in the case of the Atlantic."
VO 4:
Als die Kanalerweiterung begann, gab es viele Tiere, die auf dem Gelände
lebten. Krokodile, Schildkröten, Faultiere und Schlangen mussten eingefangen
werden. Das größte Krokodil, das ich gesehen habe, war 4,5 Meter lang. Da
war, wenn sie so wollen, eine Menge „Überzeugungsarbeit“ notwendig. Einige der
Tiere kamen aber zurück an ihren angestammten Ort und mussten nochmal
eingesammelt werden. Sie alle wurden dann in nahegelegenen Reservaten wieder
ausgesetzt. An der Atlantikseite z.B. kamen die meisten Tiere in den Nationalpark
San Lorenzo.
O-Ton 20:
Líder Sucre
„Really, the environmental impact … oceans.”
V-O 1:
Den Umwelteinfluss durch Abholzung von Bäumen kann man nahezu
vernachlässigen. Etwa 500 Hektar Sekundärwald, der nach dem ersten Kanalbau
gepflanzt wurde und keine große Artenvielfalt aufwies, musste jetzt gerodet
werden. Wichtig ist, dass er anderswo im Einzugsgebiet des Kanalwassers wieder
aufgeforstet wird. Die große Sorge beim Kanalausbau ist, dass durch den
Schiffsverkehr ein Artenaustausch beider Ökosysteme Pazifik und Karibik stattfinden
könnte. Die Bevölkerung ist sich dieses Problems überhaupt nicht bewusst – vor
allem, was das für Tier- und Pflanzenwelt bedeuten könnte, wenn sich das
Wasser der beiden Ozeane vermischen würde.
Sprecher:
Umweltaktivist Líder Sucre kennt wie kein anderer die Risiken für
Flora und Fauna:
O-Ton 21:
V-O 1:
Líder Sucre
„So this was the biggest concern … de Lesseps built the Suez Canal."
Das war also die größte Angst. Ich will Ihnen das am Beispiel des Suezkanals
erklären. Er ist ein Seewasser-Kanal. Durch seinen Ausbau in den 1960er Jahren
wurde die natürliche Barriere zwischen den Ökosystemen, die sogenannten
Bitterseen, aufgebrochen, und danach brach die Hölle los. Fischarten aus dem
Roten Meer drangen ins Östliche Mittelmeer vor und verdrängten dessen
Population. Heute besteht mehr als die Hälfte des Fischfangs dort aus Arten des
Roten Meeres. Wissenschaftlich werden sie Lesseps-Invasoren genannt nach dem
Erbauer des Suezkanals.
Sprecher:
Sucre weist allerdings darauf hin, dass die Problematik den Planern
der Erweiterung des Panamakanals durchaus bewusst war:
O-Ton 22:
Líder Sucre
„The Canal being a freshwater canal …the current design assures that".
V-O 1:
Da wir hier einen Süßwasserkanal haben, dessen Wasser in beide Meere abfließt,
ist er eine effiziente Barriere dagegen. Die Schleusen spülen ihn quasi ständig in
beide Richtungen aus, Seewasser kann kaum ins Innere gelangen. Außerdem
haben wir ja ein Gefälle von mehr als 26 Metern vom Landesinneren zu den
Meeren. Die Baukonstruktion schützt also davor.
O-Ton 23:
Miroslava Herrera
„At the beginning in 2006 …”
Sprecher:
Auch Miroslava Herrera von der Kanalgesellschaft ist das Problem
durchaus bewusst:
V-O 4:
2006 gab es viele Stimmen gegen die Kanalerweiterung: Was würde durch den
höheren Wasserverbrauch der neuen, größeren Schleusen passieren? Könnte
dadurch der Wasserspiegel der Fahrrinne und der in den
Überschwemmungsgebieten im Land absinken? Und was, wenn der Regen
ausbliebe? Beide neuen Schleusensysteme werden daher je neun
Wasserrückhaltebecken haben, in die das abfließende Wasser zurückgepumpt wird.
Dadurch fließt 40 Prozent weniger Süßwasser ins Meer ab. Das gleicht den
erhöhten Wasserbedarf der neuen Schleusen fast wieder aus. Auch das Risiko,
dass Salzwasser ins Flusssystem eindringt, ist gering, da die Schleusenstufen zum
Meer hin abfallen und der Río Chagres das Wasser in beide Meere spült. Aber
es gibt immer noch Leute, die mehr Details über den Kanalausbau haben wollen.
Sprecher:
Zu ihnen gehört der Journalist José Miguel Guerra:
O-Ton 24:
José Miguel Guerra
„Básicamente el Panameño … son dineros de todos.”
V-O 2:
Von Anfang an hatte der Durchschnitts-Panamaer keinen Zugang zu Informationen.
Alles, was mit der Erweiterung des Kanals zu tun hatte, wurde sehr geheim
behandelt. Erst nachdem über die Wasserverschwendung der Schleusen spekuliert
wurde, hieß es, es werde eine Vorrichtung geben, um das Wasser zu recyceln.
Als weitere Gerüchte aufkamen, wurde zu möglichen Umweltproblemen Stellung
genommen. Auch was der Kanalausbau wirklich am Ende gekostet haben wird, ist
bis heute nicht klar. Aus Angst vor negativen Meldungen werden lieber gar keine
Informationen herausgegeben. Und alle mauern bis heute mit, Politiker, die
Verwaltung, je sogar die meisten meiner Journalistenkollegen. Ich halte
Transparenz aber für unabdingbar. Die zuständigen Stellen müssen die Bürger
offen informieren. Es ist schließlich nicht ihr Geld, sondern das Geld aller.
O-Ton 26:
Werbefilm Panama
Sprecher:
Panamas Tourismusbehörde schwärmt in Werbevideos von den
Naturschönheiten der Kanalregion. Je weiter man sich von der
Hauptstadt Panamas entfernt, desto wilder präsentiert sich die
Uferlandschaft, der Dschungel Panamas gehört zu den artenreichsten
Ländern der Welt. Dabei ist das kleine Land, mit seinen 76.000
Quadratkilometern kleiner als Österreich. In den Nebel- und
Regenwäldern wachsen rund 10.000 tropische Pflanzenarten. Es gibt
Jaguare, Nasenbären, Brüllaffen. Biologen haben über 900
verschiedene Vogelarten und 1.500 unterschiedliche
Schmetterlingsarten gezählt – ein Füllhorn der Natur:
O-Ton 27:
Lider Sucre
„Panama is a bridge of life ... And the same is for birds, orchids.”
V-O 1:
Panama ist eine Brücke des Lebens. Hier entstand die Verbindung zwischen
Nord- und Südamerika. Mit der Entstehung Panamas begann das, was Biologen
als den großen amerikanischen Faunenaustausch bezeichnen. Zahlreiche Tierarten
verbreiteten sich über die Landbrücke von Nord nach Süd, und umgekehrt. Und
das alles geschah hier in Panama – mit dem Ergebnis, das unser Land eines
der artenreichsten Länder der Welt ist. Ich gebe Ihnen dafür nur ein Beispiel: In
Panama gibt es allein 2.300 Baumarten. Die USA und Kanada kommen
zusammen gerade einmal auf 1.000. Das Gleiche gilt für Vögel und Orchideen.
Sprecher:
Bei all dem allgemeinen Kanaljubel bleibt für den Journalisten José
Miguel Guerra ein bitterer Beigeschmack:
O-Ton 28:
José Miguel Guerra
„Con la regresión de las tierras … en el Canal de Panama.”
V-O 2:
Mit der Rückgabe der Kanalzone und deren Verwaltung unter unsere Kontrolle
dachten wir naiverweise, der Kanal werde sich „panamaisieren“. Stattdessen
musste Panama sich sozusagen „kanalisieren“. Denn für den Kanal gelten nach
wie vor nicht dieselben Regeln wie für den Rest des Landes. Wir sind seine
Gefangenen! Mit dem Kanal wird Geld verdient, dem hat sich alles andere
unterzuordnen. Das Geld wird gebraucht für unserer oberstes Ziel: Entwicklung!
Und die, das jedenfalls glauben die meisten Panamaer, sei am einfachsten mit
dem Ausbau des Kanals zu erreichen.
O-Ton 1:
Musikakzent Rubén Blades "Oye"
Anmod II.
Panama steht für Drogen und Bauboom, für Geldwäsche, General Noriega - und
für den Panama-Kanal. Doch das Land zwischen Nord- und Südamerika, kleiner
als Österreich, spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Erde. Daran will
Panama jetzt erinnern. Mit einem Museum für Artenvielfalt in Panama-Stadt.
Entworfen von Stararchitekt Frank O. Gehry. Gehry gilt als schillernde Figur der
internationalen Architekturszene. Mit seinen Entwürfen des Guggenheim Museums in
Bilbao, des Music Experience Project in Seattle, der Walt Disney Hall in Los
Angeles oder des Gehry Tower in Hannover hat er sich den Ruf eines
Dekonstruktivisten erworben. Seine Bauten faszinieren und polarisieren zugleich,
unberührt bleibt niemand. Michael Marek und Sven Weniger waren vor Ort in
Panama-Stadt. Sie haben für uns das „Museo de la Biodiversidad – das Museum
für Artenvielfalt“ vorab schon einmal besuchen können, das in diesem Jahr seine
Besuchertore öffnen soll.
O-Ton 1:
Musikakzent
O-Ton 2:
Atmo Panama-City
Sprecher:
Der Amador Causeway ist der Traum jedes Immobilienmaklers, eine
künstliche Landzunge im Pazifik, dort, wo der berühmte Panamakanal
beginnt:
O-Ton 3:
Líder Sucre
„The visitors … anything they have seen.“
Voice-over:
Die Besucher finden hier ein Gebäude vor, das mit nichts zu vergleichen
ist, was sie jemals gesehen haben!
Sprecher:
Erklärt der Umweltaktivist und ehemalige Direktor des Museums für
Artenvielfalt Líder Sucre. Von hier aus hat man einen großartigen Blick
auf die historische Altstadt mit ihren prachtvollen Kolonialgebäuden
und den schimmernden Wolkenkratzern im boomenden Finanzviertel.
Und genau an dieser begehrten Toplage entsteht Frank Gehrys
Museums für Artenvielfalt – das erste Projekt des kanadischamerikanischen Stararchitekten in Lateinamerika:
O-Ton 4:
Líder Sucre
„It represents … that staggering.“
Voice-over:
nach Süd
in Kanada
Gehry
und Fauna.
sondern
Die langgestreckte Form des Museum stellt eine „Brücke des Lebens“ dar. Vor
Millionen Jahren entstand in Panama die Verbindung zwischen Nord- und
Südamerika. Zahlreiche Pflanzen- und Tierarten verbreiteten sich von Nord
und umgekehrt. Wir haben 2.300 Baumarten, das sind doppelt so viele wie
und den USA zusammen. Diese Geschichte will das Museum von Frank
erzählen. Seine bunte Gestalt ist ein Symbol für Panamas vielfältige Flora
Es geht uns nicht um exakte Zahlen und wissenschaftlich-lateinische Namen,
darum, den Artenreichtum für die Besucher sinnlich erfahrbar zu machen.
O-Ton 5:
Dschungelatmo - Brüllaffen
Sprecher:
Man muss kein Prophet sein: Gehrys außergewöhnlicher Museumsbau
hat das Zeug zum Publikumsmagneten. Denn hier, am Amador
Causeway in Panama Stadt, erhebt sich ein verspieltes, auf den ersten
Blick scheinbar chaotisch konstruiertes Bauwerk:
O-Ton 6:
Líder Sucre
„It’s a structure … in no apparent order.“
Voice-over:
Sein Profil ist asymmetrisch, es gibt eine Art fliegendes Dach mit ungewöhnlichen
Farben und Flächen, die einem sofort ins Auge springen und die in keinem
ersichtlichen Zusammenhang stehen.
Sprecher:
Dieses Puzzle aus blauen, gelben, grünen und roten Formen sei eine
Metapher für das Dach des Regenwaldes, abstrakte Baumkronen, die
sich überlagerten, scheinbar planlos unter– und ineinander schieben,
erklärt Líder Sucre. Die Besucher sollen sich fühlen, als ob sie
zwischen riesigen Bäumen stünden:
O-Ton 7:
Líder Sucre
„1000 of 1000 ... to keep more of that heritage alive.“
Voice-over:
Einwände:
Kunstprojekt
Gehry-Juwel
die
Abertausende Besucher haben den Rohbau bereits besichtigt, noch bevor das
Museum überhaupt fertig gestellt worden ist. Die Öffentlichkeit und auch die Medien
schätzen das Projekt. Aber das war nicht immer so. Am Anfang gab es viele
Das Museum wurde als Fehlinvestition kritisiert und als ein elitäres
beschimpft, das Millionen Dollar verschlingen würde, nur um ein Frankfür unsere Stadt zu bekommen. Aber das ist Blödsinn. Das Museum würdigt
Naturgeschichte Panamas, um das Bewusstsein für dieses großartige Erbe
wachzuhalten.
O-Ton 8: Indio Gesang – Trommeln
Sprecher:
Wie alle Gehry Bauten erschließt sich das Museo de la Biodiversidad
nur langsam. Es hat keinen Mittelpunkt, keinen zentralen Raum, um
den sich alles gruppiert. Spitze Winkel, Nischen, fallende Wände,
schräge Decken und große, asymmetrische Fensterfronten folgen
einander in schnellem Wechsel. Hinter jeder Ecke eröffnet sich
eine
neue Perspektive. Mächtige Steinsäulen und wuchtige Gewölbe prallen
auf gekippte Betonwände und Böden - ein Museum fast ohne rechte
Winkel, aber mit großem Symbolgehalt für Panama:
O-Ton 9:
Líder Sucre 8:58
„The buildung is ... what do you hear?“
Voice-over:
man,
Der Museumsbau ist nur die Verpackung, das eigentliche Geschenk befindet sich
innen. Dort erzählen wir viele Geschichten - zum Beispiel: Wie ist Panama
entstanden? Welche Folgen für die Pflanzen- und Tierwelt hatte die Trennung der
Weltmeere? Wie ist es zu diesem unglaublichen Artenreichtum gekommen? Dabei
wollen wir alle Sinne der Besucher ansprechen: Was sieht man auf der karibischen,
was auf der pazifischen Seite? Die Wale, die riesigen Fischschwärme, die
Regenwälder: Was fühlt man, wenn man zwischen Mangroven steht? Was sieht
was hört man dort?
O-Ton 10:
Werbefilm Pananam
Sprecher:
Die Innenausstattung hat der kanadische Designer Bruce Mau
entworfen. In acht Stationen erzählt er die Geschichte der Landbrücke,
von der Entstehung und dem Austausch der Tierarten bis zu den
Auswirkungen auf Weltklima, Ozeane und Menschheit. 4.600
Quadratmeter Fläche stehen dafür zur Verfügung, also weniger
als die
einen
Größe eines Fußballfeldes. Es gibt Installationen und Skulpturen,
Garten aus Basaltblöcken, Galerien und Aquarien. Aber keine Angst,
beschwichtigt Sucre, es werde keine MultimediaÜberwältigungsästhetik geben, keinen High-Tech-Öko-Budenzauber.
Dass sei schließlich ganz im Sinne des Architekten:
O-Ton 11:
Líder Sucre
„Basically what Frank said: … I am doing the building!“
Voice-over:
der
gesagt:
Frank Gehry hat uns folgendes erklärt: „Was immer im Museum zu sehen sein wird,
der Inhalt muss größer und wichtiger sein als das Gebäude selbst. Die Ausstellungen
sollen die Besucher mehr beeindrucken als mein Museum. Panama hat eine
großartige Geschichte zu erzählen, aber ihr müsst mir beweisen, dass ihr dazu in
Lage seid. Zeigt mir das!“ Und wir haben es ihm bewiesen! Und dann hat er
„Ok, ich entwerfe euch das Museum!“
Sprecher:
Das Interesse am Projekt ist riesig – nicht nur in Panama selbst.
Besucher aus aller Welt kommen schon vor der
Museumseröffnung.
Touristen, Architekten, Journalisten. Brad Pitt, Angelina
Jolie sowie der
Nobelpreisträger, Umweltaktivist und ehemalige US-
Vizeprädident Al
Gore waren bereits hier und haben dem Projekt zu
Publicity verholfen.
Panama erhofft sich mit der Eröffnung des Museums
einen Anstieg der
Touristenzahlen. Direktor Líder Sucre rechnet mit
Mehreinnahmen für
Panama von jährlich bis zu 60 Millionen Dollar. Da seien
die Baukosten
in gleicher Höhe schnell wieder reingeholt, so seine
Rechnung:
O-Ton 12:
Líder Sucre
„I like the project … when they are in school.“
Voice-over:
und
Ich mag das Projekt, weil es ein fantastisches Geschäftsmodell für eine
Bildungseinrichtung hat. Das Museum finanziert sich durch den Tourismus,
der Nebensaison ist der Besuch für unsere Schulkinder kostenlos. Für mich
Umweltschützer gibt es nicht Besseres, um den Menschen in Panama ihr nationales
Erbe näher zu bringen. Und das können wir am besten, wenn sie noch jung sind
zur Schule gehen.
O-Ton 1:
Musikakzent Rubén Blades „Oye“
aber in
als
Hinweis zu diesem Manuskript:
Dieses Manuskript enthält Passagen, die in der ausgestrahlten Sendung aus
Zeitgründen nicht mehr enthalten sind. Die Kürzungen wurden aus zeittechnischen,
nicht aus inhaltlichen Gründen vorgenommen, die vorliegende Fassung ist das
vollständige redaktionell bearbeitete Manuskript.
Herunterladen