A. Einleitung Die Schuldrechtsreform ist eine der größten und bedeutendsten Reformen in der Geschichte der Bundesrepublik. Nach über 100 Jahren wurde das Deutsche Schuldrecht zum 1. Januar 2002 erstmals grundlegend reformiert. Mit dem Begriff „Schuldrechtsreform“ sind die mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ verbundenen Änderungen gemeint. Dies sind vor allem: - Harmonisierung der Verjährungsvorschriften - klarere und damit einfachere Systematik des Allgemeinen Leistungsstörungsrechts - Kodifizierung der Institute pVV, c.i.c., WGG und Kündigung - Änderungen und Vereinfachungen des Leistungsstörungsrechts bei Kauf- und Werkvertrag - Integration des Verbraucherschutzes in das BGB Durch die Schuldrechtsreform wird das Leistungsstörungsrecht unter Fortentwicklung der bisherigen Begrifflichkeiten grundlegend modernisiert. Zur Vereinfachung werden die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Leistungsstörungsansprüche vereinheitlicht.1 Der Anstoß für eine grundlegende Umgestaltung des Schuldrechts ist insbesondere die Pflicht Deutschlands zur Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter gewesen, die bereits bis zum 31.12.2001 umgesetzt sein mußte.2 Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts verfolgte ein doppeltes Ziel: Zum einen sollten drei EG-Richtlinien umgesetzt werden, die bereits erwähnte Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.1.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. Weiterhin die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Ferner die Art. 10 und 11 sowie 18 der 1 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 48. 1 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr. Zum anderen sollten das Verjährungsrecht, das allgemeine Leistungsstörungsrecht und das Kaufrecht modernisiert und die Verbraucherschutzgesetze in das BGB integriert werden.3 Ein wesentliches Ziel der Reform war es, das Leistungsstörungsrecht durchsichtiger und transparenter zu machen und von seiner „Zweispurigkeit“ zu befreien. Die Änderungen sind dabei weit überwiegend systematischer und nicht materiell –inhaltlicher Art. Es findet demnach ein Wechsel von einem punktuellen zu einem systematisch-deduktiven Leistungsstörungsrecht statt.4 Aufgrund dieser Tatsachen, konnte das bis dato geltende Recht dem tatsächlichen Rechtszustand in vielerlei Hinsicht nicht mehr entsprechen. Laut Schuldrechtskommission sollte durch die Reform das Rechtsinstitut „Unmöglichkeit“ ihre zentrale Position im Recht der Leistungsstörungen verlieren, da sie im Laufe der Zeit ihre anfangs praktische Bedeutung mit den Jahren verloren hat.5 In den Mittelpunkt wird nunmehr die Kategorie der Pflichtverletzung gestellt ( § 280 BGB ).6 Demnach ist der zentrale Tatbestand des Leistungsstörungsrechts nunmehr der Begriff der „Pflichtverletzung“. 2 Otto, Die Grundstrukturen des neuen Leistungsstörungsrechts, Jura, 02, 1, 2. Däubler-Gmelin, Die Entscheidung für die so genannte Große Lösung bei der Schuldrechntsreform, NJW 01, 2281. 4 Schwarze, Unmöglichkeit, Unvermögen und ähnliche Leistungshindernisse im neuen Leistungsstörungsrecht, Jura 02, 73. 5 BT-Drs. 14/6040, S. 127-128. 3 2 B. Hauptteil der Arbeit 1. Allgemeiner Teil Die Funktion des Leistungsstörungsrechts besteht darin, die nachteiligen Folgen einer Störung einer der Parteien oder beiden anteilig zuzuweisen. Es regelt erstens, ob und unter welchen Voraussetzungen die Primärleistungspflicht entfällt und bestimmt damit die Grenze der Anstrengungen, die dem Schuldner zur Überwindung einer Störung obliegen ( § 275 BGB ); zweitens, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger an Stelle der Leistung oder zusätzlich zu ihr Ausgleich seines durch die Störung entstandenen Schadens fordern kann ( §§ 280 ff., 311a II BGB ); drittens – bei gegenseitigen Verträgen -, welche Auswirkungen Störungen der Leistung auf den Gegenleistungsanspruch haben ( automatischer Wegfall, Gewährung eines Rücktrittrechts oder Aufrechterhaltung des Gegenleistungsanspruchs, §§ 323 ff. BGB ).7 I. Wie ist der Ausschluß der Leistungspflicht in § 275 BGB ausgestaltet? Welche Unterschiede bestehen zwischen § 275 Abs. 1 und § 275 Abs. 2 BGB? 1. Die Neufassung des § 275 BGB a. Überblick Grundnorm für die Regelung der Unmöglichkeit ist nach wie vor § 275 BGB. § 275 BGB regelt die Befreiung von der Primärleistungspflicht. 8Gegenüber der bisherigen Regelung wurde diese Bestimmung wesentlich geändert. Das gilt zunächst insoweit, als das Gesetz nicht mehr zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit unterscheidet. Entsprechend gilt auch § 306 BGB a.F. nicht mehr; auch ein Vertrag, dessen Erfüllung von Anfang an unmöglich ist, ist wirksam ( § 311a Abs. 1 ). Der jetzt gültige § 275 BGB ist nun in 4 Absätze gefasst. Der Regelungsgehalt des § 275 BGB ist in den Absätzen 1 bis 3 wiederzufinden. Absatz 4 ist eine Dauner-Lieb, Die Schuldrechtsreform – Das große juristische Abenteuer, DStR 01, 1572, 1573. Schwarze, Unmöglichkeit, Unvermögen und ähnliche Leistungshindernisse im neuen Leistungsstörungsrecht, Jura 02, 73. 8 Henssler/Westphalen-Dedek, Praxis der Schuldrechtsreform, § 275 Rn. 1. 6 7 3 Verweisung bezüglich der Rechte des Gläubigers, die sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326 BGB bestimmen. b. Die Unmöglichkeit in § 275 I BGB § 275 I BGB regelt den „klassischen Fall“ der Unmöglichkeit im engeren Sinne, also den Fall, dass niemand leisten kann.9 Damit ist die sog. „echte“ Unmöglichkeit gemeint. Erfasst sind damit zunächst die altbekannten Fallgruppen der sog. physischen oder naturgesetzlichen Unmöglichkeit.10 Weiterhin ist auch die sog. juristische Unmöglichkeit von § 275 BGB umfaßt. Wie § 275 BGB a.F. erfasst auch § 275 I BGB n.F. die Teilunmöglichkeit, demzufolge es daher diesbezüglich keiner weiteren Erläuterung bedarf.11 Die anfängliche objektive Unmöglichkeit wird nunmehr als Fall der Leistungsstörung nach den allgemeinen Regeln behandelt. Die für den Schuldner bestehende Unmöglichkeit ( „subjektive“ Unmöglichkeit ) und die für jedermann bestehende Unmöglichkeit („objektive“ Unmöglichkeit ) werden nun ganz allgemein gleichgestellt. Durch die Formulierung „..für den Schuldner oder für jedermann..“ wird dies deutlich gemacht.12 Und im Unterschied zum BGB a.F. ist die Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht nicht an das „Unmöglichwerden“, sondern an das „Unmöglichsein“ der Leistung geknüpft- die anfängliche ( objektive oder subjektive ) Unmöglichkeit wird also der nachträglichen ( objektiven oder subjektiven ) Unmöglichkeit gleichgestellt.13 Für die Fälle einer anfänglichen objektiven Unmöglichkeit gibt es insofern eine wesentliche Neuerung, als daß § 311a BGB nun bestimmt, dass es der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegensteht, dass der Schuldner nach § 275 I BGB nicht zu leisten brauche und das Leistungshindernis schon bei Vertragsabschluß vorliege. Als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Gläubigers wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit der 9 Eickhoff, Schuldrechtsreform, Änderungen im allgemeinen Schuldrecht, BRAK 01, 267, 269. Dauner-Lieb-Dauner-Lieb, Das neue Schuldrecht,§ 2 Rn. 66. 11 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 67. 12 BT-Drs. 14/6040, S. 128. 13 Zimmer, Das neue Recht der Leistungsstörungen, NJW 02, 1,2. 10 4 Leistung ist nun die Sonderregel des § 311a II BGB.14 Danach kann der Gläubiger nun, soweit der Schuldner die geschuldete Leistung schuldhaft nicht erbracht hat, nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Der Gläubiger kann auch Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 BGB bestimmten Umfang verlangen, vgl. § 311a II 1 BGB. Dabei hat der Schuldner nunmehr dem Gläubiger den „Frustrationsschaden“ künftig auch bei Fehlen einer materiellen Gegenleistung zu ersetzen, § 284 BGB.15 Weiter schließt § 311a I BGB nicht aus, dass ein Vertrag auch aus einem anderen Grund als wegen der Unmöglichkeit als solcher nichtig oder anfechtbar sein kann.16 Wie bereits oben festgestellt, gilt für die anfängliche subjektive Unmöglichkeit das Gleiche, wie für die anfängliche objektive Unmöglichkeit. Es gelten die allgemeinen Regeln der §§ 275, 280, 283, 326 BGB. Auch nach der nachträglichen objektiven wie subjektiven Unmöglichkeit kann der Gäubiger Schadensersatz statt der Leistung nach den §§ 275 IV, 280, 283 BGB oder aber Aufwendungsersatz nach § 284 BGB verlangen. c. Das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners nach § 275 II und III BGB Während der Absatz I des § 275 BGB eine Einwendung darstellt, also eine Leistungsbefreiung kraft Gesetzes, sind im Unterschied dazu nun die Absätze II und III als bloße Einredemöglichkeiten aufgefächert.17 § 275 II BGB gibt dem Schuldner ein Recht, die Leistung zu verweigern, soweit sie einen Aufwand erfordert, der in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Diese Regelung soll nur die Konstellationen der sog. praktischen oder faktischen Unmöglichkeiten abdecken, in denen die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, aber von 14 Zimmer. Das neue Recht der Leistungsstörungen, NJW 02, 1, 3. Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 60. 16 Canaris, Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, JZ 01, 499, 506. 17 Dauner-Lieb-Dauner-Lieb, Das neue Schuldrecht, § 2 Rn. 63. 15 5 keinem vernünftigen Gläubiger erwartet werden kann ( der geschuldete Ring fällt dem Schuldner vor Helgoland versehentlich ins Meer ).18 Mit Aufwand werden sowohl Aufwendungen in Geld als auch Tätigkeiten und ähnliche persönliche Anstrengungen erfasst. Liegt also eine faktische Unmöglichkeit vor, kann der Schuldner die Leistung verweigern, § 275 II 1 BGB. § 275 II 2 BGB berücksichtigt im Rahmen der Zumutbarkeit die Frage des Vertretenmüssens hinsichtlich des Leistungshindernisses. Der Unterschied zur wirklichen Unmöglichkeit liegt folglich darin, dass der Schuldner im ersten Fall ( wirkliche Unmöglichkeit ) kraft Gesetzes von der Leistung befreit ist, im zweiten Fall ( faktische Unmöglichkeit ) dagegen eine Einrede erheben muß. Weitere Unterschiede ergeben sich nicht.19 Auch § 275 III BGB als Sonderregel gibt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, stellt aber anders als § 275 II BGB bewusst auch auf die Perspektive des Schuldners ab: Es sollen nicht nur objektive, sondern auch auf die Leistung bezogene persönliche Umstände des Schuldners berücksichtigt werden und zur Unmöglichkeit führen können.20 Dies ist geboten, weil die Leistung selbst auf die Person des Schuldners ausgerichtet ist.21 Schulbeispiel ist der Fall der Sängerin, die sich weigert aufzutreten, weil ihr Kind lebensgefährlich erkrankt ist. Aufgrund der Tatsache, daß dieses Recht des Schuldners zur Leistungsverweigerung auch als Einrede ausgestaltet ist, muß sich der Schuldner auch hier ausdrücklich darauf berufen. 18 Dauner-Lieb-Dauner-Lieb, Das neue Schuldrecht, § 2 Rn. 69. Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 69. 20 Dauner-Lieb-Dauner-Lieb, Das neue Schuldrecht, § 2 Rn. 71. 21 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 70. 19 6 d. Die Rechte des Gläubigers ( § 275 IV BGB ) und die damit zusammenhängenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gemäß §§ 275, 283 BGB Wie bereits erwähnt ist die unmittelbare Rechtsfolge des § 275 BGB entweder nach Absatz I ein Entfallen des Primärleistungsanspruchs ipso iure oder nach Absatz II , III eine Hemmung des Leistungsanspruchs bei Erhebung der Einrede. § 275 IV BGB nennt nun klarstellend die Rechte des Gläubigers für den Fall, dass der Anspruch auf Naturalerfüllung ausgeschlossen ist. Hat der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten, kann der Gläubiger im Falle eines nachträglichen Leistungshindernisses zudem Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280, 283 BGB fordern. Sind die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gegeben, kann der Gläubiger sich alternativ für den Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen entscheiden, § 284 BGB. Lag das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluß vor, ergeben sich dieselben Rechtsfolgen aus § 311a BGB, wenn der Schuldner das Leistungshindernis kannte oder seine Unkenntnis zu vertreten hat. Die Herausgabe eines etwa vorhandenen stellvertretenen commodums kann der Gläubiger gemäß § 285 I BGB sowohl bei nachträglichen als auch anfänglichen Leistungshindernissen verlangen.22 II. Welche Relevanz hat die Unterscheidung zwischen § 275 I und II BGB ? Wie bereits oben dargelegt, ist im Falle des Vorliegens einer wirklichen Unmöglichkeit ( § 275 I BGB ) der Anspruch auf Leistung von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Derweil der Anspruch auf Leistung in den Fällen des § 275 II BGB nicht automatisch erlischt. Die Norm gibt dem Schuldner vielmehr eine Einrede. Das kann den Gläubiger im Einzelfall dazu zwingen, Erfüllungsklage zu erheben, solange nicht feststeht, dass der Schuldner die Einrede wirklich 22 Henssler/Graf von Westphalen-Dedek-, Praxis der Schuldrechtsreform, § 275 Rn. 33. 7 erhoben hat.23 Der Schuldner muß also im Falle des § 275 II 1 BGB eine Einrede erheben. Erst nach Erhebung der Einrede können auch Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 283, 284 BGB sowie der Herausgabeanspruch aus § 285 BGB, die auch die Fälle der faktischen Unmöglichkeit erfassen, geltend gemacht werden. Die praktische Relevanz der Unterscheidung zwischen § 275 I BGB (wirkliche Unmöglichkeit ) und § 275 II BGB ( faktische Unmöglichkeit ) liegt nunmehr wie bereits festgestellt darin, dass der Schuldner im Falle des § 275 II BGB nicht mehr automatisch befreit wird. Vielmehr muß er nun die ihm aus § 275 II BGB zustehende Einrede erheben, andernfalls muß er leisten.24 III. Wie ist das Schicksal der Leistungspflicht geregelt, wie das Schicksal der Gegenleistungspflicht? Die Unmöglichkeit führt nach § 275 BGB zu einer Befreiung des Schuldners von der primären Leistungspflicht. Wie schon erläutert, erlischt die Primärleistungspflicht bei der wirklichen Unmöglichkeit ( § 275 I BGB ) automatisch. Derweil führen die faktische bzw. die persönliche Unmöglichkeit lediglich gem. § 275 II BGB bzw. III zu einem Leistungsverweigerungsrecht.25 Nun muß beim gegenseitigen Vertrag im Falle einer Störung neben dem Schicksal der Leistungspflicht des Schuldners und dessen etwaiger Pflicht zum Schadensersatz die Frage geregelt werden, was mit dem Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung geschieht.26 Das Schicksal der Gegenleistung ist von der Frage abhängig, wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat. § 326 I 1 BGB enthält zunächst den Grundsatz: Der Schuldner, der wegen Unmöglichkeit von seiner Leistungspflicht frei geworden ist, verliert auch den Anspruch auf die Gegenleistung. Für den Fall der Teilleistung verweist § 326 I zweiter Halbs. auf § 441 III BGB und damit auf die Minderungsvorschrift im Kaufrecht. Der 23 Eickhoff, Schuldrechtsreform, BRAK 01, 267, 269. Schwarze, Unmöglichkeit, Unvermögen und ähnliche Leistungshindernisse im neuen Leistungsstörungsrecht, Jura 02, 73, 75. 25 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 70-71. 26 Schwarze, Unmöglichkeit, Unvermögen und ähnliche Leistungshindernisse im neuen Leistungsstörungsrecht, Jura 02, 73, 81. 24 8 zunächst etwas schwer verständliche § 326 I 2 BGB meint den Fall, dass der Schuldner zu Recht die Nacherfüllung verweigert, beispielsweise Nachbesserung bzw. Nachlieferung im Kaufrecht, § 439 BGB. In diesen Fällen gelten wegen der nicht vertragsgemäßen Leistung ohnehin die allgemeinen Vorschriften. § 326 I 2 BGB stellt also klar, daß die genannten Fälle nicht nach Unmöglichkeitsrecht abzuwickeln sind. § 326 II BGB bestimmt die Fälle, in denen der Schuldner ausnahmsweise seinen Anspruch auf die Gegenleistung behält. In der Sache entspricht das der aus § 324 a. F. bekannten bisherigen Regelung. § 326 III BGB greift den Fall auf, daß der Gläubiger nach § 285 BGB die Herausgabe des stellvertretenden commodum verlangt. Auch in diesen Fällen wird die bekannte Regelung des bisherigen § 323 II BGB a. F. aufgegriffen. § 326 V BGB gewährt dem Gläubiger überdies in allen Fällen der Unmöglichkeit ein Rücktrittsrecht. § 326 IV BGB regelt schließlich den Fall, daß die Gegenleistung bereits bewirkt ist. Während § 323 III BGB a. F. hierfür eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht vorgesehen hatte, verweist die Vorschrift nunmehr auf das – seinerseits neu gefaßte – Rücktrittsrecht.27 Abschließend ist festzuhalten, dass wenn keiner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, nach § 326 I 1 BGB der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt. Hat der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten, so steht dem Gläubiger ein Schadensersatzanspruch aus § 311a II BGB ( bei anfänglicher Unmöglichkeit ) bzw. aus §§ 280 I, 283 BGB ( bei nachträglicher Unmöglichkeit ) zu. Durch die gesetzliche Neuregelung entfällt damit auch die nach h.M. verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Schuldners bei anfänglichem Unvermögen. Der Schuldner haftet künftig nur noch dann ( auf das negative Interesse ), wenn er sein Unvermögen kannte oder kennen musste. Für den Fall, dass der Gläubiger die 27 Eickhoff, Schuldrechtsreform, BRAK 01, 267, 269. 9 Unmöglichkeit zu vertreten hat, hat der Schuldner weiterhin Anspruch auf die Gegenleistung.28 IV. Wie lässt sich die vorübergehende Unmöglichkeit vom Verzug abgrenzen ? Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus der Unterscheidung ? Wie kann der Gläubiger vorgehen ? Während im Regierungsentwurf in § 275 I BGB noch das Wort „... solange...“ als Zeichen für die explizite Existenz der vorübergehenden Unmöglichkeit enthalten war, enthält nun die jetzt gültige Fassung des § 275 I BGB keine Regelung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Leistung mehr. Die rechtliche Beurteilung soll, auf Initiative des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren hin, nun wie bisher der Rechtssprechung und Wissenschaft überlassen werden. Grundsätzlich führt eine vorübergehende Unmöglichkeit nur zu den Verzugsfolgen. Es ist dann nicht auf sofortige, sondern auf künftige Leistung zu klagen. Ausnahmsweise steht die vorübergehende Unmöglichkeit der dauernden Unmöglichkeit gleich, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks infrage stellt und dem anderem Teil die Einhaltung des Vertrages bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zuzumuten ist. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob vorübergehende oder dauernde Unmöglichkeit vorliegt, ist grundsätzlich der Eintritt des Leistungshindernisses. Die Leistungspflicht lebt aber nicht wieder auf, wenn die Leistung infolge einer unerwarteten Entwicklung wieder möglich wird.29 Wie bisher auch wird die rechtliche Beurteilung der vorübergehenden Unmöglichkeit also letztlich dem Maßstab des § 242 BGB unterliegen.30 Demnach bezieht sich § 275 BGB sowohl auf die dauernde wie auch auf die vorübergehende Unmöglichkeit. Allerdings befreit die 28 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 72. Palandt-Heinrichs, Komm. z. BGB, § 275 Rn. 19. 30 Palandt-Heinrichs, Komm. z. BGB, § 275 Rn. 17-18. 29 10 vorübergehende Unmöglichkeit den Schuldner nur so lange, wie das Leistungshindernis besteht, und schließt bis dahin den Verzug aus.31 Die Verzugsvoraussetzungen sind nunmehr in § 286 BGB zusammengefaßt. Danach gerät der Schuldner in Verzug, wenn der Gläubiger nach Eintritt der Fälligkeit mahnt und diese Mahnung erfolglos bleibt ( 286 I BGB ), und dass der Schuldner nicht in Verzug gerät, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat ( § 286 IV ). Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich künftig nicht mehr aus einer eigenständigen Regelung im Rahmen des Verzugs, sondern aus der Grundnorm der §§ 280 I i.V.m. II, 286 BGB. Bei einem gegenseitigen Vertrag wird künftig Schadensersatz wegen Nichterfüllung ( „statt der Leistung“ ) im Verzugsfalle nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 280 I, III, 281 geschuldet. Damit ist die Verzögerung der Leistung eine Pflichtverletzung, sodass der Anwendungsbereich des § 280 I BGB mit seinen Folgeregelungen eröffnet ist. Aufgrund der Tatsache, dass der Verzug die Tatbestandsvoraussetzungen des § 323 I BGB erfüllt, kann der Gläubiger nach erfolgloser Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten. Dabei besteht das Rücktrittsrecht unabhängig davon, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat, setzt also den Verzugsfall nicht voraus.32 V. Wie lässt sich die Unmöglichkeit nach § 275 I und II BGB von der Störung der Geschäftsgrundlage abgrenzen ? Ändert sich etwas gegenüber der bisherigen Rechtslage ? Die Unmöglichkeit in § 275 BGB führt grundsätzlich zu einer Befreiung des Schuldners von der primären Leistungspflicht. Dabei erlischt bei der wirklichen Unmöglichkeit die Primärleistungspflicht ipso iure. Der Schuldner muß sich in diesem Falle nicht darauf berufen. Die weiter oben bereits erklärte faktische und persönliche 31 Erman-Battes, Komm z. BGB, § 275 Rn. 10. 11 Unmöglichkeit führen gem. §§ 275 II, 275 III BGB zu einem Leistungsverweigerungsrecht, auf das sich der Schuldner ausdrücklich berufen muß. Demgegenüber fallen z.B. die sog. Fälle der wirtschaftlichen oder sittlichen Unmöglichkeit oder der Unerschwinglichkeit im Sinne einer bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner nicht unter die Regeln der Unmöglichkeit nach §§ 275 I BGB bzw. II BGB, sondern sind nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage ( § 313 BGB ) zu behandeln. Dabei wird der Schuldner nur dann von der Erbringung der Primärleistung befreit, wenn eine Vertragsanpassung ( § 313 I BGB ) nicht möglich ist und der Rücktritt vom Vertrag erklärt wird ( § 313 III BGB ). Hier wird jedoch schon jetzt erkennbar, dass das Gesetz in keiner Weise deutlich macht, in welchem Verhältnis § 313 BGB zu den gleichfalls neu erlassenen Vorschriften des § 275 II, III BGB steht. Es ist wohl evident, dass die Tatbestände der Vorschriften einen großen Überschneidungsbereich haben. Hätten demnach also die Parteien bei Kenntnis der Leistungserschwerung i.S. des § 275 II, III BGB den Vertrag nicht oder aber mit anderem Inhalt geschlossen, so könnten beide Vorschriften eingreifen - mit ganz anderen Rechtsfolgen : einerseits Vertragsanpassung, andererseits Leistungsverweigerungsrecht sowie - bei Verschulden Schadensersatzpflicht des Schuldners.33 Um die Unmöglichkeit nach §§ 275 I, II BGB nun von der Störung der Geschäftsgrundlage abgrenzen zu können, bedarf es einer kurzen Einweisung zu dem neu kodifizierten § 313 BGB. Der neue § 313 BGB läßt sich in 3 Absätze unterteilen. 32 Eickhoff, Schuldrechtsreform, BRAK 01, 267, 269-270. 12 1. Voraussetzungen a. Objektive Geschäftsgrundlage Nach § 313 I BGB müssen für die Annahme des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mehrere Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Die strengen Anforderungen, die bisher an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gestellt werden, bleiben unverändert aufrechterhalten. - Es müssen sich nach Vertragsschluß Umstände entscheidend verändert haben. - Diese Umstände dürfen nicht Inhalt des Vertrags geworden sein. - Die Parteien müssten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschloßen haben. - Das Festhalten am unveränderten Vertrag muß für den einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzellfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein. - Dabei werden in der Regel Fallgruppen der Äquivalenzstörungen, Leistungserschwernisse sowie Zweckstörungen diskutiert. b. Subjektive Geschäftsgrundlage In § 313 II BGB werden entsprechend die Fälle des ursprünglichen Fehlens der subjektiven Geschäftsgrundlage geregelt. Dabei handelt es sich um die Fälle des gemeinschaftlichen Motivirrtums, sowie solche Fälle, in denen sich nur eine Partei falsche Vorstellungen macht, die andere Partei diesen Irrtum aber ohne eigene Vorstellungen hingenommen hat. Damit werden diese Fälle, deren Zuordnung zum Teil umstritten ist, ausdrücklich als Anwendungsfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeordnet. 33 Zimmer, Das neue Recht der Leistungsstörungen, NJW 02, 1, 11-12. 13 2. Rechtsfolge Liegen die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, so soll die benachteiligte Vertragspartei gem. § 313 I BGB die Anpassung des Vertrags an die veränderten Umstände verlange können. Weiter soll nach § 313 III BGB eine Aufhebung des Vertrags gefordert werden können, wenn eine Anpassung nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Die Aufhebung kommt nur subsidiär in Betracht. Notwendig für die Auflösung eines Vertrags ist eine Rücktrittserklärung der benachteiligten Partei.34 Insgesamt ist demnach festzuhalten, dass die Regelungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nun, wie dargelegt, in § 313 BGB kodifiziert sind. Sachlich bedeutet dies jedoch keine Änderung zur bisherigen Rechtslage. 3. Abgrenzung zwischen § 275 I, II BGB und Störung der Geschäftsgrundlage Bei der bisherigen Rechtslage hat man von der Unmöglichkeit solche Tatbestände abgegrenzt, bei denen die Leistung zwar praktisch möglich, für den Schuldner aber mit so erheblichen Aufwendungen verbunden ist, dass sie ihm unzumutbar ist ( wirtschaftliche Unmöglichkeit ). Darunter versteht man überobligationsmäßige Schwierigkeiten, die außerhalb der Opfergrenze liegen. Als Beispiel ist der Schuldner genannt, der ein Schmuckstück nur mit unverhältnismäßig teuren Taucherarbeiten wiederbeschaffen kann. In diesem Fall ist ihm das nicht zuzumuten. Hier führt die Lehre vom Fehlen der Geschäftsgrundlage zu sachgemäßeren Ergebnissen als die Anwendung der Bestimmungen der Unmöglichkeit.35 Diese Abgrenzung ist im wesentlichen so geblieben. Die Norm des § 275 I BGB erfasst alle Fälle der wirklichen Unmöglichkeit. Dies sind Fälle, in denen die Leistung nicht einmal theoretisch erbracht werden kann ( naturgesetzliche Unmöglichkeit ). Sobald eine Leistung nun wenigstens theoretisch noch erbracht 34 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, 80-81. 14 werden kann, stellt sich daraufhin die Abgrenzungsfrage bezüglich des Vorliegens des § 275 II BGB oder § 313 BGB. Es steht also fest, daß unter § 275 II BGB die faktische, nicht dagegen die wirtschaftliche Unmöglichkeit fällt. Diese unterliegt den Regeln über die Geschäftsgrundlage. Man spricht dann von der wirtschaftlichen Unmöglichkeit, wenn der Leistung solche Schwierigkeiten entgegenstehen, dass sie dem Schuldner wegen Überschreitung der Opfergrenze nicht zugemutet werden kann oder dass diese dem Schuldner nur unter Opfern und Aufwendungen möglich ist, die auf sich zu nehmen er nach Treu und Glauben nicht mehr verpflichtet ist. Hier ist entscheidend, dass der maßgebliche Bezugspunkt für die rechtliche Bewertung jeweils im Aufwand des Schuldners und seiner mit diesem verbundenen Belastung oder der daraus folgenden Äquivalenzstörung liegt. Derweil stellt § 275 II BGB im scharfen Gegenzug dazu auf das Interesse des Gläubigers ab.36 Bei der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage fehlt, oder weggefallen ist, muß auf die Interessen des Schuldners abgehoben werden. Im Gegensatz dazu muß bei der Prüfung des § 275 II 1 BGB allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers abzustellen sein. Die Interessenlage des Schuldners soll hier gar nicht zu berücksichtigen sein. Danach sollen Überschneidungen beider Rechtsinstitute ausgeschlossen sein.37 Abschließend ist noch festzuhalten, dass es auch Fälle geben wird, in denen ein am Gläubigerinteresse gemessenes grobes Missverhältnis und die Unzumutbarkeit der Leistung für den Schuldner zusammentreffen. Dort scheint eine scharfe Trennung dieser Institute wohl nicht möglich zu sein. Liegen daher tatbestandlich sowohl die Voraussetzungen des § 275 II 1 BGB, als auch die des § 313 BGB vor, wird man dem Schuldner die Wahl lassen, entweder die Einrede nach § 275 II BGB zu erheben 35 Brox, Allgemeines Schuldrecht, S. 140 Rn. 232. Canaris, Die Reform der Leistungsstörungen, JZ 01, 499, 501. 37 Henssler/v.Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, § 275 Rn. 23. 36 15 oder aber den Vertrag zu erfüllen unter Anpassung des Vertrages nach § 313 BGB.38 Grundsätzlich soll der § 275 BGB dem § 313 BGB jedoch in seinem Anwendungsbereich vorgehen, da § 275 BGB die Grenzen der Leistungspflicht regelt. Die Frage nach einer Vertragsanpassung kann sich nur dann stellen, wenn der Schuldner nicht schon nach § 275 BGB frei geworden ist.39 VI. Ergeben sich Besonderheiten für die Behandlung der Sonderformen der wirtschaftlichen und faktischen Unmöglichkeit? 1. Faktische Unmöglichkeit Die faktische bzw. praktische Unmöglichkeit ist, wie weiter oben bereits geschildert; in § 275 II BGB geregelt. Danach kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht.40 Mit diesem Begriff pflegt man solche Fälle zu bezeichnen, in denen die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, aber von keinem vernünftigen Gläubiger ernsthaft erwartet wird, wie in dem immer wieder zitierten Beispiel des geschuldeten Rings auf dem Grund des Sees.41 Als Rechtsfolge steht im Falle des Vorliegens einer faktischen Unmöglichkeit fest, dass der Schuldner die Leistung verweigern kann. Er muß allerdings aktiv eine Einrede erheben. Eine entscheidende Bedeutung kommt hier der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu. Danach richtet sich die Entlastung des Schuldners neben dem „Inhalt des Schuldverhältnisses“ und „Treu und Glauben“ in § 275 II BGB nach zwei weiteren Kriterien. Das grobe Mißverhältnis zwischen dem Aufwand des Schuldners zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers, sowie die Klärung, ob der 38 Henssler/v.Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, § 275 Rn. 24. Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 83. 40 Däubler, Neues Schuldrecht – ein erster Überblick, NJW 01, 3729, 3732. 41 Canaris, Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, JZ 01, 499, 501. 39 16 Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat, müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Entscheidend für die Entlastung des Schuldners soll das „grobe Mißverhältnis“ sein.42 Schadensersatzansprüche nach §§ 280, 283, 284 BGB bzw. ein Herausgabeanspruch nach § 285 BGB können erst geltend gemacht werden, wenn der Schuldner eine Einrede nach § 275 II BGB erhoben hat. 2. Wirtschaftliche Unmöglichkeit Nicht von § 275 II BGB umfaßt sollen die Fälle der sog. wirtschaftlichen oder sittlichen Unmöglichkeit oder der Unerschwinglichkeit im Sinne einer bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner sein.43 Diese sind nach altem Recht nach der zuletzt herrschenden Ansicht über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gelöst worden, die nun in § 313 BGB normiert ist. Dabei soll es bleiben.44 Wirtschaftliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistung zwar an sich möglich ist, ihr aber solche Schwierigkeiten entgegenstehen, daß sie dem Schuldner wegen Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht zugemutet werden kann.45 Daran ändert auch § 275 II 1 BGB nichts, da dieser allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers abstellt und die eigenen Interessen des Schuldners, um deren Berücksichtigung es in diesen Fällen typischerweise geht, nicht berücksichtigt. Das ist auch nicht der Zweck des § 275 II 1 BGB, der das Entfallen der Primärleistungspflicht als Gegenstand hat. Sondern in diesen Fällen findet vielmehr § 313 BGB, über den Wegfall der Geschäftsgrundlage Anwendung.46 42 Schwarze, Unmöglichkeit, Unvermögen und ähnliche Leistungshindernisse im neuen Leistungsstörungsrecht, Jura 02, 73, 76. 43 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 69. 44 Canaris, Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, JZ 01, 499, 501. 45 Palandt-Heinrichs, Komm z. BGB, § 275 Rn. 12. 46 Weber/Dospil/Hanhörster, Neues Schuldrecht, S. 69. 17 VII. Wie ist die anfängliche Unmöglichkeit geregelt ? Grundnorm für die Regelung der Unmöglichkeit ist nach wie vor § 275 I BGB. Das Gesetz unterscheidet ab sofort nicht mehr zwischen anfänglicher ( vor Entstehung des Schuldverhältnisses ) objektiver oder subjektiver und nachträglicher ( nach Entstehung des Schuldverhältnisses ) Unmöglichkeit. Dies geht unter anderem mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der Regelung hervor. Diese weist insoweit keine Differenzierung auf, sondern erfaßt im Gegenteil sprachlich auch die anfängliche Unmöglichkeit, indem sie die Formulierung „unmöglich ist“ und nicht wie § 275 a.F. BGB „unmöglich wird“ verwendet.47 Dementsprechend gilt auch § 306 a.F BGB nicht mehr. Ein Vertrag dessen Erfüllung von Anfang unmöglich ist, ist wirksam ( § 311a I BGB ). Diese Bestimmung, deren Formulierung bewußt an Art. 4:102 European Principles angelehnt ist, hat lediglich klarstellenden Charakter.48 Die European Principles legen in Art. 4:102 fest, dass ein Vertrag nicht allein deshalb nichtig ist, weil bei Vertragsschluß die Erfüllung der Pflicht unmöglich war. Es handelt sich um einen Fall der wesentlichen Vertragsverletzung.49 Aufgrund der Tatsache, dass man bei einem Ausschluß der Leistungspflicht schon bei Vertragsschluß nach § 275 I BGB schlecht von einer Verletzung der Leistungspflicht aus dem gem. § 311a I BGB wirksamen Vertrag sprechen kann, hat der Gesetzgeber, um dieser Unstimmigkeit entgegenzuwirken, mit § 311a II BGB eine eigenständige Haftungsgrundlage geschaffen.50 Danach kann der Gläubiger Schadensersatz oder Ersatz seiner Aufwendungen im Umfang des § 284 BGB verlangen, es sei denn, 47 Canaris, Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, JZ 01, 499, 500. Canaris, Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, JZ 01, 499, 505. 49 Grunewald, Vorschläge für eine Neuregelung der anfänglichen Unmöglichkeit und des anfänglichen Unvermögens, JZ 01, 433. 50 Otto, Die Grundstrukturen des neuen Leistungsstörungsrechts, Jura 02, 1, 5. 48 18 der Schuldner kannte das Leistungshindernis beim Vertragsschluß nicht und hatte seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten. Der Ersatzanspruch des § 311a II BGB ist auf Schadensersatz statt der Leistung gerichtet, gewährt also dem Gläubiger einen Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens. Zweifelhaft könnte bei dieser Regelung allein sein, ob dies auch gedanklich stimmt. Hätte der Schuldner nämlich das Leistungshindernis gekannt, hätte er wohl keinen Vertrag abgeschlossen. Daher geht es aufseiten des Gläubigers nicht um den Nichterfüllungsschaden, sondern um den Vertrauensschaden. Der Gesetzeswortlaut ist jedoch demgegenüber eindeutig.51 2. Zusatzaufgabe Fall: Die einzigartige Harley A verkauft für 15.000 Euro dem B seine Harley. Vor der Übergabe wagt der A aber eine letzte Ausfahrt und verursacht schuldhaft einen schweren Unfall, bei dem das Motorrad zerstört wird. Wie ist die Rechtslage, wenn B die Harley für 25.000 Euro hätte weiterverkaufen können, sie aber nur 20.000 Euro wert ist ? Abwandlung: A verkauft B für 15.000 Euro seine Harley. Ohne dass die beiden das wussten oder wissen konnten, war eine Stunde vor Vertragsschluss die Garage des A nach einem Blitzeinschlag ausgebrannt. Die Harley ist völlig ausgebrannt. Wie ist die Rechtslage, wenn B die Harley für 25.000 Euro hätte weiterverkaufen können ?52 I. Lösung nach altem Recht A wurde nach h.M. gemäß § 275 I a.F. von der Leistungspflicht aus § 433 I 1 a.F. frei, auch wenn er die zur Unmöglichkeit führenden Umstände zu vertreten hatte. Der Gegenleistungsanspruch auf Zahlung des Kaufpreises entfiel im Ergebnis ebenfalls: Zwar enthielten die §§ 320ff. a.F. in Bezug auf das Schicksal der 51 Eickhoff, Schuldrechtsreform, BRAK 01, 267, 269. 19 Gegenleistung bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit – anders als bei beiderseits nicht zu vertretender ( § 323 a.F. ) bzw. bei vom Gläubiger zu vertretender ( § 324 I a.F. ) Unmöglichkeit – keine ausdrückliche Regelung für das Erlöschen der Leistungspflicht. Es kam daher anders als bei § 323 a.F. grundsätzlich kein automatisches Erlöschen in Betracht: Der Gläubiger konnte zurücktreten ( § 325 I 1, 2.Var. a.F. ) und wurde so von einer Leistungspflicht frei ( bzw. konnte das bereits Geleistete nach § 346 S.1 a.F. zurückverlangen ). Im alten Recht bestand aber kein Recht zur Einforderung des Schadensersatzes neben einem Rücktritt, d.h. die beiden Institute konnten nicht kumuliert werden. Es ergaben sich Spielräume bei der Berechnung des Schadensersatzanspruches: Der Käufer konnte, wenn er den Kaufpreis noch nicht bezahlt hatte, nach der herrschenden abgeschwächten Differenztheorie Ersatz nur des Schadens verlangen, der ihm über den Wert der Gegenleistung hinaus entstanden war. Hier waren es 10.000 Euro. Er musste dabei nicht seine Leistung, hier die Zahlung von 15.000 Euro erbringen, um dann den Gesamtschaden iHv 25.000 Euro liquidieren zu können, so die strenge Surrogationstheorie. Demnach hat der A eine Zahlungsverpflichtung iHv 10.000 Euro. II. Lösung nach neuem Recht 1. Anspruch des B gegen A auf Übereignung der Harley aus § 433 I BGB a. Wirksamer Kaufvertrag B könnte gegen A einen Anspruch auf Übereignung der Harley aus § 433 I BGB haben. Dies setzt eine Einigung über den Inhalt eines Kaufvertrages und dessen essentialia negotii und damit insbesondere den Kaufgegenstand voraus. Vorliegend ist ein Kaufvertrag geschlossen worden. A hat B seine Harley für 15.000 Euro verkauft. Lediglich die Übergabe hat noch nicht stattgefunden. 52 Angelehnt an Fälle 6 und 16 in: Dauner-Lieb/Arnold/Dötsch/Kötz, Fälle zum neuen Schuldrecht. 20 Somit ist durch Abschluss des Kaufvertrages ein wirksamer Anspruch auf Übereignung von der Harley aus § 433 I BGB entstanden. b. Untergang nach § 275 I BGB Der Anspruch könnte nach § 275 I BGB untergegangen sein. Die Neufassung des § 275 stellt eine der zentralen Änderungen in der Reform des Schuldrechts dar. Im alten Recht endete die Primärleistungspflicht des Schuldners nach § 275 I und II erst beim nachträglichen Eintritt von ( objektiver und subjektiver ) Unmöglichkeit. Die Unmöglichkeit der Leistung war ein Zentralbegriff des Rechtes der Leistungsstörungen. Diese Heraushebung der Unmöglichkeit wurde als ein Hauptmangel des alten Rechts angesehen. Speziell der alte § 275 wurde insofern als mißglückt betrachtet, als er die Frage nach der Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht mit einem Vertreten müssen verknüpft. Richtigerweise sollte aber das Vertreten müssen nicht für den Fortbestand der Primärleistungspflicht von Bedeutung sein: Was der Schuldner nicht leisten kann, das schuldet er auch nicht, und zwar unabhängig von dem Grund seiner Unfähigkeit. Zusätzlich wurde die Beschränkung des § 275 a.F. auf die nachträgliche Unmöglichkeit kritisiert. Nach dem Vorschlag der Schuldrechtskommission soll die Unmöglichkeit ihre zentrale Position im Recht der Leistungsstörungen verlieren. Stattdessen wird als neuer Oberbegriff, der alle Arten von Leistungsstörungen umfasst, der Begriff der „Pflichtverletzung“ eingeführt. Abgestellt wird nun nicht mehr auf die Unmöglichkeit. Maßgeblich ist jetzt das Schuldverhältnis. Hieraus sind die Anstrengungen abzuleiten, die der Schuldner zur Erbringung der Leistung zu unternehmen hat. In der Konsequenz dieser Regelung werden objektive und subjektive Unmöglichkeit gleichgestellt. Dies gilt auch für die nachträgliche und anfängliche Unmöglichkeit. Auf ein Vertreten müssen kommt es nicht mehr an. Auf Basis der Neuregelung ist nach § 275 I BGB zunächst zu entscheiden, ob die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Hier ist durch den Unfall des A das Motorrad völlig 21 zerstört worden. A konnte die Harley nicht mehr übereignen. Demnach liegt hier eine nachträgliche objektive Unmöglichkeit vor nach § 275 I BGB. Die Leistungsverpflichtung ist nach § 275 I BGB untergegangen. Der Anspruch des B gegen A auf Übereignung der Harley aus § 433 I BGB ist aufgrund der Zerstörung des Wagens gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen. 2. Anspruch des A gegen B auf Bezahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 15.000 Euro aus § 433 II BGB haben. Fraglich ist jedoch wie es sich auswirkt, dass die Leistungspflicht des Schuldners, hier des A, nach § 275 I BGB schon bereits untergegangen ist. Es erscheint fragwürdig, ob B für etwas zahlen muss, was A durch eigenes Verschulden zerstört hat und B demnach gar nicht mehr nutzen kann. Möglicherweise entfällt hier der Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 I BGB. Im Falle der Unmöglichkeit richtete sich der Anspruch auf die Gegenleistung in einem gegenseitigen Vertrag nach den §§ 323 ff. a.F.. Die Neuregelung des Unmöglichkeitsrechts erfasst auch die bisherigen §§ 323 bis 326 a.F.. Nach § 326 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 I oder II BGB nicht zu leisten braucht. Dies ist hier der Fall. Somit ist der mit Abschluss des Vertrages entstandene Anspruch des A gegen B auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 II BGB gemäß ( § 275 IV i.V.m. ) § 326 I 1 BGB kraft Gesetzes aufgrund der Unmöglichkeit entfallen. § 326 I BGB erfasst dabei angesichts des Verweises auf § 275 BGB, der vom Vertreten müssen unabhängig ist, auch die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit. 22 3. Anspruch des B gegen A auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, II, 283 S.1 BGB Angesichts der Unmöglichkeit könnte B gegen A einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, II, 283 S.1 BGB haben. a. Dafür müsste der § 275 I BGB erfüllt sein. Wie oben bereits festgestellt, liegen die Voraussetzungen des § 275 I BGB vor, so dass über § 275 IV BGB die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen möglich ist. In dem hier vorliegenden Fall hatte der A seine Pflicht zur Übereignung seiner Harley nach § 433 I 1 BGB verletzt, da er rein objektiv „nicht geleistet“ hat. Gemäß § 276 BGB hat er auch diese Pflichtverletzung zu vertreten. Dadurch ist dem B ein Schaden in der Höhe von 10.000 Euro entstanden. Demzufolge liegen die Voraussetzungen des § 280 BGB vor. b. Um einen Schadensersatz „statt der Leistung“ in Höhe von 10.000 Euro erzielen zu können, müssen nun nach § 280 III BGB die zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 281-283 BGB vorliegen. Was man genau unter „Schadensersatz statt der Leistung“ versteht, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Geht man nach der wörtlichen Auslegung könnte man darunter verstehen, dass nur der blosse Leistungswert ( „statt der Leistung“ ) erfasst wird. Derweil wurde im alten Recht auch Folgeschäden erfasst. Ginge man danach würde nur der Anspruch in Höhe des Differenzbetrags zwischen Kaufpreis und wahrem Wert, hier 5000 Euro, über § 280 III BGB an zusätzliche Voraussetzungen gebunden. Dagegen würde der entgangene, hier 5000 Euro, unter Umständen als „einfacher Schadensersatz“ unmittelbar aus § 280 I BGB ersetzt. Der Gesetzgeber wollte bei § 280 III BGB, dass der Schaden, der im BGB „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“ genannt wurde, an besondere Voraussetzungen gebunden sein sollte. Sie sollte nur nicht mehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung genannt werden.53 Es lässt sich daraus folgern, dass sich dabei inhaltlich nichts geändert hat. Aufgrund der Tatsache, dass der entgangene Gewinn aus einer 53 BT-Drs. 14/6040, S. 136. 23 Weiterveräusserung eng mit der unmöglich gewordenen Sachlieferung, hier der Harley, verbunden ist, sollte man das gesamte geltend gemachte Interesse, hier also die 10.000 Euro, unter den Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung fassen. Daher ist § 280 III BGB hier einschlägig. In Fällen des § 275 I BGB ist auf § 283 S.1 BGB zurückzugreifen, da dieser zu § 281 I 1 BGB lex specialis ist. Die entsprechenden Voraussetzungen sind hier erfüllt. A ist nach § 275 I BGB von seiner Leistungspflicht bzgl. Übereignung der Harley befreit. Er brauch somit nicht mehr leisten. c. Daraus folgt, dass sämtliche Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, III, 283 S.1 BGB vorliegen. B hat gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 10.000 Euro gemäß ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, III, 283 S.1 BGB. III. Lösung der Abwandlung nach altem Recht In der vorliegenden Abwandlung war die Verpflichtung des A von Anfang an objektiv unmöglich. Dem Rechtsgrundsatz impossibilum nulla est obligatio folgend war nach § 306 a.F. der Vertrag nichtig. Daher konnten weder A noch B vertragliche Erfüllungsansprüche oder auf Erfüllung gerichtete Schadensersatzansprüche geltend machen. IV. Lösung der Abwandlung nach neuem Recht 1. Anspruch des B gegen A auf Übergabe der Harley aus § 433 I BGB a. Wirksamer Kaufvertrag Auch hier ist ein wirksamer Kaufvertrag zunächst entstanden. A hat dem B seine Harley für 15.000 Euro verkauft. 24 b. Untergang nach § 275 I BGB Fraglich ist aber wie es sich auswirkt, dass eine Stunde vor Vertragsschluss durch einen Blitzschlag die Harley vollständig zerstört wurde. Möglicherweise könnte der Anspruch hier nach § 275 I BGB von Anfang an ausgeschlossen sein. § 275 I BGB erfasst mit dem Wortlaut „unmöglich wird“ statt „unmöglich ist“ anders als § 275 a.F. nicht nur die nachträgliche, sondern auch die anfängliche Unmöglichkeit. Das Motorrad ist vorliegend vor Entstehung des Schuldverhältnisses durch den Blitz zerstört worden. Damit handelt es sich um eine anfängliche objektive, weil von keinem zu vertretene Unmöglichkeit. Nach § 311 a I BGB wird deutlich, dass der Ausschluss der Leistungspflicht nicht dazu führt, dass der Vertrag nichtig ist. Vielmehr entsteht wegen des anfänglichen Ausschlusses der Leistungspflicht ein Vertrag ohne primäre Leistungspflicht. Dabei bildet das daran geknüpfte Schuldverhältnis die Grundlage für einen Anspruch nach § 285 BGB und nach § 311 a II BGB. 2. Anspruch des B gegen A aus ( § 275 IV iVm ) § 311 a II BGB iHv 10.000 Euro B könnte gegen A einen Ersatzanspruch aus ( § 275 IV iVm ) § 311 a II BGB in Höhe von 10.000 Euro haben. Neben § 280 I BGB stellt diese Vorschrift eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch dar. Im Gegensatz zu § 307 a.F., wonach der Ersatz des negativen Interesses verlangt werden konnte, kann nach § 311 a II BGB darüberhinaus das positive Interesse geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber sieht dies als „angemessene Rechtsfolge“ für die Verletzung der vorvertraglichen Informationspflicht über die eigene Leistungsfähigkeit an. Der Grundgedanke des § 311 a II BGB ist, die Rechtsfolgen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit anzugleichen und für beide Konstellationen eine Verschuldenshaftung zu normieren. 25 Vorliegend haben A und B einen Vertrag geschlossen. Weiter braucht der A nach § 275 I BGB nicht zu leisten. Das Leistungshindernis lag schon bei Vertragsschluss vor. Folglich haftet der Schuldner, hier der A, nach § 311 a II 1 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung ( pos. Interesse ), es sei denn, er kannte das Leistungshindernis beim Abschluss des Vertrages nicht und hatte seine Unkenntnis nicht zu vertreten. Der Maßstab für das Vertreten müssen ergibt sich aus § 276 BGB. Hier ist jedoch für eine Fahrlässigkeit nichts ersichtlich. Weder A noch B konnten durch den vom Blitz verursachten Brand und damit der Zerstörung der Harley und so dem dadurch verursachten Leistungshindernis etwas wissen. Somit scheidet ein Anspruch aus § 311 a II BGB aus. 3. Anspruch des B gegen A aus ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, III, 283 S.1 BGB iHv 10.000 Euro B könnte gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz iHv 10.000 Euro nach ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, 283 S.1 BGB haben. Jedoch scheidet aus systematischen Gründen ( § 275 IV iVm ) §§ 280 I, 283 S.1 BGB als Basis für einen Schadensersatzanspruch hier aus. Die Schadensersatzpflicht für anfängliche Unmlöglichkeit kann nicht als Unterfall des allgemeinen Tatbestandes der Pflichtverletzung behandelt werden ( § 280 I BGB ). Das Pflichtenprogramm des Schuldners ist vor Vertragsschluss anders gestaltet als nach Vertragsschluss. Vorher geht es allgemein um Informationspflichten ( 311 a II ), nachher um Leistungspflichten bezüglich des Leistungsgegenstandes selbst. 26 C. Schluß Abschließend ist zu erwähnen, daß sich die Reformbedürftigkeit des bis zur Einführung des neuen Schuldrechts geltenden Rechts nicht ernsthaft bestreiten läßt. Sicherlich muß man das neue Schuldrecht und hier speziell das Leistungsstörungsrecht einer kritischen Betrachtung unterziehen. So steht in § 275 I BGB die Erkenntnis, daß der Anspruch gegen den Schuldner ausgeschlossen ist, wenn die Leistung unmöglich geworden ist. Hier sollte man sich fragen, ob ein Gesetzgeber so etwas schreiben sollte, da das Gegenteil - ein Anspruch bei unmöglicher Leistung – schlicht nicht denkbar ist. Weiter ist das, was zum „Leistungshindernis bei Vertragsschluß“ an die Stelle der §§ 275, 306 BGB a.F. getreten ist, unter dem Eindruck, daß der Gläubiger bei Vertragsschluß nicht mehr weiß, woran er ist, und einem Schuldner, der sich übernimmt, wird entweder unangemessene Nachsicht zuteil oder er muß für sein Verschulden beim Vertragsschluß schwer büßen, kritisch zu begleiten. Erwähnenswert sei noch, daß der Gesetzgeber sehr wahrscheinlich aufgrund der dargebotenen Eile es versäumt hat aus dem § 925 a BGB den Hinweis auf § 313 S.1 BGB zu streichen. Gemeint ist wohl der § 313 S. 1 BGB a.F., welcher in dieser Form nicht mehr existiert. So steht in dem neu kodifizierten § 313 BGB ( Wegfall der Geschäftsgrundlage ) in keiner Weise etwas über die Erforderlichkeit einer Urkunde über einen Vertrag bei Erklärung einer Auflassung. Insgesamt ist festzuhalten, daß die Vorteile des neuen Rechts der Leistungsstörungen stärker ins Gewicht fallen. Es wurde hier erstmals 27 ein gemeinsamer Grundtatbestand der zu vertretenden Pflichtverletzungen für Schuldverhältnisse aller Art eingeführt. Dabei ist es gleichgültig ob es sich um Hauptleistungspflichten, Nebenleistungspflichten oder Schutzpflichten handelt. Damit wird eine im Prinzip einheitliche Regelung der Voraussetzungen einer einfachen Schadensersatzpflicht bei Unmöglichkeit, Verzug, Verschulden bei Vertragsschluß und positiver Vertragsverletzung getroffen. Es ist sicherlich eine enorme Vereinfachung, daß nun die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Leistungsstörungsansprüche vereinheitlicht wurden. 28