DOC - Europa.eu

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DOC/00/4
Brüssel, den Februar 2000
KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament,
den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuß
und den Ausschuß der Regionen
Strategische Ziele 2000-2005
„Das Neue Europa gestalten“
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ....................................................................................................................................3
1.
Neue europäische Entscheidungsstrukturen .....................................................................6
2.
Unseren Kontinent stabilisieren und Europas Stimme in der Welt stärken .....................7
3.
Auf dem Weg zu einer neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Agenda .......................9
4.
Bessere Lebensqualität für alle.......................................................................................13
5.
Schlussfolgerungen ........................................................................................................14
2
Einleitung
Die sich schnell wandelnde und geteilte Welt von heute braucht Europa. Die Europäische Union
liefert einen lebendigen Beweis dafür, daß Frieden, Stabilität, Freiheit und Wohlstand auch auf
einem Kontinent erreicht werden können, der zuvor durch Kriege zerrissen war. Unser
europäisches Modell zeigt der Welt, daß eine immer engere Einigung der Völker möglich ist,
wenn sie auf gemeinsamen Werten und Zielen aufgebaut ist.
Wir haben in Europa Integration erreicht, indem wir auf der Grundlage der Verträge einzigartige und
innovative Strukturen geschaffen haben, die über die traditionelle internationale Kooperation
hinausgehen. Wir haben den europäischen Binnenmarkt geschaffen und den Euro auf den Weg
gebracht, und unsere Regierungen verfolgen jetzt Wirtschaftspolitiken, die eine Periode
nachhaltigen Wachstums versprechen. Unsere Nachbarn haben die Chance, an diesem Wohlstand
teilzuhaben, und wir haben die einzigartige Gelegenheit, ihnen dies zu ermöglichen.
Während des nächsten Jahrzehnts werden wir die vollständige wirtschaftliche Integration erreichen,
und, was noch wichtiger ist, einem neuen politischen Europa Gestalt verleihen. Die nächsten fünf
Jahre werden hierbei entscheidend sein.
Wir treiben bereits jetzt die politische Integration durch die Schaffung eines Raums der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts voran, und auch durch die Entwicklung gemeinsamer Außen-,
Sicherheits- und Verteidigungspolitiken. Unseren gemeinsamen Interessen ist am besten durch
einen gemeinsamen Ansatz und durch gemeinsame Mittel gedient.
Die politische Integration wird eine Realität, wenn die führenden Politiker und die Bürger der
Meinung sind, daß Freiheit, Frieden und Stabilität, Demokratie, Menschenrechte, Toleranz,
Gleichstellung der Geschlechter, Solidarität und Nichtdiskriminierung als gemeinsame Werte durch
gemeinsame Politiken und Institutionen am besten gefördert werden können. Die politische
Integration muß unsere nationalen und regionalen Identitäten, Kulturen und Traditionen voll
berücksichtigen. Das macht die derzeitige Debatte über eine Europäische Charta der Grundrechte
so wichtig. Nur ein Europa, das gemeinsame Grundwerte und politische Ziele effizient teilt und sie
effizient verfolgen kann, wird in der Lage sein, die immensen Herausforderungen zu bewältigen.
Die Herausforderungen sind vielfältig. Wir sind gegenwärtig Zeugen einer grundlegenden
Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Globalisierung läßt traditionelle Grenzen in
den Hintergrund treten. Die digitale Revolution verändert die Art und Weise, in der wir
kommunizieren und interagieren. Globale Fragen verlangen zunehmend nach globalen Antworten.
Diese Herausforderungen sind zu umfassend und zu komplex, als daß ein einzelnes Land sie
sinnvoll angehen könnte. Deshalb war die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Antwort
noch nie größer als jetzt. Die Welt erwartet von Europa eine entschlossene Führungsrolle, und
unsere Bürger erwarten von der Union effizientes Handeln auf europäischer Ebene im Einklang mit
unseren gemeinsamen europäischen Werten, das gleichzeitig unsere grundlegende europäische
Identität stärkt.
Aber um effizient zu handeln und eine Führungsrolle wahrzunehmen, müssen wir das Tempo des
Wandels aufrecht erhalten, auch im Hinblick auf die Struktur der Europäischen Union. Dies wird
weitere Integrationsschritte auf der Grundlage einer systematischen Reformpolitik erfordern, die
gleichermaßen unsere Wirtschaft und unsere Sozialsysteme transformiert. Nur ein umfassend
modernisiertes Europa wird stabil und anpassungsfähig genug sein, um die vor uns liegenden
Herausforderungen zu bewältigen.
Europa wird auch starke Institutionen brauchen, die neuen Formen demokratischer
Entscheidungsfindung entsprechen. Gegenwärtig ist das Vertrauen der Allgemeinheit in unsere
nationalen und europäischen Institutionen gering. Die Bürger fühlen sich weitab von diesen
Institutionen und verlangen ein größeres Mitspracherecht in europäischen Fragen.
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Wir beabsichtigen, diesen Forderungen nachzukommen. Die Kommission hat bereits begonnen, ihr
eigenes Haus in Ordnung zu bringen, und dieser Prozeß wird konsequent weitergeführt. Wir sind
entschlossen, den Reformprozeß der Kommission zum Erfolg zu bringen, und andere Institutionen
werden in dieser Hinsicht den gleichen Mut aufbringen müssen. Das Vertrauen in alle unsere
Institutionen leidet unter den Schwächen in jeder einzelnen von ihnen, weil viele Menschen nicht
zwischen ihnen unterscheiden.
Aber wir wollen noch weiter gehen und eine neue Synergie zwischen allen demokratischen
Institutionen der Europäischen Union finden als Teil einer breiter angelegten Verbesserung
europäischen Regierens. Wir wollen ein neues Gleichgewicht finden zwischen dem Handeln der
Kommission, der anderen Institutionen, der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft. Unser Ziel ist,
Europa den Menschen, denen es dienen soll, sehr viel näher zu bringen.
Das Europa, das wir wollen, und das eine originäre Führungsrolle in der Welt spielen kann, wird
ein Europa sein, das den Risiken der Globalisierung Beachtung schenkt, die häufig von denen
vorgetragen werden, die sich im Stich gelassen fühlen. Wonach wir streben ist deshalb eine neue
Art der weltweiten Zusammenarbeit, um weltweite Wirtschafts- und Umweltfragen in den Griff zu
bekommen.
Europas Integrationsmodell, das auf europäischer Ebene gut funktioniert, ist eine Fundgrube, die
Ideen für weltweite Zusammenarbeit liefern kann und sollte. Wir müssen diesen Prozeß fördern,
indem wir gerechte und nachhaltige Strategien für den weltweiten Kontext entwerfen, und dies in
Zusammenarbeit mit unseren Partnern, insbesondere in den Entwicklungsländern.
Der Kommission fällt hierbei eine zentrale Rolle zu. Sie ist der verlängerte Arm Europas, die
Initiatorin von Ideen und Vorschlägen, und die Hüterin der Verträge. Die Kommission ist seit jeher
die treibende Kraft der europäischen Integration und wird in den nächsten Jahren eine klare
Führungsrolle ausüben.
Um diesen Prozeß erfolgreich zu gestalten, wird die Kommission in enger Partnerschaft mit den
anderen europäischen Institutionen und auf Grundlage einer sorgfältigen Arbeitsteilung mit den
Mitgliedstaaten agieren.
In politischer Hinsicht wird es die allererste Priorität der Kommission sein, den
Erweiterungsprozeß voranzubringen, um unseren Kontinent zu stabilisieren und Frieden,
Demokratie und die Achtung der Menschenrechte in ganz Europa zu sichern. Bosnien und der
Kosovo veranschaulichen, wie wichtig das so nahe an unseren Grenzen ist. Diese Stabilität
müssen wir nicht nur durch die Erweiterung der Union, sondern auch durch die Erarbeitung einer
abgestimmten Außen- und Sicherheitspolitik und die Entwicklung einer konsequenten Politik der
Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn anstreben. Sie kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn
wir genau wissen, wer die Richtung vorgibt. Zu viele Akteure führen nur zum Mißerfolg. Die
Stabilisierung des Balkans setzt eine umfassende politische und administrative Autorität und
Rechenschaftspflicht voraus. Die Europäische Union kann das bieten.
Das bedeutet wiederum eine Reform unserer Institutionen und Verträge - eine Aufgabe, die in
diesem Jahr von der Regierungskonferenz zu bewältigen sein wird. Die Erweiterung muß als ein
Faktor gesehen werden, der zu einer vertieften Integration führt, sie darf kein paralleler, davon
losgelöster Vorgang sein.
Selbst innerhalb der Union sollten wir die Werte der Demokratie und der Menschenrechte, für die
wir uns jenseits Europas einsetzen, nicht unbedingt für gegeben ansehen. Sie sind im Vertrag fest
verankert und mit dem vorhandenen Instrumentarium durchsetzbar. Wir sollten weiterhin dem
mäßigenden Einfluß der Union auf die Vertragsparteien vertrauen, und unseren Einsatz im Kampf
gegen Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verstärken, ohne eine Ergänzung des
Vertrags auszuschließen, sollte sich das als notwendig erweisen.
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In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht muß unsere Priorität die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit sein. Das bedeutet, den wirtschaftlichen Aufschwung zu nutzen, um das
Arbeitsumfeld zu modernisieren, Investitionen und moderne Infrastrukturen zu fördern, neue
Technologien schneller zu übernehmen und gut geschulte, mit der Digitaltechnik vertraute
Arbeitskräfte heranzubilden, deren Ideen schneller die Marktreife erreichen. Unser Ziel muß
langfristiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sein.
Wir müssen auch unser Gesellschaftsmodell verbessern und modernisieren, um es in einer
Welt zu erhalten, in der ein rascher, ungebremster Wandel die Kluft zwischen Reich und Arm
vertiefen kann. Wir müssen den sozialen Dialog und den Dialog mit den Bürgern verbessern.
Angesichts einer älter werdenden Bevölkerung und einer schrumpfenden Zahl von Arbeitskräften
gilt es, die Reform des sozialen Schutzes, der Gesundheitsfürsorge und der Rentensysteme zu
fördern und zu einem auf Solidarität beruhenden Sozialstaat zu gelangen, der in einem Klima
zurückhaltenderer Staatsausgaben gerecht, sozial und integrierend bleiben kann.
Die Politik der Union muß die Sorgen der Bürger aufgreifen. Abgesehen von deren Sorgen um
Arbeitsplätze und Wirtschaft werden von Europa zunehmend Antworten auf ihre Fragen nach der
Umwelt, der Sicherheit und der Lebensqualität erwartet. Die Menschen wollen effiziente und
verantwortliche Institutionen, die sie nicht nur an den Entscheidungsprozessen in Europa beteiligen,
sondern auch ihre reichen und verschiedenen Kulturen und Traditionen berücksichtigen.
Die Kommission wird in den nächsten fünf Jahren vier strategische Ziele verfolgen:
- Konzipierung neuer Formen europäischer Entscheidungsprozesse. Das bedeutet, den
Menschen ein größeres Mitspracherecht einzuräumen, die Institutionen handlungsfähiger und
transparenter zu machen, indem insbesondere die Kommission selbst reformiert und anderen
Gremien damit ein Beispiel gegeben wird, die Institutionen den Anforderungen der Erweiterung
anzupassen, neue Formen der Partnerschaft zwischen den einzelnen Entscheidungsebenen in
Europa aufzubauen sowie einen aktiven und sichtbaren Beitrag Europas zur Entwicklung
globaler Entscheidungsprozesse zu leisten.
- Ein stabileres Europa mit einer stärkeren Stimme in der Welt. Höchste Priorität wird für
uns eine erfolgreiche Erweiterung und die Entwicklung einer echten Politik der
Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn haben. Wir streben aber auch eine engere
Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen und zwischen den Mitgliedstaaten
an und wollen Europa bereit machen, die Führung beim Aufbau einer neuen globalen
Wirtschaft zu übernehmen.
- Eine neue wirtschafts- und sozialpolitische Agenda. Das bedeutet, unsere Wirtschaft für
das digitale Zeitalter in einer Weise modernisieren, die Beschäftigung und nachhaltige
Entwicklung fördert, und zugleich unsere Systeme des sozialen Schutzes umzugestalten, um
eine gerechte und fürsorgliche Gesellschaft aufzubauen.
- Eine höhere Lebensqualität. Hier müssen wir effiziente Antworten auf Fragen geben, die wie
der Umweltschutz, die Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, Verbraucherrechte, Justiz und der
Schutz vor Verbrechen den Alltag unserer Bürger berühren.
Diese Herausforderungen kommen im nächsten Jahrzehnt auf uns zu. Wir werden diese
Herausforderungen vor der Weltöffentlichkeit annehmen. Machen wir dieses Jahrzehnt zu einem
Jahrzehnt des Erfolgs - zum Jahrzehnt Europas.
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1. Neue europäische Entscheidungsstrukturen
Um die komplizierten Herausforderungen bewältigen zu können, sind auf europäischer Ebene neue
Entscheidungsstrukturen erforderlich. Dies ist nicht allein Aufgabe der europäischen Organe. Die
Regierungen und Parlamente sowie die regionalen und lokalen Behörden der
Mitgliedstaaten sind integraler Bestandteil der europäischen Entscheidungsstrukturen und
somit maßgeblich an der Politik der Union im Hinblick auf Gestaltung, Durchführung und
Präsentation beteiligt.
So liegt die Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik weitgehend bei den Mitgliedstaaten. Die
Struktur- und Kohäsionspolitik der Union wird in partnerschaftlicher Abstimmung mit den Regionen
konzipiert und verwirklicht. Zahlreiche Programme werden auf nationaler oder regionaler Ebene
durchgeführt. Es gibt kaum einen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Bereich, der nicht von der
Politik und den Rechtsvorschriften der Europäischen Union berührt würde und bei dem die
Mitgliedstaaten nicht Teil der europäischen Entscheidungsstrukturen wären.
Dieser Sachverhalt wird von den Bürgern jedoch kaum erkannt. Das Gefühl der Bürger, an den ihr
Leben prägenden Entscheidungsstrukturen teilzuhaben, ist erst sehr schwach ausgeprägt. Sie
unterscheiden kaum zwischen den Organen und halten die Politik der Union und der
Mitgliedstaaten weiterhin für getrennte Welten. "Brüssel" ist noch immer ein abstrakter Begriff. In
Wirklichkeit aber gilt: "Brüssel" betrifft uns alle!
Nichts ist weniger wahr als die Idee der getrennten Welten. Die Verflechtung zwischen politischen
Entscheidungen der Mitgliedstaaten und Entscheidungsprozessen der Union ist in den letzten
Jahren
immer
größer
geworden.
Die
makroökonomische
Koordinierung,
die
beschäftigungspolitischen Leitlinien und der Cardiff-Prozeß im Bereich der Strukturreformen
bestätigen die Europäisierung des Entscheidungsprozesses, in dem die Mitgliedstaaten und die
Gemeinschaft ihre Politik abstimmen, gegenseitig ergänzen und verstärken.
Die großen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts wie Globalisierung, Überalterung der
Bevölkerung, Internet-Revolution, Beschäftigung und soziale Eingliederung erfordern eine
Vertiefung dieses Prozesses. Der europäische Entscheidungsprozeß benötigt starke Institutionen,
eine gemeinsame Zukunftsvision und eine treibende Kraft, aber auch demokratische Kontrolle
und die volle Einbindung unserer Bürger.
In ihrer Stellungnahme zur Regierungskonferenz hat die Kommission klar zum Ausdruck
gebracht, daß die Union angesichts der Erweiterung handlungsfähige und starke Organe braucht.
Die erweiterte Union sollte größer und stärker sein. Die Regierungskonferenz wird sich am Ehrgeiz
einer Union messen lassen müssen, die bereit ist, dem Streben von über 500 Millionen Europäern
nach Frieden, Stabilität und Wohlstand Rechnung zu tragen. Das bisher Erreichte darf allerdings in
keiner Weise verwässert werden.
Die Kommission muß in diesem Prozeß mit ihrem Denken und Handeln treibende Kraft bleiben. Sie
wird sich stärker auf ihre Kernaufgaben wie politische Konzeptionen und Initiativen,
Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, Überwachung sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen,
Förderung, Verhandlungen und erforderlichenfalls Vorschläge für Rechtsvorschriften
konzentrieren. Derzeit ist fast die Hälfte aller Kommissionsbediensteten mit ausführenden
Aufgaben beschäftigt, d.h. mit der Umsetzung der Politik sowie der Verwaltung und Kontrolle von
Programmen und Projekten.
Wir müssen unsere Prioritäten klar festlegen, sie auf die zur Verfügung zu stellende Personalund Finanzausstattung abstimmen und sicherstellen, daß beide optimal genutzt werden. Das
sind die Schwerpunkte, die mit dem Weißbuch über die Reform neue Impulse erhalten werden.
Allerdings kann eine solche Neuausrichtung auf die Kernaufgaben nicht von der Kommission allein
bewerkstelligt werden. Vielmehr verlangt dies ein ebensolches Engagement des Rates und des
Parlaments. Das gleiche gilt für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.
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Auch neue Mittel und Wege der Delegierung und Dezentralisierung laufender
Verwaltungsaufgaben
stehen
im
Mittelpunkt
jedweder
Reform
europäischer
Entscheidungsstrukturen. In einem erweiterten Europa müssen sowohl der Inhalt als auch die
Umsetzung unserer Politik überdacht werden.
Die europäischen Entscheidungs- und Führungsstrukturen sollten die europäische Union trotz der
institutionellen Regelungen und der Drei-Pfeiler-Struktur in die Lage versetzen, weltweit mit einer
Stimme zu sprechen. Aufgrund unserer Integrationserfahrung und unseres einzigartigen
Gesellschaftsmodells haben wir sehr viel zu bieten. Wir sind ein globaler Akteur und spielen im
Handel, bei Hilfsmaßnahmen und im Finanzwesen eine führende Rolle. Dennoch ist die Union als
solche in den internationalen Finanzinstitutionen und den UN-Sonderorganisationen nicht voll
vertreten. Diese Anomalie muß korrigiert werden. Der Eintritt in eine europäische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik ist ein weiterer Grund für die Union, auf unserem Kontinent und darüber hinaus
mit einer starken und einheitlichen Stimme zu sprechen.
Nicht zuletzt müssen unserer Bürger in die Gestaltung und die Verwirklichung der Politik
gewährleisten eingebunden werden. Die Kommission wird ihrem Engagement zu Transparenz und
Rechenschaftspflicht nachkommen.
In diesem Zusammenhang kommt der Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle zu. Die
Kommission wird demnächst einen Vorschlag dazu vorlegen, wie die Zivilgesellschaft stärker in die
Gestaltung und Verwirklichung der Politik einbezogen werden kann, damit die gesellschaftliche und
wirtschaftliche Vielfalt Europas unionsweit angemessen vertreten ist.
Um ihren Beitrag zur Entwicklung neuer politischer Entscheidungsformen in Europa zu leisten,
beabsichtigt die Kommission, ein Weißbuch zu veröffentlichen.
1. Unseren Kontinent stabilisieren und Europas Stimme in der Welt
Stärken
Europa sieht sich drei Herausforderungen gegenüber: den geopolitischen Umbrüchen, der
Globalisierung und der Schwäche des internationalen Systems.
Europa steht im Zentrum wichtiger geopolitischer Veränderungen. Diese Entwicklung birgt
Hoffnung und Erneuerung in sich, ist aber auch Quelle von Ungewißheit und Instabilität.
Unsere Ziele sind, den Kontinent zu stabilisieren und andere an unseren wesentlichen Werten
teilhaben zu lassen. Unser Ehrgeiz muß darin bestehen, unsere Stabilität und unseren Wohlstand
zu exportieren.
Dazu müssen wir unsere Erweiterungsstrategie fortsetzen, die die einmalige Chance bietet,
unseren Raum der Freiheit, der Stabilität, des Wohlstands und des Friedens auszudehnen. Wir
erweitern nicht nur eine Handelszone, sondern auch einen regionalen Zusammenschluß völlig
neuen Zuschnitts, dessen Völker dieselben Werte und Ambitionen teilen. Die Kommission erwartet,
daß die ersten neuen Mitgliedstaaten noch vor dem Ende ihres Mandats beitreten werden.
Dennoch müssen die Bewerberländer nach ihren jeweiligen Verdiensten beurteilt werden, und alle
verfügbaren Instrumente müssen eingesetzt werden, um ihre Bemühungen zu unterstützen. Ein
derartiger Ehrgeiz bleibt nicht ohne erhebliche Folgen für unsere Institutionen und unsere Politik.
Wir müssen auch echte strategische Partnerschaften mit den Ländern zuwege bringen, die an
das erweiterte Europa angrenzen. Diese Grenzen dürfen nicht zu einer neuen Trennlinie zwischen
Stabilität und Wohlstand auf der einen und Instabilität, Konflikten und Entwicklungsrückstand auf
der anderen Seite werden.
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Der Prozeß der Stabilisierung und Assoziierung der Balkanländer ist fortzuführen, damit diese
Länder sich den Strukturen der Union anpassen können; im Sinne unserer gemeinsamen Strategie
sind die Zusammenarbeit mit Rußland und der Ukraine ebenso wie die Beziehungen zu den
Kaukasusländern auszubauen; im Mittelmeerraum bildet der Barcelona-Prozeß das Rückgrat einer
Gesamtstrategie, die eine wachsende Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten und
die Intensivierung unserer politischen Beziehungen zu den Maghreb-Ländern umfaßt. Auf längere
Sicht sollte dies das Entstehen einer auf Rechtsstaatlichkeit und dauerhafter Entwicklung
gegründeten Partnerschaft möglich machen.
Die Globalisierung bietet neue Möglichkeiten für Handel, Investitionen und technologische
Entwicklung, hat aber nicht nur positive Folgen. Sie hat insbesondere eher ausgrenzend als
integrierend gewirkt und die Ungleichheiten zwischen Ländern und - innerhalb der Länder zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Regionen verstärkt. Außerdem können durch das
Auftreten weltweit operierender Unternehmen mit weltweiten Strategien die demokratischen
Verfahren ausgehöhlt und die Politik einer nachhaltigen Entwicklung in Frage gestellt werden.
Das Ziel Europas muß es sein, die Globalisierung mit dem Geminwohl in Einklang zu bringen. Sie
darf, wie die Krise des Jahres 1997 gezeigt hat, nicht sich selbst überlassen werden. Ihr Potential
ist zu maximieren, und ihre unerwünschten Nebenwirkungen sind zu minimieren. Die Union
kann einen wesentlichen Beitrag zur Reform des internationalen Wirtschaftsgefüges und zur
Schaffung eines Mechanismus der kollektiven Steuerung leisten.
Die Union muß auf eine größere Kohärenz in der Gestaltung der Weltwirtschaft, auf eine
schrittweise Einbeziehung der Entwicklungsländer, eine nachhaltige Entwicklung und die
Aufstellung neuer "Spielregeln" hinwirken, die von wesentlicher Bedeutung sind, damit die Vorteile
der Globalisierung gerecht verteilt werden und der größtmöglichen Zahl zugute kommen. Es sollten
Mindeststandards in den Bereichen Wettbewerb, Soziales, Umwelt und Investitionen geschaffen
werden.
Europa bekräftigt sein strategisches Interesse an der Wiederaufnahme der Milleniumsrunde und im Lichte der Tagung von Seattle - an der Reform der Funktionsweise der WTO.
Die Schwäche des internationalen Systems, die wachsende Zahl von Konflikten, die Zunahme
der Armut und die Ausbreitung des Organisierten Verbrechens verlangen von der Union ein
entschlossenes Vorgehen.
Unser Ziel muß es sein, Europa zu einem Akteur auf der Weltbühne zu machen, einem Akteur,
dessen politisches Gewicht seiner Wirtschaftskraft entspricht, der mit einer starken Stimme
sprechen und in die Gestaltung der internationalen Politik entscheidend eingreifen kann.
Wir müssen die neuen Vertragsvorschriften nutzen und in enger Verbindung mit dem Hohen
Vertreter eine echte Außenpolitik der Union entwickeln. Im Rahmen der Verteidigungs- und
Sicherheitspolitik müssen wir auch unsere zivilen und militärischen Mittel erweitern. Die
Kommission will, wie es ihre Aufgabe ist, einen umfassenden politischen Beitrag leisten und nicht
nur bloße technische Unterstützung. Dies erfordert insbesondere ein System der Krisenprävention
und des Krisenmanagements als Teil der Gemeinschaftsinstrumente und die Schaffung eines
Fonds, mit dem bei nichtmilitärischen Krisen rasch reagiert werden kann.
Europa muß auch seine Rolle als solidarischer Partner der Entwicklungsländer stärken und sein
Vorgehen wieder auf die Bekämpfung der Armut konzentrieren. Die Übertragung unserer
wesentlichen Werte auf Weltebene und die Weiterverfolgung unseres Ziels der nachhaltigen
Entwicklung müssen in einer intensiven Solidarität zum Ausdruck kommen, die durch eine die
gemeinsamen Interessen berücksichtigende Handelspolitik gestützt wird. Über die
Entwicklungszusammenarbeit hinaus müssen wir dafür eintreten, daß diese Länder in die
Weltwirtschaft integriert und daß beispielhafte interne Strategien gefördert werden.
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Dies muß sich in einer zunehmenden Kohärenz aller unserer politischen Maßnahmen
niederschlagen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken. Eine solche Kohärenz läßt sich
nicht ohne mehr Koordinierung und Komplementarität der Maßnahmen der Mitgliedstaaten
erreichen.
Auf außenpolitischer Ebene sieht sich die Kommission oft veranlaßt, Hilfsprogramme
durchzuführen. Die Glaubwürdigkeit der Union und die Fortführung ihrer strategischen Ziele hängen
zwangsläufig von einer eindeutigen Verbesserung der Effizienz und der Wirksamkeit dieser
Maßnahmen ab. Die Kommission beabsichtigt, dieses Problem entschlossen anzugehen. Sie zählt
auf die anderen Organe, auf daß sie ihr helfen, ein einfacheres und funktionsfähigeres System
aufzubauen.
1. Auf dem Weg zu einer neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Agenda
Europa wächst zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum zusammen. Als erste Handelsmacht und
größter Gläubiger in der Welt spielt Europa in der Weltwirtschaft eine Schlüsselrolle. Langfristig läßt
sich das Wachstum in der Europäischen Union durchaus mit dem der Vereinigten Staaten
vergleichen, auch wenn die Zuwachsraten und Beschäftigungszahlen in den letzten Jahren in den
Vereinigten Staaten höher waren als in der Europäischen Union.
Europa muß auf der Grundlage von Wissen und Innovation sowie einer nachhaltigen
wirtschaftlichen
Entwicklungsstrategie
zu
einem
global
wettbewerbsfähigen
Wirtschaftsraum werden. Aufgrund des Binnenmarktes und der einheitlichen Währung verfügt
Europa über die notwendige kritische Masse, um die Chancen der Weltmärkte und der
technologischen Revolution zu nutzen. Europa verfügt zwar über solide wissenschaftliche und
technologische Voraussetzungen, aber die unvollständige Nutzung der Ressourcen ist Europas
größte Schwäche. Unser gesamtes Potential muß freigesetzt werden.
Dies ist nirgends offensichtlicher als im Beschäftigungsbereich. Über 15 Millionen Menschen sind
arbeitslos. Arbeitslosigkeit ist die Hauptursache von Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Sie
führt zu einer untragbaren Belastung unserer Sozialversicherungssysteme. In Zukunft wird es
weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter geben, deren Beiträge benötigt werden, um die nicht
erwerbstätige Bevölkerung zu unterstützen.
Bei der Einführung des elektronischen Handels und neuer, Wohlstand schaffender Technologien,
vor allem im Bereich der Informationstechnologie, liegt Europa hinter seinen Hauptkonkurrenten,
insbesondere den Vereinigten Staaten, zurück. Doch auf anderen Gebieten, wie bei der
Mobilkommunikation, ist Europa weltweit führend.
Für die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Entwicklung Europas wird die Energie eine
wesentliche Rolle spielen. Die Kommission wird eine energiepolitische Diskussion, insbesondere
über Versorgungsquellen von langfristig strategischer Bedeutung, führen.
Die Europäische Union braucht eine neue wirtschafts- und sozialpolitische Agenda zum Aufbau
einer wettbewerbsfähigen und wissensbasierten Wirtschaft, die ein kräftiges und nachhaltiges
Wachstum, Vollbeschäftigung und sozialen Zusammenhalt fördert.
Das makroökonomische Klima hierfür ist günstig, da die europäische Wirtschaft in den nächsten
Jahren ein rasches Wachstum verzeichnen dürfte. Der Euro hat zur allgemeinen Akzeptanz einer
Kultur der wirtschaftlichen Stabilität beigetragen, d.h. zu einem Konsens hinsichtlich stabiler Preise,
gesunder Staatsfinanzen und moderater Lohnabschlüsse. Wenn der Euro erst einmal vollständig
eingeführt ist, wird sich das Gewicht zusätzlich auf eine Kultur der Dynamik verlagern, die in den
nächsten zehn Jahren für Innovationen und eine nachhaltige Entwicklung sorgt.
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Für ein koordiniertes Vorgehen auf EU- und nationaler Ebene gelten folgende
Prioritäten:
- Erreichen von Vollbeschäftigung als Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik und Senkung der
Arbeitslosigkeit auf ein Niveau, das von den leistungsfähigsten Ländern bereits erreicht wurde.
- Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Dynamik durch wirtschaftliche Reformen auf den
Arbeits-, Produkt- und Kapitalmärkten mit dem Ziel der Förderung von Innovation und
Unternehmertum. Diese Reform wird begleitet von einer rigorosen Anwendung der
Wettbewerbsvorschriften und weiteren Fortschritten bei der Koordinierung der Steuerpolitik. Der
Übergang zu einer Informationsgesellschaft sollte mit der gleichen politischen Energie und
Aufmerksamkeit betrieben werden, wie sie bei der Einführung des Binnenmarkts und der
einheitlichen Währung an den Tag gelegt wurde. Die bevorstehende Sondertagung des
Europäischen Rates in Lissabon sollte diesen unerläßlichen Reformen den nötigen Impuls
geben.
- Nachhaltige Sicherung der Renten durch eine Kombination von arbeitsplatzschaffenden
Reformen, Verbreiterung der Steuerbasis und Überprüfung der Rentensysteme angesichts der
neuen demographischen Lage und der Gesundheitssituation in Europa. Auch wenn das
Ergebnis der Reform ein gemeinsames Anliegen ist, müssen die Mitgliedstaaten weiterhin für
die Modernisierung der Sozialschutzsysteme verantwortlich sein. Der Europäischen Union fällt
die Aufgabe zu, die Mitgliedstaaten bei ihren Modernisierungsbemühungen zu unterstützen.
- Entwicklung einer europäischen Strategie zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung
sowie zur Verringerung der Armut und der Unterschiede zwischen den Regionen und
Gebieten in Europa. Hierzu wird die Kommission ihre sozialpolitische Agenda für die
kommenden Jahre weiterentwickeln. Sie strebt an, die Gemeinschaftsmaßnahmen auf den
Gebieten Beschäftigung, Arbeitsumfeld, Sozialschutz, sozialer Dialog, Chancengleichheit,
Bekämpfung der Diskriminierung und gesellschaftliche Eingliederung zu integrieren. Die
Kommission wird den Mitgliedstaaten nahelegen, hochgesteckte, aber realistische Ziele zu
verfolgen.
- Überprüfung der Qualität der öffentlichen Ausgaben und der langfristigen Tragfähigkeit
der öffentlichen Finanzen. Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen sind für
den Beitrag der öffentlichen Hand zu Wachstum und Beschäftigung von besonderer
Bedeutung. Wir müssen ferner sicherstellen, daß sich die öffentlichen Finanzen auf einem
langfristig tragbaren Pfad befinden. Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist die
Kommission zu Vorschlägen bereit, um den Überwachungsprozeß auf diesem Gebiet zu
vertiefen und erweitern.
- Förderung der europäischen Forschung durch Verbesserung von Kohärenz und Effizienz
der Forschung auf einzelstaatlicher Ebene. Die Kommission wird die kürzlich im
Zusammenhang mit der dringend erforderlichen Schaffung eines europäischen
Forschungsraums eingeleitete Debatte fortführen.
- Förderung von Investitionen in Humankapital zur Vorbereitung junger Menschen auf eine
wissensgestützte Gesellschaft und zur Entwicklung der Industrien für audiovisuelle Medien
und für Multimedia-Inhalte.
- Es ist auch erforderlich, das europäische Agrarmodell fortzuentwickeln und zu stärken,
um die Wettbewerbsfähigkkeit dieses Sektors zu stärken, seine Nachhaltigkeit sicherzustellen
und um lebensfähige ländliche Räume zu schaffen.
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1. Bessere Lebensqualität für alle
Neben unseren Sorgen um Arbeitsplätze, die wirtschaftliche Lage und eine gerechte Gesellschaft
wird von Europa zunehmend erwartet, daß es einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung unserer
Lebensqualität leistet und die europäische Staatsbürgerschaft durch Anerkennung unseres reichen
und vielfältigen kulturellen, sprachlichen und ethnischen Erbes bestätigt.
Die Probleme der Kriminalität und der persönlichen Sicherheit sind nicht mehr an den
nationalen Grenzen aufzuhalten. Daher erwarten die europäischen Bürger, daß ihre Rechte
geschützt und gestärkt werden, wo immer sie sich in der Union befinden.
Die Union muß die Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
beschleunigen, in dem sich der Bürger geschützt fühlt und seine Rechte wirksam ausüben kann.
Die Kommission wird die Vorarbeiten zu einer Europäischen Charta der Grundrechte fortsetzen und
Vorschläge zur Durchführung eines ambitionierten Programms unterbreiten, das die Mitgliedstaaten
in Tampere beschlossen haben und mit dem aus der Union ein Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts werden soll. Insbesondere wird die Kommission vorschlagen, daß eine echte
europäische Asyl- und Zuwanderungspolitik konzipiert wird. Sie spricht sich dafür aus, daß die
Rechtshilfe und die justitielle Zusammenarbeit verstärkt und ein wirksamer Ansatz zur Bekämpfung
jeder Form von Kriminalität entwickelt wird.
Die Umweltschäden erreichen ein beunruhigendes Ausmaß, und die bisherige Entwicklung kann so
nicht weitergehen. Dies ruft echte Beunruhigung und Empörung hervor und verlangt nach einer
kollektiven und entschlossenen Reaktion.
Die Antwort der Union auf diese Erwartungen wird sehr vielfältig ausfallen. Zunächst muß es sich
um eine Strategie der nachhaltigen Entwicklung handeln, die die dauerhafte Umweltentwicklung,
dauerhaften sozialen Fortschritt und dauerhaftes Wirtschaftswachstum in Einklang bringt. Die
Folgekonferenz zehn Jahre nach dem Gipfel von Rio muß der Strategie für eine weltweit
nachhaltige Entwicklung neue Impulse verleihen. Hauptziel sind weitere Fortschritte bei der
Einbeziehung von Umweltfragen in die anderen Politikbereiche und Wirtschaftssektoren, greifbare
Ergebnisse auf europäischer und internationaler Ebene bei den in Kyoto eingegangenen
Verpflichtungen und neue Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Außerdem müssen
unsere Umweltvorschriften verbessert, ergänzt und in vollem Umfang durchgesetzt werden.
Die Bürger bestehen zu Recht darauf, daß wir über die höchsten Normen für
Lebensmittelsicherheit verfügen sollten. Sie sorgen sich um die Folgen der neuen Technologien
und neuen Beschäftigungsformen in einem Europa, dessen Binnengrenzen fallen. Sie erwarten,
daß ihre Rechte in einem integrierten Markt gestärkt werden.
Die Kommission wird die Vorschläge ihres Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit und zur
Schaffung einer europäischen Lebensmittelbehörde umsetzen. Sie möchte das Vertrauen der
Bürger und Verbraucher fördern, insbesondere im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs.
Erwartet wird auch, daß Europa auf die Verkehrsprobleme im Zusammenhang mit der Sicherheit
und den Verzögerungen im Luftverkehr sowie der Verkehrsbelastung in städtischen Gebieten
reagiert und eine Lösung herbeiführt, welche die Erfordernisse sicherer Verkehrsmittel und
zunehmender Mobilität mit den Umweltschutzzielen in Einklang bringt.
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Die Kommission möchte eine echte Integration des europäischen Verkehrsraums, insbesondere im
Wege der Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums und der Entwicklung
transeuropäischer Netze. Sie wird die neuen Technologien nutzen, um die Schaffung eines
intelligenten und multimodalen Verkehrssystems zu fördern. Sie wird im übrigen die Errichtung
einer europäischen Behörde für Luftverkehrssicherheit vorschlagen. Außerdem beabsichtigt sie, die
Sicherheits- und Ausbildungsnormen im Seeverkehr zu verbessern.
1. Schlussfolgerungen
Die fünfjährige Amtszeit der Prodi-Kommission wird eine Zeit großer Veränderungen sein. Europa
wird in der Integration voranschreiten und zugleich wird die Union eine Erweiterungsphase
einleiten, die schließlich zur Wiedervereinigung unseres Kontinents führt.
Einige Schlüsseldaten auf diesem Weg stehen bereits fest. Der Abschluß der Regierungskonferenz
ist bis zum Jahresende vorgesehen. Euro-Banknoten und Münzen sollen im Januar 2002 eingeführt
werden, und die Union wird bis zum Ende dieses Jahres zur Aufnahme neuer Mitglieder bereit sein.
Im Juni 2004 werden Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden. Die Vorarbeiten für die
Erweiterung und deren Auswirkungen werden auch die Grundlagen für eine Überprüfung der
Finanziellen Vorausschau der Union bilden, die spätestens im Jahr 2006 ansteht.
Die Kommission ist bereit zu handeln und bereit, sich daran messen zu lassen, wie sie in den
nächsten fünf Jahren vor allem diese Prioritäten verwirklicht.
Wir werden die interne Reform erfolgreich abschließen und uns zunehmend auf unsere
Kernaufgaben konzentrieren.
Wir werden die Verhandlungen über die Erweiterung mit Nachdruck führen und uns für eine
effiziente Zusammenarbeit mit unseren unmittelbaren Nachbarn einsetzen.
Wir werden im Rahmen einer neuen Milleniumsrunde darauf hinarbeiten, daß die Kräfte der
Globalisierung den Bedürfnissen der Welt entsprechend genutzt werden und daß eine nachhaltige
Entwicklung sichergestellt ist.
Wir werden uns für eine neue wirtschafts- und sozialpolitische Agenda einsetzen, um die
Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und um Arbeitsplätze zu schaffen.
Wir werden mit Umweltschutzmaßnahmen, der Umsetzung der Tampere-Beschlüsse, und den im
Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vorgesehenen Maßnahmen und darauf hinwirken, daß die
Lebensbedingungen in Europa besser und sicherer werden.
Wir werden eine führende Rolle in der Diskussion darüber übernehmen, wie ein erweitertes Europa
regiert werden soll, damit Vielfalt und Dezentralisierung mit der Notwendigkeit starker Institutionen
und eines koordinierten Handelns in Einklang gebracht werden.
Ein echter Erfolg ist nur möglich, wenn alle Institutionen gemeinsam agieren und die breite
Öffentlichkeit Vertrauen in Europa hat. Die sehr niedrige Beteiligung an den letzten Wahlen zum
Europäischen Parlament zeigt, wie wichtig es ist, die Unterstützung der Öffenlichkeit für den
gesamten Integrationsprozeß zurückzugewinnen.
Schwierige Herausforderungen kommen auf uns zu. Aber wenn wir als Europäer mit unserem
ausgeprägten Selbstverständnis und unseren engen Bindungen untereinander zusammenarbeiten,
können wir diese Herausforderungen bewältigen. Gehen wir das neue Jahrhundert mit Optimismus
und Zuversicht an.
Gemeinsam wollen wir ein dynamisches Neues Europa gestalten.
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